Roman
Ins Deutsche übertragen
von Ralph Sander
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Impressum
Roman
Ins Deutsche übertragen
von Ralph Sander
Prolog
„Wieso dauert das denn so lange?“
Garrett Mortimers Frage veranlasste Decker Argeneau Pimms dazu, sich vom langweiligen Anblick seiner Daumen, die er umeinander kreisen ließ, loszureißen. Er beobachtete, wie der blonde Vollstrecker erst zweimal vor ihm auf und ab ging, ehe er entgegnete: „Die sind bestimmt bald fertig.“
Als Mortimer daraufhin nur mit einem Brummeln reagierte und weiter hin und her streifte, ließ Decker den Kopf auf die Rückenlehne der dunklen Ledercouch sinken und schloss die Augen. Im Zimmer herrschte eine so nervöse und angespannte Atmosphäre, dass er es am liebsten verlassen hätte. Dummerweise war dies hier sein Cottage, und eigentlich hatte er Ferien machen wollen, was jedoch durch einen einzigen Anruf zunichtegemacht worden war.
Am dritten Tag seines Urlaubs hatte Lucian sich telefonisch bei ihm gemeldet und ihn wissen lassen, dass in der Gegend wiederholt Sterbliche mit Bissspuren am Hals gesichtet worden waren. Lucian war nicht nur sein Onkel, sondern vor allem der Kopf der unsterblichen Jäger und damit sein Boss, der ihm auf diesem Weg mitteilen wollte, dass zwei Jäger des Rats zu ihm in den Norden unterwegs waren. Ob sie sich wohl bei ihm einquartieren dürften? Und ob er ihnen bei der Suche nach dem Täter behilflich sein könne? Dumm wie er war, hatte Decker natürlich beidem zugestimmt.
Er verzog das Gesicht angesichts seiner eigenen Blödheit, wusste jedoch, dass er eigentlich keine andere Wahl hatte. Er war selbst für den Rat als Jäger, eine Art Polizei-Vampir, tätig. Seine Aufgabe war es, abtrünnige Unsterbliche aufzuspüren, die durch ihr Verhalten das Wohl ihres eigenen Volks oder das der Sterblichen in Gefahr brachten. Während Letztere durch einen Biss keinen größeren Schaden erlitten – vorausgesetzt, dass nicht zu viel von ihrem Blut getrunken wurde –, erhöhte ein solches Gebaren für die Unsterblichen indes das Risiko, dass jemand auf ihre Existenz aufmerksam wurde, weshalb es seit der Einrichtung der ersten Blutbank Nordamerikas unter Strafe stand, Sterbliche zu beißen. Lediglich absolute Notsituationen konnten ein solches Handeln rechtfertigen.
Dennoch gab es immer wieder Unsterbliche, welche die alte Methode bevorzugten und lieber direkt von der Quelle tranken. Sie waren es, die zum Schutz der übrigen gefasst werden mussten, um ihrem Treiben ein Ende zu setzen. Und genau diese Aufgabe erledigten Jäger wie Decker und Garrett Mortimer.
Meistens empfand Decker es als durchaus befriedigend, sein Volk, aber auch Sterbliche, vor abtrünnigen Vampiren zu beschützen. Nicht so dieses Mal, hatte man ihm seinen Urlaub doch gründlich verdorben. Zwei Wochen lang waren sie auf der Suche nach einem Abtrünnigen gewesen, der sich letztlich als keiner herausgestellt hatte.
Decker schlug die Augen auf und schaute zum anderen Ende der Couch hinüber, wo sich der mutmaßliche Abtrünnige hingesetzt hatte – ein schlanker, dunkelhaariger Mann namens Grant. Decker war es bislang egal gewesen, ob es sich dabei um dessen Vor- oder Nachnamen handelte. Er war viel zu sauer darüber, dass sein Urlaub nicht wegen eines abtrünnigen Vampirs ruiniert worden war, sondern durch eine Angestellte in der Bestellannahme der Argeneau-Blutbank. Sie hatte sich über den Mann geärgert und deswegen absichtlich dessen Blutbestellungen verschlampt, sodass Grant dazu gezwungen gewesen war, in der Zeit bis zum Eintreffen einer neuen Lieferung Sterbliche zu beißen.
Zwar vermutete Decker, dass dem Mann kein Ärger drohte, da es sich hierbei um einen echten Notfall gehandelt hatte, dennoch kaute Grant nervös an seinen Fingernägeln und machte einen genauso beunruhigten Eindruck wie Mortimer. Decker konnte es ihm nicht verübeln. Eine Begegnung mit Lucian Argeneau konnte ein durchaus einschüchterndes Erlebnis sein. Der Kopf des Rats der Unsterblichen – und damit zugleich der Chef aller Jäger des Rats – war einer der ältesten noch lebenden Unsterblichen, was ihn folgerichtig zu einem unerbittlichen Mann machte.
„Vielleicht sollte ich raufgehen und nach dem Rechten sehen“, murmelte Mortimer.
Decker wandte sich wieder dem blonden Mann zu, der vor ihm stehen geblieben war, und schüttelte den Kopf. „Das halte ich für keine gute Idee, mein Freund.“
Mortimer runzelte die Stirn, brummelte abermals etwas vor sich hin und ging weiter im Zimmer auf und ab, wobei sein Blick immer wieder zur Treppe am anderen Ende des Raumes wanderte.
Decker merkte ihm an, dass er sich nicht mehr lange würde beherrschen können, bis er nach oben stürmte, um wieder bei Samantha zu sein. Und er konnte ihn nur allzu gut verstehen, da er sich wahrscheinlich genauso fühlen würde, wäre diese Frau seine Lebensgefährtin.
Erneut lehnte er sich mit dem Kopf gegen den Couchrücken und schloss die Augen. Diese nutzlose Jagd hatte auch ihr Gutes gehabt: Mortimer war Samantha begegnet. Wenn einer von ihnen seinen Lebensgefährten fand, war dies stets ein freudiges Ereignis. Schade nur, dass diese Frau ihre Eltern verloren hatte und mit ihren Geschwistern kaum Kontakt zu ihren wenigen Verwandten pflegte. Infolgedessen stand sie ihren beiden Schwestern besonders nahe und wollte sich nicht wandeln lassen, da sie sonst in gut zehn Jahren aus deren Leben hätte verschwinden müssen. Es durfte nicht auffallen, dass sie nicht alterte. Und genau diese Entscheidung war nun der Grund dafür, weshalb sie gegenwärtig von Lucian in die Mangel genommen wurde, während Mortimer allmählich durchdrehte, da er endlich wissen wollte, was die Zukunft ihm bringen würde.
Sollte Lucian mit Sams Entschluss einverstanden sein und sie keine Bedrohung für sein Volk darstellen, so konnten sie und Mortimer sich auf ein gemeinsames Leben freuen. Wenn Lucian sich allerdings gegen die beiden entschied, stand Sam vor der Wahl, sich doch noch wandeln zu lassen oder aber all ihrer Erinnerungen an jenen Mann beraubt zu werden, der gerade ein Loch in den Teppich zu laufen drohte, wenn er nicht bald stehen blieb. Im Gegensatz zu Sam würde Mortimer dagegen niemals vergessen, dass er seine Lebensgefährtin gefunden und wieder verloren hatte. Und er würde sich niemals wieder in ihre Nähe begeben dürfen, da zu befürchten war, dass sie ihre gelöschte Erinnerung an ihn zurückerlangte. Ein solches Szenario wäre die Hölle auf Erden, und Decker konnte nur hoffen, niemals selbst in eine solche Situation zu geraten.
Ein leises, frustriertes Grollen veranlasste ihn, die Augen wieder zu öffnen. Zur Abwechslung stand Mortimer nun einfach nur da und starrte grimmig zur Treppe. Da Decker befürchtete, dass Mortimer mit seiner Geduld langsam am Ende war und etwas tun könnte, was er später bedauern würde, versuchte er ihn abzulenken. „Was ist mir da eigentlich zu Ohren gekommen? Es soll ein neues Hauptquartier für Jäger eingerichtet werden, und du sollst es vielleicht leiten?“
Mortimer wandte den Blick von den Stufen ab und zuckte mit den Schultern. „Nachdem Lucian jetzt seine Lebensgefährtin gefunden hat, hält er es für unpassend, dass wir weiterhin sein Haus als Basislager benutzen, wenn wir in der Gegend zu tun haben. Er ist der Meinung, ein richtiges Hauptquartier sei die beste Lösung, weshalb er veranlasst hat, dass ein Gebäude in der Nähe seines Hauses am Stadtrand von Toronto gekauft wird. Als er herkam, hat er mir die Leitung angeboten.“
Während Mortimer redete, nickte Decker und tat so, als hätte er von der Unterhaltung zwischen den beiden Männern nichts mitbekommen. „Auf diese Weise kannst du wenigstens in Sams Nähe bleiben.“
„Ja“, antwortete Mortimer mit verbitterter Miene und seufzte. „Vorausgesetzt, wir dürfen zusammenbleiben.“
Insgeheim hätte sich Decker selbst ohrfeigen können, weil ihm nicht früh genug aufgefallen war, dass die Unterhaltung letztlich wieder Sam zum Thema haben würde. Gerade überlegte er, was er noch sagen könnte, um Mortimer auf andere Gedanken zu bringen, als er hörte, wie auf dem Holzboden im Stockwerk über ihnen ein Stuhl gerückt wurde. Dann folgten leise Schritte. „Klingt, als wären sie fertig.“
„Gott sei Dank“, murmelte Mortimer, doch Decker merkte ihm an, dass ihn diese Tatsache nicht beruhigte, sondern im Gegenteil noch nervöser machte, da er nun jede Sekunde erfahren würde, wie seine Zukunft aussehen sollte.
Decker blickte zur Treppe und sah, wie Sam, gefolgt von Lucian, nach unten kam. Er machte sich gar nicht erst die Mühe, seinen Onkel anzusehen, der wie gewohnt eine versteinerte Miene zur Schau trug und dem kaum anzusehen war, was er dachte oder fühlte. Stattdessen konzentrierte er sich auf Sam. Doch sie ließ ebenso wenig durchblicken, was gerade in ihr vorging. Vermutlich hing dies mit der Tatsache zusammen, dass sie Anwältin war. Ein Pokerface hatte in ihrem Beruf zweifellos seine Vorteile, überlegte er und beschloss, ihre Gedanken zu lesen. Was er dort sah, war ein Durcheinander aus Wut und Erleichterung. Wie es schien, hatte sich Lucian wie üblich von seiner direkten Seite gezeigt und Sam unverblümt klargemacht, dass sie mit dem Tod bestraft werden würde, sollte sie jemals sein Volk hintergehen und anderen von der Existenz der Unsterblichen erzählen. Aber immerhin hatte er zugestimmt, dass sie Mortimers Lebensgefährtin sein durfte, ohne sich wandeln lassen zu müssen.
Zudem fand Decker heraus, dass es Lucian gelungen war, sie davon zu überzeugen, in ihrer Anwaltskanzlei zu kündigen und stattdessen für die Jäger zu arbeiten. Diese Entwicklung erstaunte ihn, wusste er doch, dass sich Sams Leben vor ihrer Begegnung mit Mortimer einzig um ihre Karriere in dieser Kanzlei gedreht hatte. Aber wie es schien, war ihr in den letzten zwei Wochen bewusst geworden, dass ihr dies alles gar nicht so viel bedeutete. Und wenn sie schon nicht auf ihre Schwestern verzichten wollte, um mit Mortimer zusammenzuleben, so war sie dennoch dazu bereit, ihren Job aufzugeben. Dabei war es mit Sicherheit förderlich gewesen, dass Lucian sie auf die zahlreichen rechtlichen Aspekte hingewiesen hatte, die beachtet werden mussten, wenn ein Abtrünniger gejagt und unschädlich gemacht wurde. In der heutigen, von Papierkram aller Art beherrschten Welt konnte niemand einfach so verschwinden, nicht einmal ein Unsterblicher.
„Sam hat sich einverstanden erklärt, für uns zu arbeiten“, gab Lucian bekannt, als er unten angekommen war. „Sie wird dir helfen, das neue Hauptquartier aufzubauen, und sie wird sich um alle rechtlichen Fragen kümmern, die der Job mit sich bringt.“
Decker entging nicht, wie sich Erleichterung in Mortimers Gesicht widerspiegelte, als dieser zu Sam lief, die Arme um sie schlang und sie an sich drückte. Beide waren so ineinander vertieft, dass sie nicht mitbekamen, wie Lucian an ihnen vorbeiging und sich vor Grant aufbaute, um den Unsterblichen mit grimmiger Miene in Augenschein zu nehmen.
„Verstehe ich das richtig? Sie hatten Schwierigkeiten, Ihre Blutlieferung zu erhalten, und waren deshalb gezwungen, sich bei Sterblichen zu bedienen?“, fragte er.
Grant nickte ängstlich. Lucian indes blieb ruhig vor ihm stehen und blickte ihn stumm an, sodass Decker davon überzeugt war, er lese die Gedanken des Mannes. Was er sah, schien ihn zufriedenzustellen, da er einen Moment später ebenfalls nickte und sagte: „Es kümmert sich bereits jemand um die Angelegenheit und befragt die Angestellte, die Ihre Bestellungen zurückgehalten hat. Außerdem habe ich veranlasst, dass ein Generator geliefert wird, damit Ihr Blutvorrat nicht jedes Mal verdirbt, wenn hier oben der Strom ausfällt. Damit sollten Sie nicht wieder in die Lage geraten, von Sterblichen trinken zu müssen. Aber“, fügte Lucian energisch hinzu, „wenn es doch wieder Probleme geben sollte, melden Sie sich bitte sofort bei Mortimer. Einen weiteren Zwischenfall dieser Art werde ich nicht dulden.“
Grant drückte sich angesichts dieser deutlichen Warnung tiefer in das kalte Lederpolster, als könnte er sich dort irgendwo vor seinem Gegenüber verstecken. „Es war doch nicht meine Schuld. Ich …“
„Sie scheinen zu vergessen, dass ich Ihre Gedanken lesen kann“, unterbrach Lucian ihn harsch. „Sie haben sich aus Stolz nicht an den Vorgesetzten dieser Angestellten gewandt, als Sie kein Blut bekamen. Und auch die Tatsache, dass Sie eigentlich lieber warme Mahlzeiten zu sich nehmen, war Grund für Ihr Handeln. Die Situation war für Sie ein idealer Vorwand, um direkt von der Quelle zu trinken. Wenn Sie sich unbedingt auf diese Weise ernähren wollen, sollten Sie besser nach Europa ziehen. Hier bei uns ist das nicht erlaubt. Falls das noch mal vorkommt, finden Sie sich mit einem Pflock im Herzen wieder. Verstanden?“
„J… Ja, Sir“, stammelte Grant.
Offenbar gab sich Lucian mit dieser Antwort zufrieden, da er sich zu Mortimer und Decker umdrehte. „Zum Glück sieht es nicht danach aus, dass die Gegend gesäubert werden müsste. Grant war wenigstens umsichtig genug, sich seine Mahlzeiten im weiteren Umkreis, genauer gesagt von Parry Sound im Norden bis nach Minden im Süden, zu suchen. Das bedeutet, dass er die Sterblichen nicht misstrauisch gemacht haben dürfte, und ihr Jungs könnt eure Sachen zusammenpacken und euch …“
„Entschuldigung“, warf Grant kleinlaut ein.
Lucian stutzte und sah den Mann an. „Was ist?“
Grant schien unter dem stechenden Blick des Ältesten förmlich zusammenzuschrumpfen, dann brachte er nervös heraus: „In … in P… Parry Sound habe ich nie getrunken … und auch nicht in M… Minden.“
Einen Moment lang schaute Lucian verdutzt drein. „Wir haben Berichte von anderen Unsterblichen erhalten, die Sterbliche mit Bissspuren in Parry Sound, Burk’s Falls, Nobel, Huntsville, Bracebridge, Gravenhurst, Minden und Haliburton gesehen haben wollen.“
Grant schüttelte den Kopf. „Ich war nie südlicher als in Bracebridge. Mit Gravenhurst, Minden und Haliburton habe ich nichts zu tun. Und mit Parry Sound ebenfalls nicht.“ Er benetzte seine Lippen, bevor er fortfuhr. „Vielleicht bin ich ja nicht der Einzige, der keine Lieferungen erhält.“
Sekundenlang herrschte Schweigen, als Lucian offensichtlich erneut Grants Gedanken las. Dann wandte er sich fluchend an Decker. „Wie es aussieht, ist eure Arbeit doch noch nicht getan. Ihr müsst euch aufteilen und im Norden beziehungsweise im Süden Nachforschungen anstellen. Aber zuerst setzt ihr euch bitte mit Bastien in Verbindung. Er soll euch sagen, wer hier in der Gegend noch von unserer Blutbank beliefert wird und ähnliche Probleme haben könnte. Bei diesen Kunden fragen wir zuerst nach.“
Decker zog eine Augenbraue hoch, als der Name seines Cousins fiel. Bastien Argeneau war der Chef von Argeneau Enterprises. Der Jäger ließ seinen Blick aus dem Fenster schweifen, wo er am Horizont bereits die Sonne aufgehen sehen konnte. „Der Morgen ist angebrochen. Bastien wird sein Büro inzwischen verlassen haben und nach Hause gegangen sein.“
„Ja“, stimmte Lucian ihm missmutig zu. „Und seitdem er seine Lebensgefährtin gefunden hat, stellt er sein Telefon aus, damit sie in Ruhe schlafen können. Es sei denn, er rechnet mit einem Notfall.“ Er überlegte kurz, dann wandte er sich an Grant. „Kennen Sie hier oben irgendwelche anderen Unsterblichen?“
„Nicht viele. Ich habe lieber meine Ruhe“, entgegnete dieser.
„Tja, das sollten Sie umgehend ändern.“ Lucian knurrte. „Ein Unsterblicher ohne Familie und Freunde läuft eher Gefahr, zum Abtrünnigen zu werden.“
„Ich habe Freunde“, erklärte Grant hastig, wurde dann jedoch ganz leise. „Na ja … einen Freund. Er lebt nördlich von Minden, ich besuche ihn alle paar Wochen einmal.“ Da er fürchtete, Lucian könnte ihm nicht glauben, fügte er schnell hinzu: „Sie können Nicholas fragen. Er wird das bestätigen.“
„Nicholas?“, fragte Lucian energisch, während Decker sich bei dem Namen unwillkürlich verkrampfte. „Welcher Nicholas?“
„Nicholas Argeneau“, antwortete Grant und klang überrascht, dass er den Nachnamen überhaupt noch erwähnen musste. „Er ist mir das letzte Mal, als ich unterwegs war, entgegengekommen. Ich habe ihm gesagt, ich sei auf dem Weg zu einem Freund. Er wird sich sicher daran erinnern und kann es bestätigen.“
Lucian stand wie erstarrt da, Mortimer murmelte einen Fluch und Decker fühlte sich, als wäre ihm das Blut in den Adern gefroren. Auch sein Herz schien stehen geblieben zu sein. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Lediglich Grants Worte hallten immerzu in seinem Kopf wider.
Schließlich war es Sam, die im Flüsterton das Wort ergriff. „Was ist los? Wer ist dieser Nicholas Argeneau?“
„Er ist ein Abtrünniger, der uns schon seit fast fünfzig Jahren immer wieder entwischt“, knurrte Mortimer.
„Was?“ Grant wurde bleich und ließ sich wieder nach hinten in die Couch sinken, als fürchte er, Lucian würde ihn packen und erwürgen. „Ich wusste nicht, dass Nicholas ein Abtrünniger ist. Vor fünfzig Jahren bin ich hierhergezogen, um der Stadt zu entfliehen. Aber von dieser Sache habe ich noch nie etwas gehört. Wenn ich das gewusst hätte, wär ich sofort zu Argeneau Enterprises gegangen.“
„Gehen Sie nach Hause“, wies Lucian ihn mürrisch an. Grant atmete erleichtert auf und eilte in Richtung Treppe davon. „Und beißen Sie niemanden, sonst kümmere ich mich persönlich um Sie.“
Von hastigen Beteuerungen begleitet, sich künftig zu benehmen, lief der Mann die Treppe hinauf. Kurz darauf war zu hören, wie die Fliegengittertür zuschlug.
„Und?“, fragte Mortimer leise, nachdem sie für eine Weile geschwiegen hatten. „Was machen wir jetzt mit Nicholas?“
Decker blickte zu seinem Onkel hinüber. Lucian sah ihn mit versteinerter Miene an. „Wir jagen ihn.“