Der Liebesschwur
Roman
Aus dem Englischen
Von Elke Iheukumere
Buch
Seit ihre Eltern gestorben sind, muss Patience Debbington ganz allein
die Verantwortung für sich und ihren jüngeren Bruder Gerrard
tragen. Männern traut sie nicht über den Weg, und für die Liebe hat
sie den Kopf nicht frei. Deshalb ist sie auch alles andere als begeistert,
als der gut aussehende Dandy Vane Cynster auf dem Gut ihrer
Tante Minnie auftaucht und nichts Besseres zu tun hat, als sie zu umwerben.
Bei Männern seines Typs schrillen Patience’ Alarmglocken –
war doch ihr eigener Vater ein solcher »Gentleman«, der das Herz
ihrer Mutter brach und sich dann aus dem Staub machte.
Doch Vane, der sich bis dahin niemals binden wollte, ist wie vom
Donner gerührt, als er die zauberhafte Patience bei seiner Patin Minnie
trifft. Sie ist die Frau, auf die er sein Leben lang gewartet hat,
ohne es zu ahnen – und er würde sie am liebsten vom Fleck weg heiraten.
Temperamentvoll, freiheitsliebend und sinnlich, bringt die
junge Frau in Vane ungeahnte Saiten zum Schwingen. Um Patience
von der Aufrichtigkeit seiner Absichten zu überzeugen, zieht er sogar
in den armseligen Haushalt seiner Patentante und setzt alle Kräfte
in Bewegung, um Gerrard vor der Anklage wegen Diebstahls zu
bewahren – bis Patience endlich ihren Widerstand gegen den Mann
aufgibt, den sie insgeheim schon lange leidenschaftlich begehrt …
Autorin
Stephanie Laurens begann zu schreiben, um etwas Farbe in ihren trockenen wissenschaftlichen Alltag zu bringen. Ihre Romane wurden bald so beliebt, dass sie aus ihrem Hobby den Beruf machte. Heute gehört sie weltweit zu den meistgelesenen und populärsten Autorinnen historischer Liebesromane. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in einem Vorort von Melbourne/Australien.
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2002 unter dem Titel
»A Rake’s Vow« bei Avon Books, New York.
Copyright © der Originalausgabe 1998 by
Savdek Management Proprietory Ltd.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2004 by
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, Garbsen.
Covergestaltung: Sohrmann
Satz: DTP Service Apel, Hannover
Redaktion: Ilse Wagner
LW ⋅ Herstellung: Heidrun Nawrot
E-Book-Umsetzung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-03996-7
V005
www.blanvalet-verlag.de
Oktober 1819
Northamptonshire
»Sie sollten sich etwas beeilen. Es sieht so aus, als seien uns die Höllenhunde auf den Fersen.«
»Was?« Vane Cynster wurde aus unangenehmen Gedanken gerissen. Er hob den Blick von den Ohren seines Leitpferdes und sah sich um, entdeckte Duggan, seinen Stallburschen, hinter sich, und auch eine dunkle Wolkenbank mit Gewitterwolken, die heranzog. »Verdammt!« Vane blickte wieder nach vorn und schnalzte mit den Zügeln. Die beiden Grauen, die seinen Zweispänner zogen, liefen schneller. Er warf über seine Schulter einen Blick zurück. »Glauben Sie, wir könnten schneller sein?«
Duggan betrachtete die Sturmwolken und schüttelte den Kopf. »Wir haben noch drei Meilen vor uns, vielleicht sogar fünf. Nicht genug, um nach Kettering zurückzufahren oder es bis Northampton zu schaffen.«
Vane fluchte. Es war nicht einmal sosehr der Gedanke, nass zu werden, der in seinem Kopf herumspukte. Er war verzweifelt und ließ die Straße nicht aus den Augen, und während seine Grauen dahingaloppierten, suchte er nach einem Ausweg, nach einer Möglichkeit, dem Unwetter zu entkommen.
Noch Minuten zuvor hatte er an Devil gedacht, den Herzog von St. Ives, seinen Cousin und den Kamerad aus seiner Kinderzeit, seinen engsten Freund – und an die Frau, die das Schicksal ihm beschert hatte, Honoria, die jetzt die Herzogin von St. Ives war. Sie war diejenige gewesen, die Vane und den anderen vier, bis jetzt noch unverheirateten Mitgliedern der Bar-Cynster-Familie befohlen hatte, an dem Einweihungsgottesdienst für das Dach der Kirche im Dorf Somersham teilzunehmen, das in der Nähe des herzoglichen Stammsitzes lag. Zugegeben, das Geld, das sie schließlich wegen des Drucks der Herzogin gespendet hatten, war unrechtmäßig erworben gewesen, es stammte aus einer Wette, mit der weder die neue Herzogin noch ihre Mutter einverstanden gewesen waren. Das uralte Sprichwort, nach dem die einzigen Frauen, vor denen die Männer der Cynsters sich fürchten mussten, die Ehefrauen der Cynsters waren, stimmte noch immer, auch für diese Generation, genauso wie für die vorherigen. Über den Grund dafür, warum das so war, wollten die männlichen Cynsters lieber gar nicht erst nachdenken.
Und daher fühlte Vane auch ein so überwältigendes Verlangen, dem drohenden Unwetter zu entkommen. Das Schicksal in der Gestalt eines Unwetters hatte dazu geführt, das Honoria und Devil sich kennen gelernt hatten, unter Umständen, die ihre darauf folgende Eheschließung beinahe unvermeidlich gemacht hatten. Vane hatte nicht die Absicht, ein unnötiges Risiko einzugehen.
»Bellamy Hall.« An diesen Gedanken klammerte er sich wie ein Ertrinkender. »Minnie wird uns Zuflucht geben.«
»Das ist ein guter Gedanke.« Duggan klang hoffnungsvoll. »Bis zu der Wegkreuzung sollte es nicht mehr weit sein.«
Sie lag gleich hinter der nächsten Biegung der Straße. Vane bog von der Straße ab, dann fluchte er und zwang seine Pferde, langsamer zu gehen. Der schmale Weg war nicht in einem so guten Zustand wie die Straße, die sie gerade verlassen hatten. Er liebte seine reinrassigen Pferde viel zu sehr, um das Risiko einzugehen, dass sie sich verletzten, deshalb konzentrierte er sich darauf, sie nur so schnell laufen zu lassen, wie er es ohne Risiko wagen konnte. Grimmig war er sich der Tatsache bewusst, dass eine unnatürliche, viel zu frühe Dämmerung einsetzte und dass der Wind auffrischte.
Er hatte Somersham Place, die fürstliche Residenz Devils, kurz nach dem Mittagessen verlassen. Den Morgen hatte er in der Kirche bei dem Einweihungsgottesdienst für das Dach verbracht, für das er und seine Cousins bezahlt hatten. Er hatte die Absicht gehabt, Freunde in Leamington zu besuchen, daher hatte er Devils Haus verlassen, damit dieser das Zusammensein mit seiner Frau und seinem Sohn genießen konnte, und war nach Westen gefahren. Er hatte erwartet, Northampton und die Bequemlichkeit im Blue Angel leicht zu erreichen. Stattdessen, und das verdankte er dem Schicksal, würde er die Nacht mit Minnie und ihren Mitbewohnern verbringen müssen.
Aber wenigstens wäre er in Sicherheit.
Durch die Hecken auf der linken Seite des Weges erkannte Vane in einiger Entfernung das Wasser, bleigrau unter dem immer dunkler werdenden Himmel. Das war der Fluss Nene, was bedeutete, dass es bis Bellamy Hall nicht mehr weit war. Das Haus stand auf einem lang gestreckten Hügel über dem Fluss.
Es waren schon Jahre vergangen, seit er zum letzten Mal hier einen Besuch gemacht hatte – er konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wie viele Jahre es gewesen waren, dennoch zweifelte er nicht daran, willkommen zu sein. Araminta, Lady Bellamy, die exzentrische Frau eines früh verstorbenen, reichen Mannes, war seine Patentante. Minnie hatte keine eigenen Kinder, auch ihn hatte sie nie wie ein Kind behandelt, und mit den Jahren waren sie gute Freunde geworden. Manchmal war sie eine zu raffinierte Freundin für ihn, ihre Strafpredigten kannten kein Ende, doch eine Freundin war sie ihm immer gewesen.
Als Tochter eines Vicomtes war Minnie seit ihrer Geburt ein Platz in der gehobenen Gesellschaft sicher. Nachdem ihr Ehemann, Sir Humphrey Bellamy, gestorben war, hatte sie sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen und zog es vor, in Bellamy Hall zu bleiben, wo sie einem Haushalt vorstand, in dem die verschiedensten mittellosen Verwandten lebten und auch einige andere Menschen, die sie ihrer Barmherzigkeit für würdig fand.
Als man sie einmal gefragt hatte, warum sie sich mit einem solchen Anhang umgab, hatte Minnie geantwortet, dass in ihrem Alter die menschliche Natur ihre hauptsächliche Unterhaltung war. Sir Humphrey hatte dafür gesorgt, dass sie reich genug war, um diesen Unsinn ertragen zu können, und Bellamy Hall war, auch wenn es in seiner Mächtigkeit grotesk war, groß genug, um sie und ihre eigenartige ménagerie unterzubringen. Um nicht vollkommen den Verstand zu verlieren, gönnten sie und ihre Begleiterin, Mrs. Timms, sich ab und zu einen Ausflug in die Hauptstadt und ließen den Rest des Haushaltes in Northampton zurück. Vane besuchte Minnie immer, wenn sie in der Stadt war.
Gotische Türmchen stiegen aus den Bäumen vor ihnen empor, dann tauchten die aus Ziegeln gemauerten Pfosten des großen Tors auf. Die schweren, schmiedeeisernen Torflügel standen offen. Mit einem grimmig-befriedigten Lächeln lenkte Vane seine Pferde durch das Tor. Sie waren dem Unwetter entkommen – das Schicksal hatte ihn nicht erwischt, während er unaufmerksam gewesen war. Seine Grauen trotteten über die lange Einfahrt. Riesige Büsche säumten den Weg und schwankten im Wind, uralte Bäume beschatteten den mit Kies bestreuten Weg.
Dunkel und ernst stand Bellamy Hall am Ende des tunnelartigen Weges, seine vielen Fenster blickten trübe in dem heraufziehenden Sturm. Sie schienen ihn zu beobachten wie viele ausdruckslose Augen. Als ausgedehnte gotische Abscheulichkeit mit unzähligen architektonischen Elementen, die über die Jahre hinzugefügt und die vor kurzer Zeit mit georgianischer Üppigkeit verschönert worden waren, hätte das Haus eigentlich grauenhaft aussehen müssen, doch in dem überwucherten Park mit dem kreisförmigen Hof sah die Hall absolut nicht hässlich aus.
Es war, so fand Vane, als er über den Hof in Richtung der Ställe fuhr, ein passendes, esoterisches Zuhause für eine exzentrische alte Frau und ihren eigenartigen Haushalt. Als er um die Seite des Hauses bog, entdeckte er nirgendwo ein Anzeichen von Leben.
In den Ställen jedoch herrschte Aktivität. Stallknechte liefen hin und her und versorgten im Anblick des drohenden Unwetters die Pferde. Vane überließ es Duggan und Minnies Stallmeister, sich um die Grauen zu kümmern, und ging auf dem Weg zwischen den Büschen zum Haus. Obwohl der Weg überwuchert war, so war er doch gangbar. Er öffnete sich auf einen ungepflegten Rasen, der um eine Ecke eines Flügels des Hauses angelegt war. Gleich hinter der Ecke, das wusste Vane, befand sich der Seiteneingang des Hauses, hinter einer Wiese, auf der eine kleine Armee von riesigen Steinen lag, Überresten der Klosterkirche, auf der ein Teil der Hall erbaut worden war. Die Ruinen erstreckten sich ein ganzes Stück weit, die Hall selbst war um das Gästehaus der Klosterkirche herum gebaut worden, die während der Zeit der Dissolution geplündert worden war.
Als er sich der Ecke des Hauses näherte, konnte er die Blöcke des verwitterten Sandsteins sehen, die über den dichten grünen Teppich des Grases verstreut lagen. Etwa auf halber Strecke erhob sich ein einzelner Torbogen vor dem sich rasch verdunkelnden Himmel, alles, was von dem Längsschiff der Kirche noch übrig war. Vane lächelte. Alles war noch genau so, wie er es in Erinnerung hatte. Nichts hatte sich in den letzten zwanzig Jahren in Bellamy Hall verändert.
Er bog um die Ecke des Hauses – und stellte fest, dass er sich geirrt hatte.
Er blieb stehen, dann blinzelte er. Eine volle Minute lang stand er wie angewurzelt auf demselben Fleck, sein Blick war starr. Dann ging er langsam weiter, seine Gedanken mit dem beschäftigt, was sich seinen Augen bot. Seine Schritte wurden von dem dichten Rasen gedämpft. Er blieb vor einem großen Bogenfenster und dem halbkreisförmigen Blumenbeet stehen, das sich davor ausdehnte.
Gleich hinter der Lady, die ein feines, im Wind wehendes Musselinkleid trug, das mit Blütenzweigen bestickt war, und die sich bückte und etwas in dem Blumenbeet suchte.
»Du könntest ruhig helfen.« Patience Debbington blies sich die Locken aus dem Gesicht, die über ihre Augen fielen, und sah Myst, ihre Katze, mit gerunzelter Stirn an, die in dem Unkraut saß und einen rätselhaften Ausdruck auf ihrem unbeweglichen Gesicht zeigte. »Es muss hier irgendwo sein.«
Myst blinzelte nur mit ihren großen blauen Augen. Mit einem Seufzer beugte sich Patience vor und suchte zwischen dem Unkraut und den Pflanzen. So weit vorgebeugt und mit den Händen in dem Blumenbeet, mit den dünnen Sohlen ihrer Schuhe auf dem weichen Boden, war das wohl kaum eine sehr elegante, geschweige denn sichere Haltung.
Obwohl sie sich keine Sorgen zu machen brauchte, dass jemand sie hier sah, denn alle zogen sich zum Essen um. Und genau das sollte sie eigentlich auch tun – das hätte sie auch getan, wenn sie nicht bemerkt hätte, dass die kleine silberne Vase, die auf dem Fensterbrett gestanden hatte, verschwunden war. Da sie das Fenster offen gelassen hatte und Myst genau dieses Fenster benutzte, um zu kommen und zu gehen, hatte sie überlegt, dass Myst die Vase wohl umgestoßen hatte und dass sie über den flachen Sims gerollt und dann in das Blumenbeet unter dem Fenster gefallen war.
Die Tatsache, dass sie noch nie erlebt hatte, dass Myst unbeabsichtigt etwas umstieß, hatte sie beiseite geschoben. Es war noch immer besser, zu glauben, dass Myst ungeschickt gewesen war, als zu vermuten, dass der geheimnisvolle Dieb wieder einmal zugeschlagen hatte.
»Sie ist nicht da«, schloss Patience. »Zumindest kann ich sie nirgendwo entdecken.« Noch immer gebückt, sah sie zu Myst. »Kannst du sie sehen?«
Wieder blinzelte Myst und sah an ihr vorbei. Dann erhob sich die schlanke graue Katze und schritt elegant aus dem Blumenbeet.
»Warte!« Patience wandte sich halb um, doch dann schwankte sie und bemühte sich, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. »Es kommt ein Unwetter – jetzt ist nicht die Zeit, Mäuse zu fangen.«
Während sie das sagte, gelang es ihr, sich aufzurichten – sie sah zum Haus, direkt in die Fenster des Wohnzimmers in der unteren Etage. Da das nahende Unwetter den Himmel verdunkelte, spiegelte sich alles in den Fenstern wider. Sie entdeckte in diesem Spiegelbild einen Mann, der hinter ihr stand.
Mit einem Aufkeuchen wirbelte Patience herum. Ihre Blicke trafen sich mit denen des Mannes – seine Augen waren hart, kristallgrau, blass in dem schwachen Licht. Sie waren eindringlich auf sie gerichtet, und den Ausdruck darin konnte sie nicht deuten. Er stand nicht mehr als einen Meter von ihr entfernt, groß, elegant und eigenartig bedrohlich. In dem Bruchteil einer Sekunde, in dem ihr Verstand all das registrierte, fühlte Patience auch, wie ihre Fersen in den weichen Boden des Blumenbeetes einsanken.
Die Erde unter ihren Füßen gab nach.
Sie riss die Augen weit auf, ihr Mund formte ein »Oh«. Mit ausgebreiteten Armen fiel sie rückwärts …
Der Mann reagierte so schnell, dass seine Bewegung vor ihren Blicken verschwamm, griff nach ihren Oberarmen und zog sie nach vorn.
Sie landete an seiner Brust, ihre Hüften an seinen Schenkeln. Der Aufprall war so heftig, dass er ihr den Atem nahm, und sie keuchte auf. Seine kräftigen Hände hielten sie, seine langen Finger lagen wie eiserne Klammern um ihre Arme. Seine Brust war hart wie Stein an ihren Brüsten, der Rest seines Körpers, seine langen Beine, die er gespreizt hatte, waren so fest wie Stahl.
Sie fühlte sich hilflos, vollkommen und absolut hilflos.
Patience blickte auf und sah dem Fremden ins Gesicht. Während sie das tat, verdunkelten sich seine grauen Augen. Der Ausdruck, den sie darin las – äußerst konzentriert – , schickte ihr einen eigenartigen Schauer durch den Körper.
Sie blinzelte, dann senkte sie den Blick – zu den Lippen des Mannes. Sein Mund war breit, die Lippen schmal und dennoch wundervoll proportioniert und faszinierend. Sie konnte die Augen nicht davon losreißen. Die bezwingenden Konturen bewegten sich beinahe unmerklich, sie wurden sanfter, und ihre eigenen Lippen begannen zu prickeln. Sie schluckte und holte dann verzweifelt tief Luft.
Ihre Brüste hoben sich und drückten sich gegen die Jacke des Fremden, pressten sich gegen seinen Oberkörper. Ein Schauer rann durch ihren Körper, von den Brustspitzen, die sich unerwartet hart zusammenzogen, bis hin zu ihren Zehenspitzen. Noch einmal holte sie tief Luft und spannte sich an – dennoch konnte sie den Schauer nicht aufhalten, der sie durchrann.
Die Lippen des Fremden wurden schmal, sein ernstes Gesicht verhärtete sich. Seine Finger schlossen sich noch fester um ihren Arm. Zu Patience' Erstaunen hob er sie hoch – ganz ohne Mühe – und stellte sie vorsichtig ein paar Schritte weiter wieder auf den Boden.
Danach trat er zurück und verbeugte sich lässig vor ihr.
»Vane Cynster.« Er zog eine Augenbraue hoch, ließ den Blick nicht von ihr. »Ich bin gekommen, um Lady Bellamy zu besuchen.«
Patience blinzelte. »Ah … ja.« Sie hatte gar nicht gewusst, dass ein Mann sich so bewegen konnte – ganz besonders nicht ein Mann wie er. Er war so groß, riesig, schlank und dennoch muskulös, seine Koordination war fehlerlos, die geschmeidige Anmut bei seiner Verbeugung war auf eine unheimliche Art bezwingend. Seine Worte, die er mit einer so tiefen Stimme ausgesprochen hatte, dass man sie auch für das Tosen des Unwetters hätte halten können, drangen schließlich in ihr Bewusstsein und beschäftigten ihre Sinne. Sie deutete zu der Tür rechts neben ihr. »Es hat schon zum ersten Mal geläutet.«
Vane begegnete dem Blick aus ihren weit aufgerissenen Augen. Es gelang ihm, nicht zu lächeln – es war nicht nötig, die Beute zu verängstigen. Der Anblick, der sich ihm bot – ein wohlgerundeter Körper in einem Kleid aus elfenbeinfarbenem, mit Blütenzweigen besticktem Musselin, der ihm sehr gut gefiel – , war genauso verlockend wie der Anblick, den sie ihm zuerst geboten hatte – die herrlichen Rundungen ihres Hinterteils, die sich deutlich unter dem dünnen Stoff abgezeichnete. Als sie sich bewegt hatte, hatten sich auch diese Rundungen bewegt. Er konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann ein Anblick ihn so fasziniert, seine Sinne so verlockt hatte.
Sie war mittelgroß, ihre Stirn befand sich auf gleicher Höhe mit seinem Hals. Ihr Haar, ein dunkles, glänzendes Braun, hatte sie zu einem glatten Knoten frisiert, kleine Löckchen kräuselten sich um ihre Ohren und ihren Nacken. Zierliche braune Augenbrauen rahmten große, haselnussbraune Augen ein, deren Ausdruck in dem dämmrigen Licht schwer zu erkennen war. Ihre Nase war gerade, ihre Haut cremig zart. Ihre rosigen Lippen baten förmlich darum, geküsst zu werden, doch eine unbekannte Lady zu küssen, ehe sie einander förmlich vorgestellt worden waren, zeugte von schlechtem Geschmack.
Sein Schweigen erlaubte es ihr, sich wieder zu fangen, er fühlte ihren wachsenden Widerstand, erkannte ihn in ihrem Blick. Vane verzog den Mund. Er wusste ganz genau, was er tun wollte – mit ihr, die einzige Frage war, wo und wann. »Und Sie sind …?«
Sie zog die Augen ein wenig zusammen, dann reckte sie sich und verschränkte die Hände. »Patience Debbington.«
Das Erschrecken traf ihn so heftig wie eine Kanonenkugel und machte ihn atemlos. Vane starrte sie an, und eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen. Die Kälte breitete sich in seinem Inneren aus, dann kam das ungläubige Erstaunen. Er schaute auf ihre linke Hand. Kein Ring lag um ihren Ringfinger.
Sie konnte ganz einfach nicht unverheiratet sein – sie war Mitte zwanzig, keine junge Frau besaß Rundungen, die so reif waren wie ihre. Dessen war er sicher – immerhin hatte er sein halbes Leben damit verbracht, weibliche Rundungen zu betrachten. Auf diesem Gebiet war er Experte. Vielleicht war sie Witwe – wahrscheinlich wäre das sogar noch besser. Sie betrachtete ihn heimlich, ihre Blicke huschten über seinen Körper.
Vane fühlte ihre Blicke, er merkte, wie der Jäger in ihm erwachte, und seine Vorsicht kehrte zurück. »Miss Debbington?«
Sie blickte auf und nickte – und Vane hätte beinahe aufgestöhnt. Seine letzte Chance – eine alte Jungfer, verarmt und ohne Beziehungen. Er könnte sie zu seiner Geliebten nehmen.
Sie musste seine Gedanken gelesen haben, denn noch ehe er die Frage stellen konnte, erklärte sie: »Ich bin die Nichte von Lady Bellamy.«
Ein lautes Donnergrollen übertönte fast ihre Worte, in dem Lärm fluchte Vane leise vor sich hin und widerstand dem Wunsch, den Blick zum Himmel zu heben.
Das Schicksal sah ihn aus ihren klaren, haselnussbraunen Augen an.
Missbilligende haselnussbraune Augen.
»Wenn Sie mitkommen möchten« – mit einer Handbewegung deutete sie auf die Tür in ihrer Nähe, dann führte sie ihn hochmütig in die Richtung – , »dann werde ich Masters sagen, dass er meine Tante von Ihrer Ankunft unterrichten soll.«
Nachdem sie die Eleganz und somit auch den Stand von Minnies unerwartetem Besucher bemerkt hatte, machte Patience sich nicht die Mühe, ihre Meinung vor ihm zu verbergen. Abweisende Verachtung lag in ihrer Stimme. »Erwartet meine Tante Sie?«
»Nein – aber Sie wird erfreut sein, mich zu sehen.«
War das etwa ein unterschwelliger Tadel, den sie in seiner viel zu glatten Stimme hörte? Patience unterdrückte eine hochnäsige Bemerkung und ging einfach weiter. Sie fühlte seine Anwesenheit hinter sich, groß und eindringlich männlich. Ihre Sinne verwirrten sich, sie versuchte, sie unter Kontrolle zu halten, und hob das Kinn. »Wenn Sie im Wohnzimmer warten würden – es ist die erste Tür rechts – , Masters wird Sie holen, wenn meine Tante bereit ist, Sie zu empfangen. Wie ich schon erwähnte, der Haushalt bereitet sich im Augenblick auf das Abendessen vor.«
»In der Tat.«
Diese Worte, leise ausgesprochen, erreichten sie, gerade als sie vor der Seitentür stehen blieb. Patience fühlte einen kühlen Schauer, der ihr über den Rücken rann. Und sie fühlte den Blick seiner grauen Augen auf ihrer Wange, auf der empfindsamen Haut ihres Halses. Sie erstarrte und widerstand dem Wunsch, sich zu bewegen. Sie blickte nach unten, entschlossen, sich nicht umzuwenden und seinem Blick zu begegnen. Mit unbeirrt vorgerecktem Kinn griff sie nach der Türklinke, doch er kam ihr zuvor.
Patience erstarrte. Er war gleich hinter ihr stehen geblieben und hatte die Hand um sie herum nach dem Türgriff ausgestreckt. Sie sah, wie sich seine langen Finger darum schlossen. Dann hielt er inne.
Sie fühlte ihn hinter sich, nur wenige Zentimeter von ihr entfernt, fühlte die Kraft, die von ihm ausging. Eine unerklärliche Sekunde lang fühlte sie sich gefangen.
Dann bewegten sich seine langen Finger, und mit einer schnellen Bewegung öffnete er weit die Tür.
Mit laut klopfendem Herzen holte Patience Luft, dann eilte sie in den dämmrigen Gang. Ohne langsamer zu werden, nickte sie ihm über die Schulter hinweg königlich zu. »Ich werde sofort mit Masters sprechen – ich bin sicher, meine Tante wird Sie nicht lange warten lassen.« Mit diesen Worten ging sie weiter den Gang entlang und verschwand in dem dunklen Flur.
Vane blieb auf der Schwelle stehen und sah ihr mit zusammengezogenen Augenbrauen nach. Er hatte gefühlt, wie sie bei seiner Berührung zusammengezuckt war, hatte den Schauer des Bewusstseins gespürt, den sie nicht vor ihm hatte verbergen können. Für einen Mann wie ihn war das Beweis genug für das, was geschehen konnte.
Sein Blick fiel auf die kleine graue Katze, die sich um Patience Debbingtons Beine gedrängt hatte. Sie saß jetzt auf dem Läufer und betrachtete ihn. Während er sie noch ansah, stand sie auf, wandte sich um und ging mit hoch erhobenem Schwanz den Flur entlang – dann blieb sie stehen. Sie wandte den Kopf und sah ihn an. »Miau!«
Ihrem hochmütigen Klang nach nahm Vane an, dass es sich um eine weibliche Katze handelte.
Hinter ihm zuckte ein Blitz. Er blickte zu dem dunklen Himmel hoch. Donner grollte – und eine Sekunde später öffnete sich der Himmel. Regen rann herab, dicke Tropfen fielen und ließen die Landschaft hinter einem Vorhang verschwinden.
Die Botschaft des Schicksals hätte deutlicher nicht sein können, eine Flucht war völlig unmöglich.
Mit grimmigem Gesicht schloss Vane die Tür – und folgte der Katze.
»Nichts könnte gelegener kommen!« Araminta, Lady Bellamy, strahlte Vane glücklich an. »Natürlich musst du bleiben. Aber in jedem Augenblick wird der Gong zum zweiten Mal geschlagen, also beeile dich. Wie geht es allen?«
Vane lehnte sich gegen den Kamin und lächelte. Minnie, eingehüllt in ihre teuren Schals, ihre wohlgerundete Gestalt in Seide und Spitze gekleidet, mit einer gerüschten Witwenhaube auf ihren weißen Locken, sah ihn aus leuchtenden, intelligenten Augen an, die in einem sanften, faltigen Gesicht lagen. Sie saß in einem Sessel vor dem Feuer in ihrem Schlafzimmer, neben ihr Timms, eine vornehme, gebildete Dame unbestimmbaren Alters, Minnies ergebene Begleiterin. Mit dem Wort »alle«, das wusste Vane, meinte sie die Cynsters. »Die jungen Leute gedeihen prächtig – Simon fängt in Eaton an. Amelia und Amanda sind auf dem Weg in die gehobene Gesellschaft und hinterlassen gebrochene Herzen rechts und links des Weges. Den älteren Mitgliedern der Familie geht es allen gut, sie sind in der Stadt beschäftigt, aber Devil und Honoria sind noch immer auf dem Landsitz.«
»Ich wette, er ist zu sehr damit beschäftigt, seinen Erben zu bewundern. Ich würde behaupten, seine Frau wird ihn schon an der Kandare halten.« Minnie grinste, doch dann wurde sie wieder ernst. »Hast du noch immer nichts von Charles gehört?«
Vanes Gesicht verhärtete sich. »Nein. Sein Verschwinden bleibt ein Geheimnis.«
Minnie schüttelte den Kopf. »Der arme Arthur.«
»In der Tat.«
Minnie seufzte, dann warf sie Vane einen berechnenden Blick zu. »Und was ist mit dir und mit deinen Cousins? Haltet ihr noch immer die Damen der gehobenen Gesellschaft in Atem?«
Der Ton von Timms Stimme war unschuldig, sie hatte den Kopf über ihr Strickzeug gebeugt und schnaufte ein wenig. »Wohl eher auf dem Rücken.«
Vane lächelte charmant. »Wir tun unser Bestes.« Minnies Augen blitzten. Noch immer lächelnd, blickte Vane auf sie hinunter und strich sich dann den Ärmel seiner Jacke glatt. »Ich werde besser gehen und mich umziehen, aber sage mir – wer ist im Augenblick alles hier?«
Minnie lachte leise und zog die Hände unter ihrem Schal hervor. »Mal sehen.« Sie zählte an den Fingern ab. »Da ist zunächst einmal Edith Swithins – sie ist eine entfernte Bekannte der Bellamys. Äußerst vage, aber ziemlich harmlos. Du darfst nur kein Interesse zeigen an ihrer Spitzenarbeit, es sei denn, du hast eine Stunde Zeit. Dann ist da noch Agatha Chadwick – sie war verheiratet mit diesem unglücklichen Kerl, der darauf bestand, die Irische See in einem Boot aus überzogenem Flechtwerk zu überqueren. Natürlich schaffte er es nicht. Also ist Agatha mit ihrem Sohn und ihrer Tochter bei uns.«
»Tochter?«
Minnie sah in Vanes Gesicht. »Angela. Sie ist sechzehn und schon jetzt verblüht. Sie wird ohnmächtig in deine Arme sinken, wenn du ihr die Möglichkeit dazu gibst.«
Vane verzog das Gesicht. »Danke für die Warnung.«
»Henry Chadwick muss ungefähr in deinem Alter sein«, dachte Minnie laut nach. »Aber er ist ganz und gar nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt.« Ihr Blick glitt anerkennend über Vanes elegante Gestalt, seine langen, muskulösen Beine, die in der engen Wildlederhose und den Stiefeln sehr gut zur Geltung kamen, dazu trug er einen ausgezeichnet geschneiderten Rock aus superfeinem Bath-Stoff, der seine breiten Schultern hervorhob. »Dich nur anzusehen, wird ihm gut tun.«
Vane zog die Augenbrauen hoch.
»Also, wer ist sonst noch hier?« Minnie runzelte die Stirn, während sie auf ihre Finger blickte. »Edmond Montrose ist unser Poet und Dramatiker. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass er von sich glaubt, der neue Byron zu sein. Und dann sind da noch der General und Edgar, an den du dich eigentlich erinnern solltest.«
Vane nickte. Der General, ein schroffes ehemaliges Mitglied des Militärs, lebte schon seit Jahren in Bellamy Hall. Sein Titel war nicht echt, es war eher ein Spitzname, den er wegen seines energisch militärischen Benehmens bekommen hatte. Auch Edgar Polinbrooke lebte schon seit Jahren bei Minnie – Vane glaubte, dass Edgar in den Fünfzigern war, ein leichter Schluckspecht, der sich einbildete, ein Spieler zu sein, doch der in Wirklichkeit eine schlichte und harmlose Seele war.
»Vergiss Whitticombe nicht«, meldete sich Timms.
»Wie konnte ich nur Whitticombe vergessen.« Minnie seufzte. »Oder Alice.«
Vane zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Mr. Whitticombe Colby und seine Schwester Alice«, erklärte Minnie. »Sie sind entfernte Cousins von Humphrey. Whitticombe hat eine Ausbildung zum Diakon gemacht und hat sich in den Kopf gesetzt, die Geschichte der Coldchurch-Abtei zusammenzutragen.« Coldchurch war die Klosterkirche, auf deren Ruinen Bellamy Hall stand.
»Und Alice – nun ja, sie ist einfach nur Alice.« Minnie verzog das Gesicht. »Sie muss schon über vierzig sein, und obwohl ich das nicht gern von einem Menschen meines Geschlechtes behaupte, so habe ich doch noch nie einen Menschen kennen gelernt, der kälter, intoleranter und abwertender ist als sie.«
Vanes Augenbrauen zogen sich noch höher hinauf. »Ich nehme an, es wäre klüger, ihr aus dem Weg zu gehen.«
»Tu das.« Minnie nickte mitfühlend. »Wenn du ihr zu nahe kommst, wird sie sehr wahrscheinlich dem Wahnsinn verfallen.« Sie warf Vane einen Blick zu. »Aber sie wird wahrscheinlich sowieso hysterisch werden, in dem Augenblick, in dem sie dich sieht.«
Vane warf ihr einen zynischen Blick zu.
»Ich glaube, das sind alle. Oh, nein – ich habe Patience und Gerrard vergessen.« Minnie sah auf. »Meine Nichte und meinen Neffen.«
Vane sah in Minnies strahlendes Gesicht und brauchte gar nicht zu fragen, ob sie ihre jungen Verwandten mochte. »Patience und Gerrard?«, fragte er freundlich.
»Die Kinder meiner jüngeren Schwester. Sie sind jetzt Waisen. Gerrard ist siebzehn – er hat von seinem Vater, Sir Reginald Debbington, die Grange geerbt, ein nettes kleines Anwesen in Derbyshire.« Minnie sah Vane mit gerunzelter Stirn an. »Du bist vielleicht zu jung, um dich an ihn zu erinnern. Reggie ist vor elf Jahren gestorben.«
Vane suchte in seiner Erinnerung. »War er derjenige, der sich den Hals gebrochen hatte, als er mit Cottesmore unterwegs war?«
Minnie nickte. »Genau der. Constance, meine Schwester, ist vor zwei Jahren gestorben. Seit Reggie tot ist, hat Patience für Gerrard die Geschäfte geführt.« Minnie lächelte. »Patience ist mein Projekt für das kommende Jahr.«
Vane betrachtete die lächelnde Frau. »Oh?«
»Sie glaubt, sie sei eine sitzen gebliebene alte Jungfer, aber das kümmert sie nicht. Sie sagt, sie wird erst daran denken, zu heiraten, wenn Gerrard sich häuslich niedergelassen hat.«
Timms schnaufte. »Sie ist viel zu beharrlich, als dass es gut für sie wäre.«
Minnie faltete die Hände im Schoss. »Ich habe mich entschlossen, Patience und Gerrard für die Saison im nächsten Jahr mit nach London zu nehmen. Sie glaubt, dass wir Gerrard ein paar Stadtmanieren beibringen wollen.«
Vane zog zynisch eine Augenbraue hoch. »Während du in Wirklichkeit vorhast, sie zu verkuppeln.«
»Genau.« Minnie strahlte ihn an. »Patience besitzt ein kleines Vermögen, das sie in Fonds investiert hat. Und was den Rest betrifft, du musst mir deine Meinung sagen, wenn du sie gesehen hast. Sage mir, wie hoch sie wohl deiner Meinung nach steigen kann.«
Vane nickte unverbindlich mit dem Kopf.
In einiger Entfernung ertönte ein Gong.
»Verdammt!« Minnie hielt ihre Schals fest, die ihr von den Schultern zu rutschen drohten. »Sie warten im Salon und fragen sich wahrscheinlich schon, was, um alles in der Welt, los sein könnte.« Sie winkte Vane zu. »Geh und mache dich frisch. Du kommst schließlich nicht sooft zu Besuch. Jetzt, da du schon einmal hier bist, möchte ich deine Gesellschaft auch genießen.«
»Dein Wunsch ist mir Befehl.« Vane verbeugte sich elegant vor ihr, dann richtete er sich wieder auf und schenkte ihr ein arrogant-verwegenes Lächeln. »Cynsters lassen eine Lady niemals unbefriedigt.«
Timms prustete los, sodass sie fast erstickte.
Vane verließ den Raum. Hinter ihm wurde gekichert, gelacht und fröhlich und erwartungsvoll geflüstert.
Etwas Eigenartiges ging vor. Vane hatte es sofort bemerkt, als er den Salon betrat. Die Hausbewohner hatten sich in verschiedenen Gruppen in dem großen Zimmer versammelt, und in dem Augenblick, als er auftauchte, sahen alle zu ihm hin.
Der Ausdruck auf ihren Gesichtern reichte von Minnies und Timms wohlwollendem Willkommen über Edgars zustimmende Musterung und einem ähnlichen Ausdruck auf dem Gesicht eines jungen Sprösslings, von dem Vane annahm, dass es sich um Gerrard handelte, bis hin zu vorsichtigem Misstrauen und äußerst eisiger Ablehnung – das Letztere von drei Leuten: einem Gentleman, von dem Vane glaubte, er sei Whitticombe Colby, einer alten Jungfer, die sich kerzengerade hielt und ein verkniffenes Gesicht machte, wahrscheinlich Alice Colby, und natürlich von Patience Debbington.
Vane verstand Colbys Reaktion. Jedoch fragte er sich, was er wohl getan hatte, um Patience Debbingtons Misstrauen zu wecken. Das war nicht die übliche Reaktion, an die er bei vornehmen Damen gewöhnt war. Er lächelte weltmännisch und schlenderte durch das große Zimmer, während er Patience Debbington ansah. Sie erwiderte seinen Blick frostig, dann wandte sie sich um und sprach mit ihrem Begleiter, einem schlanken, dunkelhaarigen Gentleman, zweifellos dem angehenden Poeten. Vanes Lächeln wurde breiter, er sah Minnie an.
»Du darfst mir deinen Arm reichen«, erklärte Minnie, als er sich vor ihr verbeugte. »Ich werde dich vorstellen, und dann müssen wir wirklich in den Speisesaal gehen, sonst wird die Köchin durchdrehen.«
Ehe sie auch noch zu dem ersten von Minnies »Gästen« getreten waren, erfasste Vane die unterschwellige Spannung zwischen den Gruppen.
Was für eine Suppe kocht Minnie hier? Und was, so fragte sich Vane, geht hier vor?
»Es ist mir eine Freude, Sie kennen zu lernen, Mr. Cynster.« Agatha Chadwick reichte ihm die Hand. Sie war eine Matrone mit entschlossenem Gesicht, ihr blondes Haar ergraute und wurde zur Hälfte von einer Witwenhaube bedeckt. Sie deutete auf das hübsche, hellhaarige Mädchen neben sich. »Meine Tochter Angela.«
Angela sah ihn mit großen Augen an und machte einen Knicks. Vane murmelte ein paar unbedeutende Worte.
»Und das ist mein Sohn Henry.«
»Cynster.« Henry Chadwick, untersetzt und einfach gekleidet, schüttelte Vane die Hand. »Sie müssen froh gewesen sein, dass Sie Ihre Reise hier unterbrechen konnten.« Er deutete mit dem Kopf zum Fenster, durch das man den Regen auf die Fliesen der Terrasse trommeln hörte.
»In der Tat.« Vane lächelte. »Eine glückliche Fügung.« Er warf Patience Debbington einen Blick zu, die sich noch immer mit dem Poeten unterhielt.
Der General und Edgar freuten sich beide darüber, das Vane sich noch an sie erinnerte. Edith Swithins war verlegen, doch Vane nahm an, dass nicht er der Grund dafür war. Die Colbys waren von einer eisigen Ablehnung, wie es nur Leute ihrer Art sein konnten. Vane vermutete, dass Alice Colbys Gesicht in viele Stücke zerfallen würde, wenn sie lächelte. In der Tat kam es ihm so vor, als hätte sie nie gelernt, wie man so etwas macht.
Und so blieben am Ende nur noch der Poet, Patience Debbington und ihr Bruder Gerrard übrig. Als Vane, Minnie an seinem Arm, auf sie zuging, blickten die beiden Männer auf. Ihr Gesichtsausdruck war offen und freundlich. Patience schien seine Anwesenheit nicht einmal zu bemerken.
»Gerrard Debbington.« Unter einem Schopf voller dichtem braunem Haar leuchteten braune Augen. Gerrard streckte ihm die Hand entgegen und wurde dann über und über rot. Vane griff nach seiner Hand, ehe er zu verlegen war.
»Vane Cynster«, murmelte er. »Minnie hat mir verraten, dass sie die nächste Saison in der Stadt verbringen werden.«
»Oh, ja. Aber ich wollte Sie etwas fragen …« Gerrards Augen leuchteten. An seiner schlaksigen Gestalt erkannte man sein Alter, an seiner eifrigen Überschwänglichkeit seine Jugend. »Ich bin an den Ställen vorbeigekommen, gerade als das Unwetter ausbrach – ich habe dort ein tolles Paar Grauer entdeckt. Gehören sie Ihnen?«
Vane lächelte. »Sie sind halb walisisch. Reinrassige Pferde mit einer ausgezeichneten Ausdauer. Mein Bruder Harry besitzt einen Deckhengst und liefert mir all meine Pferde.«
Gerrard strahlte. »Ich habe mir schon gedacht, dass es hochklassige Pferde sind.«
»Edmond Montrose.« Der Poet beugte sich vor und schüttelte Vane die Hand. »Sind Sie aus der Stadt gekommen?«
»Über Cambridgeshire. Ich musste einem ganz besonderen Gottesdienst beiwohnen, in der Nähe des herzoglichen Sitzes.« Vane blickte zu Patience Debbington, die schweigend und mit zusammengepressten Lippen auf der anderen Seite von Minnie stand. Die Nachricht, dass man es ihm erlaubte, eine Kirche zu betreten, schien das Eis in ihr nicht schmelzen zu lassen.
»Und dies ist Patience Debbington, meine Nichte«, stellte Minnie sie vor, noch ehe Gerrard und Edmond ihn weiter in Beschlag nehmen konnten.
Vane verbeugte sich elegant, als Patience ihm nur kurz zunickte. »Ich weiß«, erklärte er gedehnt und sah in ihre Augen, die sie störrisch abgewandt hatte. »Wir haben einander schon kennen gelernt.«
»Wirklich?« Minnie blinzelte, dann sah sie Patience an, die jetzt Vane mit einem dolchartigen Blick durchbohrte.
Patience warf Minnie einen ausweichenden Blick zu. »Ich war im Garten, als Mr. Cynster ankam.« Der Blick, mit dem sie Vane bedachte, war vorsichtig. »Zusammen mit Myst.«
»Ah.« Minnie nickte und ließ den Blick durch das Zimmer streifen. »Also gut, jetzt, wo alle einander vorgestellt sind, kannst du mich in den Speisesaal führen, Vane.«
Das tat er, und die anderen schlossen sich ihnen an. Als er Minnie an den Kopf des langen Tisches führte, fragte sich Vane, warum Patience nicht wollte, dass jemand erfuhr, dass sie etwas in dem Blumenbeet gesucht hatte. Während er Minnie den Stuhl zurechtrückte, stellte er fest, dass ein Gedeck ihr genau gegenüber aufgelegt worden war, am Fuß des Tisches.
»Ich würde meinen, Sie möchten sich sicher gern mit Ihrem Patenkind unterhalten.« Whitticombe Colby blieb neben Minnies Stuhl stehen. Er lächelte sie salbungsvoll an. »Ich würde ihm gern meinen Platz anbieten …«
»Das wird nicht nötig sein, Whitticombe«, unterbrach Minnie ihn. »Was würde ich nur ohne Ihre gebildete Gesellschaft anfangen?« Sie sah zu Vane auf. »Du nimmst den Platz am Fuß des Tisches, lieber Junge.« Sie hielt seinem Blick stand. Vane zog eine Augenbraue hoch, dann verbeugte er sich – Minnie zupfte an seinem Ärmel, und er beugte sich zu ihr. »Ich brauche dort einen Mann, dem ich trauen kann.«
Minnie hatte so leise geflüstert, dass nur er es hatte hören können. Vane nickte leicht mit dem Kopf, dann richtete er sich wieder auf. Als er durch den Raum an das Ende des Tisches ging, betrachtete er die Verteilung der Plätze – Patience hatte bereits den Stuhl links neben seinem angewiesenen Platz besetzt, und Henry Chadwick saß neben ihr. Edith setzte sich Patience gegenüber, während Edgar den nächsten Platz einnahm. Nichts an der Verteilung der Plätze ließ einen Grund für Minnies Bemerkung vermuten. Vane konnte sich nur vorstellen, dass Minnie mit ihrem wachen Verstand glaubte, dass ihre Nichte, die sich im Augenblick gegen ihn gewappnet hatte, wahrscheinlich Schutz vor den Colbys brauchen konnte.
Und das bedeutete, dass Minnies Bemerkung wahrscheinlich eine tiefere Bedeutung hatte. Vane seufzte insgeheim und nahm sich vor, das herauszufinden, ehe er aus Bellamy Hall floh.
Der erste Gang wurde serviert, sobald alle ihre Plätze eingenommen hatten. Minnies Köchin kochte vorzüglich. Vane genoss das Essen.
Edgar begann die Unterhaltung. »Ich habe gehört, dass die Chancen von Whippet beim Guinea-Rennen gut stehen.«
Vane zuckte mit den Schultern. »Es wird auch eine Menge Geld gesetzt auf Blackamoors Boy, und auch Huntsman wird favorisiert.«
»Stimmt es«, fragte Henry Chadwick, »dass der Jockey-Club darüber nachdenkt, die Regeln zu ändern?«
Die folgende Diskussion brachte sogar Edith Swithins dazu, kichernd eine Bemerkung zu machen. »Ihr Männer gebt den Pferden so fantasievolle Namen. Nie hört man Namen wie Goldie oder Muffins oder Blacky.«
Weder Vane noch Edgar oder Henry wollten diese Richtung des Gesprächs weiterverfolgen.
»Ich habe gehört«, erklärte Vane gedehnt, »dass der Prinzregent wieder einmal mit den Gläubigern kämpft.«
»Schon wieder?« Henry schüttelte den Kopf. »Ein Verschwender durch und durch.«
Unter Vanes unaufdringlicher Führung richtete sich die Unterhaltung auf die letzten exzentrischen Aktivitäten von Prinny, über die sowohl Henry als auch Edgar und Edith eine feste Meinung hatten.
Zur Linken von Vane herrschte jedoch Schweigen.
Eine Tatsache, die nur noch dazu beitrug, seine Entschlossenheit zu festigen, etwas gegen Patience Debbingtons offensichtliches Missfallen zu unternehmen. Der Wunsch, sie an der Nase zu ziehen, sie zu einer Antwort zu zwingen, wurde immer größer. Vane hielt sein Temperament unter Kontrolle. Immerhin waren sie nicht allein – noch nicht.
In den wenigen Minuten, in denen er sich umgezogen hatte, hatte er sich wieder beruhigt, sein Blick hatte sich wieder geklärt. Nur weil er das Gefühl hatte, das Schicksal hätte ihn hier gefangen, unter dem gleichen Dach mit Patience Debbington, war das noch lange kein Grund, die Schlacht für verloren zu halten. Er würde die Nacht über hier bleiben, würde sich mit Minnie und Timms unterhalten und um das kümmern, was Minnie Sorgen machte, und dann wieder verschwinden. Das Unwetter hatte sich wahrscheinlich bis zum Morgen ausgetobt, schlimmstenfalls würde er einen weiteren Tag hier aufgehalten werden.
Nur weil er das Gefühl hatte, das Schicksal hätte ihm Wasser gezeigt, bedeutete noch lange nicht, dass er es auch trinken musste.
Natürlich würde er sich auch noch um Patience Debbington kümmern, ehe er den Kies von Bellamy Hall wieder von seinen Stiefeln streifte. Ein heilsamer Schock oder zwei würden genügen – er würde ihr zeigen, dass er wusste, dass ihre eisige Ablehnung nur eine durchsichtige Fassade war.
Natürlich war er viel zu klug, um die Dinge noch weiterzutreiben.
Er warf seiner Beute einen Blick zu, stellte fest, dass sie eine reine Haut hatte, sanft, zart, angehaucht von einem leichten Rotton. Während er sie beobachtete, aß sie einen Bissen von dem süßen Auflauf, dann leckte sie mit der Zunge über ihre Unterlippe und hinterließ einen sanften Glanz darauf.
Schnell blickte Vane nach unten – in die großen blauen Augen der kleinen grauen Katze mit dem Namen Myst. Sie kam und ging, wie es ihr gefiel, normalerweise strich sie um Patience' Beine, im Augenblick jedoch saß sie neben Patience' Stuhl und starrte Vane an.
Vane zog arrogant eine Augenbraue hoch.
Mit einem leisen Miauen stand Myst auf, reckte sich und machte ein paar Schritte auf ihn zu, um dann um seine Beine zu streichen. Vane streckte die Hand aus und kraulte ihren glatten Kopf, dann fuhr er ihr über den Rücken. Myst bog ihm den Rücken entgegen und hob den Schwanz. Sie schnurrte so laut, dass Vane es hören konnte.
Auch Patience hatte es gehört und blickte nach unten. »Myst!«, zischte sie. »Hör auf, Mr. Cynster zu stören.«
»Sie stört mich nicht.« Vane hielt Patience' Blick stand. »Ich mag es, wenn ich Frauen dazu bringen kann zu schnurren«, fügte er noch hinzu.
Patience starrte ihn an, dann blinzelte sie. Mit gerunzelter Stirn wandte sie sich wieder ihrem Teller zu. »Nun, solange es Sie nicht stört.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Vane das Lächeln wieder von seinen Lippen vertrieben hatte, dann wandte er sich zu Edith Swithins.
Nicht lange danach standen alle auf, Minnie, mit Timms an ihrer Seite, führte die Damen in den Salon. Patience sah zu Gerrard und zögerte, ihr Gesichtsausdruck wechselte zwischen Bestürzung und Unsicherheit. Gerrard schien es nicht zu bemerken. Vane sah, wie Patience die Lippen fest zusammenpresste, beinahe hätte sie sogar zu ihm hingesehen, doch dann bemerkte sie, dass er sie beobachtete – dass er wartete. Sie erstarrte und hielt den Blick gesenkt. Vane streckte die Hand aus und zog ihren Stuhl noch ein Stück weiter zurück. Mit einem kurzen, hochmütigen Nicken ihres Kopfes wandte sich Patience um und folgte Minnie.
Sie ging so schnell, dass sie das Guinea-Rennen gewonnen hätte.
Vane sank auf seinen Stuhl zurück und lächelte Gerrard an. Mit einer lässigen Handbewegung deutete er auf den Stuhl zu seiner Rechten. »Warum rücken Sie nicht auf?«
Gerrards Lächeln war strahlend, eifrig, er verließ seinen Platz und setzte sich zwischen Edgar und Vane.
»Gute Idee. Dann können wir uns wenigstens unterhalten, ohne zu schreien.« Edmond rückte auch näher und setzte sich auf Patience' Platz. Mit einem freundlichen Brummen rückte auch der General auf. Vane nahm an, dass Whitticombe gern Abstand gehalten hätte, doch die Beleidigung wäre zu offensichtlich gewesen. Mit einem kalten, ernsten Gesicht setzte er sich auf die andere Seite von Edgar.
Vane griff nach der Karaffe, die Masters vor ihn gestellt hatte, dann blickte er auf – direkt in die Augen von Patience, die an der Tür stehen geblieben war. Offensichtlich war sie hin und her gerissen. Vane sah ihr in die Augen und zog mit kühler Arroganz die Augenbrauen hoch.
Patience' Gesicht wurde ausdruckslos. Sie erstarrte, dann schlüpfte sie durch die Tür. Ein Diener schloss die Tür hinter ihr.
Vane lächelte vor sich hin, er hob die Karaffe und goss sich ein großes Glas ein.
Als die Karaffe die Runde gemacht hatte, hatten sie sich auf den besten Tipp für das Guinea-Rennen geeinigt. Edgar seufzte. »Wir haben hier wirklich nicht sehr viel Unterhaltung.« Er lächelte befangen. »Ich verbringe die meiste Zeit in der Bibliothek. Ich lese Biographien, müssen Sie wissen.«
Whitticombe schnüffelte verächtlich. »Dilettant.«
Edgar sah Vane an und errötete, doch ließ er sich weiter nichts anmerken, dass er die Stichelei gehört hatte. »Die Bibliothek ist recht umfangreich – es gibt dort auch eine ganze Anzahl von Zeitschriften und Tagebüchern über die Familie. Sehr faszinierend.« Die leichte Betonung, die er auf die letzten Worte legte, ließ ihn viel mehr als Gentleman erscheinen als Whitticombe.
Als hätte Whitticombe das gefühlt, stellte er sein Glas ab und wandte sich mit geschraubten Worten an Vane. »Ich möchte annehmen, dass Lady Bellamy Sie davon unterrichtet hat, dass ich an einer ausgedehnten Studie über die Coldchurch-Abtei arbeite. Wenn meine Nachforschungen erst einmal vollständig sind, dann möchte ich behaupten, ohne mir schmeicheln zu wollen, dass die Abtei wieder als das wichtige kirchliche Zentrum angesehen wird, das sie früher einmal war.«
»Oh, ja.« Edmond grinste Whitticombe unbefangen an. »Aber das ist alles tote Vergangenheit. Die Ruinen sind faszinierend, auf ihre Art. Sie sind in beträchtlichem Ausmaß meine Inspiration.«
Vane sah von Edmond zu Whitticombe und hatte den Eindruck, dass es sich hierbei um ein oft erwähntes Argument zwischen den beiden handelte. Der Eindruck verstärkte sich noch, als Edmond sich an ihn wandte und Vane sah, dass seine ausdrucksvollen Augen blitzten.
»Ich schreibe das Drehbuch für ein Stück, das von den Ruinen inspiriert wurde, und das auch hier in den Ruinen spielt.«
»Sakrileg!« Whitticombe erstarrte. »Die Abtei ist ein Gotteshaus und kein Schauspielhaus.«
»Ah, aber sie ist nicht länger eine Abtei, es ist nur ein Haufen alter Steine.« Edmond grinste ohne jede Reue. »Und es ist ein so atmosphärischer Ort.«
Whitticombes empörtes Schnaufen wurde von dem General aufgenommen. »Atmosphärisch, in der Tat! Es ist feucht und kalt und ungesund – und wenn du vorhast, uns alle nach dort draußen als dein Publikum zu holen, wenn du von uns verlangst, dass wir uns auf die kalten Steine setzen, dann solltest du dir das besser noch einmal überlegen. Meine alten Knochen werden das nicht aushalten.«
»Aber es ist wirklich ein wunderschöner Ort«, meldete sich jetzt auch Gerrard zu Wort. »Einige Blicke sind herrlich, entweder werden sie von den Ruinen eingerahmt, oder die Ruinen sind der Mittelpunkt.«