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Fredmund Malik

NAVIGIEREN IN ZEITEN DES UMBRUCHS

Die Welt neu denken und gestalten

Campus Verlag
Frankfurt/New York

Über das Buch

Unsere Gesellschaft durchläuft den größten Veränderungsprozess, den es je gegeben hat. Ähnlich wie nach dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft wird in wenigen Jahren alles anders sein:

- was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun,

- wie wir produzieren und konsumieren,

- wie wir erziehen und forschen,

- wie wir arbeiten - und wie wir leben.

So wird künftig etwa Wissen wichtiger sein als Geld, das Finanzsystem wird untergehen und wir müssen die Demokratie neu erfinden. Bestsellerautor und Management Vordenker Fredmund Malik zeigt in seinem neuen Buch, welche Chancen solch fundamentale Umbrüche bieten.

Und Malik belässt es nicht allein bei der scharfsinnigen Analyse. Der Bestsellerautor von »Führen Leisten Leben“ beschreibt Lösungen und macht konkrete Vorschläge, wie Gesellschaft, Politik, Unternehmen und letztlich wir alle den Umbruch in eine neue Welt meistern können.

Dank Fredmund Malik wissen wir schon heute, wie die komplexe Gesellschaft von morgen gemanagt werden muss.

Vita

Prof. Dr. Fredmund Malik (geb. 1944, Lustenau/Österreich) gehört zu den renommiertesten Managementvordenkern. Er ist bekannt für seine scharfsinnigen Analysen und seine klare Sprache. Sein über Jahrzehnte konsequent vom Zeitgeist losgelöstes Verständnis von Management hat Generationen von Führungskräften beeinflusst. Malik ist an der Schweizer Universität St. Gallen habilitierter Professor für Unternehmensführung, Gründer und Inhaber der führenden Institution für das Management komplexer Systeme mit Niederlassungen in St. Gallen, Zürich, Wien, Berlin, London, Toronto, Peking und Shanghai. Darüber hinaus ist er als Mitglied und Vorsitzender in Aufsichts-, Verwaltungs- und Stiftungsräten fundierter Kenner der Praxis von Corporate Governance. Malik lebt in St. Gallen/Schweiz, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Das Thema Bergsteigen und Management beschäftigt den passionierten Alpinisten seit Jahren.

Fredmund Malik ist ein vielfach ausgezeichneter Autor von Bestsellern, darunter der Klassiker »Führen Leisten Leben«, der zu den 100 besten Managementbüchern aller Zeiten gehört. Zu seinen Auszeichnungen zählen das Ehrenkreuz der Republik Österreich für Wissenschaft und Kunst (2009) und der Heinz-von-Foerster-Preis für Organisationskybernetik der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik (2010).

INHALT

VORWORT

Kapitel 1
Warum neu denken?

Thesen

Kapitel 2
Die Große Transformation21

Ein Zeichen unserer Zeit?

Von der Alten Welt zu einer Neuen Welt

Ein besonderer Wandel

Die Welt von 1997

»Klassisches Management«: ein Auslaufmodell

Fast alles wird sich ändern

Geburtswehen einer Neuen Welt

Ökonomie genügt nicht

Krise des Navigierens und Funktionierens

Die REvolution der Organisationen

Kapitel 3
Das Grundgesetz des Wandels

Eine Karte für Einblick, Durchblick, Überblick

Navigieren ins Unbekannte

Falsche Signale

Nicht nur eine, sondern drei Strategien sind nötig

Substitution und Kreative Zerstörung

Fundamentale Transformationen

Dem Wandel voraus sein

Kapitel 4
Die Treiber der Transformation

Demografie

Von Migration und Kompetenzfestungen

Polarität von Inklusionismus und Exklusionismus

Mehrere Gesellschaftstypen gleichzeitig

Die Komplexitätsgesellschaft ist die Herausforderung

Ökologie

Grenzen des Wachstums

Wirtschaftsführer engagieren sich persönlich

Im Spannungsfeld von WAS und WIE

Wissenschaft und Technologie

Vor großen Durchbrüchen zu einem neuen Weltbild

Systemische Vernetzung fördert den Fortschritt

Frei von Raum und Zeit

Wissen managen

Ökonomie und Verschuldung

Lehman und die Brandbeschleuniger der Krise

Falsch programmierte Navigationssysteme der US-Unternehmen als Ursache

Wie man die Dinge in eine neue Ordnung bringen kann

Haupttreiber Komplexität

Kapitel 5
Komplexität ist der Rohstoff der neuen Welt

Grenzen der alten Denkweisen

Was ist Komplexität? Was ist Varietät?

Unverstehbar, aber dennoch manageable

Einfache und komplexe Systeme

Kompliziert oder komplex?

Kapitel 6
Systems Out of Control?

New Governance by Cybernetics: Communication and Control

Kybernetik für Selbstfähigkeiten

Wirtschaften ist zu wenig

Kapitel 7
Komplexität für das Funktionieren von Organisationen

Zwei Ebenen des Funktionierens

Sachaufgaben und Managementaufgaben

Die Konstanten im Wandel: Master Controls

Wie Master Controls funktionieren

Die Systempolitik

Modes of Organisation

Organisational Issues

Navigationsassistenten für die Transition

Real Time Control

Hub-Prinzip und One Person Responsibility

Die Steuerungszentrale: Operations Room

Nervensysteme für Organisationen: Viable System Model

Sensitivität der Regelkreise von Organisationen modellieren

Sozialtechnologien für Plattformen des Wandels: Syntegration

Kapitel 8
Heuristiken: Navigationsprinzipien für Neuland

Prinzipien für die Lagebeurteilung im Ungewissen

Grundsätze für die Lenkungskapazität und Beziehungsgestaltung

Heuristiken für die Informationslage

Prinzipien für die Überzeugungsfähigkeit

Kapitel 9
Vom Umbruch zum Aufbruch

Zum Umgang mit Grenzen

Leadership in eigener Sache

Ständige Verbesserung der persönlichen Effektivität

Wenn etwas neu ist: Führen mit Instruktionen

Nicht nur Kommunikation, auch Metakommunikation

Chefs und Kollegen managen

Management als Leidenschaft für das Mögliche

EPILOG

LITERATUR

AUSGEWÄHLTE LITERATUR VON FREDMUND MALIK

REGISTER

VORWORT

Navigieren ist die Kunst des Steuermanns. Navigieren heißt, den Standort feststellen, das Ziel festlegen und den Weg dorthin steuern.

Die höhere Form des Navigierens ist die Fähigkeit, sich im Unbekannten zurechtzufinden – dann, wenn die Standorte ungewiss, die Ziele beweglich und die Wege vielfältig sind.

In diesem Buch beschreibe ich die neuen Methoden des Navigierens in einer Neuen Welt, darunter auch Denkprinzipien und Regeln des Handelns bei Ungewissheit und hoher Komplexität.

Die Neue Welt, von der hier die Rede sein wird, ist zwar in vielen Dimensionen noch unbekannt. Was kann man aber dennoch schon wissen? Vielleicht wissen wir bereits viel mehr als wir heute meinen.

So wissen wir etwa, dass das Neue komplex sein wird. Das wird die größte Herausforderung für Führungskräfte sein. Das gilt auch für Organisationen aller Art – für Wirtschaftsunternehmen ebenso wie Krankenhäuser, für Verwaltungsorganisationen genauso wie für Schulen, für Städte und für Staaten. Wir wissen, dass all diese Organisationen trotz wachsender Komplexität funktionieren müssen, aber und gerade mit Komplexität immer besser und neu funktionieren können. Wir kennen Methoden und Instrumente für den richtigen Umgang mit Komplexität, und für das Meistern von Komplexität haben wir systemkybernetisches Management.

Also können wir – trotz aller Ungewissheiten und Unsicherheiten – durch die Zeit des Umbruchs navigieren. Dabei werden wir mit jedem unserer Schritte mehr erfahren, denn so sind komplexitätsgerechte Methoden und Modelle mit ihren Feedbacks angelegt.

Die Neue Welt entsteht durch die Große Transformation21, wie ich 1997 den fundamentalen Umwandlungsprozess nannte. Sie befreit die Alte Welt von organisatorischen und manageriellen Beschränkungen, um besser zu funktionieren, um Neues zu denken und zu gestalten.

Ich danke dem Team des Campus Verlags, vor allem Frau Dr. Judith Wilke-Primavesi und Frau Selina Hartmann. Mein besonderer Dank gilt Frau Mag. Tamara Bechter für die gute Zusammenarbeit. Ohne sie würde es dieses Buch so nicht geben.

Fredmund Malik

St. Gallen, im Juni 2015

Kapitel 1
Warum neu denken?

Wo stehen wir? Was geht »da draußen« vor? Wie kann ich mich zurechtfinden? Was soll ich tun? Vielen fehlt die nötige Orientierung, um sich in der Komplexitätsgesellschaft zurechtzufinden. Zuverlässig Orientierung zu bekommen, ist für Führungskräfte aller Organisationen der Gesellschaft zur großen Herausforderung geworden. Aber nicht nur für diese, sondern für die meisten Menschen überhaupt.

Thesen

  1. Wenn sich, wie derzeit, die Nein-Sager häufen, die einem erklären, was nicht geht und was nicht möglich ist, so ist das ein Indiz für Zeiten des Umbruchs. Was einmal richtig war, ist plötzlich falsch. Viele erkennen im Neuen nur das Alte und richten ihr Handeln daher exakt falsch aus. In einem Umbruch ist das ein dominantes Muster.

  2. Wirtschaft und Gesellschaft stehen global in einer der geschichtlich größten Transformation von der Alten Welt, wie wir sie kennen, in eine Neue Welt, die wir noch nicht kennen. Durch diese Transformation wird sich fast alles ändern: Was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun – und auch wer wir sind.

  3. Die größte Herausforderung der Neuen Welt ist ihre immense Komplexität. Komplexität ist der Hauptgrund für die wachsende Zahl von lokalen und globalen Krisen.

  4. Deren Ursprung liegt in veralteten Organisationen und ihrer wachsenden Unfähigkeit, Komplexität zu meistern. Immer mehr Organisationen sind überfordert, langsam, ineffizient und gelähmt.

  5. Diese Unfähigkeit resultiert aus falsch programmierten Navigationssystemen, aus Strukturen des vorigen Jahrhunderts, aus einem veralteten Managementverständnis sowie überholten Methoden und Instrumenten des Steuerns, Lenkens und Gestaltens.

  6. Aus dieser Unfähigkeit heraus reagieren immer mehr Organisationen mit der falschen Strategie: Sie wollen Komplexität reduzieren, um weiterhin an ihrem veralteten Funktionieren festhalten zu können. Sie sehen Komplexität ausschließlich negativ. Damit verhindern sie Lösungen und tragen zur Verschärfung von Krisen bei.

  7. Die richtige Strategie ist das Nutzen von Komplexität. Nur daraus entstehen Lösungen. Denn Komplexität ist der Rohstoff für Intelligenz, Innovation und Evolution, für Selbstregulierung und Selbstorganisation, und für alle höheren Leistungen. Komplexität ist der Baustoff für die Neue Welt und ihre neuen Organisationen. Das Gelingen der Großen Transformation21 hängt somit wesentlich davon ab, das organisatorische »Gewebe« der Gesellschaft und dessen Management grundlegend zu reformieren.

  8. Das Wissen über Komplexität und wie man sie meistert, ist die wichtigste Ressource für funktionierende Organisationen. Es ist ein systemkybernetisches Wissen, das wichtiger ist als Zeit und Energie. Information über Kybernetik wird wichtiger als Geld, Selbstorganisation wird wichtiger als Macht.

  9. Dies betrifft auch die Gesellschaft als Ganzes. Ihre bisherigen politischen Ordnungskategorien der polaren Gegensätze von Kapitalismus und Sozialismus sind überholt, weil sie in der Komplexitätsgesellschaft weder Orientierung geben noch Probleme lösen. An ihrer Stelle brauchen wir eine neue Systemintegration – den humanen Funktionismus – als Orientierungsraster für das Navigieren durch die Umbruchzeiten.

Kapitel 2
Die Große Transformation21

»Gerade unser Verständnis der Welt beeinflusst
die Bedingungen der sich wandelnden Welt.«

Karl Popper

Ein Zeichen unserer Zeit?

Mehr als je zuvor treffe ich auf allen – selbst den obersten Führungsebenen – auf Menschen, die mir erklären, was nicht geht, auch unter jenen, die so etwas früher nie gemacht haben.

Mittlerweile scheint es mir fast ein Zeichen der Zeit zu sein, dass die Zahl der notorischen Nein-Sager stetig steigt, und wenn ich die Zögerer und Zauderer noch hinzuzähle, dann ist es schon die Mehrheit. Aus dem früheren »Alles ist möglich« ist beinahe ein »Nichts mehr ist möglich« geworden.

Die heutigen Nein-Sager sind aber anders als die früheren. Denn sie sind meistens nicht einfach »nur so dagegen«, sondern sie haben gute Gründe für ihre ablehnende Haltung. Viele haben sogar Recht, denn tatsächlich geht vieles nicht oder nicht mehr.

Ich nehme das als ein Indiz dafür, dass der zwar schon lange, aber doch noch gebremst vor sich gehende Wandel nun in die Phase der Beschleunigung und Intensivierung kommt. Die Menschen spüren, dass sich in immer mehr Bereichen der Gesellschaft Grundlegendes ändert, und dass es irreversibel sein wird. Aber die meisten können sich keinen Reim darauf machen. Sie erleben auch immer stärker und bewusster, dass ihnen Orientierung fehlt.

In der Alten Welt geht vieles nicht mehr, weil sie ihrem Ende zugeht. In der Neuen Welt geht vieles noch nicht, weil es noch nicht richtig da oder noch nicht reif genug ist. Gerade deshalb ist es in allen Organisationen eine der Kernaufgaben der Führung, nach Wegen zu suchen, auf denen es dennoch geht. Es geht um das Navigieren in turbulenten Zeiten des Umbruchs. Wir betreten Neuland und wissen noch nicht, wie wir damit umgehen werden.

Von der Alten Welt zu einer Neuen Welt

Wirtschaft und Gesellschaft aller Länder gehen durch eine der größten Transformationen, die es in der Geschichte je gab. Wir sind Zeitzeugen einer umwälzenden Transformation der Alten Welt, wie wir sie kennen, in eine Neue Welt des noch Unbekannten. Es ist die Entstehung einer grundlegend neuen Ordnung und eines neuen gesellschaftlichen Funktionierens – eine gesellschaftliche REvolution einer neuen Art.

Was an der Oberfläche wie eine Finanz-, Wirtschafts- oder Schuldenkrise aussieht, kann man eine Dimension größer besser verstehen als die Geburtswehen einer Neuen Welt, in der fast alles anders sein wird als bisher. Selbst wenn der Wandel später rückblickend weniger gravierend sein sollte, so hätte man strategisch keinen Fehler gemacht. Herausforderungen zu überschätzen, ist weniger gefährlich als das Gegenteil.