Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 2002, 2010, 2011, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-12911-1
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Der Mann blieb stehen, kaum hundert Meter von Peter entfernt. Peter lief langsamer und stoppte ebenfalls. Irgendetwas stimmte nicht. Das spürte er, auch wenn ihm nicht klar war, woher dieses Gefühl kam. Denn eigentlich war es keine ungewöhnliche Begegnung. Sie waren einfach zwei Spaziergänger am Strand. Außer ihnen hatte sich niemand hierhergewagt. Nicht nur wegen des grau verhangenen Himmels und der hereinbrechenden Dunkelheit, auch weil es ein einsam gelegener Strand war, fernab jeder menschlichen Siedlung. Die Küstenstraße verlief hundert Meter höher am Berghang. Dort parkte Peters Auto verlassen in einer kleinen Seitenbucht. Ein Fußweg zwischen den Felsen führte hinunter zum Strand. Vor gut einer halben Stunde war Peter ihn hinabgestiegen, dann war er über den Sand gejoggt, immer am Meer entlang. Hatte seine Wut über die Dummheit, die ihm am Nachmittag passiert war, einfach aus sich rausgelaufen. Jetzt war er auf dem Rückweg und traf auf einen erwachsenen Strandspaziergänger. Im Grunde nichts, was außergewöhnlich wäre. Und dennoch sträubten sich Peter die Nackenhaare. Etwas lief schief. Verdammt schief.
Der Mann starrte Peter an und griff in seine Jacke. Als wenn er eine Pistole ziehen würde, schoss es Peter durch den Kopf. Er versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Wahrscheinlich sah er Gespenster und machte sich verrückt. Doch da blickte er in die Mündung der Waffe. Der Mann rief etwas. Selbst im Brausen der Pazifikwellen, die unaufhörlich heranrollten, sich über dem flach auslaufenden Sand brachen und schäumend ausschwappten, vernahm Peter den Befehl: »Halt!«
Die Waffe war direkt auf ihn gerichtet.
»Bleib stehen! Du entkommst mir nicht!«
Ein Überfall? Hier? Doch Peter hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Der Mann setzte sich wieder in Bewegung und brüllte: »Bleib stehen! Oder ich schieße!«
Nichts wie weg! Peter drehte sich um und rannte los. Er hoffte, dass die Distanz für einen gezielten Schuss zu weit war. Noch hatte er eine gute Chance zu entkommen. Aber der Mann folgte ihm. Peter wusste es, ohne sich umdrehen zu müssen.
»Halt! Du Mistkerl!«
Eigentlich war Peter ein guter Läufer. Allerdings nicht, wenn er eine Stunde Training hinter sich hatte. Seine Beine fühlten sich schwer und zäh an. Er verließ den harten feuchten Untergrund am Meeressaum und hastete durch den Sand. Zwischen den Felsen begann der Pfad, der zu seinem Auto hinaufführte. Er konnte die schmalen, hellen Kurven des Wegs erkennen, die sich in der Dämmerung vor dem Grau der Felsen abhoben. Nur noch hundert Meter. Doch bei jedem Schritt gab der weiche Sand nach, und der Mann, der auf dem härteren Untergrund direkt am Meer lief, holte auf.
»Bleib stehen! Ich mach dich fertig!«
Plötzlich peitschte ein Schuss durch die Luft. Peter hörte, wie die Kugel auf den Felsen aufschlug, und sah es aufstauben. Der meinte es ernst! Panisch blickte er sich um. Der steile Pfad zum Auto war zu gefährlich. Dort würde er eine prima Zielscheibe abgeben.
Angst stieg in ihm hoch. Wenn doch nur Bob und Justus hier wären und ihm helfen könnten! Aber er musste es allein schaffen.
Ein zweiter Schuss knallte, gefolgt von einem scharfen Pfiff. Peter schlug einen Haken und änderte die Laufrichtung. Ein paar Schritte weiter ragte ein drei Meter langer Felsen über den Strand. Als der dritte Schuss kam, hatte Peter den Felsen umrundet und blieb keuchend hinter ihm stehen. Fieberhaft versuchte er, sich einen Überblick über den Ort zu verschaffen. Auch von hier aus ging es nach oben zur Küstenstraße, allerdings quer durch das Gelände. Noch war er außer Sicht des Verfolgers. Er bückte sich und griff sich eine Handvoll Sand. Dann kletterte er hastig von hinten auf den Felsblock. Hier oben war er noch immer in Sichtdeckung. Langsam schob er sich zur Kante vorwärts. Der Strand lag jetzt unter ihm. Peter konnte den Mann fluchen hören. Er war jetzt ganz nah. Um besser sehen zu können, wagte sich Peter noch ein Stück weiter. Mit vorgestreckter Waffe schritt sein Verfolger langsam auf den Felsen zu. Peter hatte den Mann noch nie gesehen. Er trug dunkle, unauffällige Kleidung: schwarze Jeans und eine graue, sportliche Jacke. Seine schwarzen Haare waren kurz geschnitten. Vorsichtig sah er sich nach allen Seiten um, doch zum Glück blickte er nicht nach oben. Peter fiel auf, dass sein linkes Augenlid etwas nach unten hing.
»Komm raus, du Mistkerl! Ich weiß, dass du hier bist!«
Peter wartete, bis der Verfolger dicht herangekommen war. Jetzt war der Mann direkt unter ihm, und Peter gab einen kurzen Zischlaut von sich. Der Mann blickte überrascht nach oben. Im gleichen Moment traf ihn die Ladung Sand im Gesicht.
»проклинал!« Reflexartig riss sich der Verfolger den Arm vor die Augen, doch es war zu spät: Peter hatte ihn voll erwischt! Das würde ihm einige Sekunden Vorsprung geben. Schnell ließ sich Peter auf der anderen Seite des Felsens hinabgleiten und rannte den Hang hinauf. Er entschied sich für einen Zickzackweg zwischen den Felsen hindurch.
Von unten erklangen Rufe. Peter unterschied auf einmal zwei Stimmen, offenbar war ein weiterer Verfolger aufgetaucht. Obwohl seine Beine schmerzten, steigerte der Zweite Detektiv noch einmal das Tempo. Erst nachdem er die Hälfte des Hangs erklommen hatte, drehte er sich um. Die zwei Männer hatten ihn jetzt wieder entdeckt und waren ihm auf den Fersen. Doch bis auf kurze Zwischenstücke, die die Sicht freigaben, konnte Peter die Deckung der Felsen nutzen. Die letzten Meter lief er auf dem Pfad, der zu seinem Auto führte. Hastig fingerte er den Autoschlüssel aus der Jogginghose hervor. Wieder peitschte ein Schuss, der ihn verfehlte. Nur noch wenige Meter, dann war er bei der Parkbucht. Ein zweites Auto hatte hinter ihm geparkt. Ein dunkler Chrysler. Das war wohl der Wagen der Verfolger.
Peter riss die Tür zu seinem MG auf, ließ sich auf den Fahrersitz fallen und wollte den Zündschlüssel ins Schloss stecken. Doch seine Hände zitterten zu sehr. »Mach schon, bitte mach schon!«, feuerte er sich an. Im Rückspiegel sah er, dass einer der Männer die Straße erreicht hatte und mit der Waffe in der Hand auf ihn zurannte. Dann endlich erklang das ersehnte Brummen des Automotors. Peter warf den Gang ein. Mit quietschenden Reifen schoss er auf den Highway. Er hatte es gerade noch geschafft!
Die ersten Meilen raste Peter einfach nur drauflos. Zu dieser Zeit herrschte stadteinwärts wenig Verkehr. Ab und zu kontrollierte Peter im Rückspiegel, ob er verfolgt wurde. Er war sich nicht sicher. Inzwischen war es zu dunkel, um viel mehr zu erkennen als die beiden Schweinwerferlichter, die sich in einiger Entfernung hinter sein Auto geheftet hatten. Kamen sie näher? Es war nicht mehr weit bis Rocky Beach. Doch was sollte er jetzt am besten tun? Sollte er versuchen, zu Justus und Bob zu flüchten? Sie waren in der Zentrale und vertrieben sich die Zeit mit dem Stöbern in alten Archivunterlagen.
Wenn die Verfolger ihn nicht vorher erwischten! Das Auto hinter ihm fuhr immer dichter auf. Als er die ersten Straßenlaternen passierte, sah er, dass es der dunkle Chrysler war. Da kam ihm eine Idee. Im letzten Moment lenkte Peter den Wagen in eine Seitenstraße. Das andere Auto blieb hinter ihm. Peter durchfuhr die Straße so schnell, wie es ging. An ihrem Ende kreuzte sie die Hauptstraße, in der das Polizeipräsidium von Rocky Beach war. Dort arbeitete Inspektor Cotta. Cotta würde ihn retten. Vorausgesetzt, sein Vorsprung reichte, heil in die Wache zu kommen.
Peter gab Gas. Die Querstraße kam in Sicht. Unabsichtlich streifte er eine Mülltonne, die am Straßenrand stand. Sie kam ins Schwanken und schlug krachend auf die Straße. Bremsen quietschten, sein Verfolger wich aus, geriet auf die andere Spur und stieß fast mit einem entgegenkommenden Taxi zusammen. Zum ersten Mal schöpfte Peter Hoffnung. Im Rückspiegel sah er, dass er den Chrysler zwar nicht losgeworden war, doch durch das Manöver hatte sich der Abstand vergrößert. Peter bremste scharf und lenkte den Wagen um die Ecke. Nun war es nicht mehr weit bis zur Polizeiwache. Noch einmal erhöhte er kurz das Tempo, raste die Straße entlang und wollte sein Auto gerade am Straßenrand anhalten, als ihm ein Wagen auffiel, der direkt vor dem Polizeipräsidium parkte. Zwei Männer waren ausgestiegen, einer telefonierte mit einem Handy. Als er Peters MG sah, stieß er den anderen Mann mit dem Ellenbogen in die Seite. Ohne zu zögern, griff der zweite Mann in seine Jacke. Peter überlegte nicht lange. Er trat wieder aufs Gas.
In was war er da bloß hineingeraten? Peter wechselte die Fahrspur und glitt in den flotten Verkehrsfluss der Innenstadt. Es hatte ganz danach ausgesehen, als ob ihm die beiden Männer vor der Polizeiwache aufgelauert hätten. Oder war sein Gehirn inzwischen überreizt? Woher hätten die Männer wissen sollen, dass er zu Inspektor Cotta fahren wollte? Ein schneller Blick in den Rückspiegel bestätigte jedoch seine Befürchtungen. Die beiden waren in ihr Auto gesprungen. Ihr Wagen schob sich hinter den Chrysler, der gerade die Polizeiwache passierte. Jetzt spürte Peter den kalten Schweiß, der sich auf seiner Stirn gebildet hatte. Aber er musste sich beherrschen und sich auf den Autoverkehr konzentrieren. Zu dieser Abendzeit war hier mitten in Rocky Beach eine Menge los. Angestellte, die von der Arbeit nach Hause fuhren, trafen auf die ersten Nachtausflügler und Kinogänger. Das konnte ein Vorteil sein! Vielleicht war es im dichteren Autoverkehr der kleinen Stadt leichter, seine Verfolger abzuhängen, als auf dem leeren Highway an der Küste.
Er bog wieder von der Hauptstraße ab und jagte ziellos durch menschenleere Nebengassen. An einer Kreuzung entdeckte er einen Polizeiwagen, aber Peter traute sich nicht, anzuhalten. Bis er den Polizisten seine Lage erklärt hätte, wären die Verfolger da gewesen. Und offenbar kannten sie nur ein Ziel: ihn zu töten!
Peter kontrollierte den Rückspiegel. Jetzt war es wieder nur ein Wagen, der ihn verfolgte. Entweder hatte der andere den Anschluss verloren oder er versuchte, ihm irgendwo den Weg abzuschneiden. Peter beschloss, seine unlogische Streckenführung fortzusetzen, sich dabei aber allmählich dem Schrottplatz von Titus Jonas zu nähern. Hier saßen seine Freunde in der »Zentrale«, dem alten, unter Schrott versteckten Wohnwagen, und ahnten nichts von seinen Schwierigkeiten. Doch wie sollte er ungesehen zu ihnen gelangen?
Während er durch die Straßen fuhr und auf eine Gelegenheit wartete, den Abstand zu seinen Verfolgern zu vergrößern, bildete sich in seinem Kopf puzzleartig ein Plan. Er konnte seine Verfolger auf keinen Fall direkt zu Bob und Justus führen. Womöglich wartete der zweite Wagen bereits vor dem Tor des Gebrauchtwarencenters. Er musste mit allem rechnen. Peter bremste, wich ein paar Fußgängern aus und gab wieder Gas. Der Schlüssel!, fiel ihm ein. Ja, der Schlüssel! Peter hatte den Hausschlüssel von Mrs Winterfield dabei, einer netten älteren Nachbarin, für die er während ihres Urlaubs die Blumen goss. Über ein Zwischengrundstück konnte er von ihrem Haus aus das Gelände des Schrottplatzes erreichen. Peter näherte sich dem Stadtrand von Rocky Beach, bog in eine Querstraße ab und fuhr zurück in die Stadt. Als er endlich eine Ampel erwischte, die nach ihm auf Rot sprang, stand sein Entschluss fest. Im Rückspiegel sah er, wie seine Verfolger ihren Wagen rücksichtslos in den nun quer zu ihnen fließenden Verkehr auf der Kreuzung drängten. Das Hupen wütender Autofahrer ertönte und der Verkehrsfluss hinter ihm kam kurz zum Stocken. Das musste reichen.
Das Haus von Mrs Winterfield lag nur wenige Straßen entfernt. Peter fuhr mit höchster Konzentration. Er ließ sein eigentliches Ziel, das Gebrauchtwarencenter, links liegen und raste um die Kurve. Wenige Augenblicke später hatte er das Haus von Mrs Winterfield erreicht und erst im letzten Moment legte er eine Vollbremsung hin. Die Sporttasche, die auf dem Beifahrersitz lag, flog in den Fußraum. Peter hangelte nach dem Gepäck und zog seinen Geldbeutel heraus. Seinen Führerschein sollten die Männer auf keinen Fall erwischen, vielleicht wussten sie seinen Namen noch nicht. Es musste irgendeine Verwechslung sein. Anders konnte er sich das alles nicht erklären.
Mit einem Satz sprang Peter aus dem Wagen und sprintete die kurze Strecke zum Tor. Ein Stück weiter oben in der Straße schoss soeben der Chrysler um die Ecke. Welcher Schlüssel passte zum Tor, welcher zur Haustür, er verwechselte sie ständig. Wie immer entschied er sich für den falschen. Der Wagen kam näher. Endlich schwang das Tor auf. Sofort war Peter im Vorgarten und drückte das Tor wieder zu. Das Haus lag vielleicht zehn Meter entfernt. Der Bewegungsmelder hatte das Außenlicht eingeschaltet. Die drei Stufen vor der Tür nahm Peter in einem Satz. Vor dem Zaun quietschten die Bremsen des Chryslers. Autotüren schlugen. Jemand warf sich gegen das Tor, das jedoch nicht nachgab. Solide Schmiedearbeit, dachte er, denn Mrs Winterfield hatte Angst vor Einbrechern. Peter sah noch, wie von außen zwei Hände um die obere Zaunkante griffen, und glitt ins Haus.
Zum Glück kannte er sich hier gut aus. Er warf die Tür hinter sich zu, schaltete das Licht ein und lief den Flur entlang. An einer kleinen Kommode stoppte er, zog die Schublade auf und entnahm ihr ein Knäuel Paketschnur. Damit hatte er neulich Mrs Winterfields kaputten Briefkasten behelfsmäßig zusammengebunden. Dann lief er zum Ende des Korridors. Dort befand sich die Toilette. Peter schlüpfte hinein, drückte die Tür zu und legte die Schnur um den Haltegriff des hoch gelegenen Schiebefensters, durch das man auf den sich hinter dem Haus befindenden Teil des Gartens blicken konnte. Er schob das Fenster hoch und warf beide Enden der Schnur nach draußen. Vorsichtig kletterte er aus dem Fenster und ließ sich in den Garten hinab. Jetzt kam es drauf an. Mit jeder Hand nahm er ein Schnurende und zerrte so von außen das Fenster ruckweise wieder nach unten. Als zwischen Fenster und Rahmen nur noch ein winziger Spalt frei war, ließ er eins der Enden los und zog die Schnur ganz zu sich durch. Zufrieden steckte er sie in die Hosentasche. Das war geschafft. Bei flüchtiger Betrachtung mussten seine Verfolger denken, dass er sich noch im Haus befand. Doch er hatte keine Zeit zu verlieren. Die Männer hatten die Hürde über den Zaun bewältigt und machten sich bereits an der Haustür zu schaffen. Er hörte, wie sie fluchten.
Neben dem Toilettenfenster lehnte eine Leiter an der Hauswand, die Mrs Winterfield benutzte, um ihre Palmen von braunen Blättern zu befreien. Peter trug die Leiter an den Zaun, der auf der Rückseite des Grundstücks noch mal um einiges höher war als auf der Vorderseite. Hoffentlich reichte sein Vorsprung. Er kletterte hoch und setzte sich auf der Zaun. Jetzt kam der schwierigste Teil: Peter zog die Leiter Stück für Stück nach oben und wuchtete sie auf die andere Seite. Spuren verwischen, dachte er. Er sah, wie in einem Zimmer von Mrs Winterfields Haus das Licht angeschaltet wurde und kurz darauf im nächsten. Systematisch durchsuchten seine Verfolger das Haus. Es war wirklich höchste Zeit. Er sprang nach unten.
Jetzt musste er nur noch ein weiteres Grundstück durchqueren, dann kam er von hinten an den Schrottplatz heran. Es war dunkel, doch Peter kannte die Gegend in- und auswendig. Er wusste genau, wo der Baum stand, von dem aus er über den Zaun des Schrottplatzes klettern konnte. Das hatte er schon als kleiner Junge gemacht. Wenige Augenblicke später hangelte er sich auf die Ladefläche von Onkel Titus’ Pick-up, der friedlich auf seinem Parkplatz stand.
Gerettet.
Jetzt erst hielt Peter inne. Ein leichter Wind ging. Es roch nach Meer. Peters Atem wurde ruhiger und er hörte die vertrauten Stimmen von Onkel Titus und Tante Mathilda, die aus dem Wohnhaus drangen. »Titus, wie oft soll ich es dir noch sagen: Du schleppst von Tag zu Tag mehr Gerümpel auf unseren schönen Schrottplatz!«, schnappte Peter auf. Das war eins der Lieblingsthemen von Tante Mathilda. Mit leiserer Stimme verteidigte sich Onkel Titus. Ansonsten war alles still. Kein Auto mehr, keine Verfolger. Endlich Ruhe.
Peter atmete durch und lief in die Freiluftwerkstatt. Dort begann ein Geheimgang, der in das Innere der Zentrale der Detektive führte, in einen alten Wohnwagen, der unter einem Berg Schrott von außen nicht zu sehen war. Peter sehnte sich danach, endlich dort zu sein. In Sicherheit, bei seinen Freunden Justus und Bob, und vor allem: verborgen und geschützt! Hierhin würden die Gangster nie im Leben kommen. So dachte er.
Er robbte sich durch die enge Röhre. Mit seinen sechzehn Jahren und sportlich gebaut, wie er war, war sie ihm inzwischen fast zu eng geworden. Kurz darauf drückte er von innen gegen den Verschluss am Ende des Gangs, doch der gab nicht nach.
»Bob!«
Peter wusste, dass der als Sitz getarnte Eingang Bobs Lieblingsplatz war. Er hörte ein scharrendes Geräusch und wenige Sekunden später wurde die Sitzfläche nach oben geklappt. Bobs Gesicht erschien. »Ach, du bist’s, alter Jogger! Warst aber lange unterwegs! Hast wohl heimlich noch ein paar Mädchen getroffen?«
»Seid doch bitte leise«, rief Justus dazwischen, »im Radio läuft gerade eine Diskussion über die neusten Erkenntnisse der Gehirnforschung!«
»Das interessiert mich wirklich null!«, erwiderte Peter. Erschöpft zog er sich aus dem Geheimgang. »Justus! Bob! Ihr glaubt nicht, was ich gerade erlebt habe!«
Justus hockte auf einem Sessel und drehte das Radio leiser. »Ich hoffe mal, deine Geschichte ist gut«, sagte er zu Peter. »Sonst kannst du mir morgen eine Aufzeichnung von der Sendung besorgen.«
Peter ging nicht darauf ein. Am ganzen Körper zitternd, ließ er sich in den Liegestuhl plumpsen. Erst jetzt kam der Schock. Er war gejoggt. Dann war er um sein Leben gerannt. Eine wilde Autofahrt war gefolgt. Und schließlich das Hindernisrennen über die Zäune. Er wusste gar nicht, womit er anfangen sollte. »Man hat auf mich geschossen«, sagte er schließlich.
»Wie bitte?«
»Man hat auf mich geschossen, Justus. Unten am Strand.« Und dann erzählte Peter, was er erlebt hatte.
Zu Beginn mit staunenden Blicken, dann erschrocken und fassungslos und am Ende sogar ein wenig stolz hörten Justus und Bob seiner Geschichte zu. »Das war genial, wie du die Verfolger abgehängt hast«, sagte Justus anerkennend, als Peter fertig war. »Ich hätte es mir nicht besser ausdenken können! Du hast sie glauben lassen, du wärst noch in Mrs Winterfields Haus. Dadurch haben sie wertvolle Zeit verloren!«
»Aber warum waren sie bloß hinter mir her?«
»Es muss sich um eine Verwechslung handeln«, sagte Bob und kniete sich neben seinen Freund. »Wer soll dich denn umbringen wollen? Und warum?«
Verzweifelt schüttelte Peter den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr.«
»Wussten sie, wer du bist?«, fragte Justus. »Haben sie dich mit Namen gerufen?«