Eifersucht als produktive Kraft? Und ob! Max Frisch weiß davon zu berichten, genauso wie von all den anderen Höhen und Tiefen, die Frau und Mann zu durchleben haben, wenn sie es miteinander versuchen. Ohneeinander geht es freilich auch nicht, denn es gilt ja doch für jeden: Man will geliebt sein.
Margit Unser, 1956 in Walldorf bei Heidelberg geboren, studierte Geschichte, Philosophie und Pädagogik in Mainz. Sie ist seit Juli 2008 Leiterin des Max Frisch-Archivs in Zürich, wo sie auch lebt.
Man will geliebt sein
Herausgegeben von Margit Unser
Suhrkamp
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2012
Für diese Auswahl
© Suhrkamp Verlag Berlin 2011
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Einbandgestaltung: Göllner, Michels
eISBN 978-3-518-78560-7
www.suhrkamp.de
Man kann alles erzwingen, nur nicht Liebe.
TB1, S. 308
Und dann: die Wohnung finden für zweierlei Menschen, nicht nur für einen, sondern für eine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau, schon der bloße Gedanke ist abenteuerlich und erregend!
Schwierigen, S. 518
Einmal, als Kind, hat Hanna mit ihrem Bruder gerungen und sich geschworen, nie einen Mann zu lieben, weil es dem jüngeren Bruder
gelungen war, Hanna auf den Rücken zu werfen.
Sie war dermaßen empört über den lieben Gott, weil er die Jungens einfach kräftiger gemacht hat, sie fand ihn unfair, nicht ihren Bruder, aber den lieben Gott. Hanna beschloß, gescheiter zu sein als alle Jungens von München-Schwabing, und gründete einen geheimen Mädchenklub, um Jehova abzuschaffen. Jedenfalls kam nur ein Himmel in Frage, wo es auch Göttinnen gibt.
HF, S. 873
Über Liebe, als Beziehung zwischen den Geschlechtern, gebe es nichts Neues mehr zu berichten, das habe die Literatur dargestellt in allen Varianten ein für allemal, das sei für die Literatur, sofern sie diesen Namen verdient, kein Thema mehr – solche Verlautbarungen sind zu lesen; sie verkennen, daß das Verhältnis zwischen den Geschlechtern sich ändert, daß andere Liebesgeschichten stattfinden werden.
Montauk, S. 1576
»Daß ein anderer Mensch an uns glaubt, wenn uns der eigene Glaube zerschlagen ist, und ihn uns wiedergibt, das, dachte ich, wäre die Liebe, das Wunder der Liebe, die Gnade, unerklärbar wie das Nahen eines Engels ...«
Schwierigen, S. 545
Ich stelle mir vor:
Da ruht Ihr nun also, ein Paar mit liebestoten Körpern allnächtlich im gemeinsamen Zimmer, ausgenommen die kurzen Reisen wie jetzt. Da
wohnt Ihr nun also. Ob es eine Wohnung ist oder ein Haus, eingerichtet so oder so, wahrscheinlich antik-modern mit der üblichen Lampe japanischer
Konfektion, jedenfalls ist da ein gemeinsames Bad, der tägliche Anblick von Utensilien für die unterschiedliche Pflege zweier Körper,
eines weiblichen, eines männlichen. Da sehnt Ihr euch manchmal. Keines von euch hat einen vertrauteren Menschen, nein, nicht einmal in der Erinnerung;
nicht einmal in der Hoffnung. Kann man sich verbundener sein als Ihr? Man kann’s nicht. Aber manchmal sehnt Ihr euch also. Wonach? Da schaudert es
euch. Was eigentlich? Da lebt Ihr die endlos-raschen Jahre liebevoll, ein Paar, zärtlich, ohne es vor Gästen zu zeigen, denn Ihr seid es wirklich, ein
wirkliches Paar mit zwei liebestoten Körpern, die einander nur selten nochmals suchen. Nur nach einer Reise etwa, einer Trennung von der Dauer eines
Kongresses, kommt es vor, daß Ihr am hellichten Tag, kurz nach der Ankunft, ehe die Koffer ausgepackt und das Nötige berichtet ist, einander umarmt. Was
soll das mit andern! Es erfrischt, aber es ist keines Geständnisses wert. Da habt Ihr noch einmal, wie einst, einen stundenlosen Tag im Morgenrock und mit
Platten. Dann wieder der sanfte Schwund aller Neugierde beiderseits, nicht ausgesprochen und kaum gezeigt; nur getarnt hinter den Forderungen des
Tages. Da lebt Ihr so hin. Eure Briefe, wenn Ihr einmal getrennt seid, erschrecken euch fast, beseligen euch selbst, indem Ihr schreibt mit einem Sturm
vergessener Worte, mit einer Sprache, die Ihr verlernt habt. Aus einem Hotelzimmer mit leerem Doppelbett ruft Ihr an, Kosten nicht scheuend, aus London oder Hamburg oder Sils, um zu plaudern mitten in der Nacht, dringlich vor Liebe. Da hört Ihr eure vergangenen Stimmen noch einmal,
da zittert Ihr. Bis zum Wiedersehen zu Haus. Was bleibt, ist die Neigung, die stille und tiefe und fast unerschütterliche Neigung. Ist das vielleicht
nichts? Ihr habt schon fast alles überstanden, ausgenommen das Ende, es ist euch nicht neu, daß eins von euch davonläuft in die Nacht, daß Zorn sich
wieder gibt, daß es nichts hilft, wenn Ihr zwei Tage schweigt, Ihr seid ein Paar, jederzeit frei, aber ein Paar. Da ist nicht viel zu machen. Manchmal der
Gedanke: Wieso gerade du? Ihr seht euch nach andern Männern um, nach anderen Frauen. Da kommt ja nicht viel in Frage oder alles. Nichts wird wilder sein
als eure Liebe damals, bestenfalls ebenso. War sie wild? Davon sprecht Ihr nicht. In zärtlicher Schonung der Gegenwart. Oder es sei denn mit Vorwurf, der
falsch ist wie jeder Vorwurf an das Leben. Wer kann denn etwas für die Gewöhnung? Wie es einmal war, davon weiß nur ein Spiegel in einem unmöglichen
Hotelzimmer, ein rostig-silbrig-rauchiger Spiegel, der nicht aufhört ein Liebespaar zu zeigen, vielarmig, Mann und Frau, namenlos, zwei liebestrunkene
Körper. Wer von euch es gesehen hat, bleibt Geheimnis. Beide? Das wart nicht Ihr im besondern. Warum verfolgt es euch, was jener Spiegel zeigt? Es könnte
auch ein andrer Mann