Deuticke eBook

 

Paulus Hochgatterer

 

Das Matratzenhaus

 

Roman

 

 

 

Deuticke

 

 

eBook ISBN 978-3-552-06134-7

Alle Rechte vorbehalten

© Deuticke im Paul Zsolnay Verlag Wien 2010

Satz: Eva Kaltenbrunner-Dorfinger, Wien

www.hanser-literaturverlage.de

 

Datenkonvertierung eBook:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

 

Revenge, revenge! Timotheus cries,

See the Furies arise!

See the snakes that they rear,

How they hiss in their hair,

And the sparkles that flash from their eyes!

 

John Dryden

 

Wie es gewesen sein muss

 

Der Wind ist da. Die Pelikane schnellen hoch wie an Gummibändern, blöken auf, stoßen mit angewinkelten Schwingen steil nach unten und durchschlagen die Wasseroberfläche. Wenn sie nach einer Weile an anderer Stelle wieder auftauchen, recken sie ihre Schnäbel, schütteln die Kehlsäcke und befördern, was drin ist, in den Schlund. Dann machen sie sich zu einem neuen Start bereit. Der Schwarm, vielleicht zweihundert Tiere, fällt in der Luft weit auseinander, so, als würde er sich ganz auflösen, um sich Augenblicke später zu einer dunklen Wolke zu verdichten. Das wiederholt sich hunderte Male. Bei ablandiger Luft halten sich die Vögel regelmäßig über dem Strandabschnitt auf, der sich zwischen den Verladedocks des Hafens und der langen grauen Halle der Schienenfabrik hinzieht.

Die Frau mag die Tiere nicht. Sie sind laut, und wenn man ihnen nahe kommt, stinken sie. Sie rückt mit einer kurzen kreisenden Bewegung der Schulter den gelben Stoffsack auf ihrem Rücken zurecht, fasst im Gehen seitlich nach unten, hebt das Mädchen, das die ganze Zeit neben ihr hergelaufen ist, hoch und setzt es sich auf die linke Hüfte. Die Kleine hält kurz inne, dann beginnt sie glucksend zu lachen und mit den Armen zu rudern. Sie zeigt auf ein Distelgebüsch, durch das ein Neuntöterpärchen hüpft, auf einen Bretterverschlag mit aufgemalten Gesichtern und auf einen alten Mann, der in einem Plastikstuhl sitzt und schläft. Die Frau spricht immer wieder einige Sätze, mittellaut und mit einer gewissen Eindringlichkeit, so, als erzähle sie kurze ernste Geschichten. Das Mädchen brabbelt dazwischen. Manchmal scheint es aufmerksam zu sein, manchmal nicht. Bevor die Frau beginnt, in einer steilen Schräge den Abhang zur Straße hochzuklettern, schließt sie den Arm fest um den Leib des Kindes, weist mit dem Kopf gegen den Himmel und sagt etwas, das »Jetzt musst du ruhig halten« bedeuten mag. Das Mädchen legt die Arme vor den Körper und den Kopf gegen die Brust der Frau.

Der Wind treibt ockergelbe Staubwirbel über die Fahrbahn. Die Autos scheren in einiger Entfernung nach rechts aus, um an einer Herde von Ziegen vorbeizufahren. Ein LKW, der mit Gemüsekisten beladen ist, hupt laut. Die Ziegen kümmert das gar nicht. Der Mann, der die Tiere begleitet, trägt eine Augenklappe. Er hat zwei lange Bambusstöcke auf seiner Schulter liegen.

Das Mädchen greift nach oben, an den Ausschnittrand der Bluse der Frau, und beginnt ihn zwischen den Fingern zu drehen. Die Frau schüttelt sich unwillig. Als das Mädchen keine Anstalten macht, aufzuhören, stellt sie es auf den Boden. Die beiden gehen eine Weile hinter der Ziegenherde her, dann biegen sie in eine breite Straße ein, die von Plakatwänden gesäumt ist. Das Mädchen weist mit ausgestrecktem Arm auf eine Mobiltelefon-Reklame; die Frau sagt etwas und lacht. Das Mädchen ist verlegen, bückt sich, hebt eine Getränkekapsel auf und wirft sie wieder von sich. Die Frau blickt dem davonspringenden orangefarbenen Ding nach. Dabei nimmt sie aus dem Augenwinkel wahr, dass sich über die Hügel hinter der Stadt eine mächtige Wolkenwalze schiebt. Sie fasst das Mädchen an der Hand und beschleunigt ihren Schritt.

Nach der Zufahrt zu den Wellblechhallen einer Spedition, unmittelbar im Anschluss an eine Reihe frisch gestrichener Wohnhäuser, gelangen die beiden auf den rechteckigen Vorplatz eines fahnengeschmückten Gebäudes. Auf den unteren Stufen der Freitreppe, die im Bogen zum Eingang emporführt, hockt eine Traube von Menschen. Vor ihnen geht mit ausladenden Gesten ein Mann auf und ab. Seitlich, senkrecht zur Treppe, hat er nebeneinander drei Korbbehälter hingestellt, einen länglichen, quaderförmigen und zwei runde. Das Mädchen jubelt auf, löst sich von der Frau und will auf die Menschen zulaufen. Die Frau packt das Kind an der Schulter und hält es zurück. Das Mädchen protestiert laut und versucht sich dem Griff zu entwinden. Es beruhigt sich erst, als die Frau es hochhebt und mit ihm an die Gruppe herantritt. Der Mann, klein, mager, mit einem abnorm großen Kopf, erblickt das Mädchen und hebt einen Finger. Das Mädchen versucht sein Gesicht am Hals der Frau zu verbergen; die Frau spricht beschwichtigend auf das Kind ein und zeigt abwechselnd auf den Mann und die drei Körbe. Der Mann hebt den Deckel eines der runden Körbe hoch, langt hinein und holt eine vielleicht dreißig Zentimeter lange Schlange heraus. Er fasst das Tier mit Daumen und Zeigefinger unmittelbar hinter dem kleinen, dreieckigen Kopf und zeigt es der Menge. Die Schlange ist blassgrün und hat an den Seiten jeweils zwei Reihen leuchtend gelber Punkte. Der Mann steigt einige Stufen die Treppe hoch, legt den Kopf in den Nacken und beginnt sich die Schlange langsam in sein rechtes Nasenloch zu schieben. Die Leute kreischen auf; manche wenden ihre Gesichter ab. Als schließlich nur noch die Schwanzspitze zu sehen ist, öffnet der Mann den Mund, langt mit dem linken Zeigefinger, vorbei an seinen schwarzbraunen Zahnreihen, nach hinten und zieht die Schlange mit einer schwungvollen Bewegung wieder hervor. Unter dem Gejohle der Menge verbeugt er sich.

Das Mädchen umfasst mit der einen Hand erneut den Blusenausschnitt der Frau. Zeige-, Mittel- und Ringfinger der anderen Hand schiebt es sich langsam in den Mund, immer weiter. Die Frau schaut über die Dächer der Stadt hinweg in die Ferne und scheint den Wind zu prüfen. Erst als das Mädchen heftig zu würgen beginnt, blickt sie es an. Sie sagt nichts, ergreift die Hand des Mädchens und zieht sie ihm aus dem Mund. Es ist noch Zeit. Es wird Regen geben, doch sie sind beinahe am Ziel.

Der Mann mit dem großen Kopf winkt die Frau und das Mädchen zu sich. Das Mädchen schließt die Augen, als der Mann es auffordert, in die Korbtonne zu schauen. Die Frau lächelt und sagt etwas, das vielleicht »Hab keine Angst« bedeutet. Der Mann beugt sich zu dem Mädchen hinab und flüstert ihm etwas ins Ohr. Dann greift er in die Seitentasche seiner Jacke und drückt ihm ein kleines rundliches Ding in die Hand. Das Mädchen steckt es sich rasch in den Mund. Die Frau schüttelt den Kopf, tut aber sonst nichts. Ein Bonbon, denkt sie vielleicht.

Sie gehen, schneller als zuvor, erst eine Platanenzeile entlang, dann auf einem fest ausgetretenen Weg eine flache Anhöhe empor. Die Frau blickt sich mehrmals um. Die Wolkenberge stehen hoch über der Stadt. Im Osten ragen wie riesige Säulenstümpfe die Schlote des Kraftwerks auf. Die Pelikane sind verschwunden. Das Mädchen läuft um die Tamariskenbüsche, die seitlich des Weges wachsen, herum und stößt kleine helle Laute aus. Als vor ihnen ein zinnoberfarbenes Haus mit Bogenfenstern auftaucht, tritt das Mädchen an die Seite der Frau und ergreift ihre Hand.

Der Diener, der das Tor öffnet, führt die beiden durch eine spärlich möblierte Halle in einen Glasanbau mit breiten Türen zum Garten. Drei Menschen, zwei Männer in Anzügen und eine Frau mit rosafarbener Handtasche, stehen dort und unterhalten sich in einer fremden Sprache. Als sie die Frau und das Mädchen erblicken, verstummen sie. Der eine Mann – er ist klein und dick – geht auf sie zu und legt dem Mädchen die Hand auf den Kopf. Das Mädchen duckt sich. Der andere Mann zieht einen Briefumschlag aus der Innentasche seiner Jacke und reicht ihn der Frau. Sie lässt das Mädchen los, tritt an ein rundes Tischchen mit Mosaikplatte, auf dem eine Vase und ein paar Gläser stehen, und öffnet den Briefumschlag. Sie legt das Geld, das sich drin befindet, vor sich hin, zählt es, indem sie Schein auf Schein neu aufstapelt, steckt es zurück und nimmt den Umschlag an sich. Sie lässt den gelben Stoffsack von der Schulter gleiten, hält mit abgespreizten Armen einen Augenblick lang inne und verlässt, ohne sich noch einmal umzublicken, mit hastigen Schritten den Raum.

Das Mädchen steht einfach da und schaut. In einer Entfernung von zwei, drei Metern liegt der Stoffsack auf dem Boden. Keiner sagt etwas.

Draußen läuft die Frau durch den Wind. Vielleicht lacht sie. Vielleicht schreit sie auch. Die ersten Tropfen schlagen schwer in den Staub.

 

Eins

 

Sie steht in der Tür, blickt in die Klasse und weiß, dass es wieder einmal schwierig werden wird. Alle paar Wochen ist das so.

Langsam stellt sie ihre Tasche ab. Es liegt nicht an mir, denkt sie, vor zwei Minuten hat es geläutet, die Kinder sind in Aufruhr und mittendrin sitzt ein kranker Mensch auf dem Tisch und spricht vom Himmel. Es liegt definitiv nicht an mir.

Sie bemüht sich, ruhig zu bleiben, und lässt ihre Augen über die Wand gleiten, links herum: die Tafel; der Schrank mit dem Bastelmaterial; die blühenden Bäume, einundzwanzig Stück, von jedem Kind einer, manche gezeichnet, manche aus Zeitschriften geschnitten; die große Österreichkarte mit dem roten Hasen, den Lena unten rechts draufgemalt hat; Philipps Fußabdrücke an der Wand, der linke in einer Höhe von eins zwanzig; die Rolltafel mit der Schulschrift – die muss sein, hat die Direktorin gesagt; die Fenster, in ihnen die Dächer der Stadt und im rechten, ganz am Rand, ein winziges Stück vom See.

Bauer sieht sie, lacht, winkt ihr zu und denkt nicht daran, aufzuhören. Es scheint ihm gut zu gehen – immerhin. Jetzt singt er, völlig unvermittelt und laut. Sie versucht zu erkennen, was es ist. On the water versteht sie, sonst nichts. Julia und Sophie singen mit, ebenfalls laut.

Sie klatscht in die Hände. »Schluss, meine Lieben«, ruft sie, »jetzt bin ich dran!« »Hallo, Stella!«, sagt Bauer, »nimmst du an meinem Unterricht teil?« »Ich bin evangelisch«, antwortet sie, obwohl es nicht stimmt. »Du lügst!«, ruft Bauer. »Darf ich jetzt wieder?«, fragt sie, »bitte.«

»Nur wenn du mir sagst, wie Gott aussieht.«

»Ein alter Mann mit weißem Bart.«

»Richtig. Und was trägt er bei sich?«

»Ein Buch und einen Blitz.«

»Falsch! Eine Gitarre natürlich!«

Sie sieht einen zornigen alten Mann vor sich, der eine Gitarre gegen eine Schultafel schmettert, und wundert sich über sich selbst, da zupft sie Manuel am Ärmel. Er hält ihr ein Zeichenblatt hin. »Wir haben Gott gezeichnet«, sagt er stolz. Angesichts der Graphomotorikschwäche des Buben ist vor allem die Gitarre gut gelöst – ein Kringel mit parallelen Strichen seitlich weg: eins bis sechs. Im Rechnen läuft es bei ihm tadellos.

Bauer springt vom Tisch, tanzt in Wechselschritten auf sie zu und küsst sie auf die Wange. Die Kinder lachen. »Meine Lieblingslehrerin!«, ruft er. »Ist schon gut«, sagt sie, »packst du jetzt bitte deine Sachen?!«

»Besitzt Gott deines Erachtens einen Gehstock?« Er umkreist sie und fragt, ob Gott Unterhemden trage oder eine Lesebrille, ob er vegetarisch esse, Pfeife rauche und eher ein Auto- oder ein Motorradtyp sei. »Motorrad«, sagt sie, »und er hat Probleme mit seiner Lendenwirbelsäule.« Er hält inne, und bevor er einhaken kann, sagt sie, dass bei Gottes letzter Gesundenuntersuchung der Prostatabefund nicht ganz in Ordnung gewesen sei, und außerdem sei sein Psychiater total unzufrieden mit der Zuverlässigkeit seiner Medikamenteneinnahme.

»Du bist eine fiese, feministische Volksschullehrerin«, sagt Bauer und sie fürchtet, dass Manuel, der mit offenem Mund neben ihr steht, im nächsten Augenblick wissen möchte, was denn das sei, feministisch und Prostatabefund.

Während Bauer seine Schuhe sucht, dirigiert sie die Kinder an ihre Plätze. Einer fehlt. »Was ist mit Felix?«, fragt sie. Bauer blickt sich verwirrt um. »Er ist nach Hause gegangen«, sagt Julia.

»War ihm nicht gut?«

»Doch, er hat ganz gesund ausgesehen.«

Sie sucht den Blick Bauers. »Erklärst du mir das bitte. Felix ist was?! Nach Hause gegangen?!«

»Was hast du?«, sagt Bauer, »er wohnt zwei Straßen weiter.«

Meine Klasse, denkt sie, es ist meine Klasse, und mit einem Anflug von Verwunderung registriert sie ihren Besitzanspruch, außerdem, dass die grenzenlose Nachsicht mit ihren Mitmenschen, die die sichere Basis ihres Charakters ist und sie ohne Zweifel für ihren Beruf prädisponiert wie kaum jemand anderen, innerhalb einer einzigen Sekunde völlig zusammenbricht.

»Sag das bitte noch einmal! Du hast ihn nach Hause gehen lassen?! Allein?«

»Er tut das öfter. Bis jetzt ist er jedes Mal nach einer Viertelstunde wiedergekommen. Er ist abgemeldet.«

»Er ist abgemeldet?!« Jetzt brüllt sie tatsächlich. Das entspreche ganz dem Bild, das sie von dieser professionellen Katholiken-Fraktion habe – verlogen, träge und, wenn es drauf ankomme, verantwortungslos bis in die Knochen. »Ein sechsjähriges Kind wird vom Religionsunterricht abgemeldet und der Herr Pater findet nichts dabei, es allein auf die Straße zu schicken. Zwischendurch, einfach so!« Bauer macht einen spitzen Mund, zieht den Kopf ein und nimmt seine Jacke vom Haken. Die Kinder ducken sich ebenfalls. Etwas geht mit mir durch, denkt sie, das passiert selten. Der dicke rothaarige Leonhard tritt auf sie zu. »Ich gehe hinüber und schaue, ob er vielleicht eingeschlafen ist«, sagt er. Sie fasst seine Hand und antwortet nicht. »Wie lange ist er schon weg?«, fragt sie. Bauer blickt auf die Uhr. »Vierzig Minuten«, sagt er.

»Und dir ist das nicht aufgefallen?«

»Nein«, sagt er, »wenn ich in einer gewissen Verfassung bin, fällt mir so manches nicht auf. Das weißt du.«

Ja, das weiß ich, denkt sie. Sie geht nach links hinten zu Felix’ Platz. Als sie sich bückt, um in das Fach seines Tisches zu schauen, merkt sie, dass sie Leonhard immer noch an der Hand hält. »Er hat alles dagelassen«, sagt sie. »Seine Trinkflasche hat er mitgenommen«, sagt Leonhard, »er hat eine neue silberne Trinkflasche mit einem schwarzen Drachen drauf.« Sie zieht ein großes Heft mit rotem Schutzumschlag aus dem Fach. Englisch. A hat. A cat. A bat. Eine Fledermaus zu zeichnen, sei schwierig, hat sie den Kindern gesagt, schwieriger als eine Katze. Sie fährt mit der Kuppe ihres Zeigefingers die Worte nach, auch die Zeichnungen. Was für ein schrecklicher Hut, denkt sie – wie ein Maulwurfshügel. Trotzdem beruhigt es sie, in dieses Heft zu schauen. »Er kann nicht zeichnen«, sagt Leonhard, »Kindergartenkinder können es besser.«

Bauer steht vor der Tafel, schlaksig, bleich, unruhig in den Beinen. LDR, denkt sie, long distance runner – so nennen ihn manche. Die Kollegen behaupten, er laufe jede freie Minute: rund um den See, die Ache entlang, hinauf in die Berge, manchmal mehrere Stunden am Stück. Dabei höre er Musik. Jetzt summt er. »Du hast Nerven«, sagt sie. Er schüttelt langsam den Kopf. »Ich weiß«, sagt sie, »entschuldige.« Sie legt das Heft zurück. Das Fach rechts daneben ist leer. Es hat einem Mädchen gehört, das ein paar Wochen nach Schulbeginn wieder ausgetreten ist. In der ersten Klasse kommt das vor. Susi – eine stille Dünne mit wirrem schwarzem Haar und altmodischem Namen. Felix mochte sie. »Was tun wir jetzt?«, fragt Bauer. Hinter ihm steht ein Satz an der Tafel: Der Hase hat lange Ohren. Sie hat ihn vor gut einer Stunde hingeschrieben. »Du bleibst jedenfalls da und schaust auf die Klasse. Ich gehe rüber und hole Felix. Leonhard wird mich begleiten.«

Sie laufen den Gang entlang, durchqueren die Pausenhalle und steigen die Stufen zum Haupttor hinab. Sie muss Acht geben, um nicht zu stolpern. Ich habe Angst, denkt sie. Draußen scheint die Sonne. Das ist durch die bogenförmige Oberlichte gut zu sehen. Sie weiß, dass sie draußen auf der Straße für einen Moment geblendet sein wird, und sie spürt schon diesen leichten Geruch nach Flieder. Vielleicht werden sie Friederike begegnen, die am Dienstag immer zwei Stunden später beginnt, vielleicht auch dem handzahmen Perlhuhn des Schrotthändlers, der schräg gegenüber sein Büro hat.

In dem Augenblick, als sie den Arm in Richtung Schnalle hebt, wird sie nach außen weggezogen. Im weißen Rechteck der Türöffnung steht eine kleine dunkle Figur. Leonhard ist der Erste, der etwas sagt. »Wo warst du so lange?«