Literatur

Commerzbank (Hg.): Handbuch der Rohstoffe, Frankfurt 2006

Goldman Sachs (Hg.): Zertifikate-Kompass, 4. Auflage, Frankfurt 2007

Heussinger, W. H.; Röhl, Chr. W.: Generation Zertifikate, München 2005

HSBC Trinkaus (Hg.): Optionsscheine, Zertifikate und strukturierte Produkte, 7. Auflage, Düsseldorf 2007

Pilz, G.: Zertifikate, München 2006

Preißner, A.: Das kleine Buch der Geldanlage, Weinheim 2007

Schmidt, S.: Handbuch der Zertifikate, Berlin 2005

Uszczapowski, I.: Optionen und Futures verstehen, 5. Auflage, München 2005

1 Zertifikate, Derivate, strukturierte Produkte, Indexfonds, Zertifikatefonds – ein Überblick über Begriffe und Konzepte

Die letzten beiden Jahre waren äußerst bewegte Zeiten im Zertifikatemarkt. Getrieben durch die Vertriebsmacht der Banken wurden Zertifikate zum Renner unter den Anlageprodukten – und im Sommer 2007 kam dann die Steuerkeule aus Berlin, die ihnen für eine Übergangszeit eine gewisse steuerliche Benachteiligung brachte. So wissen Ende 2007 viele Anleger und Experten nicht, wie sie mit Zertifikaten umgehen sollen – bleiben sie bei der Vermögensplanung außen vor oder können sie weiterhin strategisch sinnvoll eingesetzt werden? Die Anforderungen an die Qualität der Produkte sind auf jeden Fall gestiegen – und das ist auch gut so.

Eigentlich sollte das Thema Steuern in diesem Buch keine allzu große Rolle spielen, schließlich war es bislang recht übersichtlich, zumindest wenn man langfristig anlegte. Nun spielt es doch eine Rolle, denn verständlicherweise fragen sich Anleger zurzeit immer, ob sie nicht mit einem Fonds besser fahren. Andererseits sollen mit der Abgeltungssteuer so viele Merkwürdigkeiten eingeführt werden, dass die Frage im Raum steht, ob nicht früher oder später ein höchstrichterliches Urteil den alten Zustand wiederherstellt.

1.1 Was ist ein Zertifikat?

Aber der Reihe nach. Zunächst zum Begriff der Zertifikate, die ja im Mittelpunkt des Buches stehen. Im Alltag hat man oft mit Zertifikaten zu tun, auch wenn sie im ersten Moment etwas ganz anderes bedeuten. Denken Sie an Zertifikate für den Besuch von Seminaren oder für die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung. Bestimmte Prüfeinrichtungen und Behörden zertifizieren zum Beispiel, dass ein Unternehmen Qualitätsmanagementregeln einhält. Das Zertifikat soll also einem Dritten immer signalisieren, dass eine Leistung oder Qualität vorhanden ist, die er nicht ohne Weiteres erkennen kann. Diese Leistungen sind oft recht komplex, sodass eine reine Inhaltsangabe nicht immer weiterhilft.

So ähnlich funktioniert das Zertifikatesystem im Bereich der Geldanlagen. Ein Finanzinstitut (in der Regel eine Bank, man spricht hierbei vom Emittenten) entwickelt ein mehr oder weniger einfaches Zahlungsversprechen und stellt darauf ein Zertifikat aus. Damit ist es kein reines Wertpapier wie eine Aktie, mit dem der Inhaber am Kapital eines Unternehmens direkt beteiligt ist. Vielmehr hat er nur einen durch das Zertifikat verbrieften Zahlungsanspruch gegenüber dem Emittenten. Er gerät in Gefahr, wenn der Emittent zahlungsunfähig wird. Dass das Zahlungsversprechen oft an die Kursentwicklung einer oder mehrerer Aktien oder Anleihen gesunder Unternehmen gebunden ist, spielt dabei keine Rolle.

Zertifikate bergen also gegenüber Fonds immer ein zusätzliches Risiko (das sogenannte Emittentenrisiko). Zwar muss man nicht davon ausgehen, dass Emittenten regelmäßig von Insolvenz bedroht sind, ein wenig Vorsicht ist jedoch nicht verkehrt. Bis zum Sommer 2007 kümmerte sich kaum jemand um solche Risiken, allenfalls bei kleinen Emittenten wurde allgemein zur Vorsicht geraten. Die US-amerikanische Hypotheken- und letztlich auch Finanzkrise zeigte jedoch, dass recht schnell auch größere Institute bedroht sein können. In Deutschland betraf es kurz hintereinander gleich zwei Landesbanken, wobei allerdings mehrere Ursachen zusammenkamen und in diesem Fall besondere Schutzmechanismen griffen. Insgesamt jedoch darf das Thema Bankeninsolvenz nicht völlig außer Acht gelassen werden.

Während eine Aktie immer einen Anteil am Eigenkapital eines Unternehmens darstellt und damit klar definiert ist, weiß man bei einem Zertifikat erst einmal gar nichts. Wenn das Produkt dann noch als »Weltmeister-«, »Weihnachts-« oder »Winterwunderanleihe« bezeichnet wird, sollte man schon genauer hinsehen.

Erzählt Ihnen Ihr Nachbar, er habe ein Zertifikat gekauft, dann sind Sie nicht wirklich schlauer geworden. Es kann mit Aktien oder Anleihen zu tun haben, eine gefährliche Spekulation oder auch eine Absicherung darstellen. Man muss daher immer genau nachsehen, worum es eigentlich geht. Etwas platt ausgedrückt können Zertifikate zum Beispiel folgende Zahlungsversprechen verbriefen:

Diese drei Beispiele müssen erst einmal reichen. Gegenwärtig gibt es über 200.000 verschiedene Zertifikate in Deutschland, sodass die Schaffung eines Überblicks ohnehin ein aussichtsloses Unterfangen ist. Anleger sehen nicht, was hinter dem Zertifikat steckt. Die Bank muss sich ja irgendwie absichern, um das Zahlungsversprechen einhalten zu können. Wie sie das macht, bleibt dem Anleger weitgehend verborgen, auch wenn natürlich bestimmte Strickmuster erkennbar sind. So sind in Zertifikaten oft Optionen enthalten, die ein recht merkwürdiges Verhalten an den Tag legen können. Der Kursverlauf kann sich durchaus anders entwickeln, als die Anleger das erwarten. Da die konkreten Bausteine Außenstehenden nur andeutungsweise bekannt sind, sind solche Missverständnisse vorprogrammiert.

Im zweiten Beispiel werden die Anleger zwar an der Aktienkursentwicklung beteiligt, der Emittent kauft aber keine Aktien, um die Auszahlung zu gewährleisten. Vielmehr investiert er den größten Teil des eingezahlten Geldes in Anleihen. Das klingt erst einmal ausgesprochen komisch, denn gerade das wollte man ja nicht, es ging ja um den Aktienmarkt. Aber im Rahmen eines Zertifikats kann man alles Mögliche machen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. In diesem Buch werden wir auch hinter manche Kulisse schauen, sodass Sie Einblicke erhalten, wie so etwas funktioniert beziehungsweise auch, warum manches nicht allzu gut funktionieren kann.

Prinzipiell lässt sich auch etwas verbriefen, was nicht direkt in Geld auszudrücken ist. So könnte man auch auf die Idee kommen, aus sportlichen Resultaten ein Zertifikat zu bilden. Dessen Wert wäre zum Beispiel abhängig von erreichten Zeiten, Rangplätzen oder geschossenen Toren. Wenn der Emittent eine Möglichkeit findet, selbst damit Einnahmen zu erzielen, dann kann er auch ein Zertifikat darauf entwickeln.

Da Zertifikate sich immer auf etwas anderes beziehen, sind sie abgeleitete Produkte und damit auch Derivate. Vielfach werden die Begriffe Derivat und Zertifikat auch parallel verwendet, manchmal hört man sogar noch den sperrigen, aber umso korrekteren Begriff »Partizipationsschein«. Der Unterschied besteht überwiegend darin, dass »Zertifikate« im Laufe der Zeit als allgemein verständliche Bezeichnung für die Privatanleger etabliert wurde, während »Derivate« schon lange vorher für abgeleitete Produkte wie Optionsscheine verwendet wurde. Ein Zertifikat verbrieft oft auch mehrere Derivate und ist damit selbst wieder eines. Sie sehen, je länger man sich mit dem Thema beschäftigt, desto komplizierter wird es und desto weniger möchte man davon wissen.

Im Zusammenhang mit Zertifikaten wird auch über strukturierte Produkte gesprochen. Das hört sich ziemlich neutral an und könnte auch auf Sofas und Autos zutreffen. Hiermit ist aber gemeint, dass sich ein Produkt (genauer gesagt: ein Zertifikat) aus mehreren Komponenten zusammensetzt. Wenn also beispielsweise eine Anleihe und eine Option miteinander kombiniert werden, dann spricht man von einem strukturierten Produkt. Und wir sind wieder beim zweiten der oben genannten Beispiele. Die Arbeit der »Zertifikatebauer« wird daher auch oft als Strukturieren bezeichnet: sie überlegen zunächst, welche Anlageziele abgebildet werden sollen, und suchen dann die richtigen Bausteine dafür aus. Das Zertifikat erhält dadurch seine Struktur.

Will man zum Beispiel eine Aktie mit einem Risikopuffer verbriefen, wird die Aktie zusammen mit einer Option (konkret wird eine Kaufoption darauf verkauft) in ein Zertifikat gepackt. Man erreicht dann, dass der Anleger auch bei geringen Verlusten noch mit plus/minus null oder sogar einem kleinen Gewinn wegkommt, dafür muss er aber eine Gewinnobergrenze akzeptieren. Dies ist die Grundstruktur eines Discountzertifikats.

Während einige Zertifikate mehr oder weniger Standards darstellen, lassen sich auch ganz individuelle Produkte konstruieren. So kommt es vor, dass ein institutioneller Investor schon einmal ganz konkrete Wünsche hat, mit welchem Risiko er wo investieren will, und dann wird das dazu passende Zertifikat entwickelt. Bevor Sie darüber nachdenken, wie Ihr Zertifikat aussehen soll, sollten Sie aber schon mal nach den erforderlichen Millionen suchen, die die Bank für ihre Arbeit sehen will.

1.2 Die Konkurrenten der Zertifikate

Eine sehr ernst zu nehmende Konkurrenz zu Indexzertifikaten stellen Indexfonds dar. Sie bewirken das Gleiche, funktionieren aber anders und werden in einem eigenen Kapitel dargestellt. Rechtlich steht der Inhaber eines Indexfondsanteils ganz anders da als der eines Zertifikats. Fonds sind prinzipiell Sondervermögen und damit im Konkursfall besonders geschützt, Zertifikate nicht. In einem Indexfonds sind in aller Regel die Wertpapiere des Index auch enthalten, bei einem Zertifikat sieht das meist anders aus.

Wenn Sie sich schon mit dem Thema Geldanlage beschäftigt haben, dann wissen Sie auch einiges über Fonds und den Zweikampf zwischen Fonds und Zertifikaten. Geschrieben wird darüber sehr viel, angefangen von steuerlichen Überlegungen über Kostenstrukturen bis zum Anlageerfolg. Viele Emittenten leben sowohl von Fonds als auch von Zertifikaten, nicht immer sagen sie es so deutlich, und oft sind die zuständigen Abteilungen auch weit voneinander entfernt, sowohl räumlich als mental.

Fonds und Zertifikate entstammen unterschiedlichen Welten, sollen den Anlegern aber teilweise den gleichen Nutzen bringen. Während Fonds schon seit Jahrzehnten ein Standard-Anlagevehikel sind, das vor allem Privatanlegern einen einfachen Zugang zu Wertpapiermärkten bieten soll, entwickelt sich der Zertifikatemarkt erst seit dem Ende der neunziger Jahre richtig dynamisch. Und damit kamen die neuen Produkte gleich in die große Börsenkrise von 2000 bis 2003. Die guten alten Fonds mussten diese Zeit auch aufgrund rechtlicher Restriktionen überwiegend aussitzen, Zertifikate konnte man allerdings wegen der erheblichen Freiheiten an die Situation anpassen. So war es leicht möglich, Produkte für fallende Märkte zu entwickeln und schnell neue Kunden zu gewinnen.

Bis heute hat sich daran nicht viel geändert. Die Rahmenbedingungen für Fonds wurden zwar erweitert, aber im Großen und Ganzen bleiben sie ein eher gemächliches Langfrist-Anlageprodukt. In den Fondsabteilungen wird dadurch auch anders gearbeitet. Ein neues Produkt zu entwickeln dauert mehrere Monate, vieles muss durchdacht und später aufsichtsrechtlich abgesegnet werden. Zertifikate lassen sich von heute auf morgen entwickeln. Ergibt sich heute eine Anlageidee, kann morgen schon das entsprechende Produkt dazu vorhanden sein. Für Fondsmanager ist das ein Kulturschock.

Verständlich, dass in einer Bank die Fonds- und die Zertifikateleute nicht zusammen in einem Büro sitzen. Schließlich machen sie sich auch auf dem Markt Konkurrenz, denn vielfach stellt sich für die Anleger die Frage: »Fonds oder Zertifikat?« Lange Zeit sah man unüberbrückbare Gegensätze zwischen beiden Sparten; dass da einmal etwas zusammenwachsen könnte, schien unwahrscheinlich. Und wenn ein Fondsmanager in den Zertifikatebereich wechselte, gab es kritische Kommentare in den Klatschspalten der Finanzpresse.

Inzwischen hat sich das Blatt aber etwas gewendet. Es gibt nämlich Fonds, die in Zertifikate investieren, und auch Zertifikate auf Fonds. Dass auch da erst einmal kritisch nach dem Sinn gefragt wurde, kann man sich sicher vorstellen. Inzwischen haben aber etliche Zertifikatefonds gezeigt, dass sie durchaus eine Existenzberechtigung haben, also Leistungen erbringen, die mit Fonds oder Zertifikaten alleine nicht zu erzielen gewesen wären. Die Kategorie Zertifikatefonds hat sich, so fremd sie einstmals erscheinen mochte, etabliert. Für Zertifikateanleger stellt sich somit die Frage, ob unter bestimmten Bedingungen nicht auch ein entsprechender Fonds infrage kommt.

2 Grundbausteine der Zertifikate – Optionen, Futures, Aktien, Anleihen, Indizes & Co.

Natürlich können Sie erst einmal fragen, was das »Co.« bedeutet beziehungsweise was es noch so alles gibt, das als Komponente in ein Zertifikat hineinkommt. Es wird sich noch herausstellen, dass ein Grundbaustein alleine nicht ausreicht, so wie Sie Ihren Sonntagsbraten auch nicht ohne Salz oder Gewürze essen möchten. Die vielen kleinen Komponenten, denen wir uns hier widmen wollen, spielen eine ganz erhebliche Rolle, werden aber nicht selten erst einmal außer Acht gelassen. Denn bei ihnen wird es etwas komplizierter.

Für ein Zertifikat braucht man erst einmal einen Grundbaustein, der auch als Wertmaßstab gilt, den Basiswert, oder das Underlying. Dies sind alles Objekte, in die man auch direkt investieren kann, die also an einer Börse gehandelt werden. Sie kennen aus der allgemeinen Diskussion über Geldanlage und Vermögensbildung vor allem die Aktie und die Anleihe. Mit einer Aktie beteiligen Sie sich an einem Unternehmen, sind also Miteigentümer, mit einer Anleihe werden Sie zum Fremdkapitalgeber, wobei meist der Staat als Schuldner eine größere Rolle spielt, als Unternehmen es tun.

Wenn Sie also einzelne Wertpapiere kaufen, dann handelt es sich meist um Papiere aus diesen beiden Kategorien. Damit ist aber das Spektrum der Anlagemöglichkeiten nicht erschöpft, denn professionelle Anleger haben noch eine deutlich größere Bandbreite zur Verfügung. Dabei geht es zum einen um die Vereinfachung von Anlagen, zum anderen auch um erweiterte Spekulationsmöglichkeiten und Absicherungsstrategien: es kommen noch Optionen, Futures, Indizes, Rohstoffe und Währungen hinzu. Wenn Sie beispielsweise von der Preisentwicklung bei Industriemetallen profitieren wollen, legen Sie sicher wenig Wert darauf, diese in Ihrer Garage einzulagern. Über Zertifikate lassen sich aber Möglichkeiten entwickeln, wie man mit Depot statt Garage Gewinne mit Rohstoffen machen kann – oder auch Verluste.

2.1 Aktien

Eine Aktie ist, wie gesagt, eine Beteiligung an einem Unternehmen. Der Zugang zu Aktien ist nur wenig reglementiert, in den westlichen Ländern kann man in aller Regel ohne Restriktionen Aktien kaufen und verkaufen. Dies tut man aus zwei Gründen: zum einen erhoffte Kursgewinne, zum anderen Dividendenerträge. Eine Aktiengesellschaft muss zwar nicht, kann aber einen Teil des Gewinns an die Aktionäre ausschütten. Das ist dann die Dividende, die wir uns noch genauer ansehen werden.

Eine Aktie, die weder Kursgewinne verzeichnet noch Dividenden ausschüttet, ist für den Aktionär uninteressant. (Es gibt allerdings auch Möglichkeiten, mithilfe von Zertifikaten von solchen Situationen zu profitieren.) Wer direkt in Aktien investiert, muss sich daher Gedanken über die mögliche Kursentwicklung machen. Und die hängt nicht allein von der Gewinnentwicklung des Unternehmens ab, sondern schlicht davon, ob andere Anleger die Aktie haben wollen und wie viel sie zu zahlen bereit sind. Sinkt die Wertschätzung für die Aktie, sinkt auch deren Kurs. Selbst wenn das Unternehmen an sich gesund ist und eigentlich einen höheren Kurs »verdient« hätte, muss sich der Aktionär bescheiden. Einen fairen Wert kann man zwar durchaus schätzen, es gibt aber keinen Anspruch, ihn jemals zu erzielen.

Wer erfolgreich am Aktienmarkt agieren möchte, sollte versuchen, frühzeitig solche Situationen zu erkennen. Das wird nie mit letzter Sicherheit möglich sein, aber man kann sich leicht vorstellen, dass bei einem sehr niedrigen Kurs durch Spekulation auf einen Anstieg viel Geld zu verdienen ist. Erkennt man eine Übertreibung beim Kurs, dann kann eine Spekulation auf Verluste Geld bringen. Man braucht nur das passende Zertifikat dafür, einen gewissen Mut und entweder das richtige Gespür oder das nötige Glück.

Da es fast unendlich viele Möglichkeiten gibt, mit Aktien Geld zu verdienen oder zu verlieren, stehen sie meist im Mittelpunkt der Anlagethemen. Entsprechend hängen auch viele Zertifikate auf irgendeine Art und Weise mit der Entwicklung am Aktienmarkt zusammen. Interessant ist dabei auch, dass es nicht nur die Möglichkeit gibt, auf fallende wie steigende Kurse zu setzen, sondern man kann auch systematisch das Risiko reduzieren oder auch erhöhen. Konsequenterweise gibt es auf dem Wertpapiermarkt sowohl Witwen-und-Waisen- als auch Zockerpapiere. Während Erstere die Kursentwicklung dämpfen, verstärken Letztere sie.

2.2 Anleihen

Die zweite grundlegende Assetklasse ist die Anleihe. Als Emittent spielt in erster Linie der Staat eine Rolle, zumal ein wesentlicher Teil der Finanzierung von Haushaltsdefiziten über Anleihen stattfindet. Aus Anlegersicht sind Anleihen eine deutlich sicherere Angelegenheit als Aktien, denn es besteht ein fester Rückzahlungsanspruch auf den Nennwert und schließlich ein Anspruch auf die Zahlung von Zinsen. Eine Investition in Staatsanleihen aus Deutschland, Frankreich, Österreich und so weiter ist eine ziemlich sichere Sache, mit einem Ausfall der Zahlungen rechnet niemand ernsthaft.

Aber hier trügt manchmal der Schein. Nicht alle Anleihen sind frei von Risiken und je mehr Zinsen man haben will, desto größer sind die Risiken. So kommt bei Anleihen außerhalb des Euroraums noch das Währungsrisiko hinzu. Wer beispielsweise Anleihen aus Polen oder Ungarn kauft, muss sich auch Gedanken über die Währungsentwicklung machen. Steigt der Kurs des polnischen Zloty, dann kommen zu den Zinsen noch Währungsgewinne hinzu, wenn die Anleihe auf Zloty lautete. Steigt jedoch der Euro, dann schmälern Währungsverluste die Rendite.

Richtig spannend wird es aber bei Unternehmensanleihen. Hierbei ist man Fremdkapitalgeber des Unternehmens, also Gläubiger. Der Anspruch auf Zins- und Rückzahlung der Anleihe steht vor den Interessen der Eigentümer, das heißt der Aktionäre. Geht es dem Unternehmen schlecht, dürfte der Aktienkurs sinken und die Dividendenzahlung ausfallen, die Fremdkapitalgeber müssen allerdings bedient werden. Im Falle einer Insolvenz hilft ihnen das zwar auch nicht mehr, insgesamt ist die Anleihe aber weniger riskant als eine Aktie.

Etwas anders kann es aussehen, wenn die Anleihe vor dem planmäßigen Laufzeitende verkauft werden soll. Dann gilt nämlich der Börsenwert, der durchaus recht hohen Schwankungen unterliegen kann. Sind zwischenzeitlich die Marktzinsen gestiegen, dann sinkt der Kurswert der Anleihe. Ein Käufer kann sie dann billiger bekommen, was ihn aber nicht wirklich freut, denn er erhält ja geringere Zinsen. Insgesamt gleichen sich der Zins- und Kurseffekt aus, es ist also fast egal, ob man eine alte oder eine neue Anleihe kauft.

Eine besondere Art der Anleihe muss hier erwähnt werden, weil sie bei der Zertifikatekonstruktion eine besondere Rolle spielt: die Nullkuponanleihe beziehungsweise der Zerobond. Das sind abgezinste Anleihen, für die es keine Zinsen gibt, die aber entsprechend billiger verkauft werden. Man zahlt also nicht 100 Euro und bekommt am Ende der Laufzeit wieder 100 Euro und zwischendurch die Zinsen, sondern man zahlt zum Beispiel 80 Euro und erhält dann 100 Euro, aber keine Zinszahlungen.

Die Entscheidung für eine Anleihe ist meist deutlich einfacher zu fällen als die für eine Aktie. Entscheidend für die Rendite sind der Zinssatz und der aktuelle Kurs, für das Risiko das Rating des Emittenten. Es gibt nämlich Agenturen, die Unternehmen im Hinblick auf ihre Zahlungsfähigkeit beobachten und dann eine Bewertung vornehmen. Diese besteht aus einem kryptisch anmutenden Buchstabenkürzel wie A, B, C und D sowie + und −, das einem aber schnell einen Eindruck davon vermittelt, ob man sein Geld in Abrahams Schoß legt oder auf das Fensterbrett.

Einzelne Aktien oder Anleihen bergen neben hohen Chancen auch hohe Risiken. Es kann immer wieder passieren, dass ein einzelnes Unternehmen in eine Schieflage gerät beziehungsweise ein entsprechendes Gerücht auftaucht, sodass sich die Anleger in Scharen zurückziehen. Um nicht übermäßige Verluste zu erleiden, kann nie zu einer Anlage in einen einzigen Wert geraten werden. Wer einen Weg sucht, systematisch das Risiko zu reduzieren, ohne sich von der Börsenentwicklung abzukoppeln, der investiert gleich in Indizes.

2.3 Indizes

Die Aufgabe von Indizes ist es, die Entwicklung eines Marktsegments zu spiegeln, also etwa der »Aktien Euroland«, der »Standardaktien Niederlande« oder der »europäischen Staatsanleihen mit fünf bis zehn Jahren Restlaufzeit«. Solche Indizes enthalten manchmal 30 Aktien, manchmal aber auch mehrere tausend. Deren Auswahl erfolgt zwar nicht nach dem Aspekt der Risikostreuung, sondern nach der Bedeutung für den Aktienmarkt insgesamt. Sie verlagern aber das Anlagerisiko auf eine größere Zahl von Werten, ohne dass dabei besondere Kosten entstehen. Damit sind Indizes immer dann erste Wahl, wenn man sich nicht mit der Prüfung einzelner Aktien oder Anleihen beschäftigen kann oder will, aber immerhin eine Meinung zu einem Markt (vor allem in einem Land) hat.

Indizes im Rentenbereich sind noch nicht so bekannt und beliebt und spielen auch im Zertifikatemarkt noch keine Rolle. Wer aber »nur« eins zu eins in einen Index investieren will, fährt mit einem Rentenindexfonds nicht schlecht. Hier besteht eine interessante und kostengünstige Alternative zu aktiv gemanagten Fonds, die sich auch fürs lange Liegenlassen eignet.

Allerdings haben Indizes auch ihre Tücken, die entsprechend auf die Zertifikate durchschlagen. Fast alle Indizes orientieren sich an der Marktkapitalisierung, das heißt, je mehr Aktienkapital eines Unternehmens »unterwegs« ist, desto bedeutender ist es im Index. Wenn beim Aktienkurs von TUI, Merck oder Adidas etwas passiert, dann merkt der Dax nicht viel davon. Die Werte sind nämlich recht unbedeutend im Index. Schlagen aber Nachrichten auf den Kurs von Siemens oder E.ON durch, dann wird der Dax mitgerissen. Kommt es dort zu einem Kurssprung von 5 Prozent, dann geht der Dax noch ein halbes Prozent mit.

In kleinen und Schwellenländern kann es noch schlimmer aussehen, denn es finden sich auch schon einmal Anteile von 20 oder 30 Prozent für einen Wert oder deutliche Abhängigkeiten von einzelnen Branchen. Wenn ein Aktienindex zum Beispiel stark von Banken dominiert ist und es entstehen Gerüchte über eine Finanzkrise, dann stürzt dieser Index schneller ab als andere. Das muss dann nicht unbedingt mit dem Land selbst zu tun haben. Man sollte also immer hinter die Kulissen schauen.

In der Kapitalmarktforschung wurde immer wieder festgestellt, dass eine Gleichgewichtung von Aktien in einem Portfolio langfristig eine höhere Rendite erbringt als die Marktkapitalisierungsgewichtung. Zwar ist es nicht die originäre Aufgabe von Indizes, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, sondern den Markt zu repräsentieren. Aus Anlegersicht sind jedoch Portefeuilles besser geeignet, die ausgeglichener bestückt sind. Wenn Sie sich zum Beispiel Indexzertifikate ansehen, dann finden Sie mitunter spezielle Indizes, die nach anderen Kriterien erstellt werden und eine kontinuierliche Outperformance liefern. Berühmte Beispiele finden sich etwa bei den Dividendenindizes und neu bei den RAFI-Indizes, auf die Indexfonds herausgebracht wurden.

Als Grundlage für Zertifikate werden mitunter hausgemachte Indizes verwendet, die manchmal auf einer Gleichgewichtung beruhen. Inwieweit dann noch von einem Index die Rede sein kann, mag dahingestellt sein, das Strickmuster ist jedoch häufig intelligenter als beim klassischen Verfahren.

Wenn in der öffentlichen Diskussion von Indizes wie Dax (Deutschland), Dow Jones Industrial Average (USA) oder DJ Euro Stoxx 50 (Euroland) die Rede ist, dann handelt es sich um die Standards, die von der jeweiligen Heimatbörse oder einem Verlag ermittelt werden. Kaum ein Indexprodukt für die jeweilige Region bezieht sich auf einen anderen Index, sodass das Angebot zumindest transparent ist.

2.4 Rohstoffe

Etwas anders sieht es bei den Rohstoffen aus, hier gibt es keinen »offiziellen« Index – nicht zuletzt, weil das Universum recht unübersichtlich ist. Auf die Unterschiede wird im entsprechenden Kapitel noch eingegangen, es sei jedoch darauf hingewiesen, dass hier eine echte Konkurrenz unterschiedlicher Strickmuster besteht mit deutlichen Auswirkungen auf die Wertentwicklung.

In Rohstoffe zu investieren, ist für Private noch ein recht neues Vergnügen. Vor allem das Jahr 2005 brachte den großen Durchbruch, als teils recht dramatische Preissteigerungen verschiedene Banken veranlassten, Anlageprodukte auf Rohstoffe zu entwickeln. Die verkauften sich auch sehr gut, zumal schon der Benzinpreis an der Tankstelle ein recht deutlicher Marktindikator ist. So betätigen sich etliche Autofahrer als Spekulanten, indem sie dann volltanken, wenn der Preis gerade wieder zu steigen droht. Dass das nicht immer erfolgreich ist, kann man regelmäßig feststellen, wenn man doch noch eine günstigere Tankstelle sieht.

Heute kann man recht einfach in Öl investieren, natürlich auch in Gold, Orangensaft und Weizen und, wenn man will, auch in lebende Schweine. Die Frage ist natürlich, wie das gehen soll. Muss man Waren kaufen und einlagern? Gold mag da noch seinen Reiz haben, zumal es nicht so viel Platz wegnimmt, zumindest nicht in dem Rahmen, in dem man es noch bezahlen kann. Aber Schlachtvieh im Garten und Weizen in der Vorratskammer? So weit geht es glücklicherweise nicht, aber es stellt sich die Frage, wie man sonst damit Geld verdienen kann. Anleger kaufen ein entsprechendes Zertifikat, aber der Emittent muss ja seinerseits sehen, wie er zu Geld kommt, an dem er die Anleger beteiligen kann.

Und das ist nicht so einfach, weil auch die Bank keine Lust hat, Rohstoffe einzulagern. Vielmehr braucht man ein Vehikel an den Rohstoffbörsen, mit dem man Kursentwicklungen nachvollziehen kann, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Das geht, indem man Lieferverträge mit unterschiedlichen Fristigkeiten an- und verkauft. An den Rohstoffbörsen wie zum Beispiel London oder Chicago werden nämlich Rohstoffe zu unterschiedlichen Lieferterminen gehandelt. Man kann Lieferungen sofort erhalten oder erst in einigen Monaten. Das ist für Unternehmen sinnvoll und notwendig, um planen zu können. Wenn ein Unternehmen beispielsweise weiß, dass es in sechs Monaten eine bestimmte Menge Öl benötigt, dann will es sich oft frühzeitig absichern, kauft also Monate im Voraus. Damit ist der Preis festgeschrieben. Ändert er sich im Laufe der Zeit, hat das Unternehmen entweder zu viel ausgegeben oder Geld gespart.

Auf dieser Basis lässt sich nun auch spekulieren. Wer damit rechnet, dass der Ölpreis steigt, kauft jetzt eine Lieferung mit langer Frist und verkauft sie dann später, aber natürlich vor dem eigentlichen Liefertermin. Steigt der Preis tatsächlich, hat er gutes Geld verdient. Fällt der Ölpreis jedoch, sieht es anders aus. Der Liefervertrag muss nämlich verkauft werden, der Spekulant gerät unter Druck und muss einen Verlust hinnehmen. Ob das System dauerhaft funktioniert, werden wir später noch feststellen. Wichtig ist zunächst einmal, dass es über diese Terminkontrakte möglich ist, auch in Rohstoffe zu investieren, wenn auch über einen Umweg.

2.5 Futures

Mit den Lieferverträgen auf Termin wurde schon ein weiterer Baustein der Zertifikatewerkstatt angesprochen, nämlich der Future. Als Futures werden Verträge bezeichnet, nach denen zu einem späteren Zeitpunkt etwas zu einem festen Preis geliefert werden muss. Wenn Sie beispielsweise eine hochwertige Schrankwand in einem Möbelhaus bestellen, die erst in sechs Monaten geliefert werden soll, dann hat das schon den Charakter eines Futures, allerdings eher unbeabsichtigt. Vor allem gibt es nicht viele Möglichkeiten, damit zu spekulieren. Aber im Prinzip geht es in die gleiche Richtung. So kann man beispielsweise als sogenannter institutioneller Anleger (Bank, Fondsgesellschaft und so weiter) den Dax auf Termin kaufen, ohne dabei den voraussichtlichen Kaufpreis komplett vorstrecken zu müssen. Man leistet praktisch eine Art Anzahlung, hier handelt es sich um eine Sicherheitsleistung.

Viele Indexzertifikate arbeiten mit Futures, weil sie die Arbeit deutlich vereinfachen und die Kosten reduzieren. Wenn etwa die Beteiligung an der Kursentwicklung des Dax geboten werden soll (zum Beispiel durch ein Indexzertifikat), dann könnte der Emittent sämtliche Aktien des Dax kaufen und hätte damit die Basis für die Kursentwicklung des Zertifikats geschaffen. Der Zertifikatkäufer wäre damit an der Wertentwicklung dieses Portfolios beteiligt.

Der Emittent kann aber auch einen Future auf den Dax kaufen und erreicht damit das Gleiche. Die Wertentwicklung des Futures entspricht fast genau der des Dax, an den Fälligkeitstagen (immer alle drei Monate – März, Juni, September, Dezember – am dritten Freitag) sind die Werte identisch.

Der Emittent hat sich den mühseligen Handel mit 30 Aktien erspart. Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass nicht der gesamte Betrag gezahlt werden muss (ein Dax-Punkt kostet übrigens 25 Euro), sondern nur ein Teilbetrag als Sicherheit zu hinterlegen ist. Selbst im Verlustfall muss man nicht unbedingt damit rechnen, bis zum nächsten Verfallstag alles zu verlieren, sondern nur einen bestimmten Teil.

Das gibt es auch für Renten (dabei wird ein Future auf eine fiktive Bundesanleihe mit langer Laufzeit und 6 Prozent Zinsen zugrunde gelegt) und natürlich für alle möglichen Arten von Rohstoffen. Als Anleger müssen Sie sich von der Vorstellung lösen, dass immer etwas Greifbares vorhanden sein muss, um ein Wertpapier zu konstruieren. Oft sind es nur Verpflichtungen, irgendwann etwas zu zahlen, worin Sie investieren. Das führt auch zu dem Effekt, dass Zertifikatekurse manchmal nicht genau dort sind, wo man sie vermutet.

Beispielsweise ändert sich der Kurs eines Zertifikats auf japanische Aktien auch, wenn in Japan Feierabend ist. Wenn der zugrunde liegende Future nämlich in Europa gehandelt wird, dann gibt es auch zu europäischen Börsenzeiten immer aktualisierte Kurse. Schlimmer kann es Rohstoffanleger erwischen, die zwar sehen, wie der Preis »ihres« Rohstoffs steigt, aber der ihres Zertifikats fällt. Das liegt dann an den Futures, wie wir noch sehen werden.

2.6 Optionen

Und es gibt noch eine Basiskomponente für Zertifikate, die zu verstehen einiges Kopfzerbrechen bereiten kann: die Option. Oben wurde ja schon angedeutet, dass ein GarantiezertifikatAnleiheBasiswertUnderlying