Felix Mitterer: Wolkenstein
Haymon
© 2007
HAYMON verlag
Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
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Aufführungsrechte für alle Stücke beim Österreichischen Bühnenverlag Kaiser & Co., Am Gestade 5/II, A-1010 Wien
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-7099-7657-9
Lektorat: Haymon Verlag/Georg Hasibeder
Umschlag- und Buchgestaltung:
Kurt Höretzeder, Büro für Grafische Gestaltung, Scheffau/Tirol
Dieses Stück wurde dem Sammelband Stücke 4 entnommen. Den Sammelband erhalten Sie in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.
Wolkenstein
Biographische Daten und Werkverzeichnis
Musik: Wilfried Hiller
für Bernd Weikl
Oswald von Wolkenstein hat mich als Persönlichkeit immer schon interessiert und das wunderbare, umfassende Spurensuche-Buch „Ich, Wolkenstein“ (1977) von Dieter Kühn erhöhte meine Faszination für den Sänger-Dichter noch. Trotzdem hatte ich nie die Absicht, über Wolkenstein ein Stück zu schreiben, zu komplex schien mir sein Leben, um es auf der Bühne zu gestalten.
Ende der 90er-Jahre wandte sich der berühmte Opernsänger Bernd Weikl mit dem Ansinnen an mich, ein Libretto über Wolkenstein zu schreiben. Wir trafen uns in der Kantine der Wiener Staatsoper und es stellte sich erstens heraus, dass Weikl in Gesicht, Statur und Temperament dem Wolkensteiner verblüffend ähnlich war, und dass er sich zweitens mit dem spätmittelalterlichen Sänger vollkommen identifizierte. Bernd Weikl wollte zum Abschluss seiner großen Karriere nur noch ein Letztes auf der Bühne vollbringen: Oswald von Wolkenstein darstellen, sein Leben nachvollziehen, seine Lieder singen. Solch einer Begeisterung kann sich ein Autor natürlich nicht entziehen und so sagte ich zu, obwohl ich mich etwas fürchtete, denn noch nie hatte ich ein Libretto verfasst.
Nun begab sich Weikl auf die Suche nach einem Komponisten und fand ihn in der Person von Wilfried Hiller, der sich ebenfalls schon sein Leben lang für Wolkenstein interessierte und in Südtirol oftmals auf den Spuren des wilden Sängers gewandelt war.
Wilfried Hiller ist in Deutschland der meistaufgeführte lebende Komponist von zeitgenössischen Konzert- und Opernwerken und hat unter anderem zusammen mit Michael Ende als Textautor zahlreiche Opern und „Singspiele“ geschaffen, so zum Beispiel „Der Goggolori“ (1985) und „Das Traumfresserchen“ (1991), beides mit unglaublichem Erfolg beim Publikum, auch bei den Kindern.
Schwieriger gestaltete sich die Suche nach einem Opernhaus, denn Oswald von Wolkenstein schien den Direktoren für die heutige Zeit nicht mehr interessant, obwohl Weikl klarzumachen versuchte, dass der Wolkensteiner der erste individuelle, kompromisslose Künstlertypus gewesen war, wie es ihn erst seither gibt und in alle Zukunft geben wird. Ich selber vertrat und vertrete ohnehin die Meinung: „Wolkenstein ist ein Rolling Stone.“
Endlich, nach mehreren Jahren, fand sich Intendant Wulf Konold vom Staatstheater Nürnberg bereit, eine Wolkenstein-Oper in Auftrag zu geben, finanziell großzügig gesponsert durch den Kleiderfabrikanten Dr. Max-Peter Hirmer. Geholfen hatte dabei auch, dass Wilfried Hiller den Filmregisseur Percy Adlon („Out of Rosenheim“) aus dem Hut zauberte, auch er ein Wolkenstein-Anhänger früher Stunde, ein Mann mit großer „Menschenzuneigung“ und mit unglaublicher Phantasie für beeindruckende Bildwelten im Film wie auf der Bühne.
Bevor ich mich nun an die Arbeit setzte, machte mich Wilfried Hiller wohlweislich darauf aufmerksam, ich müsse immer im Hinterkopf behalten, dass eine Menge Musik dazukäme. Als ich im Jänner 2002 die erste Fassung ablieferte, teilte mir der Komponist zu meinem Erstaunen mit, die Aufführung dieses Textes würde über fünf Stunden dauern, was nun doch ein wenig zu lang sei. Nun glaubte ich ihm endlich, dass man jede Textseite mit sieben multiplizieren muss, denn so viel Platz nimmt die Musik ein.
Da kürzen aber leichter ist als dazuschreiben, kamen wir gemeinsam auf eine erträgliche Länge.
Im März 2004 fand dann die Uraufführung in Nürnberg statt, hochpoetisch von Percy Adlon inszeniert, wunderbar musiziert, gesungen und gespielt. Es gibt in der Oper mehrere Sprechrollen, sie wurden ausschließlich mit den besten Darstellern aus Südtirol besetzt, dies aus Organisationsgründen, denn die Aufführung ging anschließend an die Vereinigten Bühnen Bozen, in die Heimat Wolkensteins.
Für den Bayerischen Rundfunk verfilmte Percy Adlon schließlich die Oper, und ich glaube, es ist ein filmisches Meisterwerk geworden.
Ich danke dem leidenschaftlichen Bernd „Wolkenstein“ Weikl, dass er mich zu diesem großen und ganz neuen Erlebnis verführt hat.
Oswald von Wolkenstein
(1377–1445)
Ein Leben für drei Leben: Fahrender Ritter und bäuerlicher Edelmann. Politiker und Diplomat. Und Dichter, Komponist, Sänger, so virtuos und reich und vielseitig wie kein anderer zu seiner Zeit. Ein sperriger, ich-bewusster, fast barock-pompöser Mensch in einer zerfallenden spätmittelalterlichen Welt. Oft äußerlich, lärmend, brutal in seinen Liedern wie in seiner Existenz, und zugleich überempfindlich, verwundbar, von einer bis dahin unbekannten Intensität des Fühlens. Das schiere Gegenbild zur höfisch-idealen Spiritualität seines einzig ebenbürtigen Vorgängers Walther von der Vogelweide (1170–1230).
Im Gegensatz zu den meisten damaligen Dichtersängern dichtete und komponierte Oswald nicht zum Broterwerb, sondern weil er es konnte und musste. Er brauchte daher auch keine Rücksicht auf die Wünsche eines Auftraggebers oder auf die Empfindlichkeit eines zahlenden Publikums zu nehmen, sondern er konnte seine künstlerische Begabung voll entfalten. Besondere Berühmtheit besitzt Oswald als Verfasser von autobiographischen Liedern, in denen er aufs eindrucksvollste aus seinem Leben erzählt. So berichtet er beispielsweise, dass er in seiner Jugend 14 Jahre lang ganz Europa und den Vorderen Orient als Landstreicher, Kaufmann, Landsknecht und Räuber durchstreift habe; ferner behauptet er, zehn Sprachen und mehrere Instrumente zu beherrschen. Die Sammlung seiner Werke in den Handschriften A (Österreichische Nationalbibliothek), B (Universitätsbibliothek Innsbruck) und C (Museum Ferdinandeum Innsbruck) enthält 126 Gedichte und 105 Kompositionen, darunter 40 mehrstimmige. (Oswald führte die Mehrstimmigkeit in Deutschland ein.) Seine Musik ist von arabischen bzw. berberischen, böhmischen, iro-schottischen und griechischen Stilelementen beeinflusst.
(Nach Schönmetzler und Schmid-Reiter)
PERSONEN:
Oswald von Wolkenstein (1376–1445) |
Bariton |
Oswald als Knabe |
Sopran |
Oswald als junger Mann |
lyrischer Tenor |
Anna Hausmann (Oswalds Geliebte) = Salige |
Mezzosopran |
Michael von Wolkenstein (Oswalds älterer Bruder) |
Schauspieler |
Margarethe von Schwangau (Oswalds Frau), auch Mutter Oswalds |
Sopran |
Katharina von Wolkenstein (Michaels Frau) |
Schauspielerin |
Herzog Friedrich IV., der Habsburger (Landesherr von Tirol, 1382–1439) |
Schauspieler |
König Sigmund, der Luxemburger (1368–1437) |
Schauspieler |
Martin Jäger von Tisens (Landedelmann) |
Schauspieler |
Ulrich I., Fürstbischof von Brixen, alt |
Schauspieler |
Schöberlin (Knecht Oswalds) |
Schauspieler |
Papst Johannes, alt |
Tenor |
Papst Benedikt, alt |
Bariton |
Papst Gregor, alt |
Bass |
Jan Hus, der „Ketzer“ |
Tenor |
Stimme der Wildfrau (Kiefer) |
|
Ein Goldschmied, Festgesellschaft beim Bischof, 4 Badhuren, Ritter, Schergen, Landsknechte |
Schauspieler, Statisten |
Knechte Oswalds |
2 Tenöre, 2 Baritone, 2 Bässe |