Inhalt

Titel

Über dieses Buch

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

Epilog

Über die Autorin

Die Romane von Nalini Singh bei LYX

Impressum

NALINI SINGH

Engelsmacht

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Dorothee Danzmann

cover

Über dieses Buch

Nach sechshundert Jahren fühlt sich Naasir, einer von Raphaels Sieben, bereit für eine Gefährtin. Er ist auf der Suche nach der Frau, die ihn so liebt, wie er ist: wild und ungezähmt; die versteht, was er ist, und all seine Facetten akzeptiert. Nach sieben Monaten erfolgloser Jagd ist Naasir zurück in New York, rastlos und einsam. Gerade rechtzeitig, denn in Raphaels Reich brodelt es gewaltig. Zhou Lijuan, Erzengel von China, die in der gewaltigen Schlacht von New York vernichtend geschlagen wurde, sinnt auf Rache. Aufgrund einer Prophezeiung will sie den Erzengel Alexander finden und töten. Raphael muss nun alles daran setzen, den Uralten,der sich vor vielen Jahrhunderten in den Schlaf zurückgezogen hat, vor ihr aufzuspüren. Der Herrscher von New York beauftragt Naasir mit der Suche. Unterstützt wird dieser von Andromeda, Hüterin der Engelsgeschichte und Lehrerin der Jugend, die spezialisiert ist auf schlafende Uralte. Naasir soll sie auf der Suche begleiten und beschützen. Schon bei ihrer ersten Begegnung ist Naasir hingerissen von dem Engel, doch Andromeda hat ein Keuschheitsgelübde abgelegt und ist nicht willens, dieses zu brechen. Da wird sie von Lis Schergen entführt und Naasir nimmt ihre Spur auf – angetrieben von dem Wunsch, seine zukünftige Gefährtin zu retten …

2

Naasir hasste das Reisen im Metallbauch eines Flugzeugs, aber wenn man keine Flügel besaß, war das nun einmal für einen Großteil der Strecke bis zur Zuflucht die schnellste Methode. Während des Fluges lief er die ganze Zeit unruhig in der Kabine auf und ab und drängte sich nach der Landung sofort durch die noch nicht einmal ganz geöffnete Tür. Draußen schien ihm die Sonne voll ins Gesicht, und der Wind küsste ihn auf beide Wangen – so liebte er es.

Zum ersten Mal seit Stunden konnte er wieder tief durchatmen. Er schüttelte sich, damit sich seine Haut wieder so arrangierte, wie es sich gehörte, und fing geschickt die Reisetasche auf, die ihm der Pilot aus dem Flugzeug zuwarf. Naasir hatte ihn und den Kopiloten während des Flugs schier in den Wahnsinn getrieben. Jetzt grinste er und salutierte fröhlich vor den beiden, was der Pilot mit einem breiten Lächeln beantwortete. Der Vampir kannte Naasir. Er ließ noch einmal die Fangzähne aufblitzen, winkte und verschwand wieder in seinem Cockpit.

Naasir schwang sich immer noch lachend die Reisetasche über die Schulter und rannte im Dauerlauf zu dem privaten Parkhaus, das sein Motorrad beherbergte. Weit in der Ferne ragten Berge auf, deren Spitzen sich in den Wolken verbargen, aber diese Berge gehörten nicht zur Zuflucht. Noch war Naasir sehr weit von seinem eigentlichen Ziel entfernt. In der Nähe der Engelszuflucht gab es nichts, was auch nur annähernd an die Zivilisation erinnerte.

Wer als nicht zugangsberechtigter Vampir oder Sterblicher zufällig das Gebiet der Zuflucht betrat, vergaß den Besuch schnell wieder, denn die Erinnerung daran wurde stillschweigend entfernt, ohne dass er etwas davon mitbekommen hätte. Allerdings war auch die Landschaft um die einzelnen Festungen herum so unwirtlich, dass nur wenige sich überhaupt bis dorthin wagten, und die mächtigen Engel, die dauerhaft in der Zuflucht lebten, waren durchaus in der Lage, die Zugangsmöglichkeiten zu diesem sicheren Hafen ihrer Gattung in tiefen Nebel zu hüllen.

Und falls ein ehrgeiziger Kletterer es einfach nicht lassen konnte und sich doch zu weit in die Berge hinaufwagte, fand er sich schnell in einer unglaublich zerklüfteten, eisigen Umgebung wieder, in der Knochenbrüche unausweichlich waren. Wer sich ein zweites Mal hierher aufmachte, überlebte die Reise dann nicht mehr. Mit der Sicherheit des Ortes, in dessen Schutz ihre Jungen aufwuchsen, gingen die Engel keine Risiken ein.

In der Garage nickte Naasir nur kurz dem diensthabenden Mechaniker zu, um sich danach sofort seinem Motorrad zuzuwenden.

»Sie ist bereit, kann gleich losfahren«, versicherte ihm der Mechaniker, ein Vampir, im örtlichen Dialekt, wobei er liebevoll die metallicblaue Seitenverkleidung der Maschine tätschelte. »Ich beneide Sie um die Spritztour, das Wetter ist genau richtig.«

Janvier und Naasir fuhren Motorrad, seitdem diese Maschinen richtig schnell und aufregend geworden waren. Anfangs waren beide mehr als einmal gestürzt, aber Naasir hatte selbst in seinen allerersten Anfängertagen nie einen Helm getragen. Heute setzte er sich einen auf, denn Ashwini war unglaublich wütend geworden, als sie ihn das letzte Mal ohne Helm hatte fahren sehen. Sie hatte sich so aufgeregt, dass er sich bei ihr entschuldigt hatte und sofort losgezogen war, um sich einen zu kaufen.

Ashwini war Janviers Gefährtin, eine Jägerin. Sie hatte vor knapp einem Jahr Bruder und Schwester verloren und war danach so lange so traurig gewesen, dass Naasir das bloße Zusehen wehgetan hatte. Wenn es nach ihm ging, würde sie nie wieder derart traurig sein müssen, erst recht nicht dadurch, dass er sich bei einem Unfall so schwere Verletzungen zuzog, dass ihm auch seine Unsterblichkeit nichts nutzen würde. Naasir wusste im Gegensatz zu den Sterblichen genau, dass niemand ganz und gar unsterblich war.

Es sei denn, man hieß Lijuan.

Der Erzengel von China hatte die hässliche Angewohnheit, immer wieder von den Toten aufzuerstehen.

Während er den Helm aufsetzte und seine Maschine startete, dachte er wieder einmal darüber nach, wie man Lijuan so töten könnte, damit sie nicht nur starb, sondern auch tot blieb. Das Motorrad erwachte mit einem samtweichen Röhren zum Leben. Naasir verstaute seine Sachen, verabschiedete sich mit hochgerecktem Daumen von dem Mechaniker und machte sich auf den Weg. Er hatte im Flugzeug ein bisschen Fleisch gegessen und Blut aus der Flasche getrunken, und das musste für den Rest der Reise reichen. Die Maschine würde später Benzin brauchen, weshalb er, Janvier und ein paar andere, die so reisten wie sie, an mehreren unauffälligen Stellen Vorräte gelagert hatten.

Doch erst einmal konnte er sorglos über die Bergwege brettern und den gewaltigen Druck des Windes auf seiner Brust spüren. Auf halbem Weg drohte dieser jedoch, ihn von der Maschine in eine tiefe Schlucht zu drängen, eine Herausforderung, die ihn die Zähne blecken ließ. Er beugte sich tiefer über den Lenker und fuhr weiter. Kurze Zeit später, als er langsamer geworden war, um einen besonders schönen Ausblick zu bewundern, sah er ein Schild, das vor Tigern warnte.

Das erinnerte ihn an Elenas Versuche, mehr über seine Abstammung zu erfahren.

Er lachte so heftig, dass er fast vom Motorrad gefallen wäre, jagte die Maschine hoch und raste weiter. Auch als das harte, klare Sonnenlicht immer länger werdenden Schatten wich und es langsam tiefschwarze Nacht wurde, hielt er nicht an. Seine Nachtsicht war genauso gut wie sein normales Sehvermögen. Er stoppte nur, wenn es nötig wurde, ein Benzinversteck aufzusuchen, und fuhr nach dem Tanken sofort weiter. Irgendwann würde er jagen müssen, aber wenn sich keine Beute auftreiben ließ, war das auch nicht weiter schlimm. Verhungern würde er schon nicht, in seinem Alter verbrannte der Körper Energie nicht mehr so schnell wie bei einem jungen Vampir.

Nicht dass er ein Vampir gewesen wäre, aber so bezeichneten ihn die meisten Leute nun einmal. Elena nicht, die fand, er sei ein »Tigerwesen«, und ahnte noch nicht einmal, wie nahe sie der Wahrheit damit kam. Naasir neckte die Gemahlin des Sire zu gern und ließ sie weiter raten, was er denn nun in Wirklichkeit war. Raphael spielte mit und machte auch ein Geheimnis aus Naasirs Herkunft, und das freute Naasir fast noch mehr als das Spiel selbst.

Denn eigentlich hatte Naasir seinen Sire vorher noch nie spielen sehen. Jedenfalls nicht so.

Heimliche Regeln, die zwischen Gefährten gelten.

Wie die Geheimnisse, die er mit seiner Gefährtin teilen würde. Wenn er sie erst einmal gefunden und angeknurrt hatte, weil sie sich so lange vor ihm versteckt gehalten hatte. Vielleicht würde er aber auch nicht knurren, vielleicht würde er sie beißen.

So fuhr er durch die Nacht und durch den nächsten Tag, in Gedanken bei der Gefährtin, die sich ihm auf so ärgerliche Weise entzog. Er ruhte sich nur aus, wenn die Sonne allzu heiß schien und es auf dem Motorrad ungemütlich wurde. Dann suchte er sich einen Baum, machte es sich auf einem Ast bequem und begab sich in einen Zustand, in dem er keine Knochen im Leib zu haben schien. So hatte er immer geruht, auch als Kind schon. Dmitri hatte ihn einmal so entdeckt und ihm von unten aus zugerufen, was um alles in der Welt er da treibe.

»Ich habe geschlafen!«, hatte der kleine Naasir wütend gefaucht, sehr ungehalten darüber, dass man sein Schläfchen gestört hatte.

Dmitri, nur mit einer Hose aus reißfestem schwarzem Stoff und Stiefeln bekleidet, den nackten Oberkörper schweißgebadet, weil er gerade vom Training mit Raphael kam, hatte kritisch die Brauen zusammengezogen. »Hast du denn keine Angst, du könntest runterfallen?«

»Nein. Deswegen schlafe ich ja so.« Naasir hatte mit Armen und Beinen gerudert, die rechts und links von seinem lang ausgestreckten Körper vom Ast baumelten. Der Körper selbst bewegte sich nicht.

»Wenn das so ist, wünsche ich dir, wohl zu ruhen.«

Naasir ruhte auch jetzt wieder prima auf seinem Ast, und als er aufwachte, suchte er sich frisches Wasser und trank. Das war nicht so gut wie Blut, reichte ihm im Moment aber völlig. Er fuhr weiter, den ganzen Nachmittag hindurch, bis er vor einer Garage angekommen war, die man in einer seitlich in einen Berg gehauenen Höhle untergebracht hatte und die so gut versteckt lag, dass niemand sie finden konnte, wenn er nichts von ihrer Existenz wusste.

Naasir legte die Hand flach auf den Schließmechanismus der Eingangstür, rollte dann die Maschine in den stillen, leeren Raum und parkte sie neben einer Reihe ziemlich mitgenommen wirkender Geländewagen und Motorräder, die er allesamt gut kannte. Der Berg hatte sich hinter ihm gleich wieder geschlossen, und da Naasir kein Licht aktiviert hatte, lag die Garage in nachtschwarzer Dunkelheit da. Er nahm den Helm ab und hängte ihn an den Lenker seines Motorrades, damit andere wussten, dass er ihm gehörte, schnallte die Reisetasche vom Gepäckträger, fuhr sich kurz mit fünf Fingern durch das zerzauste Haar und ging weiter in den hinteren Teil des höhlenartigen Raumes.

Seine Reise führte ihn jetzt eine ziemliche Strecke weit in einen Tunnel hinein. Naasir gefiel das überhaupt nicht, aber immerhin war der Tunnel breit.

Er biss die Zähne zusammen und fing an zu laufen, um diesen unterirdischen Weg möglichst schnell hinter sich zu bringen. Wenn man den Unterlagen glauben wollte, die Jessamy ihm einmal herausgesucht hatte, war der Tunnel etwa eine Meile lang. Das war für jemanden wie Naasir eigentlich keine Entfernung, aber er hasste ganz einfach das Gefühl des Eingesperrtseins.

Sobald er wieder an der frischen Luft war, streckte er sich und lief mit weit ausholenden Schritten im Dauerlauf weiter, wobei seine Lungen sich ausdehnen mussten, um mit der zunehmend dünner werdenden Luft fertig zu werden. Der Zugang zur Zuflucht führte durch Eis und Schnee. Beides war Naasir zuwider, und so war er froh, dass die Zuflucht selbst stets schneefrei blieb. Wie das geschah und warum, wusste niemand mehr so richtig, aber es war nun einmal so.

Als Naasir noch sehr jung gewesen war, hatte er immer wieder wissen wollen, wie das denn sein könne, und Raphael hatte ihm von den Vorfahren erzählt, die der Legende nach unter der Zuflucht schliefen. »Das waren die Allerersten unserer Art«, hatte er erzählt, während der kleine Naasir zwischen seinen muskulösen Armen stand, denn er lernte gerade, mit der Armbrust umzugehen. »Wir reden hier von einer Zeit, in der es noch keine schriftlichen Aufzeichnungen gab, von den Vorfahren, die den uns bekannten Uralten vorausgehen, so alt, dass sie fast schon eine eigene Spezies darstellen.«

Der Legende zufolge sorgte der Einfluss der schlafenden Vorfahren für das weitgehend milde Wetter in der Zuflucht, das nur manchmal von Jahreszeiten mit Eis und Schnee gestört wurde. »Wenn es Winter wird«, hatte Raphael damals geheimnisvoll geflüstert, »dann hat einer der Vorfahren gerade einen Traum und ist abgelenkt. So hat es mir zumindest meine Mutter erklärt, als ich klein war.«

Niemand wusste, ob diese Legende einen wahren Kern hatte, aber eins ließ sich nicht übersehen: Die physikalischen Bedingungen in der Zuflucht waren irgendwie anders. Kein so hoch in den Bergen gelegenes Gebiet hätte vor den eisigen Fühlern der Temperaturen unter null sicher sein dürfen.

Naasirs geheimer Horst lag außerhalb der eigentlichen Zuflucht, war jedoch von Aodhan fürsorglich mit einer Heizung ausgestattet worden. Es gab sogar eine Fußbodenheizung, die immer für eine Temperatur sorgte, die Naasir als angenehm empfand. Die Anlage wurde von ein paar versteckt in einiger Entfernung vom Horst aufgebauten Sonnenkollektoren gespeist. So konnte niemand durch Zufall auf Naasirs Behausung stoßen.

Heute versuchte er, so lange es ging, die kälteren Höhenlagen zu meiden.

Als das nicht mehr möglich war, wusch er sich an einem eiskalten Gletscherbach, was auch kein reines Vergnügen war, trocknete sich mit zusammengebissenen Zähnen ab und zog sich andere Kleidung an, zuoberst einen schwarzen Kaschmirpullover, den er in New York erstanden hatte. Darunter trug er ein dunkelgraues Hemd mit Nieten, das Honor für ihn besorgt hatte, und das er grundsätzlich nie in die Jeans steckte. Über den Kaschmirpullover kam dann noch eine nicht mehr ganz taufrische Lederjacke, die Janvier ihm vor etwa zehn Jahren geschenkt hatte.

Dicke Socken, die abgetragenen, wunderbar eingelaufenen Stiefel mit den speziell für das Laufen auf Eis gedachten Sohlen, und er war fertig.

Nichts davon brauchte er eigentlich, er würde auf keinen Fall erfrieren, dazu war sein Blut viel zu heiß. Aber es ging ja schließlich nicht nur darum, nicht zu erfrieren, oder? Frieren reichte Naasir vollauf, er hasste es zu frieren. Hoffentlich war seine Gefährtin niemand, die es gern kalt hatte und womöglich noch in einer Gegend wohnen wollte, in der es Schnee, aber keine Hitze gab, um die Härte der kalten Jahreszeit auszugleichen. Schrecklich! Er würde sie überreden müssen, in eine Klimazone irgendwo dazwischen zu ziehen, wo es kalt war, nur nicht gleich unter null. Sollte sie nicht mitkommen wollen, würde er dennoch bei ihr bleiben. Natürlich würde er bei ihr bleiben.

Wenn er sie je fand!

Er verstaute gerade seine getragene Kleidung, als er auf dem Boden der Reisetasche etwas aufblitzen sah. Er tastete danach, zog daran, und das glitzernde Ding entpuppte sich als dickes Namensarmband aus blank poliertem Metall. Bewundernd musterte er seinen Namenszug auf dem abgeflachten Teil des Schmuckstücks und riss die kleine Karte ab, die an das Armband gebunden war.

Sei vorsichtig und denk daran, dir den Schal umzubinden. Ich habe deine Socken gegen dickere getauscht und vorne in die Seitentasche Handschuhe gesteckt. XX Honor.

Lächelnd streifte er sich das Armband über, verstaute die Karte sorgsam in einer Innentasche seiner Lederjacke und zog wunderschöne, gefütterte, schwarze Lederhandschuhe aus der Seitentasche der Reisetasche. Dankbar bewegte er die Zehen in den dicken Socken, schlang sich seinen dunkelgrünen Schal um den Hals und warf sich sein Gepäck erneut über die Schulter. »Versprochen!«, sagte er laut. »Ich bin bestimmt vorsichtig. Meine Gefährtin wartet auf mich.«

Fast meinte er, Honors Lachen zu hören. Was hatte sie ihn gefragt, als er das letzte Mal behauptet hatte, seine Gefährtin warte irgendwo auf ihn? »Und was tust du, wenn sie sauer auf dich ist, weil du sie so lange hast warten lassen?«

Diese Frage hatte Naasir eine Weile ganz schön aus der Bahn geworfen. Er war nie auf die Idee gekommen, seine Gefährtin könnte schon länger leben als er und gewartet haben, bis er für sie bereit wäre, und nicht umgekehrt. Das kam vor. Honor war jünger als Dmitri, aber bei Jessamy und Galen war Jessamy die Ältere.

»Dann werde ich ihr den Hof machen«, hatte er geantwortet, nachdem er Honors Frage überdacht hatte. »Ich werde sie davon überzeugen, dass ich ihres Wartens wert bin.«

Daran, wie er seiner Gefährtin den Hof machen würde, dachte er während der verbleibenden Stunden seiner Reise in die Zuflucht, und diese Gedanken ließen ihn fast die beißende Kälte und die Gefahr vergessen, die das Eis darstellte. Auch die zerklüfteten Felsen rings umher grüßten ihn nicht wie drohend aufragende Gefahren, sondern eher wie vertraute Gegner. Anders als die unglücklichen Kletterer, die überhaupt nie so weit kamen wie er, weil sie sich vorher schon unzählige Knochen gebrochen hatten, wusste Naasir, wie man sich zwischen diesen natürlich gewachsenen Zähnen aus Stein bewegte, die die Festung der Engel bewachten. Er brauchte noch nicht einmal langsam zu gehen, er konnte auch weiterhin seinen Weg schnell fortsetzen, denn seine Füße bewegten sich dank der bequemen Stiefel sicher auf den Gletscherflecken und Eisdecken, über die er lieber lief als durch den hohen Schnee. Und seine Augen erkannten blitzschnell jede Gefahr.

Die Sonne wollte gerade hinter dem Horizont verschwinden, als sich die Schatten großer Flügel auf ihn legten. Naasir sah auf. Dunkelgraue, mit weißen Streifen durchsetzte Flügel, dazu rote Haare, die der Sonnenuntergang scharlachrot aufleuchten ließ: Das war Galen. Naasir winkte ihm zu, der Engel erwiderte den Gruß, indem er kurz den rechten Flügel senkte. Dann drehte er am Himmel noch eine Runde, ehe er nicht weit von Naasir entfernt landete.

»Hast du nach mir Ausschau gehalten?« Naasir brauchte nicht lange, um zu dem breitschultrigen Mann aufzuschließen.

»Ich hatte fest damit gerechnet, bis zu den Bergausläufern fliegen zu müssen.« Der Waffenmeister umarmte Naasir herzlich und klopfte ihm so fest auf den Rücken, dass Naasir fast das Gleichgewicht verloren hätte. So stark war Galen. »Du liegst bestimmt zwei Stunden unter deiner Bestzeit vom letzten Mal.«

»Ich bin schneller geworden.« Naasir wuchs in einer Weise, die selbst Keir nicht verstand, und der Heiler verstand eine Menge. Inzwischen ging man generell von der Annahme aus, dass Naasir selbst zwar voll ausgewachsen sein mochte, seine Fähigkeiten und Gaben sich aber wohl noch nicht zu ihrer endgültigen Form in ihm entwickelt hatten.

Du bist der Einzige deiner Art, der lange genug überlebt hat, um erwachsen zu werden. Man weiß einfach nicht, wie du dich entwickeln wirst, es gibt keine Richtwerte. Man kann nicht sagen, wie stark du letztlich sein wirst. So hatte Keir versucht, es Naasir zu erklären.

»Wenn du mal Zeit hast, sollten wir stoppen, wie viel schneller du genau geworden bist«, sagte Galen. »Willst du den ganzen Weg laufen?«

»Ja.« Naasir hatte sich zwar als Kind gern von Engeln tragen lassen, aber jetzt galt das nicht mehr, jetzt wünschte er sich Boden unter die Füße. Er mochte sich noch nicht einmal in einen der Körbe setzen, in denen die Krieger Gäste transportierten, die keine Flügel besaßen. »Sag Jessamy, zum Essen bin ich da.«

Galen strahlte, sein Lächeln reichte bis in die außergewöhnlich hellgrünen Augen. »Sie hält schon seit Sonnenaufgang nach dir Ausschau.«

Naasir war gerührt. Er wartete, bis Galen abgehoben und dabei mit einem mächtigen Flügelschlag jede Menge Schnee aufgewirbelt hatte, und rannte wieder los. Er lief jetzt noch schneller als zuvor, so schnell, dass jeder zufällige Beobachter ihn bloß als vorüberhuschenden Schatten wahrgenommen hätte. Eine Stunde später flogen immer mehr Engel über ihn hinweg, denn der Flugverkehr hatte zugenommen, bis er in der Ferne das Rauschen vieler Starts und Landungen hörte, dazu noch die Stimmen und das Lachen von Leuten, die ihren täglichen Geschäften nachgingen, die ihr Leben hier lebten.

Der Himmel war inzwischen schwarz geworden. Er wirkte ganz samten, und nur wenige frühe Sterne zeigten sich, als Naasir ziemlich abrupt keinen Schnee mehr unter den Füßen spürte und warme Luft ihm um die eiskalt gewordenen Wangen strich.

Ohne stehen zu bleiben, steuerte er auf das Haus von Jessamy und Galen zu, das hoch oben auf einer Klippe stand.

Im Hof fing ihn ein Vampir mit giftgrünen, geschlitzten Augen ab, dem die dunkelbraunen, fast schwarzen Haare bis zum Halsausschnitt seines T-Shirts reichten. »Naasir!« Es folgte eine stürmische Umarmung.

Naasir ließ seine Tasche auf das Kopfsteinpflaster fallen und schlug Venom kräftig auf den Rücken. Rings um den kleinen Hof standen Kübel voller blühender Pflanzen. »Dann hat Galen dir also noch nicht sämtliche Knochen gebrochen?« Wohlwollend betrachtete er die Jeans und das schlichte schwarze T-Shirt des Jüngeren. »Keine Anzüge mehr?« Venom war für sein gefährlich elegantes Auftreten bekannt, seine Anmut galt als ebenso glatt wie tödlich.

»Was interessieren mich Anzüge, wenn ich mir jeden Tag auf dem Trainingsplatz den Hintern versohlen lassen muss!« Venom deutete leise stöhnend auf die grünlich blauen Flecken an seinem Kinn, die sich deutlich gegen die braune Haut abhoben. »Manchmal weiß ich wirklich nicht, ob Galen mich nicht doch umbringen will und nicht bloß unterrichten.«

Naasir bleckte die Zähne. »Wenn Galen dich umbringen will, wirst du das schon merken.« Der Waffenmeister kämpfte nicht wie Naasir oder Venom, sein Stil war schwerfälliger und berechenbarer, aber seine Stärke war ebenso brutal wie tödlich. »Er will einfach nur dafür sorgen, dass ein harter, zäher Bursche aus dir wird.« Venom, der die Gabe des tödlichen Gifts in den Adern trug, war durchaus gefährlich, aber mit seinen erst dreihundertfünfzig Jahren der Jüngste in der Gruppe der Sieben.

Er musste noch ein bisschen zurechtgestutzt und gestählt werden.

»Da bist du ja!« Jessamy kam aus dem Haus gerannt. Um ihre Beine bauschte sich ein luftiges, knöchellanges gelbes Gewand, sie hatte ihre kastanienbraunen Locken in einem losen Zopf zusammengefasst. Ihre dunkelgrünen Augen funkelten nur so, und sie strahlte vor Freude über das Wiedersehen über das ganze helle Gesicht.

Naasir schloss die große, zarte Gestalt liebevoll in die Arme, rieb sich an der Innenseite von Jessamys Flügeln, ehe er die Freundin hochhob und sie im Kreis herumschwenkte, bis sie laut protestierte. »Oh, wie ich dich vermisst habe!«, verkündete sie mit feuchten Augen, als er sie abgesetzt hatte und sie sein Gesicht in beide Hände nehmen konnte, um ihn auf die Wangen zu küssen. »Komm rein, komm rein! Drinnen wartet etwas zu trinken auf dich.«

Wie auf ein Stichwort gab Naasirs Magen deutliche Geräusche von sich, aber zuerst kam die Arbeit. »Ist die Gelehrte denn zurzeit in Sicherheit?«

»Ja, sie arbeitet in der Bibliothek. Ich dachte, du könntest dich ausruhen und etwas essen, ehe ich euch miteinander bekannt mache. Ich will sie zum Abendessen einladen.«

Von Venom und Jessamy eingerahmt, machte sich Naasir auf den Weg zum Haus. Dicht hinter ihnen konnte man Galen landen hören. Naasir atmete tief durch. Es war gut, wieder mit der Familie zusammen zu sein.

Andromeda stand ganz hinten in der Bibliothek an einem Lesepult und versuchte angestrengt, sich auf das vor ihr liegende, reich illustrierte Manuskript zu konzentrieren. Aber wie sehr sie sich auch bemühte, sie sah doch immer nur wieder den Brief vor sich, der sie etwa eine Stunde zuvor erreicht hatte.

In einundzwanzig Tagen hast du Geburtstag. Du wirst dann vierhundert Jahre alt. Du hast jetzt lange Jahre tun dürfen, was dir beliebte, hast es dir gut gehen lassen, und wir haben dir alles erlaubt, sogar deine Entscheidung, deine Blutlinie zu verlassen und in der Zuflucht zu leben.

Jetzt ist es an der Zeit, nach Hause zurückzukehren und deine Pflichten deiner Familie und deinem Erzengel gegenüber aufzunehmen. Daher erwarten wir dich sechs Tage vor deinem Geburtstag bei uns, mit Beginn der zeremoniellen Feiern. Nach den Feierlichkeiten wirst du an den Hof deines Großvaters gehen, um dort deine Stellung an seiner Seite einzunehmen.

Dein Großvater hat für eine Gelehrte eigentlich so gut wie keine Verwendung, aber da du sein einziges Enkelkind bist, ist er bereit, deine Mängel zu übersehen. Voraussetzung ist allerdings ein Benehmen, wie es einer Prinzessin an seinem Hof gebührt. Enttäusche deinen Großvater nicht, Andromeda, seine Geduld kennt Grenzen.

Andromeda umklammerte mit beiden Händen das Lesepult so fest, dass sich ihr die Holzkanten in die Handflächen gruben. »Du hast es dir gut gehen lassen …« So beschrieb ihre Mutter Jahrhunderte des Studiums und Lernens, die sorgsamen, teilweise sehr zeitaufwendigen Recherchen, mit denen Andromeda zahllosen Unsterblichen hatte helfen können, die sich mit ihren Fragen an die Gelehrten in der Bibliothek wandten. Andromeda war eine Hüterin der Engelsgeschichte und Lehrerin der Jugend, lebte aber erst seit dreihundertfünfundzwanzig Jahren in der Zuflucht und galt deshalb immer noch als Studierende. Das war sicher richtig so, denn es gab noch so viel, was sie lernen musste.

Und dann waren da die Reisen, die sie unternommen hatte und gern weiter unternehmen würde. Denn die Welt war beständig Veränderungen unterworfen, und Andromeda wollte nach wie vor nichts anderes tun, als jeden einzelnen Aspekt des Lebens auf diesem Planeten und sämtliche Neuerungen in sich aufsaugen. Aber ihr lief die Zeit davon. Sie hatte immer gewusst, dass das Leben hier irgendwann ein Ende haben würde, dass sie, egal welche Entscheidungen sie traf und wohin sie ging, eines Tages vierhundert Jahre alt und damit gezwungen sein würde, an den Hof des Erzengels Charisemnon aufzubrechen. Denn dort musste sie die Bedingungen des Blutschwurs erfüllen, den ihre Eltern nach ihrer Geburt in ihrem Namen geleistet hatten.

Jessamy hatte sich erkundigt, ob Andromeda durch einen solchen Schwur gebunden war, als die junge Engelsfrau bei ihr in der Zuflucht aufgetaucht war, um sie zu bitten, sie als Lernende anzunehmen. Andromeda hatte damals gelogen, weil sie befürchtet hatte, abgelehnt zu werden, wenn von vornherein feststand, dass ihre Studien mit ihrem vierhundertsten Geburtstag ein Ende finden würden. Sie hatte behauptet, ihr Großvater habe sie vom Schwur ihrer Eltern entbunden, sobald sich abgezeichnet hatte, wie ungeeignet sie für ein Leben an seinem Hof war. Diese Lüge stand immer noch im Raum. Andromeda hatte es einfach nicht fertiggebracht, die Wahrheit einzugestehen, und je mehr Jahrzehnte und Jahrhunderte ins Land gingen, desto schwieriger wurde ein solches Geständnis.

All das spielte jetzt keine Rolle mehr. Ihr blieben noch genau fünfzehn Tage in Freiheit, denn einen Tag musste sie für die Reise einrechnen. Fünfzehn Tage, dann sollte sie in das Land zurückkehren, in dem sie geboren war. Ein Land, dessen Schönheit herzzerreißend war und das sie als noch nicht ganz Erwachsene verlassen hatte. Sie musste zurückkehren. Alles andere wäre Hochverrat und zöge die Todesstrafe nach sich.

Nach solch einem Hochverrat würde ihr niemand mehr eine sichere Zuflucht bieten, weder Freund noch Feind. Denn es galt als Akt der Gewalt, einem Erzengel Kinder aus dessen Blutlinie zu »stehlen«. Ein solcher Akt konnte sogar Kriege auslösen. Andromeda hatte daran gedacht, Raphael oder Titus um Schutz zu bitten, da die beiden bereits gegen ihren Großvater Krieg führten, aber sie wusste selbst, dass eine solche Bitte vergeblich sein würde. Selbst wenn einer der Erzengel bereit gewesen wäre, sich die Nöte einer kleinen Studentin anzuhören, konnte doch keiner der beiden darauf eingehen.

Denn ein solcher Verstoß gegen zentrale Regeln würde die eher traditionellen Erzengel schockieren und beunruhigen, mit denen Raphael und Titus momentan verbündet waren und deren Unterstützung sie brauchten, um sich gegen den Tod und die schrecklichen Krankheiten zur Wehr zu setzen, die von Charisemnon und seiner grauenhaften Verbündeten auf der Welt verbreitet wurden. So oder so würde Andromeda bis ans Ende ihrer Tage gejagt werden, wenn sie jetzt vor den Pflichten eines Blutschwurs davonlief. Da war es besser, die im Blutschwur festgelegten fünfhundert Jahre zu dienen und zu hoffen, ihre Seele möge am Ende immer noch halbwegs intakt sein.

Als Prinzessin am Hofe würde man von ihr ein ebenso grausames und unberechenbares Verhalten erwarten, wie es ihr Großvater an den Tag legte. Wenn sie sich weigerte, zu quälen und zu foltern, würde ihr Großvater sie zwar nicht gleich umbringen, doch er würde alles in seiner Macht Stehende unternehmen, um sie zu brechen und zu seiner Marionette zu machen. Charisemnon duldete keinen Widerspruch und schon gar keinen Trotz.

Noch fünfzehn Tage.

Sie holte tief, wenn auch etwas zittrig Luft und hatte es fast wieder geschafft, sich auf das Manuskript zu konzentrieren, mit dem sie sich heute befassen wollte und das ihr jetzt hoffentlich zu ein bisschen sicherem Boden unter den Füßen verhelfen würde. Da stellten sich ihr unversehens die Nackenhaare auf, und sie wünschte, sie hätte heute zur Abwechslung einmal keinen Zopf getragen. Denn der Zopf machte ihren Nacken so nackt und verletzlich.

Ihre Kehle war staubtrocken geworden, als sie sich langsam und vorsichtig umdrehte, die Hand bereits nach dem Griff des rasiermesserscharfen Messers ausstreckte, das sie in einer Scheide am Schenkel trug und jederzeit durch ein Loch in der Tasche ihres feinen, himbeerfarbenen Gewandes erreichen konnte. Als sie erkannte, dass lediglich Jessamy durch den hohen Raum auf sie zukam, hätte sie fast erleichtert gelächelt. Aber ihre Mentorin war nicht allein.

Neben ihr ging ein Schatten.

Ein Schatten mit silbernen Augen, die Andromeda beobachteten, ohne zu blinzeln.

Diesmal richteten sich sämtliche Härchen an ihrem Körper auf. Sie wusste, wer das war. Jeder kannte Naasir, obwohl so gut wie niemand wusste, was er für ein Wesen war und wo seine Ursprünge lagen. Er war einmalig, der Einzige seiner Art. Seine Haut strahlte in einem warmen, dunklen Braun mit goldenen Untertönen und lud zum Streicheln ein, seine Augen leuchteten silbern, die Haare wiesen genau denselben Farbton auf. Sie waren silbern, nicht grau. Als seien Haare und Augen aus Edelmetall geformt und auf Hochglanz poliert.

Naasir fiel auf, an ihn erinnerte man sich.

Allerdings hatte ihn Andromeda noch nie richtig aus der Nähe gesehen. Sie lebte jetzt seit dreihundertfünfundzwanzig Jahren in der Zuflucht, und natürlich war Naasir in dieser Zeit oft hier gewesen, aber Andromeda hatte dafür gesorgt, dass sie einander nie begegneten. Anfangs war sie zu jung gewesen, um sich für männliche Wesen zu interessieren, und außerdem fest entschlossen, sich ganz und gar auf ihre Studien zu konzentrieren, um möglichst erfolgreich zu sein. Später jedoch … Naasir weckte Gefühle in ihr, die für eine Frau, die ein Keuschheitsgelübde abgelegt hatte, einfach unangemessen waren. Er ließ etwas in ihr völlig außer Kontrolle geraten, sich wie ein Tier aufführen, das aus dem Käfig drängte.

Sie mochte ihm zwar nie zu nahe gekommen sein, aber sie hatte ihn durchaus von Weitem beobachtet.

Er bewegte sich wie eine Dschungelkatze, nährte sich von Blut, aß aber auch Fleisch, hatte Augen, die auch im Dunkeln klar sahen, und verführte mühelos Sterbliche und Unsterbliche gleichermaßen. Auch in Bezug auf die Fähigkeit, so viele verschiedene Individuen zu bezaubern, war er einmalig, was Andromeda nur allzu bewusst war. Sein Charme, seine wilde, unwiderstehliche, fast hypnotisierende Schönheit und seine vielfältigen, starken Fähigkeiten – das alles stellte auf mehr als einer Ebene eine handfeste Bedrohung für sie dar.

»Andromeda!« Jessamy musterte sie besorgt. »Ist alles in Ordnung mit dir?«

Erst jetzt wurde der jungen Gelehrten klar, dass sie sich nicht mehr geregt hatte, seit sie sich umgedreht hatte, um diesen Vampir, der kein Vampir war, beim Näherkommen zu beobachten. Nur mit Mühe zwang sie ihre starren Muskeln zur Mitarbeit. »Alles bestens«, stieß sie heiser hervor. »Ich war nur gerade tief in Gedanken.«

Jessamy schien ihr zu glauben. Jedenfalls wich ihre Besorgnis einem liebevollen Lächeln, als sie Naasir am Arm berührte. »Ich wollte dir Naasir gern noch vor dem Abendessen vorstellen. Du isst doch mit uns?«

Andromeda, deren Herz so laut und heftig schlug, als hätte sie gerade ein Wettrennen hinter sich, hatte bereits den Mund geöffnet, um dankend abzulehnen und zu behaupten, sie wolle lieber allein sein, um letzte Hand an eine komplizierte Recherche zu legen, klappte den Mund dann jedoch rasch wieder zu, als Naasir plötzlich dicht vor ihr stand. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er sich bewegte hatte … aber jetzt beugte er sich mit geblähten Nüstern vor, bis ihm das unmögliche Silberhaar ins Gesicht fiel, und näherte sich ihrem Hals.

Andromedas Blut strömte mit Macht zu dem Pulspunkt an ihrer Kehle, während ihre Hand unter dem Kleid nach dem Messer tastete.

Prolog

Zhou Lijuan ließ die große Metallscheibe nicht aus den Augen, die ihrem Thron gegenüber an der Wand hing und die ihr vor langer, langer Zeit ein Bewunderer geschenkt hatte. Sie war ein Kunstwerk, und aus diesem Grund hielt Lijuan sie in Ehren, auch wenn sich das Bild ihres damaligen Verehrers schon längst im Nebel ihrer jahrtausendealten Erinnerungen aufgelöst hatte. Diese Scheibe mit ihrem seidigen Glanz und den kunstvollen Verzierungen am Rand hatte etwas Besonderes, etwas, das sie ansprach, zu ihr zu sprechen schien.

Zhou Lijuan fand dieses Kunstwerk immer noch faszinierend, obwohl es jetzt schon Tausende von Jahren an derselben Stelle im Innersten ihrer Festung, im Thronsaal, hing. In der Scheibe konnte man sich ebenso gut betrachten wie in einem Spiegel, aber sie war nicht annähernd so zerbrechlich – vielleicht war das der Grund. Das Metall würde vielleicht mit der Zeit den einen oder anderen Kratzer abbekommen, aber es würde nie in tausend Stücke zerspringen. Es hatte den Ehrgeiz und die Disziplin der jungen Erzengelfrau Lijuan gespiegelt, später dann die Weisheit und Macht der älter gewordenen. Heute zeigte ihr die Scheibe die durch den Krieg angerichteten Verheerungen.

Draußen in der Welt hielten gar manche sie immer noch für tot, und solange sie ihr Territorium nicht anrührten, ließ Lijuan sie gern in diesem Irrglauben. Ihre Generäle hatten ein scharfes Auge auf die Unversehrtheit ihrer Grenzen, doch Lijuan ging eigentlich davon aus, dass noch nicht einmal Michaela überheblich genug war, eine Invasion zu wagen. Alle fürchteten sie.

Gut so.

Sie sollten sich vor ihr fürchten. Aber damit das auch weiterhin der Fall war, durfte erst einmal niemand die Frau dort im Metallspiegel sehen. Noch nicht. Auch wenn sie bereits wieder die schneeweißen Haare hatte, die alle Welt kannte. Zhou Lijuan war mit nachtschwarzem Haar zur Welt gekommen, aber dieses Schwarz verblasste mit der Zeit immer mehr, als entzögen Lijuans wachsende Macht und Stärke der Farbe ihre Kraft. Und als sie tausend Jahre alt geworden war, hatte ihre Mutter sie angesehen und verkündet, ihr Haar sei jetzt »weiß wie Schnee«.

An diese Bemerkung erinnerte sich Lijuan noch ganz genau, und wenn sie sich sehr anstrengte, gelang es ihr manchmal sogar, sich das Gesicht der Frau ins Gedächtnis zurückzurufen, die sie geboren hatte. Sie erinnerte sich allerdings hauptsächlich deswegen daran, weil sie wusste, dass sie ihre auffallenden Gesichtszüge von ihrer Mutter geerbt hatte. Heute zeigten sich in der Metallscheibe fast schon dramatisch fein gemeißelte Wangenknochen, die von innen gegen eine hauchdünne Haut drückten, die aussah, als würde sie bei der geringsten Berührung zerreißen. Unter der Haut verliefen dünne blaue Adern, in denen gut sichtbar das Blut pulsierte, aber als Erstes wären wohl jedem Betrachter die roten Blutgefäße um die perlmuttartigen Iriden auffallen.

Es sah so aus, als schwämmen sie in Blut.

Das sah nicht nur so aus, es war auch so: Raphael hatte sie schwer verletzt. Sie war voller Zorn gewesen, und dieser Zorn war geblieben und hatte tief in ihrem Innern ein kaltes, ständig präsentes Eigenleben entwickelt. Niemand durfte Zhou Lijuan verletzen, und sie würde den jungen Emporkömmling in New York schon noch für diese Beleidigung büßen lassen, sie würde ihn auslöschen! Aber zuerst sollte er zusehen müssen, wie sie seine menschliche Gefährtin zu einer Sklavin machte. Und um das tun zu können, musste sie Geduld haben, musste warten, bis sie ganz geheilt, wieder ganz hergestellt war.

Nicht alles an ihr regenerierte sich wie erwartet, nicht alles wurde wieder so, wie es gewesen war, bevor Raphael versucht hatte, sie von der Erde zu tilgen.

Mit schwachen, vor Anstrengung zitternden Muskeln hob sie die rechte Hand, um ihre Nägel zu betrachten. Sie waren in einem glänzenden Rubinrot nachgewachsen und bogen sich über die Fingerkuppen wie die Krallen eines sehr großen Raubvogels. Auch Lijuans Schneidezähne hatten sich verändert, denn sie waren im Gegensatz zu den anderen Zähnen in ihrem Mund, die rein weiß schimmerten, scharlachrot geworden.

Das wirkte seltsam, aber schön. Ganz, wie es einer Göttin zustand.

Nur funktionierten diese Schneidezähne noch nicht. Lijuan hatte versucht, die glühende Lebenskraft treuer Untertanen in sich aufzunehmen, die sich gern opfern wollten, damit ihre Gottheit schneller und unter weniger Schmerzen heilte. Doch ihre Zähne schienen noch nicht voll entwickelt zu sein, obwohl sie durchaus einen starken Eindruck machten. Noch drangen diese Zähne nicht durch menschliche Haut, und wenn Lijuan ein Messer nahm, um den entscheidenden Schnitt zu tun, schaffte sie es lediglich, ein bisschen Blut zu saugen. Doch das nutzte ihr nichts, da sie die ganze Lebenskraft der Person brauchte, die sich opfern wollte.

Dazu kamen unglaubliche Schmerzen. Ihre Nervenenden schienen zu brennen, immer, in jeder einzelnen Sekunde jedes einzelnen Tages.

Die Knochen taten ihr weh.

Ihre Flügel hielten sie nicht in der Luft.

Nur ihr Verstand funktionierte einwandfrei.

Sie legte ihre voll wiederhergestellte rechte Hand auf die Armlehne ihres Thrones aus Jade, der von sämtlichen Engeln, die ihn je zu Gesicht bekommen hatten, seiner reichen Träume und Albträume darstellenden Verzierungen wegen als wahre Kostbarkeit betrachtet wurde, und konzentrierte sich auf den Engel, der zu ihren Füßen kniete. Er berührte den Boden mit der Stirn und hatte die Flügel anmutig auf dem Rücken zusammengefaltet. Lijuan hätte nicht sagen können, wie lange er dort schon so kniete. Auch konnte sie seine Gestalt nicht ganz klar erkennen.

Ihre blutenden Augen gehorchten nicht immer so, wie sie sollten.

»Sprich!«, befahl sie. Ihre Stimme musste sich den Weg durch eine übel zugerichtete Kehle suchen und kam als rauer Flüsterton heraus, in dem unzählige Schreie widerhallten.

Der Mann vor ihr hob den Kopf. Ah, es war der Schreiber! Sie erkannte ihn an den gelben Haaren, die ihm bis auf die Schulter fielen. Er richtete sich auf, legte die Hände auf die Schenkel, hielt beim Reden den Kopf aber weiterhin respektvoll gesenkt.

»Meine Arbeit am Text der Prophezeiung ist beendet, Sire.«

Lijuan pulsierte das Blut in den Adern, all ihre Sinne erwachten zu neuer Schärfe. Jetzt erinnerte sie sich wieder an die Aufgabe, die sie dem Engel in den Monaten vor der Schlacht um New York übertragen hatte, erinnerte sich sogar daran, die Prophezeiung, von der er sprach, als junge Engelsfrau selbst in einer alten Schriftrolle gelesen zu haben. Damals hatte ihr der Text nichts bedeutet. Sie hatte eine Ewigkeit nicht mehr daran gedacht, bis ihr die neuen Kräfte gewachsen waren und eine Stimme tief aus ihrer Erinnerung sie gemahnt hatte, die Schriftrolle mit der Prophezeiung ernst zu nehmen, sie sei von großer Bedeutung.

Ihre Gelehrten und Agenten hatten fast ein Jahr gebraucht, um den uralten Text aufzuspüren. Seitdem waren ihr seine Worte nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Im Gegenteil: Sie meldeten sich immer wieder von Neuem, wie ein Trommelschlag, der sich einfach nicht abstellen ließ.

Erzengel der Dunkelheit, Göttin der Albträume. Geist ohne Schatten.

Steh auf, erhebe dich, erhebe dich in deine Herrschaft des Todes.

Denn dein Ende wird kommen.

Dein Ende wird kommen.

Durch die Hand des Neuen und des Alten.

Ein Erzengel, geküsst von der Sterblichkeit.

Ein Schläfer mit silbernen Flügeln, der erwacht, ohne seinen Schlaf geschlafen zu haben.

Der zerbrochene Traum mit Augen aus Feuer.

Zerschlagen. Zerschlagen. Zerschlagen.

»Sprich!«, befahl sie dem Schreiber erneut.

Die Stimme des Schreibers drang kristallklar an ihr Ohr. »Ich habe die Ursprünge der Prophezeiung bis hin zum Erzengel Kassandra zurückverfolgt.«

Unwillkürlich schloss sich Lijuans Hand immer fester um die Armlehne ihres Thronsessels, bis sich die feinen Schnitzereien aus Jade tief in ihre Haut gedrückt hatten. Die feinen Härchen in ihrem Nacken reagierten auf eine durch und durch urzeitliche Art und Weise und richteten sich auf. »Bist du sicher?« Kassandra schlief schon unendlich lange, sie war inzwischen mehr Mythos als konkrete Erinnerung, eine Uralte selbst für die Uralten. Aber in einem waren sich alle einig, in den Legenden um sie: Als Kassandra aufstieg und Erzengel wurde, erhielt sie die große und schreckliche Gabe, in die Zukunft sehen zu können.

Die Legenden berichteten weiterhin, dass sie den Schlaf gewählt hatte, als es ihr auch dann nicht gelungen war, ihren Visionen Einhalt zu gebieten, nachdem sie sich eigenhändig die Augen ausgerissen hatte. Die Augen wuchsen innerhalb eines Tages nach, und Kassandra war eine Stunde nach der Heilung einfach verschwunden, ohne auch nur das blutverschmierte Kleid zu wechseln. Die meisten ihrer Prophezeiungen waren im Laufe der Zeit verloren gegangen, und die wenigen, die man noch kannte und die niedergeschrieben worden waren, wurden oft nicht beachtet, sondern als Kritzeleien eines unbekannten Fantasten abgetan.

»Raphael ist der von der Sterblichkeit Geküsste.« Lijuan verstand bis heute nicht, wie ein derart geschwächter Erzengel sie letztlich so dramatisch und fast tödlich hatte stürzen lassen können, aber sie würde auf keinen Fall noch einmal den Fehler machen, ihn zu unterschätzen.

»Ich weiß nicht, wer mit dem zerbrochenen Traum mit Augen aus Feuer gemeint sein könnte«, sagte der Schreiber, »aber bei dem Schläfer mit silbernen Schwingen kann es sich gewiss nur um eine Person handeln.«

Lijuans Hand krallte sich wie wild um die Armlehne, ihr Rückgrat geriet in heftige Zuckungen. Das lag an ihren Flügeln, die gleich nach ihrem Verstand und der Wirbelsäule nachgewachsen waren, weil sich der Heilungsprozess bei Engeln danach richtete, was jeweils als Nächstes wichtig war. Sie waren jedoch noch sehr schwach und tendierten zu unbeherrschten Krämpfen, unter denen der ganze Oberkörper zuckte. Das wiederum behinderte die Heilung anderer, noch stark versehrter Körperteile.

Sie atmete tief ein und aus, durch all die wilden, ungezügelten Gefühle hindurch, die sie bestürmten, und sprach den Namen des Schläfers aus, der sterben musste. »Alexander.«

1

Naasir war jetzt seit sieben Monaten auf der Jagd. Es war wirklich schon sieben Monate her, seit er Ashwini erzählt hatte, er sei jetzt bereit, nach einer Gefährtin Ausschau zu halten. Sieben Monate! Und immer noch hatte sie sich nicht gezeigt, sie, die zu ihm gehörte. Wusste sie denn nicht, dass er auf der Suche nach ihr war?

Er saß hoch oben auf einem Balkon des Turms. Der Balkon hatte kein Geländer, und Naasir knurrte. Langsam wurde er ungehalten.

Ein gerade vorbeifliegender Kämpfer der Legion wandte den Kopf, um ihm einen fragenden Blick zuzuwerfen. Naasir starrte zurück, schnappte fauchend mit den Zähnen und freute sich, als der Mann mit den Fledermausschwingen daraufhin seine Flugrichtung änderte und das neu geschaffene Heim der Legion ansteuerte, ein Haus, das Naasir gut gefiel, obwohl es Wände hatte und Wände eigentlich nicht so sein Fall waren. Die Legion residierte jetzt in einem eigens für sie zu einem riesigen Gewächshaus umgebauten Wolkenkratzer, aus dem einige Fenster entfernt worden waren, um mehr Platz für Balkone zu schaffen, während die Innenwände, wo immer es möglich gewesen war, durch Glasscheiben ersetzt worden waren. In der Mitte war ein Flugtunnel entstanden, der Flügeln ausreichend Platz bot.

Jetzt, da es kühler wurde und der Herbst die Bäume im Central Park in ein Meer aus roten, orangefarbenen und gelben Flammen verwandelt hatte, kamen auch die raffinierten »durchsichtigen« Vorhänge zum Einsatz, mit denen die Zugänge zum Legionshaus von den mit dem Umbau beauftragten Ingenieuren ausgestattet worden waren. Wie Illium Naasir erklärt hatte, bestanden diese Vorhänge aus einem Hightech-Material, das es den Legionären erlaubte, nach Belieben ein und aus zu fliegen, während im Innern des Hauses trotzdem eine gleichmäßige Temperatur gehalten wurde. Flog ein Legionär durch einen dieser Vorhänge, so schloss sich dieser gleich hinter ihm automatisch. So war ständig dafür gesorgt, dass die Wärme im Haus blieb.

Naasir, der jetzt seit zwei Wochen wieder in New York lebte, hatte sich kurz nach seiner Rückkehr ins Legionshaus geschlichen und war ziemlich beeindruckt gewesen. Was von den Decken und Fußböden im Innern so belassen worden war wie vordem, ragte in einer ungewöhnlichen Anordnung in den freien Raum, mit oft erheblichen Abständen zwischen den einzelnen festen Bauteilen. Naasir hatte besonders das üppige Grün im Haus bewundert: Die Ranken, die man an den Seiten emporgezogen hatte und die bereits anfingen, festen Halt zu finden, und die kleinen Bäume, die ihre Wurzeln vorsichtig in der Erde ausstreckten, während rings um sie üppig blühende Blumen wuchsen. Naasir hatte es trotz der ungewöhnlichen Bauweise des Hauses geschafft, sich ganz bis nach oben vorzuarbeiten, ohne dass ein einziger Legionär seine Anwesenheit in seinem Heim mitbekommen hätte.

Wahrscheinlich war Handschwinge, der Anführer der Legion, nicht gerade erfreut gewesen, Naasir auf dem Glasdach des Hauses auftauchen zu sehen, aber er war Raphael treu ergeben, und Naasir war einer von Raphaels Sieben. Deshalb bestand zwischen den beiden Männern ein gewisser, wenn auch von vorsichtiger Wachsamkeit geprägter Waffenstillstand. Naasir juckte beim bloßen Gedanken an die Legion jedes Mal die Haut, und seine Muskeln spannten sich an, ohne dass er etwas dagegen tun konnte.

Sie waren so alt und so anders – er musste oft gegen den Drang angehen, sie einfach zu beißen.

Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Andersartigkeit hatte er manchmal das Gefühl, als seien ihm die Kämpfer, die sich auf federlosen Flügeln durch die Luft bewegten, ähnlicher als alle anderen Wesen auf der ganzen weiten Welt. Naasir mochte keine Flügel haben, aber anders war er auch. Nur dass es Siebenhundertsiebenundsiebzig Legionäre gab, während Naasir allein war.

Du bist wütend auf uns, weil wir viele sind, doch tief in deinem Innern ist dir bewusst, dass du einer von uns bist. Jämmerlich jung im Vergleich zu unserer eine Ewigkeit dauernden Existenz, aber mit einer uns ähnlichen ganz ursprünglichen Verbindung zum Leben und zur Natur.

So sah es der Anführer der Legion, er hatte es Naasir vor nicht allzu langer Zeit mit feierlicher Miene erklärt, und Naasir hatte gespürt, dass der Mann glaubte, was er sagte. Falls man in diesem Fall von »Mann« sprechen durfte … Wie dem auch sei, der Anführer der Legion ahnte nicht, wie wenig Naasir mit der ursprünglichen Natur gemein hatte. Nicht die Natur hatte Naasir erschaffen, nicht die Erde ihn geboren: Er verdankte seine Existenz einem Monster.

Einem Monster, dem er den Brustkorb aufgerissen hatte, um sein Herz und seine Leber zu fressen.

Hier saß er nun, zeigte Zähne und musterte den Balkon, der sich zwei Stockwerke tiefer links von ihm befand. Anders als der, auf dem Naasir saß, und auch anders als die meisten Balkone dieses Gebäudes verfügte der unter ihm über ein Geländer. Naasir dürfe nicht einfach von hier oben auf die Straße hinunterspringen, hatte Dmitri ihm erklärt, denn wenn er das täte, würde man ihn unten so platt wie einen Pfannkuchen vom Pflaster kratzen müssen. Aber der Sprung hinüber zu dem Balkon mit dem Geländer war überhaupt nicht weit, und der Wind hier oben, wenn auch frisch, würde ihn schon nicht gleich über die Kante schieben. Kaum eine Sekunde, nachdem er den anderen Balkon wahrgenommen hatte, spannte Naasir die Muskeln an und sprang.