Vollständige eBook Ausgabe 2012
©2011 SPIELBERG VERLAG, Regensburg
Umschlaggestaltung: Spielberg Verlag
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©frenta & ©Giuseppe Parisi - fotolia.de
Illustration: Marion Forster-Grötsch
Alle Rechte vorbehalten
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(eBook) ISBN: 978-3-95452-012-1
www.spielberg-verlag.de
eBook-Herstellung: GEPPCO MEDIA, Regensburg
Marion Forster-Grötsch wurde 1975 in Regensburg geboren. Die Realschullehrerin wohnt mit ihrem Ehemann und zwei kleinen Töchtern in Niederbayern. In ihrer Freizeit schreibt und illustriert sie Kurzgeschichten für Kinder. »Das Geheimnis von Mikosma - Geblendet« ist ihr erster Roman.
Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, insbesondere meiner Schwester, die immer an meine Geschichte geglaubt hat.
Meinem Ehemann danke ich für die »technische« Unterstützung, die ihn manchmal an den Rand der Verzweiflung brachte.
Nicht zuletzt möchte ich Herrn Windmeißer vom Spielberg Verlag danken, ohne den die Veröffentlichung meiner Geschichte nicht möglich gewesen wäre.
Allen ein herzliches Vergelt´s Gott!
»Nichts ist unmöglich – vorausgesetzt man packt es an«
Gewidmet den starken Frauen meiner Familie
Das Geheimnis von Mikosma
Von Panik ergriffen, rannte sie so schnell sie konnte. Hastig und voller Angst riss sie ihren Kopf herum, um zu sehen, ob es ihr gelungen war, ihre Verfolger abzuhängen. Hässliche, entstellte Fratzen öffneten ihre Mäuler und kreischten mit schrillen Stimmen ihren Namen. Pfoten mit langen, grünen Krallen griffen nach dem Saum ihres im Wind wehenden T-Shirts. Sie schrie laut auf. Sie sah, dass der Weg, den sie gewählt hatte, in einer Sackgasse enden würde. Sie verlor das Gleichgewicht, knallte mit ihren Knien auf den Boden auf und blieb eingerollt wie ein Baby liegen. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Das Mädchen war bereit zum Sterben. Sich ihrer Beute sicher, kreisten die Geister über ihm, griffen in sein blondes, lockiges Haar und zogen daran, lachten hämisch über das eingeigelte Etwas und machten sich bereit, ihr kleines, unschuldiges Opfer zu zerteilen. Das Mädchen spürte, wie der Lebenshauch in ihm erlosch…
1. Kapitel:
Außenseiter zu sein, ist nicht leicht
»Oh Mann, ist das langweilig! Mir schlafen gleich die Füße ein!«, murmelte Leandra und schlug sofort entsetzt ihre beiden Hände auf den Mund. Sie hatte es schon wieder getan!
»Leandra Kühn, was gibt es da zu flüstern?«
Schrill ertönte die Stimme ihrer Klassenlehrerin Frau Semmeleisen. Sie hatte graue Haare, die stets zu einem strengen Schopf zusammengebunden waren. Eine schwarze Strähne ließ erahnen, dass sie einst schwarzes, dichtes Haar gehabt haben musste. Mit ihrer dicken Brille durchbohrte sie das Mädchen mit stechenden Blicken.
»Du wagst es auch jetzt noch, kurz vor dem Beginn der Sommerferien, meinen Unterricht zu stören! Das ist eine Unerhörtheit! Aber darin hast du ja Übung, kleine Göre!«, setzte sie ihre Schimpftirade auf Leandra fort.
Beschämt blickte das Kind zu Boden, das Gelächter und leise Gespött seiner Mitschüler im Nacken. Ja, Leandra war nicht gerade beliebt in der Klasse. Zum einen fiel sie immer wieder durch ihr lautes Denken auf, was Leandra trotz intensiver Bemühungen nicht unterdrücken konnte, zum anderen war sie nach Meinung ihrer Klassenlehrerin Frau Semmeleisen bei jeder Auseinandersetzung, die sich innerhalb des Klassenraumes abspielte, die Anstifterin. Jedes Leugnen hatte härtere Strafen zur Folge und ihre Klassenkameraden wussten inzwischen die Schuld stets auf Leandra zu lenken. Anfangs protestierte Leandra mit Tränen, stampfte auf den Boden und schrie ihre Wut heraus. Sie versuchte es dann mit vernünftigen Argumenten, weinte bitterlich über die Ungerechtigkeiten und resignierte letztendlich vor der Lehrkraft und der gesamten Klasse. Leandras manchmal seltsames Verhalten und lautes Denken hatten sie langsam zur Außenseiterin werden lassen und ihrer Lehrerin war das scheinbar egal.
»Einen Sündenbock muss es immer geben!«, pflegten sie ihre Eltern stets zu trösten, was jedoch Leandra nicht gerade aufmunterte. Sie hatte ihre Rolle satt, konnte sich jedoch nicht gegen die gesamte Klasse wehren. Dafür fühlte sie sich einfach zu schwach.
»Nun?«
Frau Semmeleisen griff nach ihrer Brille und rollte die Augen, sodass sie fast aus den Augenhöhlen herauszufallen drohten. Artig erhob sich Leandra von ihrem Platz in der ersten Reihe, schüttelte ihre blonden, langen Locken, machte einen kleinen Knicks und entschuldigte sich in einem monotonen Ton für die Unterbrechung.
»Deinetwegen müssen die anderen nun warten, auch wenn der Gong gleich läutet!«
Just in diesem Moment ertönte das ersehnte Ringen im Schulhaus und man hörte von den Gängen lautes Türenknallen und erleichtertes Jubeln. Die anderen Schüler des St. Vincent-Gymnasiums in Meinhausen hatten es für dieses Schuljahr geschafft. Ein lautes Raunen und Stöhnen von Leandras Klassenkameraden war die Antwort darauf.
»Kannst du nicht mal am Ende des Jahres die Klappe halten?«, giftete sie Annemarie, Klassenprimus und Liebling der Lehrerin, von links an. Sie war dürr, viel zu groß für ihr Alter und trug stets links und rechts geflochtene Zöpfe. Für eine Dreizehnjährige wirkte sie viel zu erwachsen. Leandra drehte den Kopf zur Seite und streckte ihr die Zunge raus.
»Blöde Ziege!«, dachte sie.
Es war aber nicht Annemaries Reaktion, die Leandra fürchtete. In geduckter Haltung, den Kopf tief gegen die Schultern gepresst, drehte sie sich langsam um und sah geradewegs in stechend blaue Augen, die zu Angst einflößenden, schmalen Strichen zusammengepresst waren.
»Gregor Mikowsky!«, schoss es Leandra durch den Kopf und sie spürte, wie ihr Herz anfing zu rasen.
Mikowsky, der seine Mitschüler an Größe um Längen überragte, war in der gesamten Schule gefürchtet. Er war Anführer einer Bande von Jungen, die sich wahllos schwächere Opfer aussuchten, um sie auf ihre subtile Art zu quälen. Er ging dabei so geschickt vor, dass ihm nie jemand eine Schuld nachweisen konnte. Im Gegenteil: Es gelang ihm jedes Mal, den Opfern den schwarzen Peter zuzuschieben! Frau Semmeleisen legte stets schützend die Hand auf Gregors braune, stets nach oben gegelte Haare und entschuldigte seine Entgleisungen mit der Ausrede, Gregor hätte es nicht leicht zu Hause. Dabei sah er sie so unschuldig an und zog seine Mundwinkel gequält nach unten, als könne er keiner Fliege etwas zu Leide tun. Leandra wusste aus eigener Erfahrung, dass sie von Gregor heute noch etwas zu erwarten hatte. Nachdem Frau Semmeleisen tief eingeatmet hatte, setzte sie ihre Litanei aus Tipps fürs neue Schuljahr fort. Leandra spürte die bohrenden und vorwurfsvollen Blicke ihrer Klassenkameraden im Rücken und machte sich deswegen klein wie eine Maus. Als die Lehrerin ihren Satz mit »… und nun wünsche ich euch erholsame und schöne Ferien« beendet hatte, erhob sich auch in der Klasse 7c lautes Jubeln, Lachen und Johlen. So schnell wie heute hatte sich das Klassenzimmer im ganzen Jahr nicht geleert. Leandra bekam den einen oder anderen Stoß in die Rippen, den ihr einige der ungeliebten Klassenkameraden als Erinnerung für die Ferien mitgaben. Plötzlich fiel ein gewaltiger Schatten über Leandras Tischpult und sie spürte einen langsamen, feuchten Atem neben ihrem Ohrläppchen.
Sie zitterte, als Gregor sich zu ihr hinunterbeugte und mit leiser Stimme flüsterte: »Heute ist dein Glückstag, Dummkopf. Da Ferien sind, will ich keine Sekunde länger für solche Nieten wie dich verschwenden! Aber freue dich schon mal aufs nächste Schuljahr! Du weißt, ich vergesse nie jemanden!«
Mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen richtete er sich wieder auf, schlug ihr mit seinen Turnschuhspitzen gegen das Schienbein und zog dicht gefolgt von drei seiner Bandenmitglieder aus Leandras Klasse von dannen. Frau Semmeleisen hatte von dieser Drohung wieder einmal nichts mitbekommen, denn sichtlich genervt von dem lauten Getöse, hatte sie das Zimmer noch vor Gregor und seiner Bande verlassen. Jetzt erst wich die Spannung aus Leandras Körper. Ihr Schienbein schmerzte. Langsam packte sie ihren Stift und Block in die Tasche und stand auf. Dann humpelte sie zur Tür. Sie wartete am Ausgang des Klassenraumes und schielte in den langen, dunklen Flur. Bevor sie das schützende Zimmer verließ, wollte sie sich vergewissern, dass sie im Gang keine böse Überraschung erwarten würde. Sie schlich in den Flur und horchte. Leandra atmete aus und blies die Luft durch ihre aufgeblähten Backen. Sie war nun alleine in dem großen, menschenleeren Schulhaus. Leandra schossen Tränen in die Augen.
»Das Schlimmste ist, dass ich an meiner verhassten Situation nichts ändern kann«, schluchzte sie leise und stampfte ärgerlich mit ihren Turnschuhen auf den harten Steinboden des Schulhauses. »Warum kann ich meine Klappe einfach nicht halten. Kein Mensch außer mir spricht so viel unüberlegtes Zeug wie ich«, ärgerte sie sich und wischte hastig eine dicke Träne, die ihr langsam über die Wangen lief, aus dem Gesicht.
Sie wusste nicht, von wem sie diese ungeliebte Verhaltensweise geerbt hatte, aber insgeheim verfluchte sie dieses schlummernde Gen in ihrem Körper, denn es hatte ihr schon zu viel Ärger eingebracht. Als Leandra an der Pforte angekommen war, versteckte sie sich hastig hinter einer kleinen Mauer, denn sie entdeckte ihren Todfeind Gregor Mikowsky, der mitten auf dem Schulhof herumlungerte. Er wartete sichtlich ungeduldig auf jemanden. Scheinbar war er der letzte Schüler außer ihr, der sich noch auf dem Gelände befand. Sofort wurde ihr Atem schneller und ein flaues Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Diesem Fiesling wollte sie heute wirklich nicht mehr begegnen! Leandra schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass er sie während der Ferien vergessen würde! Eine laute Hupe ließ sie zusammenzucken. Leandra sah einen uralten VW-Bus heranbrausen. Mit einem lauten Quietschen kam der Wagen schließlich zum Stehen. Das Auto schien überladen mit Gepäck zu sein, sogar auf das Dach waren Koffer geschnürt. Der Vierräder sah aus wie ein voll bepackter Supermarkt-Einkaufswagen. Scheinbar genervt und von diesem Monsterauto peinlich berührt, ließ Gregor seine Adleraugen über das Gelände streifen. Er wollte sicher sein, dass ihn keiner beobachtete. Leandra machte sich so klein wie eine Maus und Schweißperlen rannten ihr über die Stirn.
»Hoffentlich entdeckt er mich nicht«, wimmerte sie leise und merkte, wie ihre Zähne vor Schreck zu klappern begannen.
Mikowsky wirkte zufrieden, schlenderte langsam auf den Wagen zu, riss die Türe auf und kroch behäbig ins Innere. Das laute Zuschlagen der Tür ließ Leandra abermals zusammenzucken. Schließlich rauschte das seltsame Auto davon. Leandra löste sich aus ihrer verkrampften Haltung und richtete sich auf. Sie streckte ihr Kreuz durch und reckte sich ausgiebig.
»Wer immer auch Gregor abgeholt hat, hatte es sehr eilig«, dachte sie laut und schritt die Stufen des Eingangsportals herunter.
Nun stand Leandra da und trat ihren Heimweg – wie immer – alleine an.
2. Kapitel
Verlockende Einladung
Tief Luft holend stand Leandra vor der Gartentüre ihres Zuhauses in der Veilchenstraße 10. Sie atmete lange aus, drückte die eiserne Klinke nach unten und huschte hinein. Mit einem lauten Knall schloss sich das Tor hinter dem Mädchen.
»Wieder zu Hause«, murmelte Leandra, während sie den kiesigen Pfad entlang schlurfte.
Es war ein wunderschönes, gelbes Haus, das sie zusammen mit ihren Eltern bewohnte. Der Garten war liebevoll angelegt und zum Spielen ideal geeignet: Eine gepflegte, saftiggrüne Rasenfläche, die Herr Hüpfer, der Rentner von gegenüber, alle zwei bis drei Wochen mähte, wurde von duftenden Rosenbüschen, Oleandersträuchern und uralten Kirsch- und Apfelbäumen umarmt. Kleine, in Form geschnittene Buchsbäumchen trennten den Terrassenbereich vom Spielrasen ab und hinter einer weißen Bank plätscherte friedlich ein kleiner Wasserfall von einem dicken Granitfelsen herab. Leandra bezeichnete ihr Zuhause stets als »schönstes Schloss der Welt«, verschwieg jedoch, dass das schöne Äußere über das Hässliche, das sich manchmal in seinem Inneren abspielte, hinweg täuschte. An der Haustüre angekommen, legte sie den Kopf dagegen und presste ihr Ohr fest daran. Sofort ließ sie die Schultern hängen und ihre Mundwinkel zogen sich nach unten, als sie gedämpft die harten und lauten Worte ihrer Eltern hörte.
»Nicht einmal am letzten Schultag können sie sich im Zaum halten!«
Leandra steckte ärgerlich den Hausschlüssel ins Schloss, öffnete energisch die Türe und wollte ihren Eltern mit dem Zuwerfen, was einen lauten Knall erzeugte, signalisieren, dass sie nun zu Hause war. Leider hatte das den gegenteiligen Effekt.
»Na endlich lässt du dich auch mal wieder blicken, junges Fräulein!«, giftete sie ihre Mutter mit einem schrillen Ton an, während diese, wie von einer Tarantel gestochen, aus dem Wohnzimmer in die Diele schoss. »Deinen Vater zieht es schon wieder für mehrere Tage ins Ausland. Beruflich! Pah! So ein Lügner! Mit seiner Sekretärin will er verreisen! Aber das will er ja nicht zugeben!«
Eigentlich war Leandras Mutter eine wunderschöne Frau, Ende dreißig und Leandra glaubte in ihr die Schöpfung Gottes vollendet: Genau wie sie hatte sie langes, blondes, dichtes schulterlanges Haar, das sie meist offen trug. Ihr Gesicht war etwas gebräunt und die blauen Augen leuchteten, wenn sie lachte – und das tat sie gerne und oft – wie blaue Diamanten. Stets adrett gekleidet schlang sich auch heute ein schwarzes, enges Kleid um ihren schlanken Körper. Jetzt aber, vor Wut schäumend, wirkte sie auf Leandra wie eine alte, keifende Hexe.
Es dauerte keine Sekunde, da erschien auch Leandras Vater, wild gestikulierend in der Tür und schrie laut zurück: »Du wolltest dieses Haus hier kaufen und die Grand Dame spielen! Hast du dich schon einmal gefragt, warum ich so oft weg muss? Sicher nicht, weil ich so ein reiselustiger Mensch bin! Und lass meine Sekretärin aus dem Spiel! Mit dir hält es doch kein Mensch längere Zeit aus! Ist es nicht so, Leandra?«
Ihr Vater sah sie mit großen Augen an und Mutter riss den Kopf herum, sodass beide nun erwartungsvoll ihre Tochter anstarrten.
»Ich, ich… Ich hatte heute den letzten Schultag! Jetzt sind endlich Ferien!«, versuchte Leandra die Situation zu retten.
»Ja, genau Ferien. Und gerade dann willst du wieder weg!«, fauchte Mutter Leandras Vater an.
»Ich habe deine Gemeinheiten so satt«, rief ihr Vater und marschierte schnurstracks wieder ins Wohnzimmer, dicht gefolgt von ihrer Mutter, die jetzt die Hand erhob und wild in der Luft fuchtelnd erneut Streit anfachte.
Leandra machte sich Vorwürfe, dass sie nicht länger auf dem Nachhauseweg getrödelt hatte. Jetzt hatte sie ihre Eltern in ihrer Mittagspause, der kurzen gemeinsamen Zeit, die sie stets alle zu Hause verbrachten, wieder einmal streitend erwischt. Das Schlimmste jedoch war, dass sie immer mit hineingezogen wurde und plötzlich für den einen oder anderen Elternteil Partei ergreifen sollte. Sie liebte ihre Eltern, jeden gleich, und wollte neutral bleiben. In diesen Momenten fühlte sie sich jedes Mal, als würde sie auf glühenden Kohlen balancieren. Sie wollte einfach ihre Ruhe haben. Warum verstand sie keiner oder fragte nach ihren Wünschen? Warum hatte Mutter ihren Vater nicht genauso lieb wie sie? Er war ein sehr attraktiver, großer Mann mit tiefschwarzem Haar, grünen, lachenden Augen und einem verschmitzten Blick. Wenn er zu Hause war, was eher selten vorkam, liebte es Leandra, mit ihm zu scherzen. Leandra malte sich immer wieder aus, einen Freund zu finden, der genauso wie ihr Papa sein musste. Sie konnte ihm nicht längere Zeit böse sein. Sie trottete schweren Schrittes die Holztreppe nach oben, während ihre Eltern immer noch lautstark stritten. Wahrscheinlich würde diese Diskussion wieder einmal so enden, dass Mutter dicke Tränen weinte und Vater wütend die Haustüre ins Schloss warf und mit quietschenden Reifen davonbrauste. Vor der Zimmertüre angekommen horchte sie noch einmal auf, weil es unten kurz ruhig geworden war, aber sofort läutete Mutter eine neue Runde voller Vorwürfe und Anschuldigungen ein. Leandra schloss die Zimmertür hinter sich, warf ihre Schultasche, die sie jetzt lange nicht mehr brauchen würde, in die Ecke und setzte sich mit Schwung auf den Drehstuhl vor ihrem Schreibtisch. Tränen begannen ihr von den Wangen zu tropfen. Nein, so hatte sie sich ihren Ferienbeginn nicht vorgestellt. Vor ihr lag ein Block, auf dem sie letzte Nacht Ausflugsziele notiert hatte, die sie mit ihren Phantasiefreunden besuchen wollte. Nun musste sie nicht nur ihre Ferien alleine verbringen, sondern auch noch mit der Angst leben, Gregor Mikowskys Rache zu spüren. Wutentbrannt griff sie nach dem Kugelschreiber, der neben dem Block lag, und begann energisch, die vielen schönen Ideen durchzustreichen. Immer wilder wurden ihre Bewegungen, bis sie schließlich mit zusammengebissenen Zähnen schwarze, dicke und tiefe Kreise ins Papier ritzte.
»Hey, aufhören! Das tut weh!«, schrie plötzlich jemand mit zarter Stimme.
Leandra hielt in ihrer Bewegung inne.
»Kannst du jetzt endlich den Stift beiseite legen und mich herauskriechen lassen?«, hob dieses zarte Stimmchen erneut an.
Leandra blickte sich nach allen Seiten um, bis sie schließlich auf ihrem Block, inmitten des schwarzen Kreises eine kleine Hand entdeckte, die suchend auf dem restlichen weißen Blatt umhertappte.
»Das ist gar nicht so einfach, hier herauszukommen«, jammerte das Stimmchen.
Endlich fanden die Finger Halt auf einem kleinen, noch nicht beschmierten Fleck. Leandra traute ihren Augen nicht, als plötzlich aus dem schwarzen Nichts mit einem großen Satz ein kleiner Kobold heraussprang.
Er postierte sich auf der Drahtspirale, die den Block zusammenhielt, stemmte beide Arme in die Hüfte und lächelte das Mädchen vielversprechend an. Leandra schien zu träumen und gab sich eine Kopfnuss.
»Aua«, schrie sie, in der Hoffnung, der kleine Zwerg sei verschwunden.
»Gebt euch keine Mühe, kleines Fräulein. Ich bin und bleibe hier und werde nicht mehr ohne euch gehen!«, entgegnete Dieser frech, während er seinen Kopf leicht zur Seite legte.
»Du bist also Leandra. Ich hätte gedacht, du wärst ein wenig dicker und größer. Du hast ja blondes Haar und blaue Augen, so wie ich!«
»Deine Haare sind rot und die Augen braun, du Armleuchter!«, protestierte Leandra lautstark, nicht ohne sich zu wundern, warum sie mit einem kleinen Wicht in einem zerzausten grünen Gewand sprach, der in winzigen braunfarbenen Lederschuhen steckte und eine rote Feder im Haar trug.
»Dieser Trick gelingt immer«, lachte er frech und klopfte sich auf die Schenkel. »Darf ich mich vorstellen: Erlas ist mein Name. Ich wurde gesandt, um dich, kleines Fräulein, mitzunehmen. Bist du bereit?«
Das allerliebste Lächeln aufsetzend, hielt ihr der kleine Mann die klitzekleine Hand entgegen.
»Moment einmal – wohin soll ich mitkommen?«, fragte Leandra erstaunt.
»Na, auf geht’s nach Mikosma!«, entgegnete der Zwerg geheimnisvoll.
»Mikosma?«, fragte Leandra stutzig. »Was ist das?«
»Das ist der schönste Planet, den du dir vorstellen kannst. Ein Planet nur für Kinder! Wenn du den Mut hast, greif nach meiner Hand und begleite mich.«
Es soll einen Planeten geben, auf dem nur Kinder leben? Davon hatte ihre Erdkundelehrerin Frau Strich nie etwas erwähnt. Verwundert und wie in Trance reichte ihm Leandra ihren Zeigefinger und sofort durchzuckten sie tausend Blitze. Sie schnellte zurück, ihr Leib wurde hin und her geworfen und wild geschüttelt. Er drehte sich wie ein Strudel im Kreis und erhob sich plötzlich in die Luft bis an die Zimmerdecke. Dort kam er zur Ruhe. Leandra schrie kurz auf, als sie wieder die Augen öffnete: An der Decke klebend lag unter ihr das Zimmer mit Bett, Schreibtisch und Stuhl. Auch sah sie den kleinen Block mit den schwarzen Kreisen auf dem Tisch liegen, in den der Kobold langsam wieder hineinkletterte. Plötzlich stellte sich ihr Körper senkrecht und wie eine Rakete schoss das Mädchen kopfüber in Richtung des Zeichenblocks.
3. Kapitel
Das eiserne Tor
Schreiend mit fest zusammengekniffenen Augen wartete Leandra auf den bevorstehenden Knall, wenn sie am Fußboden aufschlug. Sie würde sich Hals und Bein brechen! Aber – nichts passierte!
Vielmehr spürte sie eine entspannende Wärme und Leichtigkeit, während sich ihr Körper spiralförmig nach vorne drehte. Sie hörte plötzlich viele Kinderstimmen, gleichsam, wie wenn sie sich in einer riesigen Kathedrale befände. Die kreisenden Bewegungen ihres Körpers wurden immer langsamer und sie landete schließlich sanft auf festem Boden.
Jetzt erst traute sich Leandra ihre Augen zu öffnen und was sie sah, verschlug ihr die Sprache. Sie stand auf einer langen gläsernen Rolltreppe, die sich in einem schier unendlichen Raum aufwärts bewegte und dabei lustig hin und her schaukelte. Zahlreiche Regenbögen in den schönsten Farben erhellten die Decke, die mit tausenden funkelnden Sternen übersät war. Als sie ihre Blicke umherschweifen ließ, riss Leandra ihre Augen weit auf, denn sie war nicht die Einzige in diesem Raum! Unendlich viele Rolltreppen aus feinstem Kristallglas schlangen sich krakenförmig in- oder untereinander. Auf jeder Stufe stand ein Kind, dessen Hand ein kleiner Kobold hielt. Manche davon trugen rote Federn im Haar, andere schmückten gelbe und blaue Federn. Kleine Elfen mit silbernen Gewändern und goldenen Haarbändern schwirrten mit winzigen Tabletts umher, auf denen sich verschiedenste Getränke und Süßigkeiten befanden. Flink flatterten diese zahlreichen zarten Wesen mit ihren kleinen Flügeln von Kind zu Kind und boten ihre Waren an. Diese lachten fröhlich und bissen mit Genuss in die feinsten Schokoladendelikatessen. Obwohl sie sich gierig von den Gaben bedienten, schienen sich diese kleinen Tabletts niemals zu leeren. Der unendlich große Raum war mit einem angenehmen und heiteren Wispern erfüllt. Hier und da konnte Leandra ein lautes Jauchzen hören.
Leandra stellte sich mit ihren blauen Turnschuhen auf die Zehenspitzen und streckte sich, um zu sehen, wohin sie die Rolltreppe führen würde. Aber trotz ihrer Bemühungen konnte sie wegen der vielen Ecken, Kurven und Spiralen kein Ziel erkennen. Nun bemerkte sie wieder den Kobold an ihrer Seite, der fröhlich grinsend ihren Finger umklammert hielt.
»Nanu, Erlas, wo sind wir denn hier gelandet?«, fragte Leandra ihren Begleiter neugierig. »Wo führt uns diese Treppe hin?«
»Hab keine Angst. Wir müssen auf den Einlass warten«, antwortete Erlas schnell. »All diese Kinder wollen nach Mikosma einreisen. Sicherlich verstehst du, dass das ein wenig dauert.«
Leandra ließ noch einmal ihre Blicke umherkreisen. Beinahe hätte ihre Rolltreppe zwei andere gestreift, auf denen Kinder aus Asien und Afrika standen.
»Übrigens stehst du hier auf sicherem Boden. Dir kann nichts passieren«, informierte sie ihr Begleiter mit ruhiger Stimme.
Als Leandra ihm einen ungläubigen Blick zuwarf, senkte Erlas verlegen seinen Kopf. Das Mädchen beobachtete, wie sich seine beiden kleinen Wangen knallrot färbten.
»Ich muss dir gestehen, dass ich ein wenig vergesslich bin«, stammelte der Zwerg.
Dabei zeichnete er mit einem seiner zarten Beinchen verlegen unsichtbare Kreise auf die Stufe der Rolltreppe. Leandra verdrehte etwas genervt die Augen.
»Hallo Erlas. Du hast aber einen guten Fang gemacht! So ein hübsches Mädchen durftest du schon lange nicht mehr begleiten«, piepste eine kleine Elfe begeistert, während sie Leandra ihr Tablett unter die Nase hielt. »Bitte bediene dich«, forderte sie Leandra freundlich auf.
Sie schielte auf das Tablett und riss ihre Augen weit auf: Männchen in Form von Schokoladenbällchen, Täfelchen oder Rippchen drängten sich tanzend darauf umher und zeigten sich mal von links, mal von rechts, um sich von ihrer appetitlichsten Seite zu präsentieren. Das Mädchen lachte vor Entzücken laut auf. In Form von Eiswürfeln waren verschiedenste Erfrischungsgetränke rund um das Tablett herum aufgestapelt. Doch Leandra verspürte vor lauter Aufregung keinen Hunger, und obwohl sie die Leckereien auf dem Tablett verführerisch anlächelten, winkte sie die kleine Fee mit einem freundlichen Kopfschütteln weiter. Diese verneigte kurz ihr Köpfchen, klimperte einige Male mit ihren langen Wimpern und schwirrte weiter.
»So viele Menschen habe ich noch nie gesehen. Wer sind all diese Kinder und woher kommen sie?«, begann Leandra zögerlich zu sprechen.
»Genauso wie du haben sie große Sorgen oder werden von Ängsten gequält. Du hast sicherlich schon gesehen, dass die Kinder aus allen Teilen der Erde zu uns gebracht werden. Jedes davon wird von einem Kobold begleitet, der ihm stets zu Diensten ist. Mikosma, musst du wissen, ist ein Planet, der nur für Kinder da ist. Hier sollt ihr eure Sorgen vergessen und richtig glücklich sein«, antwortete Erlas.
»Warum bist du dann erst jetzt gekommen? Meine Eltern streiten sich schließlich schon seit einer gewissen Weile«, fragte Leandra beiläufig. Erlas lächelte.
»Die Magier selbst entscheiden, wann sie die Kinder auf Mikosma einladen.«
»Ich dachte immer, ich sei die Einzige auf der Welt, die Probleme hat. Deswegen habe ich mich immer sehr geschämt«, stammelte Leandra verwundert.
Plötzlich entstand wie von Geisterhand ein schwarzes Loch in der Stufe direkt vor den beiden und ein Kobold samt Mädchen an der Hand stürzte mit einem lauten Zischen in die Tiefe. Leandra schrie entsetzt auf, sprang blitzschnell einen Schritt zur Seite und klammerte sich ans Geländer.
»Die Glückliche!«, schwärmte Erlas. Verträumt legte der Kobold seinen Kopf zur Seite und blickte Leandra an, die ihre Augen noch immer weit aufgerissen hatte.
»Die Glückliche?! Du hast doch wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, Erlas! Sie ist soeben mit dem Kobold abgestürzt!«, schrie Leandra aufgebracht.
»Oh je, wie dumm von mir.« Erlas verzog seinen Mund zu einem verlegenen Lächeln. »Habe ich dir nicht erzählt, dass die Kinder, die von der Treppe fallen, in ihr Zuhause zurückkehren? Durch schicksalhafte Fügungen, die kein Wesen durchblicken kann, werden sich ihre Probleme und Sorgen unmittelbar darauf in Luft auflösen. Sie werden die Magier von Mikosma nicht mehr benötigen.«
»Gibt es vielleicht noch eine klitzekleine Kleinigkeit, die du mir verschwiegen hast?«, knurrte Leandra vorwurfsvoll.
»Aber ich mache es doch nicht absichtlich, mein Fräulein. Ich bin nun mal vergesslich«, wimmerte Erlas leise.
»Na, da haben sich ja zwei gefunden«, dachte Leandra laut. »Was ich zu viel plappere, redest du zu wenig. Das kann ja heiter werden!«
Allmählich entspannte sich Leandras Körper wieder. Als sie sich aufrecht hingestellt, ihre hellblaue Jeans glatt gestrichen und ihr geblümtes Lieblings-T-Shirt in die Hose gesteckt hatte, konnte sie endlich das Ende der Treppe erkennen. Alle führten zum gleichen Ziel: Eine riesige Krake mit unzählbar vielen Tentakeln hob jedes Kind samt Begleiter von den Stufen und setzte beide behutsam auf großen Plattformen ab, die alle zu einem riesigen eisernen Tor führten. Es war mit funkelnden Rubinen besetzt und mit Sternwerfern verziert, die niemals zu erlöschen schienen. Vor der Türe hatte sich bereits eine große Menge an Kindern versammelt, die alle begierig und neugierig auf das Öffnen des Tores warteten.
»Bei den Mengen an Rolltreppen und Kindern kann das ja ewig dauern, bis wir dort hineinkommen«, jammerte Leandra resigniert.
»Aber nein, kleines Fräulein. Es geht ganz fix. Hier auf Mikosma drehen sich die Zeiger der Uhren anders als auf der Erde. Sie gehen so langsam, dass die Sekunden wie Jahre vergehen. Darum vermissen euch eure Eltern nicht, während ihr hier auf Mikosma wohnt«, sprach Erlas belehrend.
Just in diesem Moment waren Leandra und Erlas an der Plattform angekommen und warteten auf die mächtigen Arme der orangefarbenen Krake, die um den Hals eine wunderschöne Kette mit roten Rubinen und blauen Opalen trug. Vorsichtig schlängelte sie einen ihrer tausend Arme um Leandras Hüfte und hob sie ein Stück weit von der Rolltreppe hoch. Erlas machte einen Satz nach oben, griff nach Leandras kleinem Finger und beide wurden auf diesem Weg behutsam auf die Plattform gesetzt. Sofort zog das Tier den starken Arm zurück, ließ Leandra frei und machte sich auf, das nächste wartende Kind von der Rolltreppe zu heben. Unmittelbar darauf flatterte hektisch eine kleine Fee in einem weiten rosafarbenen Kleid heran und schob beide ans Ende der wartenden Schlange.
Durch ihr goldfarbenes Megafon schrie sie immer wieder mit piepsiger Stimme: »Bitte stellt euch hinten an. Ihr kommt bald an die Reihe. Bitte nicht drängeln oder schubsen. Alle Plattformen führen zum Tor.«
Nachdem sich die kleine Fee mit einem großen Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn getupft hatte, flog sie zur nächsten Plattform weiter. Ungeduldig trat Leandra von einem Bein aufs andere und versuchte, sich dabei so groß wie möglich zu machen, um nach vorne blicken zu können. Dabei schweifte ihr Blick nach Gegenüber und sie entdeckte einen schwarzen Jungen mit grünem T-Shirt und blauer Jeans, der sie mit blendend weißen Zähnen anlachte. Auf seinem Kopf trug er wuschelige schwarze Haare, die wild nach allen Seiten hin abstanden. Schüchtern und verlegen wandte das Mädchen seinen Blick ab und war froh, dass endlich Bewegung in die Reihe gekommen war.
4. Kapitel
Die Magier kommen
Mit großer Spannung beobachtete Leandra, was sich gerade vor ihren Augen abzuspielen begann: Die rubinfarbenen Edelsteine in der Eisentüre begannen zu glühen und plötzlich zuckten daraus funkelnde Blitze in den Himmel. Die Sternwerfer, die das Tor einrahmten, explodierten mit einem lauten Knall und zurück blieben Sterne, die sich wie Eiskristalle im Winter knisternd über der Fläche der Tür auszubreiten begannen. Das Glühen der feuerroten Steine gab einen spektakulären Kontrast zum langsam vereisenden Tor. Als die Arme der Eiskristalle das Türschloss erreicht hatten, bildete sich daraus ein gläserner Schlüssel, der behutsam von den kleinen Eissternen in das goldene Schlüsselloch geschoben wurde. Vorsichtig wurde er wie von Geisterhand umgedreht und begleitet von einem lauten Quietschen begann sich das Tor langsam zu öffnen.
»So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen« staunte Leandra und merkte erst jetzt, dass sie seit Beginn dieses Spektakels nicht mehr ausgeatmet hatte.
Mit einem lauten Pusten presste sie die im Brustkorb gefangene Luft wieder heraus.
»Warte nur ab, wie schön Mikosma in seinem Inneren ist«, entgegnete Erlas aufgeregt.
Auch die anderen Kinder um sie herum konnten ihr Erstaunen und ihre Neugierde, was sie nun erwarten würde, nicht mehr verstecken. Einige rieben sich die Augen, weil sie nicht glauben konnten, was sie hier sahen. Laute Freudenschreie und andächtiges Staunen begleitete den Tross der Kinder, der sich langsam aber sicher nach vorne schob. Direkt unter dem Torbogen angekommen, blickte Leandra nach oben und blieb wie angewurzelt stehen, als sie sah, dass das Tor in keiner Wand verankert war, sondern mächtig und frei in der Luft schwebte. Oberhalb des Türrahmens gab es keine Raumdecke, sondern durch eine Glasscheibe konnte man in die Weite des tiefschwarzen Alls hinausschauen, wo Sterne funkelten und Planeten mit ihren glänzenden Milchstraßen vorbeischwebten. Erst als sie von Erlas energisch an der Hand gezogen wurde, stolperte Leandra weiter, ohne jedoch ihren Blick abwenden zu können.
»Ich kann die Erde sehen! Und dahinter verbergen sich Mars und Jupiter!«, schrie sie aufgeregt und sprang dabei wie ein Hüpfball auf und nieder, sodass Erlas, ob er wollte oder nicht, mit herumgewirbelt wurde.
Erlas jedoch wusste von der Wirkung des gläsernen Firmaments von Mikosma, und so verzichtete er auf einen Tadel. Geduldig sprang er mit Leandra auf und ab.
»Ich kann die Sonne sehen!«, freute sich ein kleiner, schwarzhaariger Junge, der sich mit seinem Zwerg hinter Leandra eingereiht hatte. Das Mädchen lächelte ihn fröhlich an.
Leandra ließ die Hand ihres Begleiters los und sprang erneut nach oben, um genau zu sehen, was nun geschah, denn soeben hatte das letzte Kind der Reihe das Tor passiert. Mit einem lauten Knallen brachen die eisernen Kristallsterne nacheinander ab und zerbarsten in der Luft zu kleinen, funkenden Blitzen. Erst als die Tür wieder vollständig geschlossen war, erlosch das rote Glühen der rubinroten Edelsteine und sie nahm wieder die eiserne Gestalt an. Aus den letzten zerbrochenen Eiskristallen bildeten sich erneut Sternwerfer, die das Tor nun friedlich und ruhig mit ihrem Leuchten umrahmten. Ein lautes Raunen begleitete die nun ins Stocken geratene, lange Menschenschlange. Plötzlich durchschnitt ein lauter, dunkler Schrei das Getöse und die Kinder samt Begleiter standen mucksmäuschenstill und wie versteinert auf ihren Plätzen. Wie aus dem Nichts fingen plötzlich tausend kleine Ecken und Kanten an, sich zu entfalten und zu verdrehen, bis sich schließlich eine riesige Tribüne vor ihnen aufgebaut hatte.
»Jetzt kommen die Magier von Mikosma«, flüsterte Erlas ergeben, griff nach Leandras Hand und zog sie mit einer Kraft, die das Mädchen nie für möglich gehalten hatte, nach unten auf die Knie.