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1. Auflage 2018
© 2018 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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ISBN E-Book (PDF) 978-3-86413-418-0
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Redaktion: Ute König, Kitzingen
Umschlaggestaltung: Marco Slowik, München
Layout: Meike Jannicke, München
Satz: Georg Stadler, München
Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien
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»Bei so einem Spiel muss man die Hosen runterlassen und sein wahres Gesicht zeigen.«
Alexander Strehmel
Wie bei allen großen Erfindungen liegt auch in diesem Fall die Genialität in ihrer Einfachheit. So ganz genau ist nicht überliefert, wie die Brüder Panini letztlich auf ihre Idee mit den Sammelbildern kamen. Sicher ist aber, dass Giuseppe und Benito Panini in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts einen gut gehenden Zeitschriftenladen in ihrer Heimatstadt Modena hatten. In jener Zeit also, als der »Calcio«, der italienische Fußball, seine Blütezeit feierte.
Man darf davon ausgehen, dass es im Kiosk der Paninis an jedem Montagmorgen hoch herging. Die versammelten Männer freuten oder ärgerten sich vor dem Weg zur Arbeit lautstark über das vergangene Wochenende und die Tore von Sandro Mazzola oder die Tacklings von Cesare Maldini. Fußball in Italien war damals, lange vor der Gründung unserer Bundesliga, bereits ein echter Profisport. Die Spieler mussten sich ihren Lohn nicht in irgendwelchen gewöhnlichen Nebenjobs verdienen wie unsere WM-Helden von 1954. Sie waren Stars wie Filmschauspieler oder Schlagersänger und wurden auch als solche bezahlt. 1956 gab es zum Beispiel bereits die erste Liveübertragung eines Ligaspiels im Fernsehen. Es lag also irgendwie nahe, dass man mit dem Fußball ein gutes Geschäft machen konnte.
Trotzdem gründeten Giuseppe und Benito Mitte der Fünfzigerjahre, als ihnen ihr kleiner Laden irgendwann zu eng wurde, zunächst einen reinen Zeitschriftenvertrieb. Erst durch den Einstieg der anderen beiden Brüder, Umberto und vor allem Franco Cosimo, entwickelte sich das Familienunternehmen als Verlag weiter. Vor allem Letzterer war die treibende Kraft bei der Entdeckung neuer Geschäftsfelder. Als begeisterter Tifoso und cleverer Kaufmann sah er das Potenzial dieser Sportart – auch und gerade wegen der Leidenschaft ihrer Anhänger.
1961 überredete er seine drei Geschwister, ein Album herauszubringen, in das man die Fotos aller Serie-A-Spieler einkleben konnte. Solche Sammelbilder gab es zwar schon, man konnte sie sich bis dahin aber nur einzeln im Laden aussuchen. Neu war nun, dass Franco Cosimo Panini jeweils eine Handvoll Sticker in kleine Tütchen packen ließ. Man wusste also vorher nicht, welche Bilder man nach dem Kauf überhaupt bekommen würde. Seine Brüder fanden die Idee riskant. Sie fürchteten den Ärger der Sammler bei möglichen Doppelexemplaren. Doch genau das Gegenteil war der Fall! Schnell entwickelten sich landesweit unzählige Tauschbörsen: auf Schulhöfen, in Werkstätten, in den Kantinen der Autofabriken. Eine Legende war geboren. Nach Deutschland kam Panini erst über ein Jahrzehnt später – mit der Heim-WM 1974. Das war natürlich perfektes Timing. Aufgrund der Euphorie um die deutschen Weltmeister wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller oder Sepp Maier verkaufte sich das Album ziemlich gut.
Für die meisten späteren Hardcore-Fans war das trotzdem noch ein kleines bisschen zu früh. Die klassische »Panini-Generation«, also jene, die ihrem Hobby über Jahrzehnte treu blieb, steckte sich erst Anfang der Achtzigerjahre mit dem Sammelfieber an. Unser Hauptaugenmerk damals – wie auch in diesem Buch – lag und liegt auf der Bundesliga, der sich Panini Gott sei Dank ab 1978 annahm. Wer Glück hatte, der war zu jener Zeit Bayern-, VfB- oder HSV-Fan und klebte ganz besonders euphorisch »seine« Stars wie Karlheinz Rummenigge, Karl Allgöwer oder Manni Kaltz ins Album. Doch das war das Schöne bei Panini: Auch die nicht ganz so großen Kaliber – nehmen wir mal exemplarisch Dieter Trunk vom 1. FC Nürnberg, Holger Brück von Hertha oder den Darmstädter Dieter Rudolf – waren absolut gleichwertige Stars, die wir unbedingt für die Komplettierung unserer Sammlung brauchten!
Unabhängig von der persönlichen Vorliebe für den einen oder anderen Verein waren wir in unserer Leidenschaft vereint: Wir knüpften taktische Freundschaften mit vollkommen bescheuerten Klassenkameraden, nur weil die besonders viele Doppelte hatten. Wir verfluchten schnöselige Bonzensöhne, die im Kiosk immer gleich ein ganzes Display kauften, weil sie die Rechnung auf die Praxis ihrer Alten schreiben ließen. Und wir ließen nach monatelangen Kauf- und Tauschaktivitäten nichts unversucht, um die letzten paar Dutzend Bilder zu bekommen. Wenn wir also nur noch den verdammten Bruno Pezzey brauchten, um die Werder-Seite voll zu kriegen, nutzten uns unsere im Laufe der Wochen angesammelten fünf Jonny Ottens nix.
Man konnte zwar auch den offiziellen Bestellbogen ausfüllen, der jedem Album beilag, und bis zu 50 Sticker direkt in Italien ordern. Doch das kam uns ziemlich unsportlich vor, war sauteuer, dauerte darüber hinaus wochenlang und konnte deshalb eigentlich nur im äußersten Notfall als allerletzte Option herangezogen werden, wenn anderweitig gar nix mehr ging. Im Idealfall aber lernten wir mit dem Album unter dem Arm andere Schulen kennen und knüpften neue Kontakte. Zur Optimierung des Sozialverhaltens war das Panini-Album demnach besser geeignet als die Erziehungsmethoden mancher Eltern und der allermeisten Lehrer. Schon verrückt, dass es heute im Internet Hunderte Tauschbörsen und Fanklubs gibt oder man einfach fehlende Aufkleber bei eBay ordern kann. Diese verwöhnten jungen Menschen von heute wissen gar nicht, wie schwierig das alles früher war.
Jedenfalls können wir Sammelverrückten mit Fug und Recht behaupten, dass zumindest die zweite Hälfte unserer Kindheit und praktisch unsere gesamte Jugend ohne dieses Hobby nicht nur ärmer gewesen wäre, sondern schlichtweg nicht vorhanden. Selbst später, als irgendwann Mädchen in unserem Leben einen Platz fanden, als wir Mofas oder Motorroller besaßen und uns allmählich vom C64 über den Amiga ins Computerzeitalter einarbeiteten, behielten die Panini-Bilder immer ihren Platz in unserem Leben. Das werden wir Cosimo Panini nie vergessen. Auch wenn wir kräftig dabei mithalfen, aus ihm einen schwerreichen Mann zu machen, der dadurch seiner persönlichen Sammelleidenschaft frönen konnte. Allerdings sammelte er keine Klebebildchen wie wir, sondern Maseratis.
Wie auch immer: Der einfallsreiche Patriarch ist im März 2007 im Alter von 76 Jahren gestorben und musste – anders als wir, seine Jünger – nicht mehr miterleben, wie sein Unternehmen ein Jahr später die Rechte an der Bundesliga an einen zahlungskräftigeren US-Konzern verlor. Die Amerikaner geben zwar auch Klebebildchen mit Fußballspielern heraus, bunt und stylish, aber es ist leider irgendwie nicht mehr das Gleiche. Sollten wir also jemals nach Modena kommen, hat es Signore Panini verdient, dass wir ihm mindestens einen Bruno Pezzey aufs Grab legen. Als Dankeschön für all die großartigen Jahre!
»Im Fußball baut man dir schnell ein Denkmal, aber genauso schnell pinkelt man es an.«
Hans Meyer