66 Lieblingsplätze
und 11 Biergärten
Daniela Schetar / Friedrich Köthe
Münchner
Schmankerl
Für Münchner Kindl und Zugroaste
Die Silhouette der Frauenkirche, wie der Dom zu Unserer Lieben Frau oft genannt wird, ist mit ihren 98 und 99 Meter hohen Backsteintürmen aus allen Himmelsrichtungen von Weitem zu sehen. Das soll auch so bleiben, befand eine Bürgerinitiative und erzwang in einem Volksentscheid 2004, dass in München künftig nicht höher gebaut werden dürfe. Womit sich wieder einmal bestätigte, dass die bayerische Landeshauptstadt ein Dorf ist.
Kaum größer als ein Dorf, gemessen an heutigen Verhältnissen, war München mit seinen 13.000 Einwohnern, als Baumeister Jörg von Halspach 1468 den Grundstein für eine spätgotische Hallenkirche legte, die im Auftrag der Wittelsbacher das alte romanische Gotteshaus ersetzen sollte. Der Bau dauerte 20 Jahre. Für damalige Verhältnisse war das rasant, und die Kirche geriet wohl nicht zuletzt aufgrund des Tempos äußerst streng und schlicht. Die seltsamen Turmkappen im Stil der Renaissance bekam sie erst 1525. Der schnelle Baufortschritt machte die Münchner misstrauisch. Bald kursierten Gerüchte, der Teufel habe seine Hand im Spiel gehabt. Untermauert wurde diese Vermutung, als die Ersten das Gotteshaus betraten. Halspach hatte dem Beelzebub angeblich versprochen, es ohne Fenster zu errichten, das Kirchenschiff aber trotz des Paktes mit geschickt getarnten Fenstern versehen. Als der Teufel realisierte, dass Halspach sich nicht an ihre Vereinbarung gehalten hatte, soll er wütend aufgestampft haben. Der Fußabdruck ist jedenfalls deutlich zu sehen.
Er ist übrigens der Grund, warum ich als Kind furchtbare Angst hatte, den Dom zu betreten. Wer garantierte mir, dass der Gehörnte nicht wiederkehrte? Heute liebe ich diesen Blick: Kurz vor dem Teufelstritt in der westlichen Vorhalle verharrend fällt er auf einen Wald hoher Säulen, beschienen von mysteriösem Licht. Ein Schritt weiter, und zwischen den Pfeilern scheinen die Fenster auf.
Tipp: Im Juli und August erklingen mittwochs um 19 Uhr Orgelkonzerte im Dom. Zu der dem Himmel entgegenstrebenden Architektur passt diese Musik ganz besonders gut.
Frauenkirche /// Frauenplatz 1 ///
80331 München /// 0 89 / 2 90 08 20 /// www.muenchner-dom.de ///
Münchens schönste Einkaufspassage stellte die beteiligten Architekturbüros vor eine komplexe Aufgabe: Im Kern der Stadt, in ihrem ältesten Viertel, sollte ein vitaler Wohn- und Shoppingkomplex hinter historischen Fassaden entstehen, der die gewachsenen Bautraditionen aufgreift und sie mittels moderner Formensprache umsetzt. 2003 wurde eröffnet – und keine Frage: Das Projekt ist gelungen!
Das liegt sicherlich an der engen Verflechtung von Kommerz und Kunst in den Fünf Höfen, bildet doch die Hypo-Kunsthalle, einer der ambitioniertesten Ausstellungsräume Münchens, deren Herzstück. Kunstwerke steuerten Kreative wie der Isländer Olafur Eliasson bei, dessen Spiralkugel mit dem Namen ›Sphere‹ wie ein extraterrestrisches Raumschiff über dem Viscardihof schwebt. Die Düsseldorferin Tita Giese schuf mit den ›Hängenden Gärten‹ aus Efeutraube und Kastanienwein über der Salvatorpassage sicherlich den spektakulärsten Hingucker. Fast subtil wirken hingegen die Bodenplatten von Thomas Ruff, die der Künstler mithilfe von Lasertechnik mit seinen Luftaufnahmen bedruckte.
Transparente Architektur und Kunst, die sich nicht in den Vordergrund spielen, lassen eleganten Geschäften und deren Waren Raum zum individuellen Auftritt: so beispielsweise den schmeichelnden Kreationen des Modelabels ›Oska‹ oder dem exklusiven Schreibgerät der Traditionspapeterie ›Schreibmayr‹. Die Gastronomie kann mit den hohen Ansprüchen mithalten: Der Thai-Imbiss ›Kaimug‹ wurde mit scharf gewürzten, preiswerten Gerichten zum Kult; das Restaurant ›Ederer‹ wiederum begeistert mit seiner innovativen, frischen Küche die Gourmets. Selbst Münchens Bar-König Charles Schumann kam nicht umhin, in den Fünf Höfen seine ›Tagesbar‹ zu eröffnen. Einkaufen wird hier zu einer – wenn auch schönen – Nebensache und das Flanieren zum Genuss.
Tipp: Bei der UniCredit-Festspiel-Nacht zum Auftakt der Münchner Opernfestspiele Ende Juni erleben Sie in den Fünf Höfen Lesungen und Konzerte kostenlos!
Die Fünf Höfe erstrecken sich zwischen Perusa-, Theatiner- und
Kardinal-Faulhaber-Straße.
Die älteste Weißbierbrauerei der Welt gehört zu diesem Traditionswirtshaus. Es wird in sechster Generation von Georg Schneider VI. geführt und ist absolutes Pflichtprogramm. Obwohl es im Sommer von Saupreißn sowie anderen Ausländern aus allen Ecken der Welt regelrecht belagert wird, ist es eine Urmünchner Institution geblieben. Was man schon daran merkt, dass es einen Stammtisch gibt, der jedes Jahr einen Ausflug unternimmt, etwa nach Kelheim zur Stammbrauerei der Schneider Weiße. Und auch an der regelmäßigen Anwesenheit des Künstlers, Schriftstellers und Filmemachers Herbert Achternbusch, dessen Arbeiten um sein verhasst-geliebtes Bayern kreisen und um München, über das er einmal sagte: ›So fremd wie München kann mir etwas anderes gar nicht sein.‹
Ob die süffige Schneider Weiße dieses Gefühl verschwinden lässt? Jedenfalls hat das obergärige Bier in der Vergangenheit schon mal die bayerischen Finanzen gerettet: Kurfürst Maximilian sicherte sich im 17. Jahrhundert das Weißbiermonopol und flickte mit den nun sprudelnden Steuereinnahmen nicht nur die Wunden des Dreißigjährigen Kriegs, sondern errichtete auch Schloss Schleißheim, das Mini-Versailles im Münchner Norden. Weißbier war damals in – und ein Gasthaus im Tal, in dem es ausgeschenkt wurde, gab es zu jener Zeit ebenfalls.
Zurück ins Bräuhaus. Die historischen Gasträume, nach Bränden und Krieg ab 1944 wiederaufgebaut und teils originalgetreu rekonstruiert, sind eine Augenweide. Die Küche verweigert sich bayerisch-stur dem Trend zu Riesengarnelen und setzt lieber auf Kronfleisch. Zentrum des Geschehens ist natürlich die Schwemme, in der sich die Stammgäste niederlassen. Und in der Bürgerstubn könnte Ihnen der zukünftige Papst begegnen – am Vatikanstammtisch treffen sich nämlich geistliche Herren, auch Joseph Aloisius Ratzinger war hier zu Gast.
Tipp: An den Sonntagen gibt’s Blasmusik im Weissen Bräuhaus: Musikgruppen wie die Heuberg-Boarischen oder die 4 Hinterberger begleiten den Frühschoppen.
Weisses Bräuhaus /// Tal 7 /// 80331 München ///
0 89 / 2 90 13 80 /// www.weisses-brauhaus.de ///
Was haben das Edelversandhaus Manufactum, der Internetriese Google und der Vereinsarzt des FC Bayern, Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, gemeinsam? Sie alle residieren im Alten Hof. Vom historischen Kern der ersten deutschen Kaiserresidenz sind zwar nur wenige Bauten erhalten, aber auch was neu hinzugefügt wurde, kann sich sehen lassen.
Um die Neugestaltung des Alten Hofes gab’s wie immer in München großes Geschrei. Der im 13. Jahrhundert errichtete Komplex war im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und mit wenig Geld und noch weniger denkmalpflegerischem Sinn wiederaufgebaut worden. Zur Jahrtausendwende wollte man Nägel mit Köpfen machen, das Erhaltenswerte retten und den Rest durch angepasste Neubauten ersetzen, wofür nicht die klamme bayerische Staatskasse, sondern private Investoren herhalten sollten. Sofort traten Kritiker auf den Plan. Zugegeben, es ist fragwürdig, etwas historisch so Kostbares dem Spiel der Märkte zu überlassen. Und über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Aber wir finden die Glashaut gelungen, mit der Peter Kulka Teile des Lorenzistocks umhüllte. Im Kontrast zum gotischen Burgstock mit seinem Fachwerkerker baut sich Spannung auf, und die macht das Ensemble interessant.
Zur Geschichte: Funde belegen, dass der Ort schon um 1500 v. Chr. besiedelt war. Ab 1253 ist ein Herzoghof bezeugt, in dem der spätere deutsche König und Kaiser Ludwig IV. der Bayer 1282 geboren und als Baby von einem zahmen Affen auf die Spitze des Erkers entführt wurde. Passiert ist dabei nichts, aber der Erker hatte seinen Spitznamen ›Affenturm‹ weg. 1328, als Kaiser, wählte Ludwig, anders als seine Vorgänger, die von Pfalz zu Pfalz gezogen waren, München als festen Regierungssitz. Bereits im 15. Jahrhundert gönnten sich die Regenten einen bequemeren Neubau, die Neue Veste. So kam die Alte Veste, der Alte Hof, zu ihrem Namen.
Tipp: Eines fehlt im Alten Hof: ein Café. Als Ersatz könnte das Bistro bei Manufactum dienen, wo es knuspriges Holzofenbrot belegt mit Schinken und Käse gibt.
Der Alte Hof liegt zwischen Diener- und Sparkassenstraße,
wenige Schritte vom Marienplatz entfernt nach Norden.
Halleluja! Luja sog i! Zefix Halleluja! Der liebe Gott konnte das Gefluche von Alois Hingerl, der nach einem Schlaganfall vom Dienstmann zum Engel befördert worden war, nicht mehr ertragen und schickte ihn zurück auf die Erde. Da sitzt der Hingerl nun, an seinem Stammplatz im Hofbräuhaus, umgeben von Chinesen, Italienern und Amerikanern, und trinkt eine Maß nach der anderen.
Der bayerische Volksschriftsteller Ludwig Thoma hat dem Hofbräuhaus in seiner Geschichte vom ›Münchner im Himmel‹ ein liebevolles Denkmal gesetzt. Betritt man die historische Schwemme, schaut man sich unwillkürlich nach dem Dienstmann um, der ja bekanntlich eine göttliche Eingebung für die Bayerische Staatsregierung dabeihatte, die folglich nie den Adressaten erreichte (was die einfallslose Politik erklärt). Der Hingerl bleibt unsichtbar, dafür ist manch anderes Original auszumachen unter den Stammtischbrüdern, die sich regelmäßig im Hofbräuhaus treffen; angefangen beim Bundesverband deutscher Pressesprecher (einmal im Monat) bis zu den Königlich Bayerischen (täglich). Dass sich die Stammgäste durch die zahllos einfallenden Touristen nicht beirren lassen, spricht für deren Verwurzelung in der Münchner Traditionsgaststätte. Die meisten Fremden landen ohnehin im Großen Festsaal, wo die Musi spielt.
Historisch reichen die Wurzeln des Hofbräuhauses bis 1592 zurück. Lange wurde hier ausschließlich Braunbier für Adel und Hofstaat der nahe gelegenen Neuen Veste (Residenz) gebraut. Heute schleppen die Kellnerinnen in den Maßkrügen je nach Jahreszeit dreizehn verschiedene Biere von der Schenke an die Tische. 30.000 Besucher zählt das Haus an einem Spitzentag. Wo bleibt da die viel besungene Gemütlichkeit? Was selbst Münchner oft nicht wissen: Das Hofbräuhaus hat einen Biergarten, eine ruhige Oase unter Kastanien. Da sind auch wir gelegentlich anzutreffen!
Tipp: Achten Sie in der Schwemme auf den Maßkrugsafe! Hier deponieren Stammgäste ihre oft sehr wertvollen Keferloher, wie die Bierkrüge heißen.
Hofbräuhaus München /// Platzl 9 /// 80331 München ///
0 89 / 2 90 13 61 00 /// www.hofbraeuhaus.de ///
Im 1997 gegründeten Atomic Café wird Münchens Indie-Szene gehegt und gepflegt. Die Clubhistorie verzeichnet legendäre Geheimauftritte von Stars, Bandgründungen und sogar einen Angriff betrunkener irischer Soldaten, dem die schwere Eisentür standhielt. Der Türsteher davor gilt übrigens als ziemlich wählerisch.
Ein gemütliches Wohnzimmer – das ist der erste Eindruck vom Atomic Café, hat man die Münchner Zentrale von Britpop und Sixties betreten. Die 60er-Jahre lassen grüßen, rote Ledersofas und Lavalampen inklusive. Sogar ein Kiosk ist vorhanden, in dem man bekommt, was für einen erfolgreich verlaufenden Klubabend und die folgende Nacht nötig ist. Der Verkaufshit sind Gummischlangen. In eine Sauna verwandelt sich das gemütliche Wohnzimmer, wenn 400 Menschen die Auftritte noch unbekannter, vorrangig aus Großbritannien stammender Indie-Bands miterleben wollen. Mit ziemlicher Sicherheit werden diese ein Jahr später die Olympiahalle füllen, denn die Betreiber Christian Heine und Roland Schunk haben einen Riecher für kommende Stars. ›Libertines‹ und ›Maximo Park‹ traten hier auf, als in Deutschland noch niemand ihren Namen buchstabieren konnte; ehemalige Mitarbeiter des Clubs wurden als ›Sportfreunde Stiller‹ berühmt.
Man sagt, der Club sei so familiär, dass manche ihn nicht missen wollen, wenn sie längst bekannt geworden sind. Pete Doherty kommt sowohl für Geheimkonzerte als auch für Privatbesuche gerne hierher zurück. ›Wir sind Helden‹ spielten ebenfalls auf der kleinen Bühne mit dem berühmten Glitzervorhang.
Und das soll nun alles vorbei sein? Ende 2013, das ist sicher, wird das Atomic Café an seiner bisherigen Adresse schließen. Und wo wiedereröffnen? Die Gerüchteküche brodelt! Dass es wieder aufmacht, ist ja wohl hoffentlich mehr als nur der fromme Wunsch seiner Fangemeinde. München ohne Atomic Café? Undenkbar!
Tipp: Kult ist der James-Deanstag mit Teamtrouble, zu dem jeden Dienstag Indierock, Sixties und Motown auf dem Plattenteller landen.
Atomic Café /// Neuturmstraße 5 /// 80331 München ///
0 89 / 2 28 30 54 /// www.atomic.de ///
Im Blauen Haus haben wir so manchen überraschenden Abend erlebt. Da saßen nach der Premiere von Fellinis ›E la nave va‹ plötzlich die Kammerspielestars Brigitte Hobmeier und Stefan Hunstein am Nachbartisch. Und nach der Uraufführung der Revue ›Fein sein, beinander bleibn‹, die die große Musikerfamilie Well fast komplett auf der Bühne vereinte, trafen sich hier die Well-Brüder und die Wellküren samt Oma, um gelöst zu feiern. Die Atmosphäre ist immer anregend, und das Essen einfach delikat.
Dabei ist der erste Eindruck wenig einladend, zumindest wenn man früh kommt und das Lokal leer ist. Es ist schmucklos, mit unverputzten Wänden, einfachen Holztischen und Bänken, auf einer Seite eine Glasfront, auf der anderen eine metallene Schiebewand, keine Hintergrundmusik. Dass der Service etwas schleppend funktioniert, hat einen lobenswerten Grund. Das Blaue Haus wird vom Verein Conviva betrieben, der sich um die Eingliederung behinderter Menschen in den normalen Arbeitsalltag bemüht. Dafür warten wir gerne auch mal zehn Minuten länger. Und natürlich auf die köstlichen Kreationen aus der Küche, zu deren Standards ein leckerer kalter Aufstrichteller sowie geröstete Blut- und Leberwürste gehören.
Irritierend sind beim ersten Besuch die verzerrten Lautsprecherdurchsagen, die Menschen auf oder hinter die Bühne rufen. Des Rätsels Lösung: Hinter der Schiebewand befindet sich die Kantine der Kammerspiele und des Neuen Hauses, wo Bühnenarbeiter und Schauspieler auf ihren Einsatz warten. Ist die Vorstellung vorbei, wird die Wand weggeschoben, der nun doppelt so große Raum füllt sich schnell mit angeregt diskutierenden Theaterbesuchern und Schauspielern. Es ist ein besonderes Restaurant, das Blaue Haus, immer für eine Überraschung gut.
Tipp: Ohne Reservierung haben Sie im Blauen Haus kaum eine Chance, und auch mit werden Sie nicht allein an einen Tisch gesetzt. So findet man schnell neue Freunde!
Blaues Haus /// Hildegardstraße 1 /// 80539 München ///
0 89 / 23 33 69 77 /// www.conviva-muenchen.de ///