Impressum:
Die vorliegende Dissertation wurde an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) eingereicht.
Erstgutachter: Prof. Dr. Jürgen Neyer.
Die Disputation erfolgte am 25. Juni 2019.
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© 2019 Anna-Katharina Kappelhoff
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783750484290
Meinem Vater Heinz-Werner
Die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und dabei bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung ist eine wesentliche Herausforderung moderner Gegenwartsgesellschaften. Der strategische Umgang mit dieser Fragestellung wird maßgeblich Einfluss darauf haben, wann und zu welchem Zeitpunkt Menschen in Deutschland Zugang zu Versorgung haben, wie gut die einzelnen Zugangswege miteinander vernetzt sind und welche Auswirkungen dies auf den Gesundheitszustand der Menschen haben wird. Dabei wird auch zur Debatte stehen, welche Rolle dem Patienten zuteil wird: ob er als einer von vielen Faktoren im System Gesundheitsversorgung gesehen wird oder ob er im Zentrum aller Bemühungen steht.
Grundsätzlich wird die Frage zu beantworten sein, wie sich Gesundheitsversorgung, die aktuell vor allem als Krankenversorgung verstanden wird (also erst dann greift, wenn bereits eine Krankheit vorliegt), zu einem Versorgungssystem wandeln kann, das den Menschen präventiv begleitet, in dem alle Faktoren, die Einfluss auf die Gesundheitsversorgung haben, berücksichtigt werden und ein Umfeld geschaffen wird, das Menschen möglichst lange gesund erhält. Wenn es dann doch zum Krankheitsfall kommt, sollte ein vernetztes System greifen, das die verschiedenen Kontakte mit dem Versorgungssystem miteinander verknüpft und dem Patienten einen Lotsen zur Seite stellt, damit dieser optimal versorgt werden kann und Informationen zwischen den jeweils relevanten Leistungserbringern ausgetauscht werden.
Gesundheitsversorgung passiert in vielerlei Hinsicht vor Ort. Hier leben und arbeiten die Menschen, hier brauchen sie ein gesundes Lebensumfeld, hier gehen sie zum Arzt, hier werden sie alt. Die regionale Ebene wird daher in Zukunft an Bedeutung gewinnen, wenn es darum geht, entsprechende Strategien zu entwickeln. Dabei kann die regionale Ebene auf unterschiedliche Rahmenbedingungen zurückgreifen, die je nach Lage und Struktur mehr oder weniger Handlungsspielraum aufweisen, aber auch Handlungsdruck erzeugen, weil das Gesundheitssystem bereits heute erhebliche Defizite aufweist, die insbesondere in ländlichen Regionen zu akuten Problemlagen führen.
Dies beginnt bei der Problematik, ärztlichen Nachwuchs für den ländlichen Raum zu gewinnen, und verschärft sich im Kontext einer älter werdenden Bevölkerung gerade auch auf dem Land, wodurch dort ein höherer Versorgungsbedarf entsteht. In dieser Konstellation stehen vornehmlich Kommunen zunehmend unter Druck, die sich um die Versorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger sorgen, gleichzeitig aber kaum Einfluss darauf haben, weil das System selbst hochkomplex und stark fragmentiert ist und die Kommunen schlichtweg hierfür (noch) nicht zuständig sind.
Wegen der besonderen Lotsenfunktion der Hausärzte als Schnittstelle der Primärversorgung zu anderen Versorgungsdisziplinen spielt die hausärztliche Nachwuchsproblematik in ländlichen und strukturschwachen Regionen eine sehr große Rolle. Die grundsätzliche Problematik einer gewissen Fehlverteilung, gepaart mit Fehlanreizen, wird erweitert durch eine neue Generation von Medizinern, die stärker als ihre Vorgänger auf Aspekte wie Vereinbarkeitsstrukturen, den Austausch zwischen Kollegen und Work Life Balance achtet. Die bestehenden Strukturen bieten häufig kein attraktives Angebot. Die zukünftige Generation von Medizinern und Medizinerinnen stellt damit neue Anforderungen an das Gesundheitssystem als Arbeitsfeld. Durch einen zunehmenden Anteil von Medizinerinnen werden diese Forderungen erheblich verstärkt (Richter-Kuhlmann, 2007, Kopetsch, 2010).
Die Problematik einer sicherzustellenden Gesundheitsversorgung umfasst folglich sowohl den Nachwuchsmangel, verstärkt durch veränderte Anforderung an den Beruf, als auch die Herausforderung, durch eine alternde Bevölkerung mehr Versorgungsaufwand abzudecken. Das klassische System der Gesundheitsversorgung in Deutschland hat die Grenze der Belastbarkeit in vielen Bereichen bereits erreicht oder steht kurz davor.
Dies ist nicht zuletzt auch ein Ergebnis mangelnder Versorgungsforschung, die aufgrund fehlender Datenlagen kein differenzierteres Bild des Bedarfs zeichnen kann und so wichtige Datengrundlagen fehlen.
Die Debatte um Defizite des deutschen Gesundheitsversorgungssystems zeichnet sich durch eine hohe Komplexität aus. Dies liegt auch daran, dass dem Defizit an Versorgungskapazitäten eine Diskussion über Versorgungsformen folgt. Folglich geht die Debatte über die reine Kapazitätsfrage, wie sich Hausärzte für ländliche Regionen gewinnen lassen, hinaus und bezieht Fragen über Versorgungsformen mit ein. Im Kontext der demographischen Entwicklung durch eine steigende Zahl älterer Patienten und vielfältige Krankheitsbilder sind besonders jene Versorgungsansätze von Interesse, die eine kontinuierliche, patientenorientierte Versorgung ermöglichen. Eine lebenslange Begleitung chronisch kranker Patienten durch die Primärversorgung mit Lotsenfunktion, die den Kontakt zu Spezialgebieten koordiniert und somit alle Informationen an einer Stelle gebündelt werden, wird bisher unterschätzt, bzw. findet in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern wie Kanada, den USA, Finnland oder Schweden nur ansatzweise Anwendung (SVR, 2009).
Die grundsätzliche Problematik, mit der sich diese Arbeit auseinandersetzt, umfasst die Versorgungskrise des deutschen Gesundheitssystems, die sich in den letzten Jahren an verschiedenen Punkten wie dem Hausärztemangel, einer hohen Einweisungsrate in Krankenhäuser oder weitergehend auch am Pflegekräftemangel manifestiert. Alle hier genannten Punkte sind das Ergebnis eines hochgradig regulierten Versorgungssystems, das offensichtlich nicht ausreichend funktionsfähig ist, um Menschen heute und in Zukunft adäquat zu versorgen.
Die Herausforderung dieser Arbeit wird deshalb die konkrete Problemanalyse sein, um Gründe zu erforschen, weshalb das Gesundheitssystem versorgerisch an seine Grenzen kommt. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, an welcher Stelle Handlungsbedarf besteht und wie Veränderungen aussehen könnten.
Dabei stellt sich auch die Frage, ob die gegenwärtig bestehenden Entscheidungsstrukturen und -ebenen die Fähigkeit besitzen, das Problem zu lösen oder ob nicht vielmehr auf anderer Ebene bessere Lösungen erzielt werden könnten. Insbesondere die regionale Ebene könnte in diesem Zusammenhang eine neue Rolle spielen, beziehungsweise neue Aufgaben wahrnehmen. In der vorliegenden Arbeit soll deshalb der Fokus auf der regionalen, kommunalen Ebene liegen und geprüft werden, ob diese Ebene Handlungsfähigkeit in Bezug auf die Reformierung des deutschen Gesundheitssystem entwickeln kann, wo ihre Potentiale und wo ihre Grenzen liegen. Dabei ist auch das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Entscheidungsebenen interessant, sei es die kommunale Ebene oder aber die Landesbzw. die Bundesebene, die einen Rahmen vorgibt, in dem die Regionen agieren.
Aus der Analyse der Versorgungsforschung und den deutlichen Defiziten des Versorgungssystems ergibt sich die Frage, ob die kommunalpolitische Ebene zukünftig stärker in den Arbeitsbereich der Gesundheitsversorgung einbezogen werden sollte. Diese Fragestellung ist vor allem interessant, weil es dem Gesundheitssystem an bedarfsorientierten Konzepten fehlt, die auf die jeweilige Region mit ihren spezifischen Rahmenbedingungen abgestimmt sind. Bisher ist es daher auch nicht gelungen, Gesundheit als kommunalpolitisches Querschnittsthema flächendeckend zu verankern und damit die Sinnhaftigkeit regionaler Gesundheitsförderung zu begründen (Boschek, 563). Dies erfährt trotz eines nachzuweisenden Kausalzusammenhangs zwischen kommunaler Gesundheitsförderung und dem Gesundheitszustand der vor Ort lebenden Bevölkerung bisher zu wenig Beachtung (Luthe, 2013, 19;Schmidt, 2011, 220).
Im Fokus der vorliegenden Arbeit steht deshalb die Untersuchung von Wirkungszusammenhängen regionaler Gesundheitsprojekte im Kontext regionaler Governance-Prozesse. Dabei wird die These vertreten, dass regionale Netzwerke (Policy Netze), die in einem spezifischen regionalen Interaktionsraum agieren, unter bestimmten Bedingungen zu kollektiver Handlungsfähigkeit in Bezug auf eine Einigung aller beteiligten Akteure auf gemeinsame Ziele und Strategien führen.
Die erkenntnisleitende Fragestellung lautet folglich, unter welchen Bedingungen regionale Policy-Netze kollektive Handlungsfähigkeit erlangen.
Auf theoretischer Ebene soll diese Frage mithilfe der beiden Forschungsheuristiken Regional Governance und Akteurzentrierter Institutionalismus (AZI) beantwortet werden. Dabei bietet der AZI grundsätzliche Überlegungen zur Steuerung, die vom Regional Governance-Ansatz aufgegriffen und um eine territoriale Perspektive erweitert werden. Regional Governance ist durch einen klaren Raumbezug gekennzeichnet, so dass die Region als Interaktionsraum aufgewertet wird und hier regionale integrierte Governance-Prozesse entstehen. Diese können sowohl durch eine gemeinsame Regionszugehörigkeit als auch durch problemspezifische Vernetzung entstehen.
Die besondere Bedeutung der Region als Handlungsraum greift der Regional-Governance-Ansatz auf. Dieser Ansatz zielt als kollektiver Governance-Prozess auf die Frage, wie Entwicklungsprozesse auf regionaler Ebene im Kontext einer zunehmend fragmentierten, sektoralisierten Welt verwirklicht werden können (Fürst 2007, 353). Der Fokus liegt auf netzwerkartigen, regionalen und kooperativen Formen der Selbststeuerung unter Einbezug von Akteuren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Ziel ist es, einen Prozess zu initiieren, der regionale Entwicklung ermöglicht (Fürst, 2007, 356). Im Zentrum des Regional-Governance-Ansatzes steht die Steuerung in einem räumlich begrenzten Interaktionsraum, der Teil eines Mehrebenensystems ist. Die auf den Regional-Governance-Ansatz wirkenden Einflüsse anderer theoretischer Konzepte umfassen vor allem den Akteurzentrierten Institutionalismus, den Governance-Ansatz als theoretischen Überbau und die Ansätze der Raumforschung (Pütz, 2004, 97). Regional Governance findet sowohl als Analysebegriff Anwendung –als Werkzeug zur Erfassung der Realität– als auch im Sinne eines normativen Ansatzes als effektive und demokratische Steuerungsstruktur (Benz/Fürst 2003, 12).
Regional Governance ist durch einige Merkmale gekennzeichnet, die teilweise mit anderen Governance-Ansätzen übereinstimmen, aber auch Unterscheidungsmöglichkeiten bieten. Sie sind eher normativ denn empirisch geprägt (Fürst 2003, 444). Fürst unterscheidet drei relevante Merkmale: eine Steuerungsperspektive, eine Akteurperspektive und eine territoriale Perspektive (Fürst 2010, 52f.).
Steuerung beruht bei Regional Governance auf Freiwilligkeit, ist weder institutionell noch rechtlich verfasst und beschränkt sich nicht auf einzelne gesellschaftliche Teilsysteme, arbeitet folglich sektorenübergreifend. Mit der sektorenübergeifenden Steuerungsperspektive wird ein hoher Anspruch an regionale Kooperationsformen formuliert. Ziel der Steuerung ist, kollektive Handlungsfähigkeit durch Interdependenzmanagement zu erlangen. Damit zielt Regional Governance auf eine integrierte Politik durch strategische Koordination von interdependenten Prozessen ab (vgl. Mayntz, 1993, in: Benz/ Fürst 2003, 24). Staatliches Handeln ist von privatem Handeln nicht mehr zu trennen, Öffentliches und Privates wirken zusammen (Benz/ Fürst 2003, 24).
Eine besonders wichtige Grundlage für die Annahmen und Merkmale des Regional-Governance-Ansatzes bilden die Überlegungen von Mayntz und Scharpf im Kontext des Akteurzentrierten Institutionalismus. Diese prägen das grundlegende Verständnis von Steuerungsprozessen und werden um die Regionsebene als Bezugsraum im Regional-Governance-Ansatz erweitert. Beide Ansätze greifen das Spannungsverhältnis zwischen komplexen Entscheidungs- und Gestaltungsebenen und dem Bedarf nach neuen Regelungs- und Steuerungsmöglichkeiten auf und fungieren als problemorientierte Ansätze mit dem klaren Anspruch, Lösungen zu entwickeln.
Das Hauptaugenmerk des Akteurzentrierten Institutionalismus liegt auf der Frage, wie in einer modernen und zunehmend komplexen Welt gesellschaftliche Prozesse gesteuert werden und Lösungen für politische Probleme entstehen; ferner, wie kollektive Handlungsfähigkeit in modernen Gegenwartsgesellschaften erreicht werden kann. Dabei ist insbesondere das Verhältnis zwischen staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Selbstregelung Gegenstand der Analyse. Das besondere Werkzeug des Akteurzentrierten Institutionalismus ist die systematische Kombination von Untersuchungen über Akteurskonstellationen mit der Analyse von Interaktionsformen (Scharpf, 2006, 94). Scharpf unterteilt drei Analysebereiche in seinem Ansatz: die Akteure, die Konstellationen, aus denen sie sich zusammensetzen, und die Interaktionsformen, nach denen sie agieren. Dabei steht die Frage nach der Steuerungsfähigkeit von Akteuren und ihrer Fähigkeit zu strategischem Handeln im Mittelpunkt der sozialwissenschaftlichen Politikforschung (Mayntz /Scharpf, 1995, 10).
Aufgrund der insbesondere in Deutschland vorherrschenden Fragmentierung politischer Handlungskompetenzen durch ein föderales Mehrebenensystem hinterfragen Mayntz und Scharpf die Steuerungsfähigkeit des Staates als ausschließliches Steuerungssubjekt, das einem Steuerungsobjekt gegenüber steht. Vielmehr betrachten sie die „Steuerungsfähigkeit der dem politisch-administrativen System zuzurechnenden Akteure als Schlüsselproblem der sozialwissenschaftlichen Politikforschung […]“ (Mayntz/ Scharpf 1995, 10). Dies begründet sich auch in der Verfasstheit moderner Gegenwartsgesellschaften, die sich durch ein hohes Maß an Organisiertheit, Komplexität, interner wie externer Interdependenz auszeichnen und über Ressourcen wie technische Instrumente verfügen (vgl. Mayntz/ Scharpf 1995, 10).
Policy-Netze als funktionelle Subsysteme verfügen über ein bestimmtes Maß an Autonomie, das durch die Interaktion korporativer Akteure zu einer sektoralen Selbstregulierung und damit zu kollektiver Handlungsfähigkeit führt. Voraussetzung für die Entstehung von Policy-Netzwerken sowie die Ausbildung der Fähigkeit sektoraler Selbstregulierung sind korporative Akteure, die die Fähigkeit besitzen, strategische Entscheidungen zu treffen, mit anderen korporativen Akteuren zu verhandeln und Kompromisse zu schließen. Die veränderte Aufgabenteilung zwischen Staat und Gesellschaft kann dadurch auch als Indikator gesellschaftlicher Modernisierung angesehen werden (vgl. Mayntz ,1993, 43). Netzwerke lassen sich folglich als qualitativ anderer Typus von Sozialstruktur mit einer Vielzahl von autonom Handelnden charakterisieren, die koordiniert Ziele verfolgen (Kenis/ Schneider 1991, 32). Damit überwinden Policy Netzwerke die bisherige Dichotomie zwischen Markt und Staat und bilden Netzwerke als Synthese der beiden Komponenten aus (Mayntz, 1993, 44).
Ziel der Policy-Netze ist die Entwicklung von Handlungsfähigkeit auf regionaler Ebene. Handlungsfähigkeit ist dabei von verschiedenen Bedingungen abhängig. Diese Bedingungen lassen sich, abgleitet aus den theoretischen Konzepten des Regional-Governance-Ansatzes und des Akteurzentrierten Institutionalismus, drei wesentlichen Bereichen zuordnen: erstens dem institutionellen Kontext beziehungsweise der regionalen Identität, zweitens den Akteuren und den jeweiligen Konstellationen, in denen sie auftreten, und drittens den dabei auftretenden Interaktionsformen.
Wie bereits dargestellt, wird in der vorliegenden Arbeit die These vertreten, dass Policy-Netze unter bestimmten Bedingungen Handlungsfähigkeit entwickeln können und damit die Fähigkeit, Probleme auf regionaler Ebene zu lösen.
Die jeweiligen Bedingungen werden im Rahmen einer Typologie analysiert und nach ihrer Bedeutung für die Entwicklung von Einigungsfähigkeit eingeordnet. Mithilfe der Typologie soll sodann der Grad an Einigungsfähigkeit in
Bezug zum Entwicklungsstand strategischer Politikberatung im Kontext einer regionalen Gesundheitsversorgung gesetzt werden.
Abhängig von der jeweiligen Konstellation des regionalen Policy-Netzes und der Ausprägung der jeweiligen abhängigen Variable entstehen unterschiedliche Formen bzw. Grade von Einigungsfähigkeit, die wiederum zu unterschiedlich weitreichenden Ergebnissen im Bereich der regionalen Gesundheitsplanung und -gestaltung führen können. Eine solche Typologie bietet die theoretische Grundlage, auf der die empirische Analyse aufgebaut werden kann.
Zur empirischen Beantwortung der Forschungsfrage werden regionale Arrangements untersucht, die sich in einem regionalen Kontext organisieren und sich mit Fragen der Gesundheitsversorgung auseinandersetzen, um vor Ort Lösungsstrategien zu entwickeln.
Um diese Untersuchung zu vollziehen, bedarf es einer empirischen Analyse regionaler Entwicklungsprozesse, die zu einem ausgewählten Thema arbeiten.
Ausgehend von einem sich ausweitenden Versorgungsdefizit in regionalen ländlichen Bezugsräumen und der diesbezüglichen Problemdimensionen zielt die empirische Analyse darauf ab, regionale Governance-Prozesse zu analysieren und hierdurch relevante Kontextbedingungen für einigungsfähige Policy-Netze herauszuarbeiten. Einigungsfähigkeit bezeichnet dabei eine Verbesserung der Versorgungssituation. Verbesserung wird im Laufe der empirischen Analyse weiter definiert und kann zum Beispiel eine bessere Vernetzung der Akteure untereinander, eine Verbesserung des Versorgungsgrades mit Hausärzten, die Sicherung bestehender KV Sitze oder eine neue Aufgabenteilung zwischen den Gesundheitsprofessionen im Kontext primärärztlicher Versorgungsmodelle umfassen. Alle Kriterien beabsichtigen eine Verbesserung des Status quo und können unterschiedlich weit reichen.
Die empirische Analyse zielt auf die Überprüfung der theoretisch entwickelten Typologie von Kooperationsmustern ab, die im Sinne von Erfolgsfaktoren bzw. Kontextbedingungen Aufschluss darüber geben, welche Bedingungen gegeben sein müssen, um als regionales Policy-Netz Einigungsfähigkeit zu entwickeln.
Ausschlaggebend für die vorliegende Arbeit ist die Problematik einer Über-, Unter- und Fehlversorgung im Bereich der Gesundheitsversorgung, die sich insbesondere am Phänomen des Hausärztemangels in ländlichen Regionen Deutschlands festmachen lässt. Besonders interessant erscheint dabei der ländliche Raum als Ort der Zuspitzung, der im logischen Schluss zwar der Adressat der Probleme ist, jedoch auf den ersten Blick keinerlei direkten Einfluss auf das Problem hat. So werden Landkreise und Kommunen überall in Deutschland mit der Versorgungsproblematik konfrontiert, ohne dass diese hierfür eine Zuständigkeit haben, Ressourcen besitzen oder über das notwendige Fachwissen verfügen.
Die Kommunen sehen sich folglich in der Verantwortung, eine Lösung für ihre Bürger anbieten zu müssen, ohne dabei Rahmenbedingungen verändern zu können. Infolgedessen entstehen gegenwärtig in vielen Regionen Deutschlands Initiativen, die sich mit der Thematik auseinandersetzen und gemeinsam nach Lösungen suchen.
Dieses Phänomen soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit systematisch analysiert werden. Dabei wird auch das Ziel verfolgt, Erfolgsfaktoren abzuleiten, die ein handlungsfähiges Netz definieren und so eine Hilfestellung für Regionen anbieten, die sich ebenfalls auf den Weg machen wollen, die Gesundheitsversorgung in ihrer Region gemeinsam zu gestalten.
Neben einem gewissen Anteil von systemischen Rahmenbedingungen, deren Bearbeitung aus rechtlicher Perspektive wie auch in Bezug auf den Gestaltungsauftrag auf nationaler Ebene zu verorten ist, tritt mehr und mehr die kommunalpolitische regionale Ebene ins Blickfeld der gesundheitspolitischen Auseinandersetzung (Luthe, 2013). Das zunächst allgemein diskutierte Problem fehlender Hausärzte wird auf der regionalen Ebene sehr direkt spürbar und fordert regionale Akteure unabhängig von Kompetenzen und Zuständigkeit zum Handeln auf. Mit einer regionalen Vernetzung geht auch das Bedürfnis einher, die Komplexität von Sachverhalten zu reduzieren, Zuständigkeit durch Betroffenheit zu ersetzen oder zu ergänzen und regional angepasste Lösungen zu entwickeln. Ein begrenzter Interaktionsraum, wie ihn die regionale Ebene ermöglicht, offenbart neues Steuerungs- und Regelungspotential für gesellschaftliche Fragen der Gegenwart (Benz /Fürst, 2003, 10f.).
Das Interesse an regionalpolitischen Entwicklungen ergibt sich dabei aus einer langen Tradition von Daseinsvorsorge und der daraus abzuleitenden Sozialpolitik, unter die auch die Gesundheitspolitik zu subsumieren ist. Des Weiteren beweist die kommunale Ebene an verschiedenen Stellen trotz finanzieller Engpässe kreative Lösungsansätze und eine Vielzahl von modellhaften Initiativen an der Schnittstelle von Politik und Zivilgesellschaft, die eine gute Voraussetzung für die Entwicklung zukunftsfähiger und sektorenübergreifender Versorgungsmodelle schafft. Die Aufwertung der regionalen Ebene als Handlungsraum ist aber gleichsam auch als Reaktion auf den Rückzug des Staates auf seine Kernfunktionen zu betrachten (Fürst, 2003, 22). In der Folge werden insbesondere wohlfahrtsstaatliche Aufgaben, die zuvor zentral organisiert waren, in Regionen verschoben. Kollektive Handlungsfähigkeit wird demnach um eine territoriale Perspektive ergänzt.
Ein stetes Anwachsen von Aufgaben für die regionale Ebene bietet jedoch auch die Gefahr, diese Ebene langfristig zu überfordern. Dies wird insbesondere durch fehlende finanzielle Spielräume verstärkt, so dass eine Vielzahl von Aufgaben knappen finanziellen Ressourcen und damit schlechten Rahmenbedingungen gegenüber stehen. Die häufig kritisierte „Mangelverwaltung“ auf der kommunalen Ebene kann derlei anspruchsvolle Aufgaben nicht ohne weiteres ausführen, wenn die Ressourcen nicht gegeben sind.
Die vorliegende Arbeit soll einen Debattenbeitrag mit dem Ziel liefern, das derzeitige Versorgungssystem zu hinterfragen und neu zu strukturieren.
Die regionale Ebene bietet hier einen interessanten Raum, den es näher zu betrachten gilt.
Die vorliegende Arbeit beginnt mit einer dezidierten Analyse des Systems der deutschen Gesundheitsversorgung, um die wesentlichen Defizite und Herausforderungen zu benennen, sie systematisch zu verorten und in ihren Auswirkungen auf die regionale Ebene einzuordnen (Kapitel 2). Der Problemaufriss im ersten Teil des zweiten Kapitels dient als Grundlage für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang sich die kommunale Ebene zur Entwicklung bedarfsorientierter, regionaler und integrierter Versorgungsmodelle eignet. Im zweiten Teil des zweiten Kapitels (2.4) werden sodann mögliche Problemlösungsprozesse aufgezeigt und notwendig erscheinende Veränderungen im System der Gesundheitsversorgung dargestellt. Hierzu wird auch die aktuelle Debatte um den Innovationsbedarf im Gesundheitssystem skizziert. Dies umfasst sowohl den Bereich der rechtlichen Zuständigkeiten der jeweiligen Entscheidungsebenen im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, wie auch die Frage, welche Kompetenzen bisher nicht oder nur unzureichend genutzt werden, um eine bedarfsorientierte, finanzierbare und nachhaltig wirkende Gesundheitsversorgung zu gestalten.
Die theoretische bzw. analytische Grundlage der vorliegenden Arbeit bildet die in Kapitel 3 vorgenommene Analyse des Regional-Governance-Ansatzes und des Akteurzentrierten Institutionalismus, der den Überlegungen des Regional-Governance-Ansatzes als Blaupause dient. Zunächst werden beide Ansätze ausführlich dargelegt, um - darauf aufbauend - eine Verbindung der beiden Ansätze im Sinne einer Synthese zu schaffen. Die hier entwickelte Typologie regionaler Policy-Netze bildet die Grundlage der in Kapitel 4 folgenden empirischen Analyse regionaler Gesundheitsnetze. Die Einordnung der Policy-Netze erfolgt anhand der jeweiligen Ausprägung der beiden unabhängigen Variablen hierarchische Struktur und soziales Kapital. Hier werden drei wesentliche Konstellationen von Policy-Netzen unterschieden: lose, teil-strukturierte und strukturierte Policy-Netze.
In der in Kapitel 4 vorgenommenen Fallstudie werden die Kontextbedingungen lokaler Problemlösungsprozesse in Bezug auf versorgungsrelevante Fragestellungen untersucht. Dabei stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen regionale Arrangements mit Netzwerkcharakter Einigungsfähigkeit in Fragen der Gesundheitsversorgung entwickeln können. Hierzu werden drei Landkreise in drei verschiedenen Bundesländern untersucht, die ein regionales Policy-Netz im Bereich Gesundheitsversorgung aufweisen.
Im 5. Kapitel erfolgt die Bewertung der Ergebnisse, indem die ausgewählten Fälle zunächst miteinander verglichen werden und sodann in die in Kapitel 3.4 entwickelte Typologie eingeordnet werden.
Im 6. Kapitel werden die Ergebnisse in ein Gesamtkonzept eingebettet, um hieraus Handlungsstrategien für regionale Gesundheitsprojekte abzuleiten. Neben einem allgemeinen Ausblick folgt der Versuch, ein regionales Versorgungskonzept zu entwickeln, das als Anstoß für eine Debatte um neue Versorgungsmodelle dienen soll und eine mögliche Rolle der regionalen Ebene skizziert.
In diesem Zusammenhang werden auch die Grenzen einer regionalisierten Versorgung aufgezeigt, die sich sowohl systemisch als auch regional abzeichnen.
Ärztemangel als Begriffskonstrukt wird gegenwärtig vor allem im Kontext einer drohenden Unterversorgung von Haus- und Fachärzten in ländlich strukturierten Regionen Deutschlands diskutiert. Dabei stellt der Begriff zunächst auf die sich als schwierig erweisende Nachbesetzung von frei werdenden Hausarztpraxen ab, die über eine Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung verfügen. Grundlage hierfür ist die Bedarfsplanung, in der festgelegt wird, an welchem Ort sich wie viele Haus- und Fachärzte niederlassen dürfen. Für die darin ausgewiesenen Sitze lassen sich insbesondere in strukturschwachen Regionen keine Nachfolger finden. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, werden gegenwärtig jedoch mit einem starken Fokus auf die Nachfolgefrage diskutiert. Dabei wird insbesondere auf den Generationen- und Leitbildwandel des Berufsbildes Arzt abgestellt.
Aufgrund dieser starken Fokussierung auf ärztlichen Nachwuchs wird das Problem einer mangelhaften Gesundheitsversorgung nicht als gesamtgesellschaftliche und vor allem sektorenübergreifende Herausforderung diskutiert, wodurch relevante Analyseaspekte zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung in Deutschland vernachlässigt werden.
Exemplarisch sind hier das duale Vollversicherungssystem zu nennen, das im Widerspruch zu dem Grundsatz der Gleichbehandlung steht, oder die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung, die gegenwärtigen Ansprüchen an eine am Bedarf der Patienten orientierten Gesundheitsversorgung nicht genügen (Bornmann et al. 2013). Hierzu zählen insbesondere Aspekte der Patientenstruktur vor Ort und deren spezifische Versorgungsbedarfe, wie auch die hohe Zahl multimorbider Patienten und komplexer Chroniker, die Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen, Angebotsstrukturen im Bereich der Prävention und die enge Kooperation mit weiteren Gesundheitsdienstleistern.
Das Gesundheitssystem in seiner gegenwärtigen Struktur und Funktionsweise erweist sich als nicht angemessen für die komplexen Fragen der Gesundheitsversorgung der Zukunft im Kontext einer älter werdenden Gesellschaft mit entsprechenden Anforderungen an das Gesundheitssystem. Insbesondere der Einsatz vorhandener Ressourcen erscheint als nicht zielführend und effizient (Bornmann, et al. 2013, 6). Ziel einer ganzheitlichen Analyse von versorgungsrelevanten Aspekten ist die Entwicklung einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung in Deutschland. Bedarfsgerechtigkeit als relevantes Versorgungskriterium wird erstmals vom Sachverständigenrat zur Begutachtung des Gesundheitswesens (SVR) eingeführt (SVR, 2014, Greß / Stegmüller 2017, 375).
Mit dem Begriff der Bedarfsgerechtigkeit verbindet sich auch die Kritik am aktuellen Gesundheitssystem und dem Widerspruch eines Hausärztemangels in ländlichen Regionen bei einer gleichzeitig hohen Versorgungsdichte von Ärzten in urbanen Regionen Deutschlands (SVR, 2014). Diese so genannte Fehlversorgung steht exemplarisch für eine Vielzahl aktueller Versorgungsdefizite, zu deren Analyse eine genauere Betrachtung des deutschen Gesundheitssystems und seiner Strukturprinzipien notwendig erscheint.
Das System der sozialen Sicherung in Deutschland besteht im Bereich der Gesundheitsversicherung aus dem Krankenversicherungssystem. Dies unterteilt sich in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und in die Private Krankenversicherung (PKV). Die GKV ist eine Pflichtversicherung für den überwiegenden Teil der Bevölkerung, mit 69,9 Millionen Versicherten bildet sie den Großteil der in Deutschland lebenden Menschen ab (Rosenbrock/ Gerlinger, 2014, 125). Ungefähr 25% (ca. 17,9 Millionen Menschen) der Versicherten gehören zu der Gruppe der Familienversicherten. Dies sind Ehegatten oder Kinder, die kostenlos mitversichert sind, für die also kein eigener Beitrag zu entrichten ist (ebd.). Eine weiteren Personengruppe bilden die freiwillig versicherten Personen, die sich entweder für eine private Krankenkasse oder eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenkasse entscheiden können. Hierzu gehören abhängig Beschäftigte mit einem Bruttoverdienst über der Versicherungspflichtgrenze von 54.900€ (2015) bzw. 56.250€ (2016) (Verordnung Rechengrößen Sozialversicherung) ebenso wie Selbstständige und Beamte. Der Anteil der Privatversicherten in Deutschland ist mit 11,7 Prozent deutlich niedriger als der Anteil der gesetzlich versicherten Personen mit 87,6 Prozent (ebd).
Sowohl gesetzliche wie auch private Krankenversicherungen haben grundsätzlich die gleichen Leistungen zu erbringen; diese Regelleistungen umfassen verschiedene Bereiche wie u.a. die Primärprävention, Krankenhausbehandlungen oder Krankenpflege. Neben den Regelleistungen können die jeweiligen Kassen auch freiwillig zusätzliche Leistungen anbieten, die so genannten Satzungsleistungen. Hinzu kommen besondere Versorgungsformen, die vor allem als Antwort auf zunehmende Versorgungsdefizite entstanden sind. Dazu gehören Modellvorhaben (§63 SGB V), die hausarztzentrierte Versorgung (§73b SGB V), die besondere ambulante ärztliche Versorgung (§73c SGB V), strukturierte Behandlungsprogramme (§137f-g SGB V) und die integrierte Versorgung (§140a-d SGB V) (Rosenbrock/ Gerlinger 2014, 129).
Das Krankenversicherungssystem folgt dem Solidarprinzip, so dass sich die Finanzierung und damit die Beitragsbemessung an der individuellen Leistungskraft des Versicherten orientiert. Gleichzeitig orientiert sich die Leistungsgewährung am individuellen Bedarf. Das Krankenversicherungssystem ist beitragsfinanziert und setzt sich aus den Anteilen der Versicherten sowie den Anteilen der Arbeitgeber zusammen. Das zunächst paritätisch finanzierte System wurde 2005 zugunsten der Arbeitgeber verändert. Zahlten zuvor beide Gruppen zu gleichen Teilen in das Versorgungssystem ein, müssen die Arbeitnehmer nun grundsätzlich 0,9 Prozent des Beitragssatzes leisten; erst dann erfolgt die paritätische Aufteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (ebd. 130ff).
Die prozentuale Berechnung der Versicherungsbeiträge erfolgt nur bis zu einem bestimmen Bruttolohnbetrag proportional, danach greift die so genannte Beitragsbemessungsgrenze; diese lag 2015 bei 6.050€ (West) und 5.200€ (Ost) und 2016 bei 6.200€ (West) und 5.400€ (Ost). Die Beitragsbemessungsgrenze der GKV ist angelehnt an die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V)(vgl. Rosenbrock/ Gerlinger 2014,132).
Neben den Versicherten selbst und den Arbeitgebern finanziert sich das Krankenversicherungssystem zu einem geringen Teil auch aus Mitteln des Bundeshaushaltes. Deutlich stärkere Finanzierung erhält das GKV-System durch Investitionskostenzuschüsse der Länder für Krankenhäuser, als Arbeitgeber im öffentlichen Dienst und als Zuwendungsgeber über das System der Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. ebd.134).
Neben dem Krankenversicherungssystem, das die Grundlage zur Finanzierung des deutschen Gesundheitssystems ist, sind zwei weitere elementare Strukturbereiche zu nennen: die ambulante und die stationäre Krankenversorgung. Die ambulante Krankenversorgung umfasst sämtliche Behandlungen, die ohne einen Aufenthalt im Krankenhaus geschehen, während die stationäre Versorgung alle Krankenbehandlungen in Krankenhäusern umfasst.
Das System der ambulanten Versorgung in Deutschland ist korporativ strukturiert; während von staatlicher Seite der politische Ordnungsrahmen definiert wird, werden die einzelnen Steuerungskompetenzen an Verbände (Gesetzliche Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung) delegiert. Diese schließen als Finanzierungsträger und Leistungserbringer so genannte Kollektivverträge, in denen Vergütung, Qualität und Menge der zu erbringenden Leistungen vereinbart werden. Die Basis hierzu bildet die Pflichtmitgliedschaft aller Bürgerinnen und Bürger in einer Krankenversicherung und aller niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der Kassenärztlichen Vereinigung (Rosenbrock/ Gerlinger 2014, 200ff.). Die Delegation von Steuerungsaufgaben durch die Selbstverwaltungsprozesse verfolgt das Ziel, den Staat zu entlasten, da diverse Aushandlungsprozesse der Expertise an Anbieter und Kostenträger von Gesundheitsleistungen übertragen wird (vgl. Ewert, 2013, 48). Die Monopolstellung der KV ist an den gesetzlich festgelegten Sicherstellungsauftrag gekoppelt, der nach §75 SGBV die KVen verpflichtet, 24 Stunden am Tag medizinische Versorgung flächendeckend sicherzustellen.