Ali Özgür Özdil
Hamburg 2020
www.alioezdil.de
Meiner wunderbaren Mutter
Nermin (geb. Yetkin) Özdil
(1943-2009)
Vorwort
Ein Freund, der immer da ist
Auch das Kleinste ist zu schätzen
Einst kam ein Mann zu Salomon gerannt
Der Elefant in der Dunkelkammer
Kann man seinem Schicksal entrinnen?
Wenn Löwe, Wolf und Fuchs gemeinsam auf die Jagd gehen
Ali ließ sein Schwert sinken
Komm! Innâ lillâhi wa innâ ilaihi râdjiûn
Schönheit ist wie eine goldene Falle
Wie ein von Gott geschliffener Spiegel
Ihr alle vervollkommnet mich
Mein Paradies
Ich bin nur ein Kerzenlicht
Denn von besonderer Art ist sein Wesen
Mein Freund, der Christ
Der verlorene Ausblick
Magenschmerzen
Wenn es immer nach den anderen geht
Nasreddin Hodscha und der Elefant des Sultans
Als in Tschetschenien Krieg ausbrach
Alaaddin und der Flaschengeist
Alis Gedicht für Nur
Seerose
Die Tiere im Trauergarten
Wenn du auf die Reise gehst, reise nie ohne Licht
Lüge und Wahrheit gleichen sich nicht
Ein schlechter Witz
Es gibt drei Wege des Lernens
Die verbrannten Finger
Der Kalif Umar und die alte Frau
Nur Du allein verstehst mich
Die Frau
Ich möchte ein Fenster sein
Islamische Weisheiten
Mekka
Was soll ich tun und was nicht?
Buch ohne Worte
Auch Du wurdest verbrannt (9/11)
Du bist nicht alleine
Welten in meiner Welt
Seit dem ich mich in Dich verliebte
Wie kann ich Dir nur danken?
Taqwa
Frieden
In Al-Quds
So spricht nicht die Jugend
Zeichen meiner Dankbarkeit
Mein Muhammed
Sunnit oder Schiit?
Wer die Ewigkeit spüren will, muss zeitlos leben (türkisch)
Code-Switching (türkdeutsch)
Umre hatıraları (türkisch)
Annem sordu bana: Nasıl biliyorsun beni? (türkisch)
Geçmişi düşlüyorum (türkisch)
Die schönste Liebesgeschichte der Welt
Anhang
Unabhängigkeitsmarsch
Register
Wer ist Ali-Özgür Özdil?
Meine Mutter war ein wundervoller Mensch. Solange ich mich zurück erinnern kann, sehe ich eine Frau, die sich für uns aufgeopfert hat. Sie hat nicht viel gelacht, dafür aber sehr viel geweint. Solange ich mich zurück erinnern kann, hat sie nie ihre Hand gegen mich erhoben oder mir das Herz gebrochen. Ich war immer zufrieden mit ihr und eine meiner größten Hoffnungen ist, dass auch sie mit mir zufrieden war. Jahrelang hatte sie mich gefragt, wann ich denn endlich dieses Buch zu Ende schreiben würde. Ich hatte ihr stets versprochen, dieses Buch ihr zu widmen. Doch nun, wo sie vor einem Monat verstorben ist und ich sie gemeinsam mit meinem Bruder zu Grabe getragen und mit meinen eigenen Händen beigesetzt habe, lege ich alles beiseite und schreibe die letzten Sätze dieses Buches. Sie, Nermin Özdil (geb. Yetkin) war die erste in unserer Familie, die 1973 nach Deutschland kam, und das unter sehr schwierigen Umständen. Sie war auch die erste in unserer Familie, die nach Mekka pilgerte und nun ist sie die erste in unserer hiesigen Familie, die gestorben ist und ich wünsche ihr, dass sie die erste in unserer Familie sein möge, die das Paradies betritt. Sie hat es sich verdient!
Mutter, Menschen zeigen mit ihren Geschichten und Gedichten, wie sie in ihrem Inneren sind. Bei mir erkennt man vielleicht – so viel verrate ich jetzt schon – in Wirklichkeit bin ich immernoch ein Kind. Denn ein Spielplatz ist diese Welt, und Du wirst erkennen, wie sehr mir das Spiel mit den Worten gefällt. Ich benutze zwar Beispiele, wie es nur Erwachsene machen und sehe gern, wie Menschen darüber lachen. Denn Lachen ist ein Zeichen von Lebenslust, in Zeiten voller Trauer und Frust. Sicherlich werden Deine Sorgen durch meine Gedichte nicht enden, doch will ich dabei behilflich sein, dass sich die Herzen wenden, von Angst und Hoffnungslosigkeit, zu mehr Lebensfreude und zur Freiheit. Befreien sollten wir uns, aus diesen Käfigen, die wir uns selbst bauen. Aus dem sich nur sehr wenige hinaus trauen. Freiheit auch in den Gedanken, so dass wir selbst für ein lächeln danken, ohne Böses zu denken, einander zu beschenken, selbst wenn es nur mit Poesie geschieht, so dass diese Welt sieht, wir sind auch fähig zu lieben, trotz jener Beben, die ständig erschüttern dieses schöne Leben: Wir können mehr. Sieh nun, wie sehr ich mich bemüht habe, für Dich zu dichten: Es war wirklich nicht schwer. Ein Freund half mir dabei. Er, der bereits von dieser Welt frei, erzählte mir so viel, zum Beispiel von Dir, aber auch von mir. Und von Geheimnissen, von denen ich hier nur die Namen nenne, sie in Wirklichkeit aber nicht kenne. Aber bevor Du mit mir auf die Suche gehst, wisse wo Du selbst stehst. Dann erst beginne zu gehen, und Du wirst sehen, wohin Dein Weg führt, was Deine Seele berührt, wenn Du hörst diese Gedichte und erkennst darin Deine eigene Lebensgeschichte. Jetzt schließe kurz deine Augen und reise in dich hinein. Denn dies alles widme ich nur Dir allein!
Ali-Özgür Özdil
2009
Ich öffne sein Buch, doch sehe ich keine Seiten
sondern vielmehr Lebensweisheiten
Dann ist es so, als sitze ich Knie an Knie
mit ihm und lausche seinem Mathnawi
und hinter dem Schleier seiner edlen Worte
sehe ich auch jene geheimen Orte
Den Tuba-Baum, der Wünsche erfüllt
und die Kauthar-Quelle, die jeden Durst stillt
Ich rieche im Mathnawi der Rosen Düfte
reise mit Salomon durch die Lüfte
Kann darin das Licht Gottes sehen
verstehen, den Weg Seiner Gesandten zu gehen
Lernen zu lieben und zu leben
allem sein Recht auf Existenz zu geben
Spüre manchmal, wie mein Herz schneller schlägt
doch plötzlich der Sturm meiner Sorgen sich legt
Dies alles, weil mein Freund den Geist des Korans lehrt
einen Geist, den insgeheim jedes Herz begehrt
der das Leben erleichtert und nicht erschwert
auch wenn sich der Unwissende ständig beschwert
Doch jede Zeit dafür ist es wert
weil es zeigt der Offenbarung Wert
Das Mathnawi mit allen Sinnen zu erfassen
hilft den Hasserfüllten vom Hass abzulassen
Wie einst jene Menschenmassen
haben den Irrglauben verlassen
Nach und nach, durch „la ilaha illallah
Muhammadun rasulullah“
Ja, zur Tauhid-Quelle führt das Mathnawi
und ich weiß wirklich nicht wie
so viele Menschen sich selbst nicht sehen
verstehen nicht wohin sie bald werden gehen
den Zweifel der Gewissheit vorziehen
und vor dem Licht des Barmherzigen fliehen
weil sie denken, es könnte sie blenden
so dass sie sich davon abwenden
Ich könnte sogar bei Allah schwören
dass sie auf sich selbst nicht hören
Doch selbst das Weinen eines Kindes
oder gar die Stimme des Windes
Oder der Tropfen, wenn es regnet
mit dem Allah diese Natur segnet
Kommt aus ohne ein einziges Wort
und wird gehört an jedem Ort
Doch verstehen ist tiefer drin
wenn man begriffen hat den Sinn
Denn auch das kleinste ist zu schätzen
wie selbst der Unsinn eines Götzen
So will ich versuchen dich zu leiten
mit Gedichten auf den folgenden Seiten
Die ich bei meinem Freund gelernt
und die ganz nah und nicht weit entfernt
Hier in meinem Herzen sind
Ach, wie lange war ich doch blind
Und wie viel ich noch lernen muss
bevor dieses Herz schlägt bis zum Schluss
Hier sind sie all die wunderbaren Schätze
die ich fassen möchte in einfache Sätze
Doch nun ist gut, ich gebe ruh
Und du hörst jetzt lieber meinem Freund Maulana zu
Dieses erste Gedicht gehört zu seinen Schätzen
und ich nenne es:...
Kennst du nicht die Geschichte von dem Gelehrten auf dem Boot
als dieser kam plötzlich in große Not?
Doch wie kam er in diese missliche Lage?
Höre gut zu, was ich dir nun sage:
Einst ging ein Gelehrter mit einem Boot auf eine Reise
Nun, jeder reist eben auf seine Weise
Er hatte Langeweile und hat sich umgesehen
nach einem Gesprächspartner und fand den Kapitän
Er fragte ihn: Was habt ihr euer ganzes Leben lang getrieben?
Habt ihr studiert, was gelesen oder geschrieben?
Der Kapitän sagte nur: „Nein“
„Studieren, was soll das sein?“
Als der Gelehrte dann über ihn lachte
und einen schlechten Scherz mit ihm machte:
„Wer ohne zu studieren lebt
hat sein halbes Leben umsonst gelebt!“
Traf er den Kapitän mitten ins Herz
Doch dieser blieb ruhig und verbarg seinen Schmerz
Es verging dann eine ganze Weile
bis ein Sturm aufkam und der Gelehrte rannte in Eile
Zum Kapitän und begann zu fragen
wobei sich ihm drehte vor Angst der Magen:
„Was ist los, was wird geschehen?
Werden wir diesem Sturm entgehen?“
Doch der Kapitän sagte nur: „Könnt ihr schwimmen?
Denn nur so könntet ihr dem Ertrinken entrinnen“
Als der Gelehrte sagte: Nein, wie soll das gehen?
Sprach diesmal der Kapitän:
„Verloren habt ihr nun euer ganzes Leben
Dies ist alles, was ich euch kann als Antwort geben“
Das Boot begann dann im Sturm zu sinken
und der Gelehrte war kurz vor dem Ertrinken
Dabei hatte er zuvor den Kapitän zum Unwissenden gemacht
weil dieser nicht studiert hatte, über ihn gelacht
All sein Wissen hat ihm im Sturm nichts genützt
Dabei hätte ihn das Schwimmen geschützt
So begann er über seine Not zu klagen
denn zum Sterben reicht schon eine von tausend Plagen
Da wir aber dieses Gedicht schreiben
wollen wir niemandem die gute Laune vertreiben
So retten wir den Gelehrten mit einem treibenden Balken aus Holz
Obwohl er war vor kurzem getrieben von Hochmut und falschem Stolz
Doch wir sollten über ihn nicht lachen
Denn wer weiß, ob wir es besser machen?
Aber lausche auch unserer zweiten Geschichte
die wir erzählen in diesem Gedichte
Von König Davids Sohn
dem Propheten Salomon...
Sein Gesicht voller Angst, und Salomon schon gespannt
Er sprach: „Der Todesengel Azrael sah mich voller Wut an
und ich dachte, heute sei ich dran
Befehle dem Wind, er möge mich nach Indien tragen
ehe Azrael mich packt an meinem Kragen“
Salomon tat, was der Mann von ihm wollte
doch es kam trotzdem, wie es kommen sollte
Denn als Salomon fragte den Azrael nach dem Mann
sagte dieser: „Er war doch erst Morgen in Indien dran
Ich staunte nur, als ich ihn sah hier
und so dachte ich still bei mir:
Hätte er auch einhundert Schwingen
Nicht könnten sie ihn so schnell nach Indien bringen“
Und wisse: ein Muslim läuft vor dem Tod nicht weg
denn für den Tod gibt es kein Versteck
So danke Maulana für diese Weisheit über den Tod
so lausche mein Herz und sei nicht blind
der Geschichte mit dem Elefant,
so gibt Er ihm einen Anlass, dort hinzugehen.“