Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1. Auflage

© 2021 Timo Dietz

Mitentwickler: Maël Saugy

Design: Teve Frederik Ahrens

Layout: deerstreet-experience GmbH

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7534-3636-4

FÜR DICH.

Das für dieses Buch gesammelte Fachwissen und die entsprechenden Erfahrungen sind das Resultat einer herz- und sinnerfüllenden Leidenschaft, welcher ich seit meinem fünften Lebensjahr nachgehe und die ich seit 2014 mit meinem vertrauten Geschäftspartner, innigen Freund und großen Vorbild Maël Saugy teilen darf. Wir freuen uns, mit diesem Werk einen Beitrag für die ambitionierte Tenniswelt leisten zu können und wünschen dir jetzt eine Vielzahl neuer Erkenntnisprozesse. Deine Erfolgserlebnisse beim Erfahren dieser sportlichen Kunst werden eine Weiterentwicklung deiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten unausweichlich machen.

ÜBER DEN AUTOR.

Timo Dietz, geb. 1995 in Hannover, erlangte seine wichtigsten Erkenntnisse durch ein abgeschlossenes Studium der Volkswirtschaftslehre und Sportwissenschaften, in unzähligen Aus- und Weiterbildungen im Bereich der mentalen Gesundheit, vor allem aber in der härtesten Akademie unseres Lebens – dem Leben selbst.

Seine Kernkompetenz besteht darin, Individuen in ihrem Kern zu berühren, um sie an ihre wahre Größe zu erinnern. Ein besonders ausgeprägtes Einfühlungsvermögen unterstützt ihn dabei, das tieferliegende, schlummernde Potenzial eines Jeden zu entdecken und erblühen zu lassen.

Über mehrere Tausend begeisterte Tennisschüler*innen geben der Trainingsphilosophie, welche durch vielfältige Visualisierungsmethodiken und der Verknüpfung zur eigenen Persönlichkeit geprägt ist, recht. In Fachkreisen wird der Autor dieses Buches darum als Pionier der mentalen Avantgarde des 21. Jahrhunderts gehandelt.

Ein Mensch, der es verstanden hat, durch das Medium Tennis Menschlichkeit zu lehren.

- Maël Saugy

Inhaltsverzeichnis

VORWORT.

Dieses Buch ist eine Einladung. Eine Einladung an dich.

Hältst du es für möglich, dass die Auseinandersetzung mit deiner eigenen Persönlichkeit unausweichlich ist, um eine sportliche Leistung auf dein bisher höchstes Level zu heben? Das Wissen um grundlegende Gesetze des Lebens ist die Basis, um wahre Leichtigkeit zu erfahren und nachhaltig zu verinnerlichen.

In diesem Zusammenhang hat Tennis das Potenzial, ein ehrlicher Spiegel deiner mentalen Attitüde zu werden. Bestimmt wurde auch dir bereits einmal die eine Technik ans Herz gelegt. Eine Technik, die aus sportwissenschaftlicher Sicht die beste für dich sei. Und egal, ob es sich um Techniken für dein Training, deine Lernweise oder gar deine Lebensführung handelt – frage dich nun für einen Moment selbst, welche Menschen dir in deinem bisherigen Leben wirklich helfen konnten. Ich persönlich glaube nicht an die eine Technik. Weder für authentischen Erfolg, noch für andauernde Gesundheit oder persönliches Glück. Ich glaube an eine innewohnende, höhere Kunst.

Diese sogenannte Kunst habe ich für mich auf einem Weg entdecken können, der sich als eine Synergie aus moderner rationaler Wissenschaft und der ewigen subjektiven Philosophie versteht. Anders ausgedrückt: Wenn Mathematik auf Bewusstsein trifft, entsteht eine Dynamik, die wir alle bereits kennen, aber nur zu selten als wirklich beeinflussbar erleben. Stefano Elio D’Anna, Albert Einstein, Ulrich Warnke und Dr. Joe Dispenza sind nur einige dieser bedeutenden Persönlichkeiten, die wirklich in der Lage sind, dem Menschen eine Art metaphorische Landkarte auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Verständnis in mehreren Lebensbereichen zu schenken.

Dieses Buch ist dazu gedacht, dir einen ehrlichen Weg aufzuzeigen. Den Weg zu den richtungsweisenden Erkenntnissen meines bisherigen Lebens. Dazu zählen nicht nur das finale Konzept hinter Game, Set & Magic und die mit einhergehenden Erfolgsgeschichten. Genauso möchte ich dich über meine Lektionen auf diesem Pfad und die mentalen Baustellen unseres menschlichen Daseins aufmerksam machen. Bevor wir jedoch zu den praktischen Umsetzungen kommen und du den Tennisplatz erneut betrittst, wirst du mit auf eine Reise in deine unbewussten und mentalen Abläufe genommen.

Eine kurze Warnung von meiner Seite: Der Grad deiner Fähigkeit zur Selbstreflexion wird über den „Schmerz“ entscheiden, welcher das Überdenken bisheriger Glaubenssätze mit sich bringen kann.

Meinen Erfahrungen nach kann wahres Wissen weder erlernt noch gelehrt werden, es kann lediglich erinnert werden. Der Schlüssel für die Ganzheit liegt – öfter als wir es für wahrhaben wollen – im Einfachen und Natürlichen.

HAND AUFS HERZ.

Warum hältst du dieses Buch gerade in deinen Händen?

Vermutlich denkst du gerade an eine ganz bestimmte Person, die dir dieses Buch empfohlen hat und es nur deswegen vor dir liegt. Jetzt wissen wir beide zumindest, wie das Buch in deine Hände gekommen ist, aber noch immer nicht, warum du deine Zeit diesen Zeilen widmest. Lies die Frage ruhig noch ein zweites Mal.

Es ist vollkommen menschlich, bei einer Frage nach dem Warum zuallererst an die Empfehlung eines bekannten Menschen oder auch an Rezensionen von Fremden zu denken. Von positiven Meinungen und Entwicklungen anderer inspiriert, lassen sich die eigenen Entscheidungen oftmals bequemer treffen. Der entscheidende Schritt, der hierbei gerne „vergessen“ wird, liegt darin, nicht bei der anderen Person zu verweilen, sondern einen wirklichen Bezug zu uns selbst herzustellen.

Denn auf diese Weise entziehen wir uns der Verantwortung, dass etwas Neues beziehungsweise eine Veränderung aus beliebigen Gründen bei uns selbst nicht funktionieren könnte. Anstatt dessen geben wir uns der unbewussten und tiefersitzenden Hoffnung hin, dass etwas außerhalb von uns existiere, dass das Tennisspiel spürbar einfacher und auch erfolgreicher gestalten könne. Es ist gut vorstellbar, dass dir die Antworten auf dein Warum erst im Verlaufe des Buches bewusster werden. Interessieren wir uns letzten Endes nicht alle für den schnellsten und zugleich angenehmsten Weg zu unserem Ziel? Hand auf’s Herz.

Bist du überhaupt bereit, deine eigenen Überzeugungen für eine bestimmte Zeit in Frage zu stellen und dich für etwas zu öffnen, das dir in einigen Punkten „zu einfach um wahr zu sein“ vorkommen wird? Dabei ist nicht entscheidend, ob du die bisherigen Überzeugungen unbewusst übernommen hast oder diese überhaupt der Wahrheit entsprechen.

Denn eine Entscheidung oder Handlung, die dich von Punkt A nach Punkt B gebracht hat, wird dich mit großer Sicherheit nicht von B nach C katapultieren. Gewöhne dich bestenfalls schon jetzt daran, dass das Fallenlassen alter und das Zulassen neuer Perspektiven unabdingbar sind, um die schöne Aussicht von Punkt C bestaunen zu können. Game, Set & Magic ist kein Technikratgeber im herkömmlichen Sinne, denn meine Botschaft an dich enthält weder eine neue Erfindung, noch eine unbestreitbare Lehre. Vielmehr sehe ich meine Mission darin, dein aktuelles Wissen zu reduzieren und dich an das zu erinnern, was schon seither als Grundprivileg in dir steckt. Ich möchte dich an die Selbstverständlichkeit erinnern, Tennis wieder mehr als spürbare Gedankenhygiene, anstelle einer Art Technik-Tourette zu betreiben.

Hand auf’s Herz.

Kannst du eine rationale Erklärung dafür finden, warum ein innerer Hormoncocktail für Emotionsausbrüche und Gänsehautmomente der besonderen Art sorgt – den der Mensch Liebe nennt? Oder kennst du die genauen physiologischen Reizübertragungen in deinem Körper, die dafür sorgen, dass sich das hier Gelesene im Endeffekt positiv auf dein Tennis und deine Persönlichkeit auswirken kann?

Nein? Ich auch nicht. Und wir müssen auch nicht alles verstehen (wollen), damit es funktioniert. Es funktioniert einfach, auch ohne unser Wissen! Und das mit einer schier unglaublichen Zuverlässigkeit. Ich eröffne dir nicht den einen Weg. Ich werde dir meinen Weg verraten. Nahezu 10.000 Menschen, zwischen 5 und 94 Jahren, haben Game, Set & Magic in über 30.000 Trainingseinheiten bei Maël und mir mittlerweile kennen und lieben gelernt. Wenn das eigene Tennisspiel das Potenzial hat, Gänsehautmomente und sogar Freudentränen zu erzeugen, dann ist es meine Pflicht gegenüber diesem Sport, meine Erkenntnisse in diese Welt – in deine Welt – zu tragen.

Es gibt die Weisheit: „Man kann das Pferd zum Wasser bringen, aber trinken muss es selbst.“ Wie schön, dass du den notwendigen Durst bereits mitbringst. Lass uns eine Synergie aus deiner Neugierde und den Potenzialen von Game, Set & Magic entdecken, um die mit einhergehenden Erfolgserlebnisse gemeinsam zu genießen.

Ich frage dich nun ein zweites Mal: Bist du bereit, mit Beginn dieses Buches deine alten Überzeugungen in Frage zu stellen?

HAND AUFS HERZ.

Lernen oder Erinnern?

Kämpfen oder Vertrauen?

Festhalten oder Loslassen?

ABOUT
FAILING
&
REFLECTING

MY
STORY

MY STORY.

Für einen Jungen mit skandinavisch-blondem Kurzhaar, einer Schwäche für Haribo-Tüten vom Nachbarn, zu schüchtern für ein Fußballtraining mit seinen besten Freunden und mit neun Jahren noch immer fest die Hand der Eltern auf dem Weg zum Tennistraining haltend, grenzt es an eine Willkür der Natur, dass der gleiche Junge heute ein Buch über das Loslassen schreibt.

Mir persönlich gefällt der Gedanke, dass das Leben Pfade für uns parat hält, die beim ersten Hinsehen vermeintlich konträr zu unserem bisherigen Lebensweg stehen. Der genauere zweite Blick auf die Umstände offenbart uns jedoch dann, dass dem Warum auf ein Ereignis eine lange und unbewusste Vorbereitung nur durch uns selbst vorausgeht. Nur wenn wir unsere eigene Verantwortung wahrhaben und den Einfluss auf schöne und unangenehme Ereignisse entdecken möchten, beginnen wir, den Grundgesetzen unseres Lebens auch in alltäglichsten Situationen zu begegnen. In diesen Fällen verstecken wir uns leider noch zu häufig hinter Begriffen wie Zufall, Glück und Pech.

Hältst du es für möglich, dass vielleicht auch du ungünstige Umstände gelegentlich als Pech oder Unglück betitelst, um der Verantwortung bequem zu entgehen? Oder betrachtest du es als eine Art Energiemanagement, nicht jedem Umstand einen Spielraum für Eigenbeobachtung und Selbstoptimierung zu schenken?

Für mich und meinen Lebensweg war Tennis nicht immer eine Art Bestimmung, die bereits von der Wiege bis hin zu prestigeträchtigen Erfolgen in Stein gemeißelt war. Dennoch gab es nur wenige Phasen, in denen ich nichts für technische Fortschritte und besondere Momente des Sports übrighatte. Weder die Pubertät, noch Veränderungen meiner Lebensmittelpunkte änderten etwas daran, dass sich Tennis zu den Wurzeln innigster Freundschaften, erfolgreicher Geschäftsbeziehungen und unvergesslicher Eskapaden mit dem Team entwickelte. Aus meiner heutigen Perspektive hatte dies einen ganz bestimmten Grund: Sowohl meine Eltern, als auch mein Trainingsumfeld legten ihre gesamte Aufmerksamkeit auf authentische Erfolgserlebnisse – menschlicher und sportlicher Natur. Erfolgserlebnisse, welche ich mir in meinem eigenen, ganz persönlichen Tempo selbst kreieren durfte.

Heute bin ich unendlich dankbar für dieses menschliche Vorgehen meiner unterschiedlichen Erziehungspersonen. Eventuell steckt doch ein Funken Wahrheit dahinter, dass man das Gute häufig erst erkennt, wenn man retrospektiv einen Blick auf das Erlebte wirft.

Erlebnis statt Ergebnis und Ergebnis durch Erlebnis.

Grundsätzlich strebt der moderne Mensch aber nach Momenten des Weckrufs, meist von außen. Wenn diese dann auch noch sehr plötzlich und heftig in unser bis dato funktionierendes Leben einschlagen, kann dies zum Überdenken und auch Verändern bisheriger Verhaltensmuster führen. Was hältst du also von dem Vorschlag, wenn wir die nicht vorhandenen Hiobsbotschaften einfach überspringen und uns Erfolgserlebnissen zuwenden, aus denen disruptive Veränderungen hervorgehen?

Im Alter von 16 Jahren begann ich, erstmals eigene Erfahrungen im Weitergeben von Wissen und Erfahrungen zu sammeln. Dieser Schritt führte mich zu den ambitionierten, aber zugleich unbeholfenen Versuchen, Erwachsenen meine Art des Tennis mit einer jugendlichen Note schmackhaft machen zu wollen. Ziemlich schnell eröffneten sich mir größere Fragen, die ich mir bis dato nie gestellt hatte und auch nicht stellen musste. Was ist denn überhaupt meine Art des Tennis? Und mit „Art“ ist in diesem Fall noch lange nicht die „Kunst“ gemeint, sondern das bewusste Überdenken, warum meine Vorhand so funktioniert wie sie eben funktioniert.

In den kommenden vier Jahren habe ich diverse Abschlüsse und Lizenzen rund um die Bereiche Tennis, Personaltraining und Rehabilitation gesammelt. Meine Vita komplementierte sich rasch und machte einen mittlerweile sehr professionellen Eindruck. Gefühlt entfernte ich mich zugleich aber immer weiter von der Wahrheit. Je mehr Wissen sich anhäufte, desto verkopfter entwickelten sich meine Lehrinhalte. Sind die sportwissenschaftlichen Details einer Sportart wirklich der Schlüssel für jene Menschen, die lediglich zwei- bis dreimal in der Woche etwaigen Sport schmerzfrei spielen und die Trainingseinheit mit einem After-Work-Getränk genüsslich ausklingen lassen wollen? Wir sprechen hier von nahezu 80 % aller Sportler, den Breitensportlern. Sollten diese Menschen den gleichen Lehrweg durchlaufen, wie es Leistungssportler mit Karriereambitionen von Stunde eins an tun?

Man braucht nur einen flüchtigen Blick in die Top 10 der ATP- und WTA-Weltrangliste zu werfen und selbst einem Tennisneuling fällt direkt auf, wie divers die Technikwelt erfolgreicher Schläge zu sein scheint. Was haben denn nun aber sämtliche Spieler gemein, um ein Teil dieser Elite zu sein? Welchen Aspekt haben sie verstanden, den Lieschen Müller im Nachbarverein noch nicht verinnerlicht hat? Vergleiche man nur die weich-wie-Schlagsahne und harmonische Ballett-Rückhand eines Roger Federers mit der eher hektischen und peitschenähnlichen Vorhand des australischen Tennisunikats Nick Kyrgios. Jedem noch so fachfremden Zuschauer wird hier bewusst, dass diese beiden Spieler ihre technische Ausbildung wohl nicht beim gleichen Trainer erfahren haben können. Dennoch haben beide Spieler das Potenzial, am Ende einer Turnierwoche den Pokal in den eigenen Händen zu halten. Was genau diese Spieler beherrschen und wie wir es uns abschauen können, werde ich dir schon zeitnah erklären.

Aber weder Federers, noch Kyrgios, sondern mein eigener Weg führte mich mit frisch gebackenen 18 Jahren studienbedingt in den Süden Niedersachsens. Genauer gesagt nach Göttingen. Neben der Tatsache, dass ich mittels der Volkswirtschaftslehre ein wirtschaftliches Grundverständnis entwickeln und meiner Leidenschaft an der sportwissenschaftlichen Fakultät nachgehen wollte, fühlte es sich wie ein Stoß ins kalte Wasser an. Plötzlich kamen in mir wieder Gefühle hoch, die mir noch aus Kindheitstagen so vertraut schienen. Kommilitonen kennenlernen? Muss nicht sein. Selbstständigkeit im Alltag? Ausbaufähig. Aber einen neuen Tennisverein ausfindig machen? Unbedingt!

Ausgebildet. Gebräunt. Ahnungslos. Geerdet.

Die wohl richtungsweisendste Entscheidung meines bisherigen Lebens sollte nicht lange auf sich warten lassen. Und diese hatte nichts mit meinem Studium oder meiner fachlichen Ausbildung zu tun. Es sollte meine Ausbildung zum Menschen werden. Der Traum, die persönliche Leidenschaft unter paradiesischen Bedingungen zum Beruf machen zu können, liegt wohl in jedem inneren Kind, egal wie alt man ist. Ob ich mit 18 Jahren wirklich an die Erfüllung dieses Traumes geglaubt habe? Eher nein. Doch genau jetzt und ohne Ankündigung war diese Chance gekommen.

Schlussendlich war es der plötzliche Anruf aus dem Management einer gehobenen Clubhotelleriekette, ob ich innerhalb von zwei Tagen anreisen und für den ausgefallenen Trainer in den kommenden vier Wochen einspringen könne. Wahnsinnig schulschlau, vor Aufregung mein graues T-Shirt sichtbar durchgeschwitzt und unvergleichbar grün hinter den Ohren, stand ich bereits drei Tage später auf der schönsten roten Asche, die ich bis zu diesem Zeitpunkt betreten durfte. Gänzlich überwältigt von diesen Bedingungen und anderen Eindrücken, die ich auf die Schnelle nur peripher wahrgenommen hatte, startete bereits am selben Nachmittag meine erste Stunde als Tenniscoach für Urlaubsgäste. Gegenüber von mir: die 6-jährige Tochter einer deutschen Fernsehikone. Etwaige Ikone war zugleich als einer der strengsten Juroren Deutschlands bekannt und verhielt sich diesen Nachmittag wie ein weißer Hai an einem Käfig von abenteuerlustigen Tauchern. „Na herzlichen Glückwunsch, K.O. in Runde 1 gegen ein Kindergartenkind und ihren Dad“ dachte ich mir bereits zu Beginn der Stunde, obwohl ich die Trainingseinheit mit einem meiner Meinung nach ausgeklügelten Konzept für Nachwuchsspieler startete.

Ja, genau das dachte ich. Wie konnte es dann aber passieren, dass eine 14-jährige Tennisexpertise, ein angefangenes Sportstudium, eine Hand voll Lizenzen und eine akzeptable Empathiefähigkeit nicht ausreichten, um dieses liebe Mädchen und ihren Vater zufriedenzustellen? Die Antwort war so einfach wie auch schwierig.

Mein Ziel: Sichtbare Fortschritte in nur 60 Minuten erzielen, damit der Papa zufrieden ist.

Ziel eines 6-jährigen Mädchens: Bälle schlagen. Diesen beim Fliegen zuschauen und lachen.

Ziel eines Vaters: Eine glückliche Tochter.

Der Fehler in diesem System: Ich.

„Es ist die wichtigste Kunst des Lehrers, die Freude
am Schaffen und am Erkennen zu wecken.“
– Albert Einstein

Somit hat mir meine erste Trainingsstunde genau den Spiegel vorgehalten, den ich erst einige Wochen später verstehen sollte und der einen sehr wichtigen Träger meiner heutigen Philosophie darstellt. Im Laufe meiner nächsten Wochen in der überdurchschnittlich heißen Türkei verließ ich allmählich meine alten Gedankenmuster. Vermutlich durch die Trennung aus meinem gewohnten Umfeld und der spürbaren Reizüberflutung an neuen Erfahrungen. Zudem konnte ich Tag für Tag wahrnehmen, wie sich meine persönlichen Interessen mit der Tennislehre zu vereinen begannen und mir der Zugang zu neu angereisten Gästen immer schneller gelang.

Dennoch war es nicht das Ziel eines Jeden, Spaß auf der roten Asche zu haben oder die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu erfahren. Häufig werden Dienstleister wie Personaltrainer und Tennis Coaches zu einer Art Prestigetermin im Urlaub und Alltag. Diese Art der Bespaßung entsprach auch in jungen Jahren nicht meinen Ansprüchen. Ich wollte nicht länger ein Termin im Kalender anderer Menschen sein. Viele Menschen nehmen sich einen Coach/Berater/Trainer, um sich Fortschritte sportlicher und persönlicher Natur terminlich zu erkaufen. Dieses Gefühl, die eingekaufte Verantwortung anderer zu sein, befriedigte meinen Treiber als leidenschaftlicher Impulsgeber deshalb nur geringfügig. Nachdem mich dieses Gefühl wiederholt heimsuchte und mir nach wie vor der passende Schlüssel zu fehlen schien, schlug die wohl alles entscheidende Frage blitzartig in mein Bewusstsein ein:

Wenn meinem Schüler das wirkliche Warum – damit meine ich seinen emotionalen Antrieb zum Training – noch gar nicht bewusst ist, wie soll er dann Erfolge und Motivation in seinem Tun überhaupt erfahren können? Zusammengefasst: Kein Wie und Was ohne Warum.

Das war es! Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, als ich erkannte, dass meine wahre Rolle als Tennistrainer viel mehr war als der gebräunte, athletische Entertainer der roten Asche zu sein. Dieser Moment ließ meine bis zu jenem Zeitpunkt errichtete Didaktik-Festung zum Einsturz bringen und legte mir offen, welchen Einfluss ich wirklich haben konnte. Im ersten Moment übermannte mich dieser potenzielle Einfluss und ich fragte mich, ob ich dieser Rolle als Anfang 20-Jähriger auch gewachsen sei. Dies war aber lediglich der erste Gedanke. Nach einer kurzen Phase der Besinnung wurde mir bewusst, dass ich meine Mission bereits gefunden hatte.

Tennis ist mehr. Alles ist mehr.
Wenn ich es sehen möchte.

Ein mir damals sehr ans Herz gewachsener Hotelgast hatte es geschafft, dieses entschlossen geöffnete Gedankenfass so einfach wie auch plausibel mit nur einem Satz weiter zu befüllen. Er sagte folgende Worte zu mir: „Lieber Timo, zuerst der Kompass, dann die Uhr.“ Lass diese Aussage gerne einmal auf dich wirken, bevor du weiterliest.

Von Pfadfindern und Sprintern.

Nach meinen Beobachtungen suchen wir Menschen noch zu häufig die schnellst auffindbare und gerade Strecke, um endlich loszusprinten. Zu sprinten, um noch schneller anzukommen. Aber wo denn ankommen? Was ist denn, wenn man eine lange Zeit in den Süden sprintet, obwohl man doch eigentlich in den Norden wollte? Immerhin ist man dann Erster (von hinten). Vermutlich lässt dieser Gedanke eine Menge Spielraum zum Philosophieren und Hinterfragen richtungsweisender Entscheidungen. Trotzdem bin ich mir genauso sicher, dass du den springenden Punkt hierbei verstanden hast. Sei dir vor neuen und auch bereits bestehenden Aufgaben ausreichend im Klaren darüber, wie viel Pfadfinder tatsächlich in dir steckt und stelle deinen Kompass richtig ein, bevor du beginnst, an deiner Aerodynamik zu feilen.

Auch weiterhin fühlte ich mich mit der Frage konfrontiert, ob ich bereits einen eigenen Trainingsstil gefunden hatte oder weiterhin mit Zweifeln und Pseudovisionen versuchte, einen zu entwickeln. Die folgende Situation spiegelte meine damaligen Gedanken ziemlich treffsicher wider. Entschuldige hierbei bitte die nachfolgende Ausdrucksweise, aber ein Zitat ist nur authentisch, wenn dieses auch dem Original entspricht. In diesem Fall von einem Ehepaar aus meinem Training: „Nach den ersten zehn Minuten deines Trainings schauten wir uns gegenseitig nur an und unsere Blicke trafen sich verzweifelt: Was’n das für’n spiritueller Scheiß? Du redest vom Vögelchen, vom Spiegeln und vom Loslassen…obwohl wir eigentlich nur Bälle kloppen wollten. Dank dieser 60-minütigen Gehirnwäsche und dem Gedankensalat hinterher waren wir uns in einer Sache aber einig: das hier ist der genialste Trainingsansatz, den wir bisher kennengelernt haben. Funktioniert das eigentlich genauso in anderen Lebensbereichen?“

Ich vergleiche diese Art der Erfahrung immer gerne mit dem Besuch bei einem neuen Friseur. Der eigene anfangs kritische und vielleicht auch argwöhnische Blick auf die alternative Herangehensweise, kombiniert mit der illusorischen Angst, der Friseur könne einem die komplette Attraktivität stehlen. Einige Vertrauens- und Schweißperlenmomente später muss man sich selbst und dem Profi seines Handwerks jedoch eingestehen, dass seine Arbeit überraschenderweise mehr als zufriedenstellend war. „Hallo liebes Ego, schön dass du mal wieder vorbeischaust, aber verhalte dich bitte ein wenig ruhiger.“

Kind