Bei der Arbeit an diesem Buch haben mich zahlreiche Menschen unterstützt, sei es durch Gespräche, Diskussionen und Ermutigung; viele auch, ohne dass sie es wussten. Stellvertretend, aber nicht nur, danken möchte ich besonders meinen Eltern, dann Franziska und Jakob sowie Günther und, für die Unterstützung, der Stiftung Mercator (), die das Thema weiter verfolgen wird.
»Die Erde ist wie ein Apfel. Und wir sind wie Schimmelpilze, die ihn versauen.« Mein zehnjähriger Sohn Jakob überraschte mich eines Abends mit diesem Satz. Er und sein Freund Alexandre hatten in der Schulpause über die Umwelt geredet. Die Nachrichten über den Klimawandel waren bis ins Kinderfernsehen gedrungen und machten den beiden Sorgen. Also hatten sie über den richtigen Vergleich nachgedacht, sie wollten beschreiben, was ihnen am Lauf der Welt missfällt. Mein Sohn biss in einen Apfel, und schon war die Analogie geboren. Jakob mag Äpfel sehr gern, besonders die ohne Macken.
Sich nach so einem Satz mit seinem Sohn darauf zu einigen, dass Umweltschutz nötig ist, ist leicht. Mit ihm über Glück zu reden, ist sogar sehr leicht und zugleich unendlich schwer: Die Schule erhöht seine gefühlte Lebensqualität nicht immer, aber oft. Schließlich hat er dort Lesen gelernt, das ist ihm ziemlich wichtig, und seine Freunde trifft er dort auch. Klar gehört gutes Essen dazu (wobei seine Definition da durchaus von meiner abweicht), ab und zu ein Malzbier und ein eigenes Zimmer. Inzwischen aber auch die Demokratie. Seit er die Bilder der Revolution in Tunesien gesehen und gelernt hat, dass es in manchen Ländern lebensgefährlich sein kann, seine Meinung zu sagen, findet er Diktaturen ungeheuer blöd.
Was er braucht, um glücklich zu sein, und vor allem wie viele Dinge? Mit dieser Frage kämpft er wie wir alle. »Familie ist wichtig«, sagt er, schweigt und grinst dann: »Ein Handy wäre schon toll.«
Als wir dann beim Abendessen noch einmal über alles reden (für Zehnjährige hängt alles noch viel offensichtlicher mit allem zusammen) – über sein eigenes Glück, das der Welt, über Klima und Gerechtigkeit –, bekommt die Unterhaltung eine überraschende Wendung. In Nu macht Jakob die Zusammenhänge sehr konkret. Er findet es »klar«, dass wir seiner Generation und den Menschen im Süden etwas abgeben sollten. Deswegen müssen wir unseren CO2-Verbrauch reduzieren, sonst geht schließlich alles kaputt. Und plötzlich steht er mitten im Gespräch auf und macht das Licht im Flur aus. Das brauche er nicht für sein Glück, sagt er. Für ihn ist der Lichtschalter ein logischer Schritt auf dem richtigen Weg, er verbindet das Große mit dem Kleinen und das persönliche Verhalten mit der Welt. Trotz der lächerlich geringen Menge eingesparten Stroms erscheint ihm die Handlung nicht nutzlos.
Es ist spät geworden, doch Jakob fällt noch etwas ein. Was mit dem Nachtisch sei, will er wissen. Und als sein Vater dann grinsend sagt, es sei Bettzeit, und es stehe in der Erklärung der Menschenrechte auch nichts von einem Recht auf Nachtisch, stutzt er kurz, grinst zurück und antwortet: »Dann gib mir mal die Erklärung der Menschenrechte. Ich schreib das da rein!« Über die Erwiderung, das könne ein einzelnes Kind nicht einfach so, dem müssten erst viele andere Menschen und Länder zustimmen, denkt er eine Weile nach und sagt schließlich feixend: »Dann gründe ich eben eine Partei, die dafür kämpft.«
Er bekam an jenem Abend den Nachtisch. Und ich musste beim Schreiben dieses Buches an seine Worte denken. An die Naivität, aber auch an die Haltung. Denn ebenso wenig wie ein Menschenrecht auf Nachtisch gibt es ein Menschenrecht auf Glück. Bei wem wollten wir es denn auch einklagen? Trotzdem existiert sie seit Menschengedenken, die Suche nach dem Glück, und in jüngerer Zeit auch der moralische Konsens, dass jeder ein Recht auf die ganz eigene Suche danach haben sollte. »Wie reich wurde allzeit davon geträumt, vom besseren Leben geträumt, das möglich wäre«, schrieb schon der deutsche Philosoph Ernst Bloch und formulierte auf 1086 Seiten ungeheuer überzeugend das »Prinzip Hoffnung«, seine dringende Bitte an die Menschen, doch auch weiter auf die Machbarkeit des Unmöglichen zu hoffen und etwas dafür zu tun.
Und tun wir das nicht auch? Natürlich hoffen wir auf das gute Leben, ernüchterter zwar als ein Kind, doch durchaus in einem umfassenden Sinn und längst nicht nur für uns selbst. Nur, dass wir das gute Leben wollen, und zwar für alle, halten wir wiederum oft für so banal und zugleich so unrealisierbar, dass wir es eigentlich nicht der Erwähnung wert finden. Zu sehr klingt für uns die Suche nach dem Glück für alle nach dem Paradies auf Erden, nach einem Traum vom süßen Sommernachmittag im Liegestuhl, an dem die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und die Kinder fröhlich im Wasser plantschen. Ein Idyll. Das träumt sich schön, aber ist irgendwie nichts für die ernste Politik, die alltägliche Welt, die harte Wirtschaft. Für die Tagesschau.
Nur, warum nicht? Warum hören wir immer noch ohne Protest bei den Nachrichten jeden Abend den Berichten über die Börsenkurse zu und freuen uns, wenn dort von »Optimismus« die Rede ist, wo wir doch längst die Mär nicht mehr glauben, dass immer mehr auch immer gut ist. Warum scheint uns allzu großer Idealismus, der Umbau der Wirtschaft, der Abschied vom Wachstum, weniger Menschen mit Depressionen oder die Rettung des Klimas schon wieder fast naiv und unerreichbar und damit ein bisschen peinlich zu sein? Sicher, schon in den 1980er Jahren hat der Soziologe Ulrich Beck in seiner Erzählung von der Risikogesellschaft eine Antwort gegeben. 1986, im Jahr der Tschernobyl-Katastrophe schrieb er: In der modernen Industriegesellschaft bedrohten immer mehr Risiken die Menschen, und zwar quer durch alle Schichten hinweg. So seien beispielsweise die Gefahren der Atomkraft nachgerade demokratisch, sie machten keinen Halt vor Status oder Macht. Doch das führe nicht etwa zu einem Aufwachen, sondern eher zum Gegenteil: »Wo sich alles in Gefährdungen verwandelt, ist irgendwie auch nichts mehr gefährlich.« Paradoxerweise sorge gerade die Inflation »gefühlter Risiken« insgesamt zu mehr Gleichgültigkeit.
In den vergangenen Monaten ist genau das Gegenteil passiert. Die Menschen gingen in Massen auf die Straße, um gegen die Atomkraft zu protestieren. Und die Regierung schaltete die Meiler ab. Viele Bürger engagieren sich heute in allen möglichen Gruppen, Vereinen und Bündnissen für oder auch gegen ganz konkrete Ziele. Die Zahl der Initiativen wächst. Man mag über diese »Wutbürger« lästern, man könnte aber auch von Demokraten, von engagierten Kämpfern für Fortschritt und Lebensqualität sprechen. Wir streiten mehr denn je, und das ist gut so, auch wenn es dabei scheinbar nur um Bahnhöfe, mehr Lehrer oder den besten Weg in eine grüne Energieversorgung geht. Im Hintergrund läuft sie immer mit: die große Suche nach der richtigen Idee vom Fortschritt.
Dabei stehen die Chancen, dass Deutschland auf diese Weise zu einem anderen Land mit einer besseren Politik und anderen Kriterien für Fortschritt und Erfolg wird, gar nicht so schlecht. Es muss hierzulande nicht beim spontanen Engagement bleiben oder dabei, dass jeder die Lösung am Ende nur für sich und seine Familie sucht. Denn wir erlauben uns, ganz anders als beispielsweise die Menschen in den USA, immer noch ein vergleichsweise starkes Vertrauen in Politik und Gesellschaft. Wir wollen (trotz allem Zynismus und trotz der Entfremdung von den Parteien) immer noch daran glauben, dass wir durch Politik etwas verändern können und dass es eine aktive Gesellschaft gibt. Das klingt banal, doch ist das schon viel und hat sehr konkrete Folgen.
Eine Freundin, die zwischen den Welten beiderseits des Atlantiks lebt, formulierte es unlängst so: Wenn sie in den USA sei, wo sie eine nette Wohnung und einen interessanten Job hat, funktioniert alles gut. Doch beim Lebensgefühl nach Feierabend fehle ihr viel. Das beginne schon bei der Möglichkeit, einfach in die Stadt zu fahren und mal zu schauen, was so los sei. Ersten gebe es kein Stadtzentrum, nur die Shopping Mall. Und zweitens drehe sich dort eben alles fast immer ums Einkaufen. Öffentlichkeit und Freizeitgestaltung, die nicht mit Konsum zu tun haben, müsse man kompliziert organisieren: In Clubs, bei der Kirchengemeinde oder den Freunden, und auch da spiele oft Geld eine Rolle. Denn nur mit dem entsprechenden Verdienst könne man im richtigen Viertel leben oder die Mitgliedschaft im richtigen Club kaufen. Dass das Leben durch große Politik geändert oder gar verbessert werden könne, daran glaubten in den USA trotz Obama immer weniger Leute.
Natürlich hängt auch hierzulande für jeden Einzelnen im Privaten vieles am Geld, am Status. Und doch ist diese Tatsache bei uns weniger brutal, zählt anderes noch mehr. Eine Britin beschrieb das unlängst so wunderschön in einem Zeitungsartikel: Welch ungläubiges Staunen sie bei ihren Freunden aus London erntete, als sie erzählte, wie sie mit 40 Jahren nun in Berlin lebt und Zeit und Lust hat, Blockflöte zu lernen. All ihre Freunde arbeiten in London bis zum Umfallen, um die Hypotheken für das Haus in einem guten Viertel zu zahlen, die Versicherungen und die Schulgebühren für die Kinder. Alle sind gefangen in der Tretmühle von Status und Konsum, auf der Jagd nach dem vermeintlichen Glück.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich wird das Glück der Menschheit oder der Deutschen nicht dadurch größer, dass nun jeder den Job hinwirft und Blockflöte lernt. Meines jedenfalls würde wahrscheinlich schrumpfen, zumindest wenn das in meiner Nachbarschaft geschähe. Ich hasse schiefe Flötentöne. Aber umweltfreundlicher als Porsche fahren ist das Flöten als Hobby schon, auch wenn der Geräuschpegel derselbe ist, und deswegen wäre es auch ein kleiner Schritt auf dem gemeinsamen Weg ins »Mehr tun statt mehr haben«.
Einen großen Schritt weiter wären wir, wenn wir endlich mit der ehrlichen, öffentlichen Debatte über das begännen, was wir wirklich brauchen, was uns zufriedener macht und zugleich die Umwelt erhält, und wenn wir solche Themen nicht automatisch mit dem Reflex »das geht keinen was an, das ist Ökodiktatur« wegwischen würden. Wenn wir dann noch lernten, den Gedanken ans materielle Weniger nicht sofort panisch von uns zu weisen, könnten wir endlich auch anders über uns und unsere Maßstäbe für eine Politik der Lebensqualität reden, über gerechte Steuerreformen, Stadtplanung, Wirtschaftspolitik.
Auch für die da in Berlin könnte das übrigens mehr Glaubwürdigkeit bringen, ließen sie mehr Raum für solches Querdenken. Den Grünen, die Wirtschaftspolitik noch am ehesten mit Fragen von Lebensqualität und Umweltschutz kombinieren, fallen solche Debatten sicher noch am leichtesten. Doch auch der SPD könnte sie nützen, weil sie so endlich wieder zu einer modernen, glaubhafteren Idee von Fortschritt finden könnte. Die CDU könnte anders von der Bewahrung der Schöpfung sprechen und die FDP ihren Begriff von Freiheit wieder erweitern.
Das sind die Politiker und wir uns schuldig, alleine schon aus Respekt vor den Armen, und zwar nicht nur denen in Indien. Auch hierzulande ist es unwürdig, Menschen mit mehr oder weniger Sozialhilfe abzuspeisen und uns ansonsten damit abzufinden, dass wir eben auch eine Unterschicht haben. Das können wir besser: Wir könnten die Forderung nach mehr Lebensqualität für alle in der Gesellschaft wirklich ernst nehmen und sie eben nicht nur am Besitz festmachen. Dass wir inzwischen arme Kinder durch Schulessen und Nachhilfe, durch die Finanzierung ihres Fußballvereins und des Musikunterrichts fördern, weist endlich in die richtige Richtung.
Eines habe ich im Journalismus gelernt: Die interessantesten Antworten bekommt man auf naive Fragen. Was macht uns glücklicher? Die Antworten darauf sind mitnichten klar. Es gibt erste Hinweise, es existieren viele kleine Ideen, aber natürlich kein fertiges Rezept. Es ist ziemlich eindeutig, dass uns immer mehr Wohlstand nicht automatisch glücklicher macht, vielleicht stimmt sogar das Gegenteil. Dass uns die ökologischen Nebenwirkungen des maßlosen Wachstums sehr wahrscheinlich unglücklicher machen werden, wird leider immer wahrscheinlicher. Es ist unsicher, wie unsere Gesellschaft reagiert, wenn die Wirtschaft aus ökologischen oder demographischen Gründen tatsächlich eines Tages weniger wächst. Dass das passieren wird, ist hingegen sehr wahrscheinlich. Die entscheidende Frage lautet daher: Wie gut sind wir darauf vorbereitet? Wie sehr lassen wir uns auf den Gedanken vom Weniger ein: ökonomisch, kulturell, privat. Wann wagen wir es, ihn auch politisch zu diskutieren? Wann reden wir über die wirklich notwendigen Grundbedingungen für ein gutes Leben nicht mehr nur in stillen Stunden bei einem Glas Wein, sondern auch im Job, im Ratssaal, im Bundestag?
Bei der Suche nach dem Glück für alle ist es ein bisschen so wie mit dem Kölner Dom. Der muss ständig renoviert werden, damit er nicht zusammenbricht. Deswegen heißt es auch, wenn der Dom einmal fertig sei, gehe die Welt unter. Solange aber an ihm gebaut wird, ist er ziemlich prächtig.
Wussten Sie schon? Sie leben in der Besten aller Welten! So gut wie heute ging es uns angeblich nie. Wieder ist unser Wohlstand im vergangen Jahr gewachsen, trotz der Finanzkrise sind wir reicher, haben mehr Autos, mehr iPods und größere Wohnungen als je zuvor. Super, alles gut, alle glücklich. Alle glücklich?
Sie waren sicher schon mal bei Tchibo. Ich schlendere dort regelmäßig vorbei, schaue nach all dem Krimskrams, den ich nie benötige, aber immer gut brauchen kann. Eines Tages hatte ich dort die Erleuchtung. Na ja, Erleuchtung ist etwas hoch gegriffen, aber egal: In der einen Hand hielt ich jedenfalls eine Blumenvase, in der anderen eine praktische Computertasche und plötzlich schoss mir durch den Kopf: Wenn das die Antwort ist, was war noch mal die Frage? Dann wurde mir klar: Sie lautete nicht: Was brauche ich? An dem Tag ging es nicht um die vielen Schnäppchen, nicht um die Laptoptasche, nicht um die Vase. Davon haben wir zuhause längst genug, Sie wahrscheinlich auch. Ich wollte in Wirklichkeit nur meinen Ärger verdrängen. An anderen Einkaufstagen suchte ich mal einen Zeitvertreib, mal eine kleine Belohnung. Immer aber ging es dabei auch um eine kleine Portion Glück. Raus kamen neue Vasen.
Auch dieses Buch handelt von der Suche nach Glück. Aber keine Bange, es folgt nun kein kluger Wegweiser zur privaten Selbstfindung durch Verzicht. Dafür gibt es kurzweilige Werke zuhauf, die Ihnen mit schönen Worten alles Mögliche verschreiben, Genügsamkeit, gutes Essen, Bewegung und allerlei andere Medizin. Dafür lesen Sie lieber die Bibel oder Aristoteles. Atmen Sie richtig, machen Sie viel Yoga. Oder legen Sie sich ganz einfach in die Sonne.
In diesem Buch geht es um mehr. Es geht um Sie und um uns, unserer Bedürfnisse, unsere Politik und unsere Gesellschaft. Es geht um unser aller Glück. Denn damit stimmt etwas nicht im Lande. Eine gute Gesellschaft ginge anders mit sich und ihrem Wohlstand um, sorgsamer, und eine gute Politik mit den Menschen und dem Land ebenfalls. Wir alle fühlen das und rätseln doch zugleich, wie die Sorge um die eigene Zukunft oder die der Kinder, das Misstrauen gegenüber den Volksparteien, die Angst vor dem Klimawandel, der Einkauf im Supermarkt und die Furcht vor dem Verlust des Jobs zusammenpassen. Es fühlt sich nur immer häufiger so an, als ob uns etwas zwischen den Fingern zerrinnt.
Dies hier ist der Bericht einer Suche. Wie können wir die Politik dazu bringen, sich stärker um unser Glück zu kümmern? Wie schaffen wir es, dass sich in diesem so ungeheuer reichen Land wieder mehr Menschen auch reich fühlen? Für dieses Buch habe ich mit Experten aus aller Welt über moderne Kriterien für mehr Lebensqualität diskutiert. Ich habe nachgeforscht, warum die Bundesregierung, die Europäische Kommission und viele Parteien dieses Thema so gern meiden und uns stattdessen lieber glauben machen wollen: Wenn nur die Wirtschaft wächst, wird alles gut. Ich berichte, welche Neuigkeiten es bei der globalen Suche nach Glück gibt. Wer die Nase vorne hat. Wie man Wohlstand besser messen kann. Warum sich die Ökonomen mit Händen und Füßen dagegen wehren, vom Thron gestoßen zu werden. Und wie der Wachstumswahn die Suche nach mehr Lebensqualität behindert.
Dieses Buch verfolgt das Thema auch in der deutschen Politik: Es beschreibt, welche Politiker weiterdenken und wie Vordenker in manchen Parteien versuchen, den alten Wunsch der Menschheit nach einem guten Leben neu in deren Programme einfließen zu lassen. Es stellt jene vor, die dieses Ziel mit Zähigkeit, Phantasie und ungeheurer Geduld immer wieder anmahnen. Und es erzählt, wie wir den Wachstumswahn privat und politisch mildern können, dadurch zufriedener werden und so ganz nebenbei vielleicht auch noch den Globus retten.
Sie runzeln jetzt wahrscheinlich die Stirn. Mehr Glück für alle, den Wachstumswahn beenden und nebenbei auch noch die Welt retten: Das scheint ziemlich viel auf einmal. Und zu Recht grummeln Sie wahrscheinlich weiter: Wie kann man nur so naiv sein, ausgerechnet von der Politik mehr Glück zu erwarten? Die da in Berlin sollen sich doch besser aus den intimen Bereichen unseres Lebens, aus dem Gefühlshaushalt raushalten. Das geht doch nur jeden ganz persönlich etwas an. Schließlich waren in der Vergangenheit vermeintliche Volksbeglücker oft genug am Ende fürchterliche Volksverhetzer. Mit Ideologen sind wir in diesem Land ein für alle Mal fertig. Zudem, ist Glück nicht sowieso etwas höchst Flüchtiges, dem Moment verhaftet und kaum planbar und damit für die Politik völlig ungeeignet?
Das stimmt alles und stimmt doch nicht. Denn es gibt mindestens zwei gute Gründe, warum wir das Unmögliche versuchen sollten, über Glück, Umwelt und Wachstum zugleich nachzudenken und das auch von der Politik verlangen müssen. Erstens: Wir werden tatsächlich immer unglücklicher. Offensichtlich fehlt es hierzulande immer mehr Menschen immer häufiger an den Zutaten, die ein Land lebenswert machen – ohne dass wir ausreichend nachforschten, welche das denn sind. Die Angst vor dem Abstieg hat die Mittelschicht längst erreicht. Und selbst wenn viele der Sorgen nur eingebildet sein mögen, schauen wir eben nicht optimistischer in die Zukunft als unsere Eltern. Das hat Folgen: Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Leute, die an Depressionen oder neudeutsch Burn-Out erkranken. Schon Schulkinder fühlen sich gestresst und haben Angst zu versagen. In einem Land, das reich ist wie nie zuvor, in dem die Wirtschaft boomt und dem es angeblich so gut geht, wie seit Jahren nicht, ist das absurd.
Hinzu kommt die Furcht vor dem Umweltgau: Ganz offensichtlich ruinieren wir durch unsere Art zu leben den Globus oder zumindest dessen Klima. Unsere Ökonomie macht uns zwar nominal reicher, aber in Wirklichkeit ärmer. Wir wachsen uns quasi arm, unser Vorzeigewirtschaftswunderland lebt auf Pump, ökologisch gesehen. Wir sind kein Modell für den Rest der Menschheit – zumindest nicht, solange wir nicht noch einen zweiten bewohnbaren Planeten finden und uns Scotty vom Raumschiff Enterprise irgendwann dorthin beamt. Und weil wir das ahnen, beruhigen wir uns kurzfristig mit Ökoeiern und Solarstrom – und fürchten zugleich doch immer mehr, dass es am Ende kein gutes Leben im schlechten gibt. Dass wir oder unsere Kinder irgendwann für unseren Lebensstil teuer werden bezahlen müssen.
Wie wäre es, wenn wir stattdessen beides zusammen dächten: die Angst vor dem Untergang und die Suche nach einem guten Leben? Wie wäre es, wenn wir die Erkenntnisse der modernen Glücksforschung, die in Deutschland noch kaum beachtet werden, mit denen der Ökonomen und der Umweltforscher zusammenbrächten? Dann ergäbe sich, was intuitiv mancher von uns schon lange spürt: Wir sollten unser Leben und unser Land ändern, und zwar nicht nur, weil das dem Globus hilft. Wir sollten es auch tun, um glücklicher zu werden.
Heute weiß die Wissenschaft, und langsam sickert diese Erkenntnis auch in die Öffentlichkeit: Es gibt glücklichere Nationen und weniger glückliche. Zufriedenheit, Wohlgefühl oder das, was schon bei den alten Griechen als »gutes Leben« verstanden wurde, ist nicht nur vom Zufall oder von den Genen abhängig. Man kann es lernen, zumindest ein wenig. Das »gute Leben« braucht außerdem einen gewissen Wohlstand, allerdings viel weniger, als wir schon haben. Ganz wichtig aber ist: Es ist leichter zu erreichen, wenn die Politiker, die Unternehmer, Gewerkschaften und Arbeitgeber, kurz, wenn die ganze Gesellschaft daran mitarbeitet. Es gibt gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen, die den Menschen guttun und, andere, die für sie schlecht sind. Und die lassen sich ändern.
Interessant ist, dass darüber kaum jemand redet. Welches Land gut wächst, geht durch alle Medien. In welchem Land die Menschen zufrieden leben, ist höchstens eine Meldung auf den bunten Seiten. Wir haben es zugelassen, dass Wachstum zum Synonym für Glück geworden ist. Mit fatalen Folgen: Mit dem Hinweis aufs Wachstum bewerten wir Staaten. Diejenigen, bei denen die Wirtschaft immer mehr produziert, gelten als Sieger im globalen Wettbewerb, und diesem Wettlauf ordnen wir alles unter. Mit Hinweis auf die Wettbewerbsfähigkeit werden Schulzeiten verkürzt, Autobahnen gebaut und Kohlekraftwerke verteidigt. Selbst die Familienpolitik der Bundesregierung ist laut Familienreport sinnvoll, weil sie »das Wachstum und die einzelwirtschaftliche Rendite« steigere. Wenn die Volkswirtschaft boomt, so der Konsens, dann schwingt da mit: Hoppla, jetzt geht’s uns wieder besser.
In Wirklichkeit kann sogar das Gegenteil richtig sein. Bei vielen der oben erwähnten Maßnahmen ist der Zusammenhang zwischen Glück und Wachstum unbewiesen, und manche machen die Bürger sogar unglücklicher. Was nützt mehr Geld, wenn zugleich der Job immer stressiger wird, der Druck immer höher? Die meisten Politiker weichen aus, und Ökonomen gucken einen an wie eine kranke Kuh, wenn man fragt: Müssten wir nicht den Fortschritt und die Erfolge eines Landes ganz anders messen als mit Wachstum? Müssten wir nicht über unsere tief verwurzelte Angst vor dem Weniger reden und uns auf die Suche nach mehr Lebenslust machen?
Dies wird kein Appell zur Askese, kein kulturpessimistisches Werk voller Technologieverdrossenheit. Im Gegenteil: Es soll zeigen, wohin gerade der menschliche Drang nach Entdecken, nach neuem Erleben und die Fähigkeit, eigene Fehler zu korrigieren, uns führen können. Dabei kann die Glücksforschung eine bislang viel zu wenig beachtete Hilfe sein. Denn egal, welche Umfrage man nimmt, in einem sind sich alle Forscher einig: Glück hat nichts mit immer mehr Tischdecken und Kühlschränken zu tun, aber viel mit uns, unserer Politik und Wirtschaft. Nur haben wir das offensichtlich verlernt, sind Ökonomen aufgesessen, Ideologen und Märchenerzählern. Dieses Buch wird auch von deren Lügengeschichten erzählen.
Fertige Rezepte à la »Erstens, zweites, drittens, und glücklich ist das Land« wird es am Ende zwar nicht geben. Aber Sie werden ein paar interessanten Leuten begegnet sein, von den einen oder anderen guten Ideen aus fernen glücklicheren Ländern und interessanten deutschen Orten gelesen haben und dann hoffentlich meine Ungeduld teilen. »Empört Euch!«, schrieb der französische Autor und ehemalige Résistance-Kämpfer Stéphane Hessel im vergangenen Jahr, und sein Appell wurde weltweit gelesen, denn er forderte: Nehmen wir uns doch wieder als Bürger ernst und unsere Regierungen auch. Viel zu oft haben wir uns von denen in den vergangenen Jahrzehnten anhören müssen, dass nationale Politik in Zeiten der Globalisierung nichts mehr kann und wenig wollen darf. Gute Rahmenbedingungen für das mobile Kapital seien wichtig, das Volk müsse fit gemacht werden für den Wettbewerb aller gegen alle. Dabei ist heute längst klar: Immer schneller, immer höher, immer mehr macht nicht nur den Globus kaputt. Es macht uns eben auch nicht glücklicher, sondern es zwingt uns in die Tretmühle, und zwar jeden in seine ganz private.
Dieses Buch will zum Gegenteil ermutigen. Es will zeigen, wie die Gesellschaft lebenswerter werden kann, wenn nicht nur jeder für sich allein ein bisschen anders einkauft, mehr Yoga macht oder den Stromanbieter wechselt, sondern indem wir unsere Politik ändern und den Politikern einen neuen Auftrag geben: Macht uns glücklich!