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München 2018

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Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detailierte bibliographische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

In Polnisch:

[Indeks nazwisk występujących w książce ks. Michała Perlińskiego „Wspomnienia o mieście Ostrzeszowie bliższej jego i dalszej okolicy”, wersja poprawiona wg wydania z 1920 r. „Gazety Ostrzeszowskiej”, Ostrzeszów 2010 oraz zestawienie metryk powiatu ostrzeszowskiego i miejsca ich przechowywania]

Copyright © 2018 RvS Stiftung

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany

ISBN 978-3-752-881905

Personennamensindex zu Pfarrer Michael Perliński:

„Erinnerungen an die Stadt Schildberg und deren nähere und

weitere Umgebung“ sowie

Matrikelauflistung für den Landkreis Schildberg und deren

Aufbewahrungsorte

[Indeks nazwisk występujących w książce ks. Michała Perlińskiego

„Wspomnienia o mieście Ostrzeszowie bliższej jego i dalszej okolicy”,

wersja poprawiona wg wydania z 1920 r. „Gazety Ostrzeszowskiej”,

Ostrzeszów 2010 oraz zestawienie metryk powiatu ostrzeszowskiego i

miejsca ich przechowywania]

Jan Krzywaźnia & Edward Ondřej von Schlesinger

Die Publikation erfolgt im Rahmen des Forschungsprojektes

“Eliten der Serenissima Res Publica Coronae Regni Poloniae

Magnique Ducatus Lithuaniae 1385 - 1569 - 1795 und in deren

Gebieten bis 1918”

Schriftenreihe für angewandte Sozialgeschichte StudIaS

Allgemeine Serie mit deutsch- und fremdsprachigen Titeln

# 1

Inhaltsverzeichnis

0. Einführung

Das polnischsprachige Buch von Pfarrer Michael Perliński „Erinnerungen an die Stadt Schildberg und deren nähere und weitere Umgebung“ 1 Ostrzeszów 1920, zu der verbesserten Version des Nachdrucks durch „Gazeta Ostrzeszowska”, Ostrzeszów 2010, stellt einen geschichtlichen, gesellschaftlichen und topographischen Führer erster Qualität dar.

In seiner Funktion hat Perliński über Jahrzehnte dienstlichen Zugang nicht nur zu Dokumenten des Ostrzeszower Landes, sondern auch denen der Nachbarkreise bis nach Schlesien hinein. Damit kann man ihn zu recht als den besten Kenner des „drei Kaiser Dreiecks“ (im Verlaufe der Jahrhunderte – der Adelsrepublik, Habsburgs, Preußens und Russlands) zählen.

Daher gehört sein Werk zur Grundlagenliteratur für jeden, der sich mit der Geschichte im Bereich von Schildberg (Ostrzeszów), Kempen (Kępno), Adelnau (Odolanów) oder Groß Wartenberg (Syców) und des schlesischen Grenzsaumes in den alten Strukturen vor dem Zerfall Europas in Folge des WK I beschäftigen möchte. Dies umso mehr, als ihm offensichtlich viele Urkunden zur Verfügung gestan-den haben, die durch die Kriegswirren des XX. Jhdts. zumindest unauffindbar sind.

Sowohl die Namen, als auch die Personenbeschreibungen und Ortschaftsnamen werden in der im Buch vorkommenden Originalform angegeben. Dabei werden die Vornamen und Namen, die entsprechen der polnischen Grammatik dekliniert, d. h. es findet eine Veränderung des an den Stamm angehängten Sufix statt. Die Wiedergabe erfolgt korrekt entsprechend der polnischen Grammatik (nicht im Nominativ). Einzig die Namen der Herrscher wurden in Nominativ versetzt. Dies erschert zwar einem der polnische Sprache nicht Mächtigen etwas die Nutzung, ist aber erforderlich um nicht falsche Namensformen zu konstruieren und entspricht den fachlichen Normen.

Die alphabetische Anordnung ermöglicht eine schnelle Orientierung im Index. Dem Namen und Vornamen in erster Spalte folgt in der zweiten Spalte die Beschreibung oder Funktion der Person, gefolgt von Daten des Auftretens und der Seitenzahl. In der letzten Spalte werden die Ortschaften aufgeführt, in denen die Person aufgetreten ist. Die Angaben des Werkes wurden originalgetreu wiedergegeben. Es muss jedoch festgestellt werden, dass selbst der Autor – Michał Perliński - manchmal fehlerhafte Angaben aufführt. Es sind überwiegend verdrehte Datumsangaben, zeitweilig fehler-hafte Fakten und Personen (die jedoch auch aus Fehlern bei der Drucklegung entstehen konnten).

Wir hoffen, dass dieser Index Interessierten helfen wird, Personen und Orte bestimmen wie dies bereits bei der „Neubearbeitung des Geschlechtes der Fürsten Chowanski“ im deutsch-sprachigen Projekt „Nachkommen von Gediminas, des Großfürsten von Litauen“ eingetreten ist.

Vielleicht werden Einige, die der polnischen Sprache mächtig sind, dazu verleitet, diesen interessanten regionalen Führer durch das Schildberger-Land des neunzehnten Jahrhunderts zu lesen.

Dr. Edward von Schlesinger

Karte der Gemeinde Ostrzeszów [Schildberg] mit bezeichneten Schulzenbezirken


1 Originaltitel: ks. Michał Perliński: Wspomnienia o mieście Ostrzeszowie bliższej jego i dalszej okolicy, wersja poprawiona wg wydania z 1920 r. wydanie „Gazety Ostrzeszowskiej”, Ostrzeszów 2010

1. Überblick der Entwicklung

Diese StudIaS Reihen richten sich an eine breit gefächerte Grupppe von Lesern. Angefangen bei Personen, die mehr über einen entsprechenden Namen der Szlachta erfahren möchten über versierte Genealogen und Heraldiker, welche forschungsbedingt in Gebiete vorstoßen, in denen sie nicht bewandert sind bis zu Fachleuten wie Politologen spezialisiert auf Demokratie- und Migrationsforschung, Akkulturations-, Inkulturations- und Assimilierungsprozesse, Historiker die sich mit Umformungen im östlichen Europa beschäftigen bis zu langfristigen gesellschaftlichen Wandel analysierenden Soziologen. Dementsprechend beinhaltet es neben hoch spezialisierten Elementen auch Bereiche allgemeiner Einführung in die Thematik der Adelsrepublik, Genealogie und Heraldik.

Ausdehnung des Stammgebietes der Szlachta der Res Pulica:

Für die Zeiten vor der Einführung der kirchlichen Register über Taufen, Heiraten und Todesfälle, die durch eine, fast lückenlose, Erfassung der biologischen Entwicklung eine genealogische Nachverfolgung ermöglichen, ist eine ganzheitliche Generationserfas-sung kaum möglich.

Die zögerlich eintretende Namensfestigung im östlichen Europa und die freie Namenswahl der Szlachta – des Souverän der Adelsrepublik – wie auch die folgenden Verdrehungen und Namensänderungen aus nationalistischer Motivation oder man-gelnder Kompetenz der Amtsträger vertiefen diese Problematik.

So sind vor der Einführung der Matrikeln weibliche Nachkommen überwiegend nur durch Erwähnung als Ehefrauen sowie durch Einträge bezüglich einer erbrechtlichen Regelung oder Besicherung der Mitgift bekannt.

Sogar bei reichlich begüterten Familien sind nachrangige männliche Nachkommen kaum zu erfassen und deren Linien werden somit zum verdunkelten Adel, so dass vielfach nur die Hauptlinien der Adelsgeschlechter bekannt sind. Dies gilt auch für die über ein Halbes Jahrtausend währende Geschichte des Geschlechtes Wyhowski. Über das Ausmaß solcher Verdunkelung wurde eine Beispieluntersuchung als Referat auf dem 25. Jubiläumskongress Historischer Grundwissenschaften der Russischen Akade-mie der Wissenschaften in Moskau im Jahre 2013 vorgestellt. 2

Gerade die nachgeborenen Linien waren es, die besonders von einer Pauperisierung im ausgehenden XVI. und im XVII-XVIII. Jhdt. betroffen waren. Hierdurch erfolgte ein nicht unerheblicher Bestandsschwund der bekannten adligen Geschlechter. Kam es in den betroffenen Linien ebenfalls zu einem Bewußtseinsverlust, so trat eine Verwischung der eigenen Herkunft ein. Diese Entwicklung wurde durch machtpolitische Faktoren beim Verfall der Strukturen der litauisch-polnischen Adelsrepublik, gezielte stände-feindliche Politik der Teilungsmächte nach 1772 wie auch der Umwandlung des regionalen Patriotismus in aggressiven Nationalismus als negative Auswirkung der Französischen Revolution beschleunigt und durch die wirtschaftlichen Umwälzungen forsiert.

1.1. Von polnischen Ritterfamilien zu adligen Szlachtageschlechtern.

Die alten polnischen Stammwappen bildeten in ihrer unverändert gebliebenen Form ein Kennzeichen der Zusammengehörigkeit der oft über das ganze Reich zerstreut lebenden Zweige eines Geschlechts und ein Unterscheidungszeichen von anderen, ein anderes Wappen führenden gleichnamigen Geschlechtern. Beim alten polnischen Adel (bis zur Entstehung der Res Publica) und dadurch auch der Szlachta der Adelsrepublik liegt die Entstehung der Wappen meist im tiefen Dunkel. Der Stifter wählte das Motiv des Wappens, sei es aus dem religiösen oder ritterlichen Leben, aus dem ritterlichen Frauendienst, oder er wählte sonst ein Zeichen, das ihm die Erinnerung an ein ihn betreffendes, öffentliches oder in seinem privaten Leben bedeutungsvolles Ereignis bewahren sollte. Eine Deutung hat sich durch kein Schriftstück, meist nur durch eine oft sagenhafte Deutung in der Familie erhalten.

Im alten Polen bildeten sich keine Heroldsfiguren in den Wappen aus; diese haben sich also in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten und waren auch keinen heraldischen Regeln unterworfen. Das Wappenbild im farbig ungeteilten Schildfeld und der Helm-schmuck bildete das Wappenbild. Helmdecken und Schildhalter gehörten nicht zu diesem und waren nur eine vom Ausland angenommene, zuerst ganz bedeutungslose Nebensache und entwickelten sich erst langsam gegen Ende der Adelsrepublik.

Die Kenntnisse über die ursprünglichen polnischen Ritterwappen bis zu den Adelswappen der „Res Publica“ erweiterten sich nur allmählich.

Als erste Chronister Polens sind Gallus Anonymus, Wincenty Kadłubek vermutlich des Wappens Łabęź oder Lis, Janko z Czarnkowa des Wappens Nałęcz und Marcin Bielski des Wappens Prawdzic zu nennen.

Jan Długosz des Wappens Wieniawa, auch Johannes Longinus, Joannes Dlugossius genannt, * 1415 in Nowa Brzeźnica bei Radomsko, + 19. V. 1480 in Krakau, erster heraldische Schriftsteller der entstehenden Rzeczpospolita, führte in seinem Traktat " Insignia seu Clenodia regni Poloniae" (geschrieben 1466 - 70) über 103 Wappen auf, von denen etwa 50 beschrieben waren.

Martin von Cromer h. Kromer (PL-Marcin Kromer h. Kromer), * 1512 in Biecz, Provinz Kleinpolen, † 23. III. 1589 in Heilsberg, Ostpreußen), erwähnte 115 Wappen.

Bartosz Paprocki h. Jastrzębiec, (auch Bartholomäus Paprocky oder Bartholomew Paprocki, CZ-Bartoloměj Paprocký z Hlahol a Paprocké Vůle; PL-Bartłomiej Paprocki h. Jastrzębiec), * 1540/1543 bei Sierpc, Masowien, † 27. XII. 1614 in Lemberg, Ukraine, gab in seinen Hauptwerken von 1578 und 1584 über 220 Wappen an,

Szymon (Simon) Okolski h. Rawicz, (andere Namensform Simon de Camenacia), * 1580 in Kamieniec Podolski, Ukraine, + 10. VI. 1653 in Lemberg, Ukraine, erhöhte die Zahl bekannter Wappen auf 290,

Albert Wijuk Kojałowicz h. Kościesza Abwandlung, (LAT-Koialovicius-Wijuk Albertus, LIT-Albertas Vijūkas Kojalavičius, PL-Wojciech Wijuk Kojałowicz), * 1609 Perkunashaus in Kaunas oder Romainiai, Litauen, + 6. X. 1677 in Warschau, schrieb über die litauischen Wappen sowie

Jan Chryzostom Pasek h. Doliwa, der in seinem Tagebuch ein anschauliches Bild über das Sarmatentum der Szlachta in der Adelsrepublik wiedergibt.

Aus diesen Schriftstellern schöpfte Kaspar Niesiecki, bürgerlicher Herkunft (nach anderen Angaben des Wappens Poraj), * 31. XII. 1682 in Großpolen, + 9. VII. 1744 in Krasnystaw, Provinz Kleinpolen, für sein 4-bändiges Werk und beschrieb etwa 500 Wappen. Ob er Zugang zu der Handschrift von Walerian Nekanda Trepka h. Topór über die Versuche von Adelsanmasungen im XVII. Jhdt. hatte, ist nicht eindeutig klar.

Nach diesem arbeiteten über Familien und Wappen der Adelsrepublik Dunczewski, Kuropatnicki, Krasicki, Leszczyc, Piotr Małachowski h. Nałęcz und Wielądko h. Nałęcz.

Aufbauend auf diesen Werken erstellte Bobrowicz h. Gryf seine 10-bändige Neuausgabe des Werkes von Niesiecki mit kritisierenden, berichtigenden und vervoll-ständigenden Zusätzen und führte 577 Wappen an.

Der Historiker Joachim Lelewel von Löwensprung eigenen Wappens verfasste in dieser Neuausgabe Niesiecki's die Einleitung über die Entstehung und Entwicklung des Adels- und Wappenwesens der Adelsrepublik. Als Band 11 wird in der Literatur häufig das Werk von Ignacy Kapica Milewski h. Tuczyński: Herbarz Ignacego Kapicy Milewskiego (wydanie z rękopisu) sowie 2 Bände von Krzysztof Czarniecki h. Łodzia: Herbarz Polski podług Niesieckiego angesehen:

Obwohl es einige kritische Stimmen gibt, wird auch Przewodnik heraldyczny [Heraldischer Führer] von Adam Amilkar Kosiński h. Koziński II als grundlegend angesehen.

Besonders wichtig sind die Werke von Sinapius über Schlesien, Milewski über Masowien, Kętrzyński (auch von Winkler genannt) h. Cietrzew über Preußen, hr. Dunin-Borkowski h. Łabędź über Galizien, Żychliński h. Szeliga über Großpolen, Wittyg h. Prus I über die verdunkelte Schlachta, Prof. Franciszek Piekosiński über die polnische Ritterschaft des Mittelalters und Altlitauens, heraldische Tabellen von Chrzański h. Chrzański oder heraldische Studien von Małecki um nur einige zu nennen.

Aufbauend auf diesen „Vorarbeiten“ entstanden dann die einmaligen Grundwerke über die Szlachta der Res Publica Beider Nationen, nach polnischen Historikern des XX. Jhdt. als RON abgekürzt, der Autoren Graf Jerzy Dunin-Borkowski h. Łabędź, Teodor Żychliński h. Szeliga, Graf Juliusz Ostrowski h. Rawicz und verlagerte sich mit Werken von Adam Boniecki h. Bończa unter Mitarbeit Baron Artur Reisky von Dubnitz eigenen Wappens, Graf Seweryn Uruski h. Sas sowie von Prof. Włodzimierz Dworzaczek immer mehr in den akademischen Rahmen.

Wegen seiner Werke ist von Bedeutung das Wirken des Emilian von Żernicki h. Szeliga hervorzuheben, die alle samt in Deutsch erschienen. Die von ihm verwendete begriffliche Griffigkeit hat zur unglücklichen Gleichsetzung der Szlachta der Adels-republik mit dem polnischen Adel wie auch zur Einführung des Begriffes „Klein-Adel“ im deutschsprachigen Raum geführt.

In der Zwischenkriegszeit erschienen spezialisierte Wappenlexikas, die wie das Werk von Stanisław Dziadulewicz h. Sokola über den tatarischen Adel der Res Publica oder die Arbeiten von Dr. Ludwik Piotrowski h. Korwin zur Szlachta armänischen und mosaischen Ursprungs in der Adelsrepublik.

Auch in der Zeit der Klassenfeindschaft ruhten die Arbeiten nicht. Alle heutigen namhaften Genealogen und Historiker Osteuropas begannen ihre Arbeit in den Volksdemokratien, auch wenn sich die Forschungen mehr im akademischen Rahmen abspielten oder in der Schublade landeten. Aber nicht ausnahmslos.

Nach der Wende werden nun viele Arbeiten publiziert, einige Teils aus der Schublade, wie bei Proff. Jerzy Łempicki, Andrzej Rachuba, Elżbieta Sęczys, Sławomir Górzyński oder Szymon Konarski, Sławomir Leitgeber und Dr. Roman Sękowski.

Mit Dr. Grzegorz Błaszczyk (Adel von Samogitien, Litauen), Dr. Evgen Czernecki (Adel der galizischen Ukraine), Dr. Jerzy Minakowski (politische Genealogie der Res Publica), Dr. Przemysław Pragert (Adel von Kujawien), Dr. Carsten Krumke (Kosakenadel), Oleg Chorowiec (Adel der imperialen Ukraine) und Elżbieta Halina Nejman (Adel der Wojewodschaft Sieradz) trat nach dem Niedergang des eisernen Vorhangs eine neue Generation akademischer Genealogen und Heraldiker auf.

Der Graphiker und Heraldiker Tadeusz Gajl hat es sogar geschafft, dass seine gezeichneten Wappen sogar in Fachkreisen eine besondere Bezeichnung erfahren haben: herby gajlowskie oder Gajlesque Coat of Arms. Diese Auszeichnung scheint verdient zu sein, denn er hat nicht nur eine allgemeine Datenbank der Wappen der Szlachta der Adelsrepublik geschaffen, sondern mit Kollegen auch das weltweit erste elektronische Klassifizierungssystem geschaffen, mit dem zu einem unbekannten Wappen dessen Wappenruf bestimmt werden kann und damit auch die Familien, die es führen. Erklärend muss noch erwähnt werden, dass in der Adelsrepublik bis über Tausend unterschiedliche und verschiedenartige Familien dasselbe Wappen führen konnten. So wird nach derzeitigem Forschungsstand das Wappens Jastrzębiec mit allen Wappenabwandlungen insgesamt 1.740 Familiennamen zugeordnet. Diese in der westeuropäischen Heraldik unbekannte Verbindung wird Wappengenossenschaft oder Wappengemeinschaft genannt.

Insgesamt ergibt sich ein Bild, dass in der Republik Polen, obwohl die Beschäftigung mit der Adelsrepublik im XX. Jhdt. von akademischen Forschern vorangetrieben worden ist, nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Gewaltsystems die Zivilgesellschaft mit einer Vielzahl von genealogisch-heraldischen Vereinen zur treibenden Kraft der Wiedererweckung adliger Traditionen wurde. Sie treibt buchstäblich die noch im alten System verankerte Historiographie und die instituonalisierte akademische Welt mit Vorhaben wie der Schaffung der Datenbank von Dr. Minakowski oder den vielen regionalen Indexierungsprogrammen von Kirchenbüchern regelrecht vor sich her. Zuerst gestützt auf die Mormonenverfilmungen setzte sie, auch wenn es im Verleich weit hinter den Nachbarländerrn herhinkt 3 eine verstärkte Digitalisierung von personenrelevanten Archivalien durch. Dennoch kann nach einer Epoche der kulturellen Zerstörung der Aufbau nicht ohne eine staatliche Förderung erfolgen. So mussten z. B. aus mangelnder staatlicher Unterstützung das auf 16 Bände angelegte Lexikon des Adels Schlesiens von Dr. Sękowski nach 6 Bänden und des Adels Mazowiens von Prof. Łempicki nach 4 Bänden wegen fehlender Finanzmittel die Erscheinung einstellen. Nur Forschern, die sich eine private Finanzierung sichern können (wie beim 4-bändigen Lexikon des Adels Kujawiens oder bei dem nur elektronisch erschienenen Lexikon des Adels von Sieradz, gelingt es die Vorhaben abzuschliessen.

Möglicher Weise zeichnet sich jedoch Licht am Ende des Tunells ab. Nachdem vor wenigen Jahren die mit dem sozialistischen System verwobene Regierung abgelöst worden ist, kommt es scheinbar zu einer Wende. Als Beispiel ist hier die Hilfe bei der Erstellung des Lexikon des Adels von Samogitien mit 6 Bänden (2015-2016) oder der 11 Bände des Landadels des XX. Jhdt. zu nennen, die staatlich gefördert wurden und nun auch digitalisiert im Internet nutzbar sind. Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Gewaltsystems der Sowjetunion erfreut sich die Rückkehr zu angestammten Werten und Traditionen auch in den östlichen Gebieten besonderer Beliebheit, denn es gilt 70 Jahre Terrors und Stillstandes aufzuarbeiten.

Wegen der Vielzahl von Veröffentlichungen neuerster Forschungsergebnisse ist es mühsam und zeitaufwändig, eine Übersicht zu behalten. Daher wird der aktuelle Stand der grundlegenden Fachliteratur zum Stichtag März 2017 unter dem Punkt 6. Material-sammlung gelistet. In der nach Inhalten struktuierten Auflistung befinden sich bei Publikationen und Datenbänken, welche digital erschlossen sind, die entsprechenden Permalinks zu Fundstellen in online Bibliotheken oder WEB-Präsentationen im Internet.

1.2. Besonderheiten der Namensproblematik im östlichen Europa

Das polnische Wort für Wappen lautet „herb", das litauische „herbas“ und wird abge-kürzt „h.“; in BY, RU, UA einheitlich identisch „герб“, abgekürzt „г.“. In der Regel wird der Wappenruf des Wappens dem Familiennamen angehägt und mit „h." verbunden (Beispiel: kniaź Chowański h. Pogoń Litewska = Fürst Chowański des Wappens Pogoń Litewska). Wegen der Namenslänge sowie der im kommunistischen Polen eingeführten Zwang, dass ein Name nicht mehr als zweigliederig sein darf, wird es in amtlichen Do-kumenten vielfach als Pogoń-Chowański mit verbindenden Bindestrich vorgeführt oder auch nachgestellt wie bei von Zernicki-Szeliga. Aber bei einer Voranstellung kann es sich auch auf einen historisch tradierten Zunamen oder Beinamen handeln wie bei Dunin-Borkowski des Wappens Łabędź [Dunin-Borkowski h. Łabędź], der reinen Phantasie entsprungen sein wie bei dem Politiker Korwin-Mike 4 oder sich auf einen Decknamen beziehen, der zum Beinamen wurde wie bei dem Marschall von Polen Rydz-Śmigły 5. Dieser Regel folgen auch Schreibweisen in der litauischen, russischen, ukrainischen und weißrussischen Sprache, dass so gesehen wieder einer einheitlichen Schreibweise (auch wenn in lateinischer oder kyrillischer Schrift) gefolgt wird.

Diese Abkürzung wird auch in den Lexikas des Wikis Szlachta verwendet, so z. B. beim

  1. ersten Premier des nachkommunistischen Polens Tadeusz Mazowiecki des Wappens Dołęga > Mazowiecki h. Dołęga,
  2. Bronisław Graf Komorowski, Nachfolger Kaczyński’s als Präsident Polens (ob gräfliche Linie oder nicht), eigentlich Dołęga, aber seit der österreichischen Standeserhöhung in den Grafenstand des Wappens Korczak > Komorowski h. Korczak,
  3. Literaturnobelpreisträger Czesław Miłosz des Wappens Lubicz (litauischer Adel) > Miłosz h. Lubicz,
  4. Literaturnobelpreisträger Henryk Sienkiewicz des Wappens Oszyk (auch aus heutigem Litauen, aber aus dem Adel der Res Publica tatarischen Ursprungs) > Sienkiewicz h. Oszyk,
  5. Adam Mickiewicz des Wappens Poraj (auch aus Litauen) > Mickiewicz h. Poraj,
  6. bisher einzige Frau mit einem Doppelnobel (Nobelpreise in Physik in 1903 und Chemie in 1911) Marie Curie-Skłodowska des Wappens Dołęga > Skłodowski h. Dołęga.

Diese Liste könnte fast endlos mit Kaczyński h. Pomian, Dostojewski h. Dostojewski 6, Strawinski h. Sulima, dem „rotem Henker“ Feliks Dzierżyński h Sulima 7, Wladimir Iljitsch Uljanow h. Uljanow (Lenin) 8, sowie Kumpel seines Bruders bei der Attentats-vorbereitung auf den Kaiser von Russland Alexander III. und späterer Marschall von Polen Józef Klemens Piłsudski h. Piłsudski 9 fortgesetzt werden. Piłsudski, nach dessen Tod 1935 Joseph Goebbels im Reichstag des III. Reiches eine Schweigedenkminute mit der Ansage angeordnet hat, dass das III. Reich sich hätte glücklich schätzen können, einen solchen Staatsmann gehabt zu haben. Eben den Piłsudski, der erklärt hat, dass er auf den sozialistischen Zug aufgesprungen ist, um dort abzuspringen, wo es ihm gefällt.

Die Stammfolge der adligen Familie Tschaikowski (= Czajkowski) unbekannten Wappens 10 ist insofern von besonderem Interesse, als sich an ihr sowohl die Namensproblematik als auch der Vollzug einer Namensentwicklung (Namenswechsel) exemplarisch vorstellen lassen.

Czajkowski/Czajka unbekannten Wappens steht in keinem Bezug zu dem alten polni-schen Rittergeschlecht Czajka z Nowego Dworu (heute Jawor Solecki) h. Dębno. Aus diesem nahm Zbigniew Czajka z Nowego Dworu h. Dębno an der Schlacht bei Grun-wald [Tannenberg] im Jahre 1410 teil. Während der Schlacht trug er den Speer von König Wadysław Jagiełło und beschirmte ihn. Die Historiographie schreibt es seinen jungen Jahren und Unerfahrenheit als Ritter zu, dass er nicht in das Gefecht zwischen Jagiełło und Dipold von Köckeritz eingegriffen hat.

Am Beispiel der Familie des ehemaligen Präsidenten von Polen Komorowski sehen wir auch, dass der Wechsel der Zugehörigkeit zu Wappengenossenschaften auf unter-schiedlichen Wegen erfolgen konnte und nicht nur durch eine Adoption (was häufig behauptet wird). Dies erschwert die eindeutige Identifikation und Personenzuordnung erheblich.

Auch im kommunistischen Polen wurde das Land vielfach adlig geführt - so z. B. General Wojciech Jaruzelski h. Ślepowron (letzter sozialistischer Präsident Polens), welches sich noch während des Kriegsrechtes von einem Bekannten von Tadeusz Gajl hat sein Wappen in Öl malen lasen.

Hier wurde die Aufzählung fast nur auf die Republik Polen beschränkt – aber man könnte alle osteuropäischen Länder durchgehen. Wem ist bewußt, dass der erste Mensch im All ein russischer Fürst mit direkter Abstammung von Rurik 11 war?

Jurij Aleksiejewitsch Gagarin (RU - Юрий Алексеевич Гагарин), nach kommunistischer Darstellung Sohn eines Tischlers, ist ein Sproß des rurikiden Fürstengeschlech-tes Gagarin und seine Verwandten sind im Vorstand der Russischen Adelsversammlung vertreten.

Die nachstehende Abstammungstafel des Fürsten Jurij Aleksiejewitsch Gagarin -
Юрий Алексеевич Гагарин - zeigt wie man entsprechend Orwell die Geschichte
umschreiben kann. Um dem entgegen zu wirken, wird in dieser Reihe
ausnahmsweise auch eine Abhandlung über die Fürsten Gagarin erscheinen:

Die Schreibweise fast aller adligen Familien der Res Publica hat sich im Laufe der Zeit ebenfalls mehrmals geändert, wobei der erste Wechsel in der Regel bei der Abkehr von der lateinischen Sprache als Kanzleisprache erfolgte. Da Polnisch natürlich nicht in beiden Reichsteilen Amtssprache war, konnte ein Wechsel zwischen polonisierten, litauisierten oder rusifizierten Sprachversionen aufkommen. Dies gilt auch vor allem für die Familien, die später im preußischen Adel Aufnahme fanden 12 oder nach den Teilungen der Res Publica unter russische Herrschaft kamen. Die polnischen und litauischen diakritischen Zeichen haben selten in der deutschen Rechtschreibung Aufnahme gefunden. Bei der Transliteration in und aus dem kyrillischen Alphabet der ostslawischen Sprachen entstehen durch fehlende Buchstabenäquivalenz noch größere Probleme. Daneben gab es noch Schreibfehler aus Nachlässigkeit, undeutlicher Sprechweise, unvollkomenem Gehör oder aus nationalistischen Gründen.

Als Krönung für freie Bürger der Adelsrepublik kam die freie Nameswahl der Szlachta. Dies bewirkte, dass nach einem Besitzwechsel auch häufig ein Namenswechsel stattfand. Es sind auch Fälle bekannt, wo sich eine und dieselbe Person je nach Situation nach einem Gut benannte, bei einer anderen Gelegenheit nach einem anderem der eigenen Güter. Daher bietet die Nennung der Zugehörigkeit zur Wappengenossenschaft einen genauso wichtigen Hinweis wie das ostslawische Patronym. Zusätzlich wurden nicht selten Zunamen und sogar Spitznamen vererbt und haben sich als ein weiterer Namensbestandteil verfestigt, so dass eine korrekte Namensauflösung den Schlußstein bei der Erforschung der Szlachta der Adelsrepublik bildet.

Weiterhin besteht das Problem der phonetischen Unterschiede als auch bei der Transliteration (wegen des Fehlens von Buchstaben im Kyrillischen). Ist die Transliteration aus den Sprachen, die das lateinische Alphabet verwenden, ins Kyrillische noch recht eindeutig, bereitet die Rücktransliteration aus dem Kyrillischen in die lateinischführend Sprachen große Probleme. Als Beispiel: aus Chowański wird im Russischen Хованвский; da jedoch Ch" unbekannt ist und „Ch" als auch H" zu „X" wird, kann entweder richtig rücktransliteriert werden als Chowański allerdings auch (fachlich korrekt aber nicht sachgerecht) Howański, Chowanski, Howanski, bei französischen Transliterationsregeln Khowanski oder gar Khovansky! Bei einer Transkription könnte sogar Hovanskij und Khovanskij herauskommen! Die Problematik ist bei der ukrainischen und weißrussischen Sprache derjenigen im Russischen ver-gleichbar. Bei seltenen Namen bekommt man den ursprünglichen noch raus, vielen ähnlichen nicht mehr. Ähnlich ist es mit der Rückführung des Guchstabens „G“. Daher geistern in der Literatur nicht existierende Geschlechter, welche nach der Rückführung aus kyrillischen Quellen irrtümlich mit dem Anfangsbuchtabe mit „H“ statt sachgerecht richtig transcribiert mit „Ch“ oder „G“ beginnen 13 wie oben ausgeführt „Howanski“, „Gowanski“ statt „Chowanski“.

Sowohl das polnische als auch das litauische Alphabet enthält durch die verschiedensten diakritischen Zeichen mehr Buchstaben als das lateinische Alphabet. Es wäre natürlich historisch korrekter gewesen, die Schlachta-Namen gemäß der Reihenfolge und Stellung der Buchstaben im polnischen und litauischen Alphabet aufzuführen, wie sie nach dem Verdrängen der lateinischen Sprache überwiegend verwendet wurden (denn bis zum Zeitpunkt der Dominierung des Reiches durch den polnischen Landesteil besteht diese Problematik kaum).

Wenn man litauisches, polnisches, tschechisches und deutsches (lateinisches) Alphabet in der Buchstabenreihenfolge eines dieser Alphabete hätte verwenden müssen, würde es zum Beispiel beim Erfassen des Namenregisters wegen der Buchstabenwertigkeit zu Problemen führen 14. So sind Namenslisten in erster Linie nach der Reihenfolge bzw. Buchstabenfolge des lateinischen Alphabets aufgebaut. Dies tut deren Inhalt und Aussagekraft aber keinen Abbruch, da der lateinischen Schreibweise der polnisch-sprachigen Namen, auch die jeweils korrekte polnische, ggfs. litauische, russische, tschechische, weißrussische oder ukrainische Schreibweise folgt. Sofern dies überhaupt notwendig ist, denn vielfach ist die Schreibweise sowohl im Deutschen als auch im Polnischen bis auf die diakritischen Zeichen – die polnischen, tschechischen oder ungarischen Sonderbuchstaben - gleich. In den Indices werden die nicht im lateinischen Alphabet enthaltenen Buchstaben nach deren Grundform im Lateinischen sortiert.

Auch auf den Seiten der Wappenabbildungen erscheinen die Wappennamen in den bekannten Schreibweisen. So wird der Text sowohl deutschen und auch polnischen Lesern als auch der historischen Wahrheit gerecht. Die Monographien führen von den Anfängen des polnischen Fürstentums über das erste Königreich Polen bis zur Entstehung der Adelsrepublik - erst als Personalunion, und ab 1569 als Realunion - und dann bis zur Gegenwart. Einschränkende Datenschutzbestimmungen werden Gotha-ähnlich nicht beachtet.

Bis heute hat die Verordnung Nr. 3 des Generaldirektors der polnischen Staatsarchive vom 26. I. 1974 in der Angelegenheit der Anfertigung von Indices bei Archiv-Inventarisationen Gültigkeit, die auf der Cyrankiewicz-Verordnung aus dem Jahre 1952 bassiert und wird bis heute nicht nur bei der Indexierung verwendet. Auszug in Übersetzung 15:

b. Wurden die Bestände in der deutschen Sprache erstellt, müssen folgende Grundsätze gelten:

  1. die Namen der Personen polnischer Herkunft in den Bestandsaufnahmen von Gruppen von Dokumenten, die von ehemaligen Preußischen Behörden und anderen Dokumentenersteller im Bereich der Preußischen Teilungen wie auch in den nach dem Jahr 1945 gewonnen Gebiete auftreten, sollen gemäß dem Titel der Archiveinheiten an-gegeben werden. Allerdings sollten die Namen von bekannten polnischen sozialpoliti-schen Aktivisten die polnische Namensversion (z. B. Karol Libelt, nicht Karl Libelt, wie Jan Działyński und nicht Johannes [Graf von] Działyński [h. Ogończyk]) erhalten;
  2. die Namen und Vornamen von Polen ... sollen in der polnischen Schreibweise dargebracht werden (z. B. Kosecki, nicht Kossetzki, Wiśniewski, nicht Wischniewski).

Neben der allgemeinen Problematik der Nationalisierungen von Namen und Vornamen, dass man nicht der objektiven Wahrheit folgt, die faktisch auftretende Originalversion zu verwenden, ergibt sich die Frage, wer von wem als Pole angesehen wird. So wird aus Joachim Lölhöffel von Löwensprung ein Herr Joachim Lelewel 16. Nach dieser Definition ist nicht ausgeschlossen, dass bei einem Bruder, der politisch aktiv war, der Name polonisiert wird und der Familienname beim Rest der Familie, die nicht aktiv war, in der Originalversion und ggfs. mit „von“ belassen wird.

Es handelt sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung – den Raub der eigenen Identität. Bei einer physischen Vernichtung gibt es ein biologisches Ende. Die Vernich-tung der eigenen Identität ist ja schlimmer als der eigener Tod, denn es verurteilt die Person nach dieser Vergewaltigung weiter in dem Gefühl und Bewusstsein der eigenen Ohnmacht unter einem ihm aufgezwungenen Namen zu leben. Daher war seit jeher sei es in der Französischen Revolution oder in den Kerkern rechts- oder linkssozialisticher Diktaturen das Ziel Andersdenkende vorzugweise zu brechen, um deren Arbeitskraft nicht zu vernichten.

Bezeichnender Weise begann die gewaltsame Veränderung der Identität in der Franzö-sischen Revolution (statt des angestammten Namen und Ranges „Bürger XY“ zu sein), die auch die Massenvernichtung in Konzentrationslagern erfand 17. Wenn umständen-halber den Sozialisten keine andere Option bereitstand wie in Österreich, der I. Tsche-choslowakischen Republik 1918/19 oder im III. Reich ab 1938 18 und in den Ländern der Warschauer Pakt Staaten nach 1945 um dem Klassen oder Rassenfeind beizukommen, wurde zumindest zur Vernichtung der Identität geschritten.

Dies geschah geplant wie es auch frühere Regime getan haben, wohl aber systemati-scher im XIX. Jhdt. . Wie ein Zeuge auf die akademisch-professorale Verharmlosung in Polen, „dass es nur in Einzelfällen geschah“ in einem Zeitungsbeitrag ausführt, wurde es durch einen mittelbaren Zwang durchgesetzt. Im günstigsten Fall wurde von amtes-wegen ohne Wissen der Betroffenen eine Namensänderung in die Standesamtsdoku-mente eingetragen und sie wurden aufgefordert, neue aktuelle Dokumente abzuholen. Um sich jedoch einen Anstrich der Legalität zu geben, wurden überwiegend die Be-troffenen in die Standesämter bestellt. Dort forderte man einen Namensänderungs-antrag zu unterschreiben, wobei man zugleich mitgeteilt bekam, dass der bisher eingetragene Name nicht gültig sein und ohne einen gültigen Namen keine Zuteilung der Lebens-mittelkarten möglich ist. Da nach dem Krieg die komplette Versorgung rationiert war und durch Karten geregelt wurde, haben die Betroffenen keine andere Alternative gehabt als zu unterschreiben 19.

Wie man der nachstehenden Tabelle entnehmen kann, wurden alleine in 4 Städten Oberschlesiens in den Jahren 1945-1948 bei mehr als 51.000 Personen die Namen polonisiert 20:

Ergebnis der Repolonisation "Okręg Śłąski" 1945 - 24. XI. 1948
(Ortschaften in Oberschlesien für welche Daten vorliegen)
Tarnowskie Góry 7.300 Personen
Oppeln 7.395 Personen
Kattowitz 11.706 Personen
Zabrze 25.000 Personen
Namensänderungen 51.401 Personen

Somit steht das eine System dem anderen in nichts nach, denn es wird geschätzt, dass es von den preußischen Behörden in den siebziger Jahren des XIX. Jhdt. bis zu der nationalsozialistischen Herrschaft in 1944 alleine in Danzig und Schlesien zu 25.000 mehr oder weniger gezwungenen Namensänderungen gekommen ist 21.

Die Änderungen wurden auf der Grundlage von geheimen Anweisungen der Kreissta-rosten im Jahre 1947 wie auch auf höheren Regierungsebenen: so auf der Grundlage des Wojewoden śląsko-dąbrowski mit dem Aktenzeichen AP III/50-R-543 von 1950 und zuletzt der Verordnung Nr. 72 des Premierminister Cyrankiewicz vom 7. IV. 1952 durch-geführt. Die Verordnung Nr. 72, auf die sich alle späteren Namensakte beziehen, wurde bisher nicht publiziert und ist wohl als einziger Rechtsakt auch nicht in der polnischen Juristendatenbank Lex zugänglich. Daher publizieren wir nachstehend deren Wortlaut 22 aus dem Original der Schreibmaschienenniederschrift, ohne die Quelle angeben zu dürfen.

Zumindest ab 1953 führte die Bürgermiliz [MO] die Feststellung der Namensversion und teilte diese zum Vollzug an die Standesämter mit, hier am Beispiel von Posen:

wobei die Änderungen in vorhergehenden Personalakten mit dem nachstehenden Vermerk notiert wurden:

23

Die Regelungen zur Polonisierung von Familienamen haben jedoch eine wesentlich längere Tradition und sogar die Katholische Kirchhe wurde zur Mitarbeit aufgefordert 24.

Bis zumindest in Mitte der 90-ger Jahre des XX. Jhdt. weigerten sich die polnischen Standesämter 25 Kopien der Matrikel mit einem entsprechenden von amteswegen erfolgtem Eintrag anzufertigen und die beantragten Abschriften wurden ausgestellt auf die amtliche, d. h. veränderte Namensversion ohne einen Hinweis auf diese. Auch wenn man heute nach Familienmitgliedern sucht, deren Familienname zwangsweise verändert wurde und bei amtlichen Stellen um Hilfe bittet, erfolgt keine Antwort 26 . Diese Blokadehaltung ist allerdings nach und nach durch die Digitalisierung und deren Internetverfügbarkeit obsolet.

Der Amtsschimmel schlug auch in Fällen von Geschwistern erbarmungslos zu. Hierzu ein konkretes Beispiel: 5 männliche Nachkommen waren in unterschiedlichen Kreisen wohnhaft (Hindenburg, Kempen, Königshütte und Krakau) – und jeder bekam eine andere polonisierte Version des eigenen Familienamens, so wie es im Gutdünken des jeweiligen Standesbeamten lauten sollte, eingetragen. Wohl wurde ein Einspruch dahingehend berücksichtigt, dass man in einem Fall statt der verunstalteten Namens-version den Namen der Großmutter eintrug – Sułkowski 27.

Dazu kam, dass es im Unterschied zu der II. Polnischen Republik 1918 – 1939 keine Veröffentlichung der erfolgten Namensänderungen gab 28. Bereits vor dem WK II. hat es in Polen eine Aktion "prostowania skażonej pisowni nazwisk" [Berichtigung verdor-bener Schreibweise von Namen] gegeben, eingeleitet durch das Rundschreiben des Ministeriums des Innern vom 8. X. 1936 zur “Namensberichtigung von Namensfehl-schreibungen, die aus Unwissenheit über die Grundlagen der polnischen Schreibweise oder aus gezielter Entnationalisierungpolitik entstanden sind” 29.

Begonnen hat jedoch die „Namensanpassung“ unmittelbar nach Ende des Ersten Welt-krieges im Jahre 1919 und wurde ausgebaut um Rechtsvorschriften aus den Jahren 1920 und 1929 30.

Aber es wäre eine unzulässig verkürzte Darstellung der Fakten, wenn auch nicht andere Beweggründe aufgeführt werden würden.

So gab es auch gezielt von Betroffenen veranlasste Namensänderungen, wobei die Beweggründe sehr unterschiedlich waren. Es konnte der Druck der öffentlichen Meinung sein – wie die Namenspolonisierung von indigenierten Adelsgeschlechtern in der Zeit der Adelsrepublik 31 und Kolonisten in nicht geschlossenen Siedlungsgebieten im XIX. Jhdt., der Wunsch nach besseren Aufstiegmöglichkeiten durch Polonisierung 32, und Russifizierung von Familiennamen im XIX. Jhdt., Germanisierung von Namen seit der zweiten Hälfte des XVIII. Jhdt. bis zum WK II. (hier überwiegend in Preußen). Dass dieser Trend keine geographischen oder zeitlichen Grenzen kennt sieht man daran, dass diese Praxis auch heute im Baltikum gang und gebe ist. Dort in Estland und Lett-land bei der dortigen russischen Minderheit, die sich durch eine Anpassung (Nationali-sierung) des Familiennamens eine Verminderung der faktischen oder vermeintlichen Diskriminierung erhofft. Diesen Weg haben auch viele Juden in Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg beschritten, in dem sie ihre jüdisch- oder deutschklingenden Namen slawisierten und dabei vielfach Namen des historischen Adels oder ähnlich klingenden Namensversionen angenommen.

Dabei kamen diese Fälle auch bereits früher nicht selten vor. Dies geschah obwohl, um die Namensfestigung endlich durchzusetzen, in Preußen am 15. 4. 1822 eine Allerhöchste Kabinettsorder ergangen, welche festlegt, dass eigenmächtige Namens-änderungen nicht statthaft seien.

Dennoch kam es auf dem Weg zur „Adelung“ zu ganzen Namensänderungsketten 33:

* 1773 Skotarczyk, oo 1796 – Skotarczak, Kindergeburten 1799, 1801, 1804 – Skotar-czyk alias Stachowiak, Kindergeburten 1805, 1808 – Stachowiak, + 1852 – Stachowiak;

* 1780 - Musioł, oo 1812 - Musioł, Kindesgeburt 1813 - Musioł alias Musielak, Kindes-geburt 1828 - Musielak, + 1840 Musielak;

oo 1836 - Palimucha, Kindesgeburt 1847 - Palimucha, Taufpate 1840 und 1845 – Mucha, Kindesgeburt 1852 – Muszyńska, + 1866 – Muszyńska, Ehemann + 1926 – Muszyński; bei Muszyński gibt neben Ritter von Muszyński h. Muszyński noch zwei weitere altadlige Familien Muszyński der Wappen Łodzia und Nałęcz und solche Fälle gehörten wie auch amtlich legitimierte Namensänderungen leider beinahe zum Alltag:

  • in Posen 1872 für Kiew, gen. Jakób Leser zu "Łubiński” , hier wird es schwierig zu identifizieren, denn es gibt drei altadlige
  • in Bromberg 1878 für Pinkus Schmul zu Paweł „Domski”, auch hier der Name eines erloschenen altadeligen Geschlechtes der Domski unbekannten Wappens (es wurden weder das Wappenbild noch der Wappenruf überliefert) 34.

Neben wörtlichen Übersetzungen aus dem polnischen wie „Chałupniczak“ zu „Häusler35 kamen Übersetzungen aus dem Polnische in’s Lateinische, so wurde aus Zofia Strzałkowska in der Matrik Zofia Jaculatore (Übersetzung jaculum = strzałka) und natürlich auch Wechsel von der deutschen zur polnischen Namensversion vor: Quellen-mäßig wurde „Dembowski” aus der heutigen Wojewodschaft Kujawsko-Pomorskie zu „Eichstaedt” um dann über Eichstaedt alias Dembowski wieder nach 1945 als Dębowski polonisiert zu werden. Ob zuerst aus dem lateinischen Dembowski beim Einzug des Polnischen in die Kanzleien im XVI./XVII. Jhdt. erst Dębowski wurde, um dann im XVIII. Jhdt. zu Dembowski zu mutieren, ist nicht bekannt, aber zu vermuten.

Zugleich waren von diesem Trend auch altadelige Häuser erfasst:

oo 1820 – Gawron [h. Gawron ], Kindesgeburten 1823, 1826, 1829 - Gawronia, + 1834 - Gawroński; bei Gawroński gibt es 8 unterschiedliche altadlige Familien unterschiedlichen Wappens, darunter durch den obigen Namenswandel auch Gawronski [Gawroński] h. Gawron. Wie häufig in solchen Fällen wurden diese Ände-rungen noch nicht in den heraldischen Standartwerken wie auch bei Tadeusz Gajl erfasst.

Wobei es auch früher Richtigstellungen von adligen zu bäuerlich-bürgerlichen Namen (nicht nur in Preußen) gab wie hier das Beispiel aus dem Jahre 1874/1913 zeigt, wo zuerst aus Kabaciński (bäuerlich-bürgerlich Name) der Mame Kabat wurde [Kabat h. Kabat] um dann wieder zu Kabaciński korrigiert zu werden – [Grześkowiak poświadcza Kabaciński]:

Vor der Einführung der Standesämter in Preußen und dem sich verschärfenden Kirchenkampf wurde die offizielle Namensänderung ab 1873 erleichtert, in dem es nicht zentral in Berlin, sondern bei der Regionalbehörden erfolgen konnte 36.

Auch in Preußen bestand eine Regelung über die Rechtschreibung und das Leisten von Unterschriften. Wurde jedoch im Kaiserreich Österreich strafbewehrt nur die unbere-chtigte Verwendung von adligen Namen als auch gleichzeitig die Nichtverwendung des Adelsprädikates im Falle von berechtigten Personen im öffentlichen Schriftverkehr, den Massenmedien und bei Unterschriften, so war es in Preußen nur auf Falle der Unter-schriften beschränkt. Es gab offensichtlich eine einheitliche Geldstrafe (oder ersatz-weise Gefängnisaufenthalt) von 150 Mark 37.

Es gab Fälle von Namenswechsel aus nationalistischer Verblendung sowohl in Richtung Germanisierung als auch in Richtung von Polonisierung wie das nachstehende Schrei-ben eines aus Bayern stammenden Extremisten an das revolutions-polnische National-kommittee in Preußen im Jahre 1848 belegt. Aus „Krauthofer“ wurde freiwillig ein „Krotowski“, wobei auch hier ein Name des historischen Adels herhalten musste und zu Verwechslung geeignet ist [Krotowski h. Leszczyc] 38:

Und es gab auch natürlich Fälle mit kriminellem Hintergrund, um die eigene Identität zu verschleiern oder nicht erwünschten Pflichten oder Konsequenzen zu entgehen. In diese Kategorie ist z. B. die Flucht von Grundhörigen oder insbesondere im XIX. Jhdt. nicht selten angetroffener Versuch der Wehrpflicht in der russisch-kaiserlichen oder königlich-polnischen Armee zu entgehen.

In diesem Kontext ist besonders bemerkenswert, dass der Versuch durch eine Namens-änderung dem Militärdienst zu entgehen in der Zeit von 1800-1810 vielfach in Familien des Altadels der Res Publica auftrat, die sich entweder aus nationalistischer Verblen-dung geweigert haben oder durch mangelnde Fürsorge über deren Familiendokumen-tation nicht in der Lage waren eine Adelsbestätigung und damit eine Befreiung von der Wehrpflicht zu erreichen. Dies trat überwiegend ausgehend von den Gubernie Suwalki über die Mazuren bis in die Bereiche von Kujawien und Pommern auf. Um der 8-jährigen Militärpflicht zu entgehen wurden deutschklingende Namen angenommen.

Auch Berufe können bei Namensänderungen eine Rolle spielen wie auch Mehrfachheiraten:

* 1752 - Wojciech Wawer, + 1811 als Wojciech Cieszla, wobei als Beruf ligrifaber = Zimmermann angegeben wurde. Seine Kinder werden als Wawer vel Ciesielczyk und häufig nur als Ciesielczyk (Sohn des Zimmermanns = syn cieśli) bezeichnet. In der nächsten Generation werden seine Enkel nur als Ciesielczyk/Ciesielcząka genannt, womit binnen 2 Generationen der usprünglicher Name durch den vom Beruf kommen-den Namen ersetzt wird. Ähnliche Abläufe können wir auch bei Hofnamen oder Namen „de loco“ beobachten.

Ein Angehöriger des Geschlechtes Odoliński h. Ogończyk heiratete im XIX. Jhdt. und bekam Kinder als Odoliński. Nach dem Tode seiner Gattin heiratete er erneut eine Witwe Dolińska mit einigen Kindern aus der ersten Ehe. Er verstarb unter dem Namen Doliński. Und auch seine Kinder aus der ersten Ehe und Nachkommen verwendeten nicht Odoliński h. Ogończyk, sondern nur den angenommenen Namen Doliński. Es gib 9 unterschiedliche altadlige Familien Doliński, es ist jedoch keine unter dem Wappen Ogończyk notiert und auch dieser Namens- jedoch ohne Wappenwech-sel ist in keinem Werk erfasst.

Und hier wird offenbart, dass die kollektivistische Weltauffassung nicht mit der vorrevolutionären individualistischen Auffassung des ständischen Systems vereinbar ist, denn es fußt auf einem individuellen Personengeflecht, welches nur im Einzelfall betrachtet und dargestellt werden kann. Daraus folgt, dass zumindest nach Zerfall der Res Publica ein reines Studium der Kirchen-Matrikeln nicht ausreicht und zumindest durch Studium von Adressbüchern, Massenmedien, und noch besser durch Steuerta-bellen, Grundbuchakten, Gläubigenlisten u. ä., ergänzt werden muss. Somit kann die Beschäftigung mit der eigenen Tradition häufig wahrlich detektivische Fähigkeiten ab-verlangen und zu einem spannenden Krimi werden.

Im Zeichen des Flottwelschen Kirchenkampfes kam in den preußischen Gebieten zur polnischen Gegenreaktion 39.

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