ARTENAUSWAHL
In diesem Buch werden keineswegs alle Vögel vorgestellt, die im Wald zu finden sind. Einige sind schlicht zu selten oder zu schwer zu entdecken.
Um dir den Einstieg ins Birden im Wald zu erleichtern, sind die vorgestellten Arten nach Sicht- bzw. Hörbarkeit eingeteilt.
DIE SIEHST DU BESTIMMT
Diese Arten machen es dir wirklich leicht. Sie sind häufig, einfach zu entdecken und leicht zu erkennen. Dazu gehören Buntspecht, Rotkehlchen und Blaumeise.
Du findest hier auch Arten, die viel von sich hören lassen, aber nicht ganz einfach zu sehen und optisch sehr schwierig zu bestimmen sind, wie den Zilpzalp.
Deswegen stehen sie ganz vorne.
Ich mache einmal einen Versuch und lege zehn Arten fest, die jeder Vogelbeobachter in seinem ersten bewussten, aktiven Vogel-Jahr im Wald gesehen haben „muss“, so wie Afrikareisende die berühmten „Big Five“ (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard). Keine Angst, die „Big Ten“ sind wirklich nicht schwer: Rotkehlchen, Buntspecht, Amsel, Ringeltaube, Eichelhäher, Kohlmeise, Buchfink, Zaunkönig, Kleiber, Blaumeise.
DIE SIEHST DU WAHRSCHEINLICH
Diese 14 Arten sind ein wahres Sammelsurium. Hier tauchen häufige, aber sehr unscheinbare Vögel auf, wie die Heckenbraunelle, denn häufig heißt nicht immer auch gut zu sehen. Aber du findest hier auch Arten, die du anderswo häufiger antriffst als im Wald, wie die Nilgans. Die meisten Vögel in diesem Kapitel sind Singvögel. Sie sind eine Gemeinschaft eifriger und oft gut erkennbarer Sänger.
Verflixte Zwillinge findest du ebenfalls in diesem Kapitel. Drei schwer unterscheidbare Zwillingspaare bilden Klippen, an denen du als aufstrebende(r) Vogelkundler/in mit deinem kleinen Schiff vorerst schnell zerschellen kannst. Zur besseren Vergleichbarkeit stehen sie auf einer Doppelseite nebeneinander, auch weil sich viele Merkmale wiederholen. Dabei sind die keineswegs alle gleich häufig oder ähnlich schwer oder leicht erkennbar. Bei genauem Hinsehen entdeckst du auch bei ihnen ganz eindeutige Merkmale.
Diese Zwillinge sind Beispiele für die zunehmende Verfeinerung der ornithologischen Kenntnisse. Im ersten Schritt bist du froh, wenn du eine Drossel, einen Baumläufer erkennen und „ansprechen“ kannst, wie es die Fachleute ausdrücken, also die Art korrekt mit dem Namen verbinden kannst. Die Zwillinge auseinanderhalten – das ist Birdwatching auf einem höheren Niveau. Dann bist du schon kein einfacher Waldspaziergänger mit Fernglas mehr. Wenn du die Arten in diesem Kapitel draufhast, bist du einen Riesenschritt weiter.
RESPEKT, WENN DU DIE ENTDECKST
Diese Arten sind fast alle gleichermaßen schwer zu knackende Nüsse. Einige sind nicht leicht zu bestimmen, andere sind selten, leben heimlich oder an schwer zugänglichen Orten im Wald. Es kann also eine Weile dauern, bis du ihnen überhaupt begegnest. Sie gehören aber alle definitiv in den Wald.
Eine Beobachtung ist durchaus auch möglich, wenn du das erste Mal in den Wald kommst, wie bei der Waldschnepfe, die vor deinen Füßen plötzlich auffliegt. Dafür braucht man weder Können noch Geduld – sondern eine gehörige Portion Glück. Denn gerade bei den selteneren oder schwer zu sehenden Arten ist das Glück – wie so oft im Leben – eine wichtige Größe. Andere wie der Waldlaubsänger und der Pirol sind schon weniger schwer zu entdecken, wenn man den Gesang kennt. Die kleinen Singvögel in diesem Kapitel, wie die Schnäpper oder Meisen, sind „schwere Arbeit“ beim Entdecken wie beim Bestimmen.
Die wirklich Großen, Schwarzspecht und Schwarzstorch, sind zwar schwer zu übersehen, aber vielerorts eine echte Seltenheit. Der Schwarzspecht ist dabei deutlich einfacher zu entdecken, weil er sich auffällig verhält und laut ist. Der schwarze Storch ist wirklich eine Besonderheit, meistens sieht man ihn gut, wenn er ab August auf dem Zug ist, also gar nicht im Wald. Seine Brutplätze unterliegen strengem Schutz und er ist äußerst empfindlich. Insofern ist eine Beobachtung im Brutgebiet nur unter Anleitung eines erfahrenden Vogelschützers vertretbar, der weiß, wo die Vögel sind und wie man sie sehen kann, ohne sie zu stören. Denn es gilt beim Beobachten: Der Schutz der Vögel kommt immer an erster Stelle.
Fitis
© Mathias Schäf
Für Überraschungen gut sind die Greifvögel in diesem Kapitel. Sie sind teilweise ausgesprochene Waldvögel, die durch ihr schnelles, plötzliches Auftauchen und Wiederverschwinden deine Reaktionszeit auf die Probe stellen. Um sie mitzubekommen, solltest du nicht nur auf Geduld und zunehmende Kenntnisse setzen. Besuche regelmäßig dein Puschen-Revier, dann begegnest du ihnen irgendwann.
FÜR DIE BRAUCHST DU GLÜCK
Zehn Arten stehen ganz hinten. Die wirst du in den ersten Jahren nach dem Einstieg in die Vogelbeobachtung vermutlich nicht sehen. Sie gehören zwar unbedingt in den Wald, aber sie sind so selten, dass man sie kaum zu Gesicht bekommt. Oder sie sind gar nicht selten, aber ihre Lebensweise ist extrem heimlich, wie bei den vier Eulenarten. Die Waldohreule trägt zwar den Wald im Namen, sie kommt aber auch auf Friedhöfen in der dichtesten Stadt vor und ist dort viel wahrscheinlicher zu sehen. Hier zeigt sich die Crux beim Beobachten im Wald; vor allem heimliche und seltene Arten sind dort extrem schwer zu erwischen. Die beiden Spechtarten in diesem Kapitel sind insgesamt gesehen sehr selten, weil sie dichte Wälder in den Bergen bevorzugen und dort auch nicht leicht zu sehen sind.
Alles in allem stellt die Reihe der 64 Arten, die in diesem Buch vorgestellt werden, nur eine Auswahl dar. Der Schwerpunkt liegt auf den Arten, die für Einsteiger eine lohnende Beschäftigung sind. Manche der Arten gehören zwar absolut zum Wald, sind aber außerhalb viel besser anzutreffen, zu sehen und zu bestimmen. Der Wald birgt besondere Schätze und Erlebnisse beim Beobachten und ich wünsche dir dabei viel Spaß!
© Mathias Schäf
© Arto Juvonen/birdfoto.fi
Die siehst du bestimmt
ROTKEHLCHEN
Erithacus rubecula
Größe: 12,5 – 14 cm Gewicht: 10 – 20 g Bei uns: das ganze Jahr Stimme: Warnrufe „Tick-tick“; Gesang zart und hoch
© Frank Leo/fokus-natur.de
Knopfauge Ein zarter, kleiner Vogel mit schöner orangeroter Brust und großen, tiefbraunen Augen: Nahezu jedem Menschen geht beim Anblick eines Rotkehlchens das Herz auf. Deswegen kann man es getrost den Pandabären des Vogelschutzes nennen. Wie das Logo-Maskottchen des WWF (World Wildlife Fund for Nature) bietet sich das Rotkehlchen zur Werbung direkt an. Das Bild des kleinen Vogels ist eine Ikone, rundlich aufgeplustert auf einem schneebedeckten Holzstapel – einfach niedlich! Wie kaum ein anderer Vogel symbolisiert das Rotkehlchen dabei zugleich Verletzlichkeit und Härte. Einerseits wirkt es so zart und andererseits trotzt es dem Winter.
Tick tick tick Das Rotkehlchen sieht man im Wald kaum. Verhalten und Aussehen garantieren ihm gute Eigenschaften der Camouflage, der Tarnung. Rotkehlchen leben im Dickicht und suchen den Boden nach Nahrung ab. Ihr Gefieder ähnelt dabei den Blättern, durchaus auch dem vertrockneten Laub. Im Wald ist das Rotkehlchen auch deutlich weniger zutraulich als im Garten. Verräterisch sind zu unserem Glück die Warnrufe, eine spitz klingende Reihe von „Tick-tick-tick“. Es empfiehlt sich das Richtungshören (s. Einleitung). So kann man dem scheinbar unsichtbaren Vogel nachgehen, ihn mit Glück und Geduld entdecken. Wenn an der Hecke im Garten eine Katze läuft, kann man deren Weg mithilfe des „Tick-tick“ von genervten Rotkehlchen „nachhören“. Im Wald sind wir die Katze.
Der erste wird der letzte sein Wie (fast) kein anderer Vogel begleitet das Rotkehlchen den Waldspaziergänger durch das ganze Jahr. Das Rotkehlchen ist der Singvogel im Wald, der gefühlt immer singt, egal ob im Januar, im Mai oder im November. Gerne nutzt der kleine Sänger den Wald als Resonanzkörper und sitzt auf erhöhter Position, über sich ausgebreitet das weite Blätterdach. Nur im Hochsommer schweigt das Rotkehlchen. Wie fast alle Singvögel nutzt es die Wochen nach der Brutzeit für die Mauser, den Austausch der meisten Federn.
Rotkehlchen verteidigen auch im Winter ein Revier. In diesem Fall natürlich vor allem für die Nahrungssuche. Auch die weiblichen Rotkehlchen tun dies. Verwunderlich ist das eigentlich nicht. Natürlich müssen auch Vogelweibchen ihre Nahrung verteidigen. Nach der althergebrachten (und überholten) Tradition von uns Menschen ist für die Ernährung der Mann, also das Männchen zuständig. Diese Form der einseitigen Abhängigkeit kennen die meisten Vögel höchstens während der Brutzeit.
Wo zu beobachten Im ganzen Wald, vor allem unter Laubbäumen unterwegs, schätzt das Rotkehlchen besonders dichten Unterwuchs, Büsche und Sträucher. Auch deswegen ist es in unseren Siedlungen weit verbreitet. Als gern gesehener Gast begleitet es den Menschen beim Graben und Harken, um abzustauben, was dabei zutage kommt. Dabei wird es sehr zutraulich – wohl mit ein Grund für seine Popularität.
© Rosl Rößner
Merkmale Das Rotkehlchen ist klein und rundlich, dabei wirken seine Beine lang. Brust, Kehle und Stirn sind beim erwachsenen Vogel (erstes Bild) rötlich gefärbt. Der Rest des Gefieders ist olivgrün. Jungvögel sind braun gepunktet (zweites Bild). Das Rotkehlchen läuft viel auf dem Boden, rennt kurz und bleibt dann plötzlich stehen. Oft reckt es sich dann aufrecht und knickst kurz.
Der Gesang ist eine zuerst etwas gequetschte Tonfolge, gefolgt meist von einem sehr hohen, schwirrenden Gesang, treffend mit dem altmodischen Wort „perlend“ beschrieben.
Ähnliche Art Es kommt vor, dass ungeübte Beobachter den Gimpel (siehe hier) für ein Rotkehlchen halten. Andersherum noch schwerer vorstellbar, ist diese Verwechslung eine gute Gelegenheit auf die Gestalt der Vögel als wesentliches Bestimmungsmerkmal hinzuweisen (siehe hier). Gimpel sind schwere Brocken mit dickem Schnabel im Vergleich zum zartgliedrigen Rotkehlchen.
Die siehst du bestimmt
BUNTSPECHT
Dendrocopos major
Größe: 23 – 26 cm Gewicht: 70 – 100 g Bei uns: das ganze Jahr Stimme: ruft „Kick“; schimpft laut; kurzes und weit hörbares Trommeln
© Frank Hecker
Der Specht an sich Werden Kinder und Erwachsene nach ihren Vogelkenntnissen gefragt, ist meist „der“ Specht dabei. Fast alle Menschen kennen ihn und fast immer ist der Buntspecht gemeint. Und das nicht nur, weil er der häufigste Specht in Deutschland und Mitteleuropa ist. Er ist beinahe allgegenwärtig. Buntspechte sind sehr flexibel, sie leben auch in Dörfern und Städten – überall da, wo es genug Bäume gibt. Dazu kommt das auffällige Äußere. Buntspechte sind groß, kräftig schwarz-weiß gefärbt mit tiefroten Federn an Kopf und Schwanz. Sie sind laut und ungestüm. Keine Futterstelle ist vor ihnen sicher; alle anderen Vögel machen sofort Platz für die großen bunten Spechte.
Es hämmert, es hämmert Haben Spechte Kopfschmerzen? Um Kopfschmerzen möglichst niedrig zu halten, fand die Natur eine einfache Lösung: Spechte haben relativ kleine Gehirne. Um das Gehirn herum befindet sich nur wenig Gehirnflüssigkeit. So wird es nicht zu sehr hin und her gestoßen, wenn der Specht in hohem Tempo und mit voller Kraft auf einen Baum einschlägt. Vorne und hinten ist der Schädel dickwandiger, um die Stöße zusätzlich abzufangen. Da sich Schnabel und Kopf tatsächlich schnell erhitzen, machen Spechte beim Klopfen immer wieder kurze Pausen. All das sind Anpassungen an eine extreme Art der Nahrungsbeschaffung: das Zerlegen von Holz, um an dessen versteckte Bewohner zu gelangen. Darüber hinaus hauen Spechte mit ihren Schnäbeln Höhlen in den Stamm, um darin zu brüten.
Der Sozialspecht Spechte sind die Baumeister des Waldes. Der Buntspecht hat den sozialen Wohnungsbau in den Wald gebracht. Er ist fleißig und baut und baut und baut. Dabei entstehen mehr Höhlen, als eine Specht-Familie brauchen kann. In die ziehen dann andere Tiere wie Vögel, Fledermäuse und Insekten ein, die selbst nicht bauen können, gewissermaßen als Hausbesetzer. Die häufigsten Nachfolger beim Buntspecht sind Kleiber und Star. Wirklich sozial ist der Buntspecht aber dennoch nicht. Meisen meiden seine Höhlen, weil sie den Specht als Nesträuber fürchten – leider zu Recht! An die Höhlen, die er selbst gebaut hat, erinnert er sich natürlich besonders gut. Ganz gezielt und mit seiner langen Zunge äußerst geschickt holt er sich dort die Jungvögel der Nachmieter heraus – die dunkle Seite des Sozialspechts.
© Frank Hecker
Wo zu beobachten Im ganzen Wald an Laub- und Nadelbäumen zu finden, lebt aber auch in Parks und Gärten, Obstwiesen, Friedhöfen.
Merkmale Das Gefieder des Buntspechts ist überwiegend schwarz-weiß, unter dem Schwanz, an den Unterschwanzdecken ist er jedoch kräftig rot gefärbt. Erwachsene Männchen (erstes Bild) besitzen einen roten Fleck am Hinterkopf, der den Weibchen fehlt (drittes Bild). Junge Buntspechte (zweites Bild) haben eine rote Kopfplatte. An den Füßen sind zwei Zehen nach vorne und zwei nach hinten gerichtet. Spitze und starke Krallen ermöglichen einen festen Sitz am Stamm und akrobatische Klettertouren an Stämmen und Ästen, auch gelegentlich kopfunter. Der Stützschwanz mit ausgesprochen harten Federn gibt am Stamm genügend Halt. Buntspechte haben eine auffällige Flugweise: Weil sie nach kurzen, kräftigen Flügelschlägen immer eine kurze Pause machen, geht ihr Flug wellenförmig auf und ab und ist sehr ausdruckstark. Alles, was der Specht macht, hat Wumms.
© Rosl Rößner
Ähnliche Art Der deutlich kleinere und viel seltenere Mittelspecht (siehe hier) ist ebenfalls schwarz-weiß mit etwas Rot unter dem Schwanz. Wie junge Buntspechte (drittes Bild) hat er eine rote Kopfplatte. Also aufgepasst: Ein vermeintlicher Mittelspecht kann auch ein junger Buntspecht sein. Zum Glück ist die Zeit für Verwechslungen begrenzt, denn die jungen Buntspechte tragen den roten Schopf höchstens bis zum nächsten Frühjahr.
Die siehst du bestimmt
RINGELTAUBE
Columba palumbus
Größe: 38 – 43 cm Gewicht: 300 – 600 g Bei uns: das ganze Jahr Stimme: Gesang heiser und dumpf
© Frank Hecker
Auffälligster Vogel im Wald Ringeltauben sind laut. Dieses Urteil ist zugegeben etwas vermenschlicht und subjektiv eingefärbt, aber viele Beobachter bestätigen das. Nicht der Gesang ist damit gemeint, sondern das vielfältige Lärmen vor allem mit den Flügeln. Im stillen Wald kann man Ringeltauben deswegen gut hören. Sie flattern viel und laut herum und heben unter unglaublichem Getöse ab. Im Flug pfeifen die Flügel regelrecht. Als Krachmacher werden sie nur vom Fasan übertrumpft. Die Ringeltaube ist im Wald aber auch anderswo allgegenwärtig. Sie kommt überall vor und ist sehr häufig. Sehr, sehr häufig. Knapp drei Millionen Brutpaare sind es in Deutschland und es sind in den letzten Jahrzehnten immer mehr geworden.
Schlechte Nester und hässliche Junge Ein Vogelbeobachter-Sprichwort sagt: Ein Ringeltaubennest erkennt man daran, dass man von unten die Eier sehen kann. Und tatsächlich sind die Nester dieses gro-ßen Vogels sehr schlecht, mit nur minimalem Aufwand und einfach miserabel gebaut. Es besteht nur aus wenigen Zweigen, die lieblos übereinandergelegt sind. Ganz junge Tauben sind erschreckend hässlich. Manche Gartenbesitzer rufen besorgt beim Vogelkundler ihres Vertrauens an und fragen, was für seltsame Lebewesen das wohl sein könnten. Eckige Was-auch-immer-für-Tiere mit zerzausten weißen Dunenfedern, etlichen nackten Stellen und klobigen Schnäbeln. Junge Tauben haben wirklich wenig Ähnlichkeit mit – ausgewachsenen Tauben.
Gesellig, aber unbeliebt Ringeltauben lieben die Gesellschaft von Ringeltau-ben. Sie schlafen oft in Gruppen und hinterlassen viel Kot unter ihren Schlafbäumen, ein oft sicheres Zeichen ihrer fortlaufenden Anwesenheit. Nach der Brutzeit versammeln sich in Mitteleuropa auch viele Wintergäste aus dem Norden mit „unseren“ Ringeltauben zu Schwärmen von erstaunlicher Größe. Hunderte, Tausende Ringeltauben tummeln sich auf einem Feld, oft einem frisch abgeernteten Maisfeld. Bei vielen Landwirten sind sie überhaupt nicht beliebt, denn sie fressen mit Vorliebe Körner. Nicht nur deswegen, sondern auch immer noch zum Verzehr werden sie in sehr großer Zahl jedes Jahr geschossen. Die Jagdstrecke in Deutschland betrug noch vor einigen Jahren fast eine Million geschossene Ringeltauben, Tendenz allerdings deutlich abnehmend.
© Arto Juvonen/birdfoto.fi
Wo zu beobachten Hält sich im ganzen Wald auf, ist aber am leichtesten in den Wipfeln zusehen. Geht gerne nach Nahrung suchend auf Felder, im Herbst und im Winter besonders oft und gut zu sehen. Inzwischen auch in dichtester menschlicher Bebauung zu Hause und dort überhaupt nicht scheu.
Merkmale Die Ringeltaube ist die größte Taube im Wald. Sie ist grau gefärbt mit einem kleinen bläulichen Kopf, hellen Augen und einem weißen Fleck an jeder Halsseite. Im Flug fallen die breiten weißen Querstreifen in den Flügeln auf, ein sehr wichtiges Bestimmungsmerkmal.
Der Gesang der Ringeltaube ist etwas monoton: „Gudrun, hör gut zu, Gudrun“, immer wiederholt, meist fünfsilbig. In der Balz hat sie noch mehr auf Lager. Um auf sich aufmerksam zu machen, scheut der Mann der Ringeltaube keine Mühe: In großen Auf- und Ab-Bögen fliegt er über die offene Landschaft und den Wald. Dabei klatscht er immer wieder mit den Flügeln laut zusammen – fast schon akrobatisch oberhalb und unterhalb des Körpers. Flügelklatschen und Bogenflug sind Worte, die quasi für Ringeltauben erfunden wurden.
Ähnliche Art Andere Tauben, im Wald zuallererst die Hohltaube (siehe hier). Diese ist aber deutlich kleiner, hat dunkle Augen und wirkt dadurch niedlicher. Ihr fehlt auch das weiße Band im Flügel. Sie ruft zweisilbig „Uwe, Uwe, Uwe“. Stadttauben sind kleiner, meist sehr viel bunter gefärbt und nicht im Wald anzutreffen.
Die siehst du bestimmt
ZILPZALP
Phylloscopus collybita
Größe: 10 – 12 cm Gewicht: 10 g Bei uns: März bis Oktober Stimme: ruft weich „Hüit“, singt schlicht und einfach seinen Namen „Zilp zalp, zilp zalp ...“
© Frank Leo/fokus-natur.de
kleiner grauer Vogel Der Zilpzalp ist ein Laubsänger. So wird eine Gruppe von Vögeln genannt, die meist in der Nähe von Laubwald und Laubgehölzen vorkommen. Der Name Weidenlaubsänger, wie der Zilpzalp auch genannt wird, ist also ganz passend. Der Gesang ist neben dem des Kuckucks auch für einen Anfänger supereinfach zu lernen, denn nur ganz wenige Vögel machen einem die Freude, ihren Namen zu singen. Ihn zu sehen ist schon viel schwieriger. Aufgrund der graubraunen bis verwaschen grauen „Färbung“ hat sich ein Vogel selten so sehr die Bezeichnung KGV (kleiner grauer Vogel) verdient.
Der Zilpzalp ist klein und extrem „huschig“. Im dichten Geäst von Hecken und Gehölzen hüpft er herum und zeigt sich wirklich selten. Dazu ist er ein wenig hektisch. Hat man ihn mit Glück und Geduld entdeckt, ist er schon wieder weitergehuscht und im dichten Blätterwerk verschwunden.
Was flattert da? Vor dem Busch am Waldrand steht plötzlich ein kleiner Vogel wie ein Kolibri in der Luft. Schwupp, ist er wieder weg und ebenso plötzlich wieder da! Der Zilpzalp ist, wie alle Laubsänger, ein Insektenfresser. Wie viele von ihnen nutzt auch er eine besondere Methode, um kleine Insekten aus der Luft zu fangen: er „rüttelt“. Das heißt, er hält sich mit schnellen Flügelschlägen in der Luft und erbeutet die Insekten im Flug! Wenn man dieses Verhalten beobachtet, ist es zwar nicht immer ein Zilpzalp, aber oft. Er ist in den meisten Regionen Mitteleuropas unter den 20 häufigsten Vogelarten zu finden.
Getrennte Zwillinge Es klingt wie eine Familientragödie und sie ist Zehntausende Jahre alt. Man vermutet, dass der Zilpzalp mit dem sehr ähnlichen Fitis früher eine Art gebildet hat, „Zitis“, „Filpfalp“ oder wie sie auch geheißen haben mag. Dann kam die Eiszeit und trennte sie in zwei Gruppen auf. Nachdem das Eis wieder geschmolzen war, kamen sie zwar wieder zusammen, hatten sich aber gewissermaßen „auseinandergelebt“. Gesang, Lebensraum und Zugverhalten waren jetzt so unterschiedlich, dass eine Wiedervermischung nicht mehr erfolgen konnte. Die beiden Arten bleiben bis heute getrennt. Es gibt ab und zu Mischsänger, Jungvögel einer sehr seltenen Verbindung von Fitis und Zilpzalp. Aber die bleiben ohne Nachkommen.
Wo zu beobachten An Waldrändern, auf Lichtungen mit viel Unterholz, in Gärten, und Parks zu finden, im Wald da, wo er stark ausgedünnt ist. Mag geschlossene Baumkronen nicht. Braucht wenig Platz, oft reichen schon wenige, einzeln stehende Bäume mit etwas Gebüsch.
© Frank Hecker
Merkmale Es klingt wie ein Text von Loriot. Merkmale hat er keine, möchte man sagen: Die Oberseite ist gräulich braungrün, die Unterseite weißlich mit Gelb- und Beigeanteil. Nein, ein Papagei ist der Zilpzalp nicht. Er ist gefärbt wie viele der Blätter, zwischen denen er rastlos umhereilt, während er immer wie-der mit dem Schwanz wippt. Die Beinfarbe ist dunkel. Aber diese Vögel halten einfach nicht still und und im Schatten des Waldes sind Farben schwer auszumachen. Deshalb sind Farbangaben hier oft schlechte Ratgeber. Ihre Beschreibungen (Gelbgrüngrau) sind zudem subjektiv und individuell. An seinem Gesang ist er viel einfacher zu erkennen. Also: Ohren auf!
Ähnliche Arten Andere KGV, Laubsänger, Grasmücken, Rohrsänger. Aber am schwierigsten zu unterscheiden ist der Fitis (siehe hier), der zu Recht als Zwillingsart bezeichnet wird. Meist sind Fitisse deutlich mehr gelb gefärbt und haben einen starken Überaugenstreif. Der Schnabel kann blasser sein und die Beine des Fitis sind oft nicht so dunkel wie die vom Zilpzalp. Hier hilft letztendlich nur die Stimme. Der Gesang des Fitis ist nicht ganz leicht zu lernen, denn er singt leider nicht so praktisch seinen eigenen Namen.
Die siehst du bestimmt
KLEIBER
Sitta europaea
Größe: 12 – 14,5 cm Gewicht: 20 – 25 g Bei uns: das ganze Jahr Stimme: Gesang trillernd, vielfältig pfeifend und sehr laut
© Rosl Rößner
Zorro So kann man den Kleiber zu Recht nennen, vor allem wegen seines Aussehens: Wie eine Maske zieht sich ein schwarzer Streifen vom dunklen Schnabel bis auf die Schultern. Dazu kommt sein ungestümes Temperament: Immer in Aktion, energiegeladen, sehr laut und emsig ist er im Wald unterwegs. Kleiber tummeln sich auch in Parks und mitten in den Städten. Sie besuchen sehr gerne Futterstellen. Hier fallen sie wegen ihrer robusten Frechheit auf, die meisten anderen Singvögel weichen ihnen respektvoll aus.
Kopf hoch und Kopfüber Es gibt im Wald nicht viele Vogelarten, die an den Baumstämmen herumklettern: natürlich die Spechte, dann die Baumläufer – und der Kleiber. Ihm gelingt dabei ein Kunststück, dass Baumläufer trotz ihres Namens nicht können: Der Kleiber klettert den Stamm kopfüber herunter. Auch wir Menschen tun uns beim Herabgehen oft schwerer als beim Aufsteigen. Offenbar fällt es auch den Vögeln im Wald schwer herunterzulaufen. Spaziert also ein relativ kleiner, kompakter Singvogel einen Baumstamm nahezu mühelos herun-ter, als wäre es eine einfache Straße, ist das immer ein Kleiber. Dank dieser Fähigkeit kann der Kleiber anders als die Baumläufer länger an einem Stamm nach Nahrung suchen, ohne den Baum zu wechseln.
Baut es sich, wie es ihm gefällt Der Kleiber ist ein Hausbesetzer. Er übernimmt Höhlen, die meist der Buntspecht gebaut hat. Aber auch Nistkästen, die für größere Vögel wie z. B. den Star gedacht sind, werden gekapert. Oder auch Naturhöhlen. Wenn dem quirligen Besetzer das Einschlupfloch zu groß ist, weiß er sich zu helfen. Er verkleinert es einfach – mit einer Art Matsch oder Lehm. Dabei kommt ihm eine ganz besondere Fähigkeit zu Hilfe: Mit etwas Geduld und Spucke kann er diesen speziellen Mörtel selbst herstellen. Der Name „Kleiber“ kommt genau daher; er verweist auf ein altes Handwerk, das zum Mörteln mittelalterlicher Hausmauern ausgeübt wurde.
Wo zu beobachten Im ganzen Wald, mitten zwischen hohen Bäumen zu finden, auch in Parks und Gärten, wenn der Baumbestand älter ist.
© Frank Hecker
Merkmale Der Kleiber ist ein kräftiger, gedrungener Vogel, der mit seinem großen Kopf fast halslos wirkt. Seine Oberseite ist blau-grau, vor allem die Männchen sind unterseits orange-beige, die Weibchen etwas heller. Große, kräftige Füße mit kurzen Beinen ermöglichen ihm etwas ruckartiges, aber sehr geschicktes Klettern. Der Schwanz ist kurz und verstärkt den Eindruck eines kleinen Kraftpakets, „quadratisch-praktisch“. Der lange, spitze Schnabel ist blaugrau.
Sein gesamtes Auftreten erinnert an einen Specht, deswegen wird er auch „Spechtmeise“ genannt. Er klopft sogar, wenn auch leise, um an die Nahrung unter der Rinde zu gelangen, bzw. um ihr Vorhandensein zu „erhorchen“. Er frisst Larven von Insekten oder Samen und Nüsse. Sein englischer Name „Nuthatch“ verweist auf eine weitere Eigenart, die der Kleiber mit den Spechten gemeinsam hat. Er kann harte Nüsse öffnen, indem er sie festklemmt und aufhackt („hatch“ ist eine verzerrte Form von „hack“). Für schlechte Zeiten sammelt und bunkert der Kleiber auch gerne Nüsse.