Inhaltsverzeichnis

Katerstimmung

Nach Canossa

Überraschung

Los gehts

Abgehoben

Monstrum

Road to nowhere

Stereotyp

Refugium

Mission

Rettung

Essenzielles

Quo vadis?

Rotkopf

Lezione Numero Uno

Weisheiten

Platsch

Gluck, Gluck

Lezione Numero Due

Testlauf

Ambulanza

Abwege

Party Chicks

Und sie tanzten einen Tango

Weg

Ent oder weder

Erwachen

Vorbei

Orange-Abgabe

Epilog

Bevor Sie gehen

Leseempfehlung 1

Leseempfehlung 2

Leseempfehlung 3

Impressum

 

 

 

Katerstimmung

erdammte Axt, wie hat diese Jones das nur geschafft? Niemand kennt sie und doch steht sie ganz oben und scheffelt haufenweise Geld mit ihrem Machwerk. Wahrscheinlich erhält sie auf diese Art und Weise sogar einen Bonus. Und alles nur, weil sie noch ein paar Nullen drangehängt hat.

Ich saß in der Küche meines Bruders und starrte mit trüben Augen auf den Bildschirm meines Notebooks. Dort war der brandneue Roman einer Autorin zu sehen, von der keine einzige meiner Kolleginnen jemals zuvor gehört hatte. Und jetzt stürmte sie als Nobody die Bestsellerlisten mit einer Geschichte, die ich schon in – gefühlt hundert – anderen Büchern besser gelesen hatte. Nur dass sie die Erste hier in Deutschland war, die das Wort ‘Billiardär’ im Titel führte. Ich nahm die Tasse aus dem Espressoautomaten und versuchte dabei, die hämmernden Schmerzen in meinem Hinterkopf zu ignorieren.

Oh, dieser verfluchte Chianti!

Ich hätte nach dem zweiten Glas aufhören sollen.

Zino hätte mich daran hindern sollen, noch eine weitere Flasche zu öffnen.

Wobei, wenn ich es mir recht überlegte, hätte ich ohnehin nicht auf ihn gehört. Wir sind zwar Zwillinge und er ist auch um einiges größer als ich, dafür bin ich aber ganze fünf Minuten länger auf der Welt und wer hört schon auf sein kleines Brüderchen?

Aber ich tat ihm unrecht. Immerhin war er derjenige gewesen, der zugehört hatte, als ich ihn gestern Abend einfach überfallen hatte. Ich hatte nicht anders gekonnt, nachdem ich einen Schriftsatz vom Anwalt meines Noch-Ehemannes erhalten hatte, in dem ich zu etwas aufgefordert wurde, das ich nicht verstand. Anwaltsdeutsch eben. Da war mir klar gewesen, dass ich unsere frühere wöchentliche Zusammenkunft bei Pasta und Vino wiederaufleben lassen musste, damit Zino mir das Kauderwelsch übersetzen konnte. Er hatte ja schließlich Jura studiert, auch wenn er nicht als Anwalt arbeitete.

Und diese Übersetzung hatte mich vollends in Verzweiflung gestürzt. Auch wenn ich selbst Zinos Worte nur ansatzweise verstand, so schien es darauf hinauszulaufen, dass es ‘Herr Schröder’, ich würde ihn nie wieder anders nennen, nun darauf anlegte, mir meine Bücher wegzunehmen. Meine Babys. Bei dem Gedanken daran wollten sich schon wieder Tränen der Wut und Ohnmacht ihren Weg aus den Augenwinkeln bahnen. Ursprünglich hatte das Schreiben für mich als ‘Unternehmergattin’ zwar nur als Möglichkeit gedient, die Zeit zwischen den Kosmetikterminen, der Firmenrepräsentation und der Charity-Arbeit halbwegs sinnvoll auszufüllen. Inzwischen hatte es sich aber zu meinem Lebensinhalt entwickelt. Ausgerechnet jetzt, wo sich all das Herzblut, das ich in die Geschichten hineingelegt hatte, endlich auszuzahlen begann, sollte ich die Rechte an ihn übertragen. Und alles nur, weil ich mich von ihm getrennt hatte. Er war nicht müde geworden, mir wegen meiner Reaktion ein schlechtes Gewissen einreden zu wollen. Schließlich war ich ja einfach unangekündigt in der Firma erschienen und hatte ihn nur deshalb dabei überrascht, als er sich von seiner Physiotherapeutin eine Spezialbehandlung geben ließ.

Vielleicht gehen die Geschäfte ja doch nicht so gut, wie er es nach außen immer darstellt? Und jetzt will er sich auch noch die Euros unter den Nagel reißen, die ich mir selbst erarbeitet habe. Hoffentlich wird es nie so weit kommen.

 

Automatisch löste sich mein Blick vom Trauerspiel auf dem Bildschirm und wanderte zu dem Stapel Papier, mit dem Schröder die Zukunft meiner Geschichten besiegeln wollte. In diesem Moment gab das neben dem Notebook auf dem Tisch liegende Handy einen seltsamen Klingelton von sich. Ohne hinzusehen, tastete ich hektisch danach, damit das viel zu laute Klingeln endlich aufhörte. Ich erwischte es an der Kante, stieß es damit aber nur vom Tisch. Das Klingeln erstarb.

Na bitte. Auch eine wirksame Behandlung von Anrufen.

Ich riss mich von der Betrachtung des Schriftsatzes los. Vorsichtig, um den Typen, der sich mit dem Hammer in meinem Schädel herumtrieb, nicht noch mehr herauszufordern, lehnte ich mich zur Seite und fischte das Smartphone aus dem Papierkorb. Stirnrunzelnd starrte ich auf das Display. Was wollte jemand mit einer unbekannten Rufnummer um diese geradezu nachtschlafende Zeit von mir? Unvermittelt begann das Handy erneut zu klingeln. Vor Schreck hätte ich es beinahe fallen lassen. Konnte das der Anwalt sein, dessen Anruf mir Zino gestern angekündigt hatte? Aber die Nummer kam mir vage bekannt vor. Wenn ich mir doch bloß Zahlen merken könnte. Es half nichts. Also nahm ich das Gespräch an.

»Morgen, Grübchen«, schallte Zinos Stimme fröhlich heraus, noch bevor ich mich zu Wort melden konnte. »Weilen wir wieder unter den Lebenden?«

»Ich kann dich auch nicht leiden. Danke schön«, murmelte ich. »Ja, ich bin in der Senkrechten und beobachte die Bestsellerliste. Und du weißt, dass ich diesen Namen hasse.«

»Geschenkt, Agata. Ich finde dein Grübchen im Kinn süß. Aber was ich dir sagen wollte …«

»Zino, sie ist immer noch in den Top Ten«, unterbrach ich ihn. »Und bestimmt nur, weil es um nen Billiardär in Dubai geht. Ich mein, warum kann es nicht auch mal in Deutschland oder Italien spielen? Es gibt hier so schöne Landstriche. Denk mal an den Wispertaunus oder den Foresta Umbra, von dem Mamma immer erzählt. Und die ärmlichen Millionäre genügen ihr auch nicht. Nöö, ihr Held hat natürlich millionenmal mehr Knete auf dem Konto. Gegen diese Inflation der Nullen muss doch etwas getan werden.«

»Das hast du schon«, fuhr er dazwischen. »Schau mal in deinen Blog.«

Ich rief meine Website auf. Meine verquollenen Augen flogen über den ersten Absatz des aktuellen Artikels. Mein Gesicht wurde heiß vor Scham, während es mir kalt den Rücken hinunter lief.

»Du hättest mich aufhalten müssen«, hauchte ich.

Bei dem Gelächter, das daraufhin aus dem Hörer schallte, jubilierte der Hammerträger in meinem Hirn. Ich zuckte schmerzerfüllt zusammen.

»Der war gut, Schwesterherz«, gluckste Zino. »Als ob du dich jemals von etwas abbringen lassen würdest, was du dir in den Kopf gesetzt hast. Aber Scherz beiseite, die Bambi-Nummer von eben solltest du dir für deinen Verleger merken, wenn er gleich bei dir anruft.«

War das die erste unbekannte Nummer, die mir eigentlich doch bekannt vorkam?

»Moment, woher weißt du, dass er eben angerufen … ähm gleich anrufen wird?«

»Weil er zuerst bei mir angerufen hat – weiß der Himmel, warum. Und er klang … wie soll ich sagen … not amused. Du solltest auf jeden Fall rangehen, wenn es klingelt.«

»Wollte ich ja … ich meine, werde ich.«

»Sag bloß, du hast ihn weggedrückt?«

»Hab ich nicht«, fuhr ich auf. »Na ja, ich wollte es nicht, aber das dämliche Telefon ist mir aus der Hand gerutscht und da war der Anruf weg.«

»O-Oh … das gibt Mecker vom Onkel«, prustete Zino.

Bevor ich jedoch angemessen darauf reagieren konnte, signalisierte mir das Handy einen weiteren Anruf.

»Das wird er wohl sein. Ich muss …«

»Schon klar. Nicht vergessen, der grüne Button ist der zum Annehmen des Telefonats. Ciao, Bella.«

Zino beendete unser Gespräch, während ich wie hypnotisiert auf das Display starrte und meine nicht vorhandenen Optionen abwägte.

Kann ich nicht vielleicht doch einfach …? Nein, es nutzt nichts. Früher oder später muss ich mich dem Schlamassel, den ich angerichtet habe, stellen.

Da es mir irgendwie passend erschien, erhob ich mich und straffte die Schultern, bevor ich abhob.

»Guten Morgen, Herr Stein«, begrüßte ich ihn in einem Tonfall, der hoffentlich weder nach Grabesstimme, noch allzu fröhlich klang.

»Auch Ihnen einen guten Morgen, Frau Finocchio. Schön, dass Sie Zeit gefunden haben, das Gespräch entgegenzunehmen. Ich will es kurz machen. Seien Sie bitte um neun bei mir im Büro, um Ihre weitere berufliche Zukunft zu besprechen. Bis nachher also.«

 

Das hatte gesessen. Und ich saß nun auch. Mit zitternden Fingern griff ich nach der Kaffeetasse, die ich während des Telefonats abgestellt hatte.

Bestimmt ist der Inhalt inzwischen kalt.

Zum Glück war er es tatsächlich, denn als ich zu trinken ansetzte, entwickelte meine kraftlose Hand ein Eigenleben, das dazu führte, dass ich mir die Hälfte des Tasseninhalts über Kinn und Oberkörper schüttete.

»Uargh, verdammt«, schrie ich die leere Küche an. An irgendetwas musste ich die schlechte Laune schließlich auslassen.

Dann fiel mein Blick auf die Uhr und ich sprang auf. In nicht einmal einer Dreiviertelstunde wurde ich im Büro des Verlegers erwartet. Wenn Emmy mitspielte, würde ich es mit Hängen und Würgen rechtzeitig schaffen. Aber in welchem Outfit sollte ich dem großen Herwarth Stein gegenübertreten? Die Bluse hatte ich soeben ruiniert. Da half nur eins. Geschwisterliche Unterstützung. Wie ein aufgescheuchtes Huhn flitzte ich in Zinos Schlafzimmer und riss den Kleiderschrank auf.

Mal sehen …

Anzüge … Jacken … Mäntel … eindeutig das falsche Abteil.

Hemden … Socken … wo verdammt noch mal sind die … T-Shirts. Jawoll.

Okay … weiß, weiß, weiß, weiß, weiß … zu durchsichtig.

Schwarz, schwarz, grau, grau, marine … ich will doch nicht auf ne Beerdigung.

Schlammtöne … Dschungelcamp lässt grüßen … Moment … da war doch eben …

Voller Zuversicht zog ich an einem Teil, das sich im hintersten Winkel des Schrankfachs versteckt hatte.

Na endlich eine Farbe.

Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob das zarte Lachsrosa nun mit dem Fuchsia-Ton meines Nagellacks oder meinen blauen Augen harmonieren würde, zog ich mir das T-Shirt über den Kopf. Dann schnappte mir meinen Blazer und stürmte aus Zinos Wohnung.

Ich frage mich, wie alles gekommen wäre, wenn ich mir in diesem Moment angeschaut hätte, was auf der Vorderseite des Shirts abgebildet war.

Nach Canossa

ls ich vor das aufwendig restaurierte, neugotische Mietshaus trat, in dem mein Bruder residierte, schien mir die Sonne durch das inzwischen zart grünende Blätterdach der Straßenbäume ins Gesicht. Prächtig. Endlich wurde es wirklich Frühling und damit Zeit, mal wieder ‘oben ohne’ unterwegs zu sein. Zum Fahren allerdings würde ich ein Auto brauchen.

Wo habe ich Emmy gestern Abend nur abgestellt?

Mein Blick huschte verzweifelt nach links und rechts auf der Suche nach dem süßen grünen Schnuckelchen, das ich seit der Befreiung von Herrn Schröder mein Eigen nannte.

Wenn es doch bloß eine App dafür gäbe.

Die gab es zwar tatsächlich, aber Emmy war leider zu betagt, um solchen technischen Schnickschnack zu unterstützen.

Also doch auf die altmodische Art und Weise.

Ich drückte auf den Knopf an meinem Zündschlüssel und siehe da, ein Stück zu meiner Rechten, fast hinter einer Linde verborgen, flammte ein Blinklicht auf und wies mir den Weg. Kein Wunder, dass ich Emmy übersehen hatte. Ihr grünes Blechkleid passte sich wunderbar in die Farbenpracht der Umgebung ein, auch wenn es eher einer Tanne ähnelte. Aber natürlich bereute ich die Wahl meines fahrbaren Untersatzes nicht, selbst wenn ich wegen Emmys veralteter Technik möglicherweise zu spät zu meinem Termin kommen würde. Der MG war ein echter britischer Klassiker und die gehören nun mal in ‘british racing green’.

Ganz in der Nähe schlug die Kirchturmuhr einmal.

Ich fuhr zusammen.

Verdammt, nur noch eine halbe Stunde. Warum bin ich heute bloß so abgelenkt? Ach ja, der Restalkohol.

Hastig lief ich zu meinem Wagen, warf mich samt Handtasche hinein und startete den Motor. Auf das Öffnen des Daches verzichtete ich trotz des schönen Wetters. Ich hatte weder die Ruhe noch die Zeit dazu, die unzähligen Handgriffe durchzuführen, die notwendig waren, um aus dem Roadster ein Cabrio zu machen. Zum Glück war mir der Gott des Verkehrs wohlgesonnen, denn ich schaffte es in rekordverdächtigen 25 Minuten, zum Verlag zu gelangen.

 

Durch meine Pünktlichkeit wieder etwas zuversichtlicher, hüpfte ich die fünf Stufen zum Eingang des Verlagsgebäudes hinauf und stieg in den Lift, der mich in die vierte Etage brachte. Als sich die Tür der Kabine öffnete, wurde ich bereits von der imposanten Gestalt der Assistentin der Geschäftsleitung erwartet.

Liegt es nur an meinem schlechten Gewissen oder hat sie schon immer wie Professor McGonagall ausgesehen?

»Wie schön, dass es Ihnen, anders als beim letzten Lektorat, gelungen ist, diesmal den Termin einzuhalten«, begrüßte sie mich in ihrer üblichen gradlinigen Art, jedoch mit einem Gesichtsausdruck, der mir an ihr bisher noch nicht aufgefallen war.

»Hallo, Frau Krause. Ähm, was meinen …«

»Gehen Sie besser schnell rein zu ihm. Dann haben Sie es hinter sich«, unterbrach sie mich und schritt voraus, eine herbe Wolke ‘CK one’ zurücklassend.

Okay, das hört sich problematisch an.

Meine gute Laune verflog und der Elan, der mich eben noch angetrieben hatte, verebbte ebenfalls. Mit eingezogenem Kopf schlich ich durch die von der Assistentin offen gehaltene Tür ins Allerheiligste. Frau Krause warf mir dabei einen Blick zu, den ich erneut nicht so recht zu deuten wusste. War sie erschüttert? Oder musste sie sich daran hindern in Gelächter auszubrechen?

Kaum war ich drin, nickte sie mir noch einmal in einer Art und Weise zu, die wohl bekräftigend wirken sollte, und schloss die Tür hinter mir.

Angespannt ging ich über den hochwertig aussehenden Orientteppich auf Herwarth Stein zu. Mit dem Rücken zu mir stand er hinter seinem Schreibtisch, sah aus dem Fenster und schien in Gedanken versunken. Als ich an den Stühlen angelangt war, die vor dem antiken, aus Ebenholz gefertigten Tisch aufgestellt worden waren, zögerte ich.

Soll ich mich setzen oder lieber nicht? Was wird in so einer Situation wohl von der Delinquentin erwartet?

Da ich das Gefühl hatte, mir nur aussuchen zu können, wie ich es falsch machte, probierte ich es mit einem zaghaften Räuspern.

Wenn Zino mich so sähe, würde er wahrscheinlich umfallen vor Lachen.

Keine Reaktion.

»Ähm, Herr Stein«, setzte ich erneut an, wurde aber durch eine abrupte Bewegung seiner linken Hand gestoppt.

»Hm«, machte er, ohne sich umzudrehen. »Hm-hm-hm.«

In meinem Kopf überschlugen sich Bilder, von denen kein einziges eine tröstliche Vision darstellte. Zerrissene Verträge, Umsatzanzeigen mit ganz vielen Nullen darauf.

Verdammt, schon wieder Nullen. Wird mich dieser eine Fehltritt von jetzt an verfolgen?

Endlich kam Bewegung in meinen Verleger. Er wandte mir seinen Kopf halb zu und sagte: »Nullendompteure, wie? Wispertaunus?«

Ich hob die Hände in einer Geste, die der Hilflosigkeit darüber entsprach, was der Wein gestern Abend in mir zum Vorschein gebracht hatte. Dann schaute ich ihn in banger Erwartung an.

»Herr Stein, Sie müssen wissen, dass …«

Nachdem er mir während meines Gestammels erneut den Rücken zugewandt hatte, drehte der Verleger sich nun vollends zu mir um.

Ich stutzte.

Habe ich das eben richtig gesehen? Das war doch ein Lächeln in Steins Gesicht, das sich in der Scheibe gespiegelt hat. Oder spielt mir nur das Wunschdenken einen Streich?

Angesichts des Ausdrucks auf meinem Gesicht, brach er in ein volltönendes Gelächter aus. Er schritt zu seinem Chefsessel, ließ sich dort nieder und bot auch mir huldvoll einen Stuhl an.

»Entschuldigen Sie bitte, Frau Finocchio«, sagte er in seinem angenehmen Bariton und hob beschwichtigend die Hände. »Ich habe Sie in die Irre geführt, denn wenn wir ehrlich sind, haben Sie mir eine vortreffliche Vorlage dafür geliefert.«

Mein Unterkiefer klappte hinunter, aber mir fehlten noch immer die Worte. Also nickte ich nur.

»Tatsächlich bin ich im tiefsten Grunde meines Herzens Ihrer Meinung. Nur kann ich es mir im Sinne des Verlages nicht leisten, dies öffentlich zur Schau zu tragen. Immerhin verschlingt ein Großteil unserer Klientel gerade diese Art von Geschichten, sodass zu befürchten ist, dass sie Ihre Einlassungen als Affront empfinden würden.«

»Da haben Sie vermutlich recht«, krächzte ich mit einer Stimme, die nicht mir zu gehören schien.

Er fixierte mich mit seinem Blick.

»Und um der Wahrheit die Ehre zu geben, hätten auch Sie besser daran getan, es zu lassen.«

»Ja, das stimmt natürlich. Es war nur …«

»Und deshalb schicken wir Sie in Urlaub«, schloss Stein und lehnte sich entspannt im Sessel zurück.

»What?!« Das Wort entschlüpfte meinen Lippen, bevor ich sie davor verschließen konnte.

»Sie haben richtig gehört, meine Liebe«, meldete sich die Stimme von Frau Krause hinter mir zu Wort. »Es ist bereits alles arrangiert.«

Ich drehte mich zu ihr herum und starrte sie entgeistert an. Sie musste wohl in den Raum getreten sein, ohne dass ich es in der Anspannung bemerkt hatte.

»Ähm … Sie … also ich … fahre in den Urlaub?«

Die eben noch im Kopf herumgeisternden Endzeitvisionen meines Autorinnendaseins wurden durch Bilder einer Bar an einem kilometerlangen, palmengesäumten, feinsandigen Strand und Cocktails in einem lichtdurchfluteten In-Club ersetzt.

»In der Tat, Frau Finocchio. Sie sind nicht nur eine unserer produktivsten Autorinnen, sondern eine Persönlichkeit, der es schwer fallen wird, in dem zu erwartenden … wie nennt man dies noch einmal?« Er sah seine Assistentin an, die direkt einsprang.

»Shitstorm, Herr Direktor.«

»Was für eine bildhafte Sprache heutzutage«, bemerkte Stein kopfschüttelnd. »Nun, wie dem auch sei, ich habe für Sie Mittel aus unserem Sonderfonds für außergewöhnliche Umstände entnommen und Frau Krause war so freundlich, Ihnen einen zweiwöchigen Aufenthalt in Italien zu organisieren.«

»Italien«, hauchte ich und hoffte dabei, dass sich weder im Tonfall noch auf meinem Gesicht die Enttäuschung erkennen ließ, die mich in diesem Moment durchfuhr. Also wohl eher ein schäbiges ‘Bed and Breakfast’ in der Touristenhochburg Rimini anstatt des schillernden Karibiktraums.

»In der Tat«, bemerkte die Assistentin. »Italien ist schön im Frühling. Und es war erstaunlich, dass sogar noch etwas frei war.«

Und wieder lief ein Film in meinem Kopf ab. Ich sah mich durch die fein parzellierten Liegeplätze des Strandes irren, an den wir als Kinder Sommer für Sommer gezerrt worden waren.

Wie nannten unsere Eltern es damals noch? Ach ja, Teutonengrill.

Und auf dem Rückweg zum Hostel kam man an einem Flachbau vorbei, dessen Inhaber stolz darauf hinwies, dass er die Leibgerichte seiner deutschen Kundschaft beherrschte: Bratwurst, Haxe und Sauerkraut.

»Ist Ihnen nicht gut, Liebes?«, riss mich die besorgt klingende Stimme von Frau Krause aus meinen Überlegungen.

Ich schreckte hoch und blickte direkt in ihr Gesicht. Hoffentlich hatte ich nur abwesend vor mich hingestarrt und kein Stöhnen von mir gegeben, wie ich es, angesichts der kulinarischen Verfehlungen, damals oft getan hatte.

»Es ist nichts«, presste ich hervor. »Wahrscheinlich kam das nur alles so plötzlich. Mein Fehltritt und Ihr überraschendes Angebot. Ich … könnte ich mich mal kurz etwas frischmachen?«

Frau Krause wandte ihren Blick dem Verleger zu.

»Aber selbstverständlich, Frau Finocchio«, sagte Stein mit einer ungewohnt väterlichen Miene. »Sie wissen ja, wo die sanitären Einrichtungen sind. Danach können Sie mit Frau Krause die Details besprechen.«

 

Schnell stand ich auf und verließ die heilige Halle des Verlegers. Im Waschraum gönnte ich zuerst meiner Blase etwas Entspannung und kühlte mir dann mit Wasser aus dem Hahn Nacken und Handgelenke, um wieder herunterzukommen. In der Tasche begann das Handy zu klingeln. Geistesabwesend fischte ich es heraus und meldete mich, während ich Reste von Seifenschaum dabei beobachtete, wie sie strudelnd im Ausguss verschwanden. Bei dem Gelächter, das mir aus dem Hörer entgegenschoss, fühlte sich der Hammerträger in meinem Kopf spontan dazu berufen, sein Tagewerk wieder fortzuführen.

»Verdammt, wer ist da?«, rief ich unwirsch. »Und wer auch immer es ist, ich hoffe für dich, dass es wichtig ist, was du mir zu sagen hast. Ansonsten kannst du meiner Rache gewiss sein.«

Als ich aufgrund der Lautstärke meines eigenen Ausrufs schmerzerfüllt zusammenzuckte, meldete sich Zino und ich konnte ein breites Grinsen in seiner Stimme erkennen.

»Mahlzeit meine Schöne. Das klingt ja nicht besonders fröhlich. War es so schlimm mit deinem Verleger?«

»Ich bin noch im Verlag und nein, es ist nicht schlimm … nicht ganz … also eigentlich …«

»Okay, das klingt nach interessanten Zeiten. Musst du mir unbedingt später genauer erzählen. Gerade bin ich leider auf dem Sprung. Der neue Laden in der Bleibtreustraße, für den ich das Kassensystem konzipiert habe, hat in einer halben Stunde Eröffnung und will mich unbedingt dabei haben. Aber warum ich dich eigentlich anrufe: Ich bin gerade nochmal kurz zuhause gewesen, um meinen iPod zu holen, da ich anscheinend heute Morgen dein Handy gegriffen habe, aber gern nachher beim Training meine Playlist dabeihaben wollte. Dabei habe ich das Klamottenchaos bemerkt, dass du veranstaltet hast.«

Endlich machten einige Seltsamkeiten einen Sinn. Im Kopf hatte ich das Gefühl, den Groschen fallen zu hören.

»Na klar. Deshalb hab ich auch den Klingelton vorhin nicht erkannt und die Nummer wurde als unbekannt angezeigt.«

»Klug kombiniert, Watson. Aber nochmal zu den Klamotten …«
»Ach Mist, das wollte ich dir noch sagen, Bruderherz. Ich hatte meine Bluse ruiniert, aber ich konnte ja schlecht nackig zu Stein. Ich machs nachher …«

Doch Zino ließ mich den Satz nicht zu Ende bringen.

»Und du bist fündig geworden?«

»Ja, in der hinteren Ecke bei den T-Shirts. Da war wenigstens eines, das mehr zu mir als zu dir passte.«

Zino gab ein unterdrücktes Prusten von sich, räusperte sich dann aber und sagte: »Hast du heute schon mal in den Spiegel geschaut?«

»Das tue ich gerade. Wieso?«

»Du trägst deinen Blazer?«

»Ja, klar. Du weißt doch, dass ich nicht ohne …«

»Knöpf ihn mal auf. Aber halt dich vorher irgendwo fest.«

»Zino, du machst mir Angst!«

»Ach, was würd ich dafür geben, gleich dein Gesicht sehen zu können.«

»Zino!«

»Nu mach schon, es lässt sich sowieso nicht mehr ändern.«

Durch das Telefon war ich leider nicht in der Lage, meinem Bruder eine Kopfnuss zu verpassen. Also seufzte ich schicksalsergeben und öffnete den Blazer. Was ich daraufhin zu sehen bekam, ließ mir die Knie weich werden.

Überraschung

 

as T-Shirt war nicht einfach nur lachsrosa. Genau genommen hatte es einen beängstigend an Haut erinnernden Farbton. Darauf war in einer sehr realistisch wirkenden Airbrush-Technik ein paar weiblicher Brüste modelliert worden, die exakt auf meinen eigenen saßen. Und damit nicht genug. Direkt darunter stand in breiten Lettern die Aussage ‘Got milk‘ geschrieben.

Ich bin nackt!

»Oh, Scheiße, das geht gar nicht«, entschlüpfte es meinen kraftlosen Lippen.

Ein Kichern erinnerte mich daran, dass Zino immer noch in der Leitung war.

„Warum zum Teufel hast du dir so einen Fetzen zugelegt? Doch hoffentlich nicht, um mich irgendwann in diese Falle zu locken?“

„Nein, Grübchen. Den hat mir Dimitri hinterlassen, als er ausgezogen ist. Er stand auf diese Art von Humor. Und ich muss zugeben, dass es an ihm ausgezeichnet ausgesehen hat ...“ Seine Stimme verlor sich und mir war klar, dass er in Erinnerungen an den letzten … ach nein … vorletzten Lover schwelgte.

»Ja, er war ein Sahneschnittchen. Aber was soll ich denn jetzt machen?«

»Was hast du denn bis eben gemacht?«

»Ich bin mit dem Verleger und seiner Assistentin zusammen. Die haben mir gerade erklärt, dass sie mich in Urlaub schicken. Nach Italien.«

Ein weiteres schier trommelfellzerfetzendes Gelächter dröhnte aus dem Hörer.

»Meine Schwester baut Mist und wird dafür in einen bezahlten Urlaub geschickt. Ich krieg mich nicht wieder ein. Oder wissen die etwa, dass du Italien bis zum Geht-gar-nicht gefressen hast?«

»Glaub nicht. Die Krause macht eher den Eindruck als ob sie sich für eine der Weihnachtselfen hält … obwohl sie eher wie der Grinch wirkt …«

»Dann lass dir das am besten weiter erklären und sieh zu, dass du da schnell rauskommst. Wenn die das T-Shirt sehen …« Ein unterdrücktes Prusten unterbrach die wenig hilfreiche Anweisung.

„Na super, vielen Dank für gar nix“, schnaubte ich und beendete die Verbindung. Beide Hände auf den Waschtisch gestützt, lehnte ich mich nach vorn und ließ die Stirn gegen den Spiegel sinken. Das kühle Glas hatte eine beruhigende Wirkung auf mein aufgewühltes Innenleben.

Im Prinzip kann ich hier einfach wieder rausgehen, solange ich vorher den Blazer schließe. Immerhin haben bisher weder Stein noch Frau Krause etwas von meinem Fashion Fauxpas bemerkt. Oder haben sie nur taktvoll geschwiegen?

Bevor die Zweifel mich übermannen konnten, stieß ich mich mit den Händen vom Waschtisch ab und begutachtete ein weiteres Mal mein Spiegelbild. Okay, es sah immer noch bescheuert aus, entbehrte aber tatsächlich nicht einer gewissen Komik.

Wie hat Mamma es früher einmal gesagt? ‘Wenn du vor einer großen Gruppe stehst und Lampenfieber hast, stell sie dir einfach alle nackt vor.’ Vielleicht funktioniert das ja auch andersherum. Ich stehe zwar nicht vor einer großen Gruppe und muss sie mir deshalb auch nicht nackt vorstellen. Doch das Wissen, dass ich unter dem Jackett quasi eine nackte Brust spazieren trage, könnte eine ähnliche Wirkung haben.

Ich strich das Shirt glatt und knöpfte den Blazer zu. Mit einem diebischen Schmunzeln auf den Lippen zwinkerte ich dem nun wieder hochgeschlossenen Spiegelbild zu und verließ die gekachelten Nebenräume.

 

Frau Krause schaute zu mir, als ich ihr Büro betrat.

Bilde ich es mir nur ein oder ist in ihrem Blick tatsächlich ein wenig Überraschung? Vielleicht nimmt sie die Änderung meiner inneren Haltung wahr.

Aber selbst wenn das nicht der Fall war, so erkannte ich doch keinerlei Anzeichen davon, dass sie ahnte, wie es unter der äußeren Schale aussah.

»Kommen Sie, Liebes«, sagte Frau Krause und winkte. »Ich habe hier schon einmal die Unterlagen bereitgelegt, damit Sie alles beisammen haben.«

Ich trat zu ihrem Schreibtisch und besah mir, was darauf lag. Es handelte sich um den Ausdruck eines E-Tickets, Dokumente einer Autovermietung und eines Hotels. Den Namen konnte ich allerdings nicht erkennen, da er in sehr geschwungenen Lettern geschrieben war und meine Aufmerksamkeit von der direkt daneben liegenden Abbildung eines Kartenausschnitts eingenommen wurde, auf dem eine Region farblich hervorgehoben war. Sie wirkte wie eine Eins, bei der man das Häkchen auf der falschen Seite angebracht hatte. Als Kind meiner Mutter, einer waschechten Italienerin, die sich aus dem sonnigen Land ihrer Vorväter ins kalte Deutschland aufgemacht hatte, um ihren Traum vom Design-Studium zu verwirklichen, erkannte ich sofort, wo es hingehen würde.

Verdammt.

Apulien.

Das war nicht nur Italien, sondern der Sporn und Absatz des Stiefels, also genaugenommen der Arsch der Welt.

Da gibts doch nichts außer … Gegend. Aber wenigstens nicht Rimini oder irgendein anderes, von Touris völlig überlaufenes, Nest.

»Ahh«, machte ich unverbindlich und brachte sogar ein Lächeln zustande.

»Genau«, interpretierte Frau Krause mein Schauspiel richtig. »Hach, ich freu mich ja so für Sie«, ergänzte sie in einem, für eine so herb wirkende Person, vollkommen untypischen Anflug von Herzlichkeit.

Bevor ich allerdings dazu kam, ihr Lächeln zu erwidern, öffnete sich die Tür und der Verleger kam herein, einen Stapel Papier in der Hand und seinen Mantel über dem Arm.

»Die Verträge hier müssen heute noch raus. Ich bin jetzt im Rotary Club. Wenn noch etwas sein sollte … die Mailbox ist an und in Notfällen schicken Sie eine Nachricht.« Dann musterte er zuerst die Unterlagen und danach mich. »Wie Sie sehen, ist alles vorbereitet. Sie müssen nur noch packen und dann kann es losgehen.«

»Was, heute?«, rutschte es mir heraus.

»Genau genommen jetzt«, fuhr er ungerührt fort. »Der Zeitplan ist recht eng gesteckt, aber Sie werden es schaffen.«

»Aber … ich dachte … morgen …«, stammelte ich.

Oder besser nächstes Jahr.

»Frau Finocchio. Ich kenne Sie doch. Wenn ich Sie hier nicht sofort aus der Schusslinie nehme, kann ich es genausogut im nächsten Jahr machen.«

Ja. Ja. Bitte.

Der Verleger wackelte mit dem Zeigefinger. »Nein, nein. Sie fahren heute. Je schneller Sie von der Bildfläche verschwunden sind, umso weniger können Sie die Dinge durch Ihr – bewundernswertes, aber leider etwas zu impulsives  – Wesen womöglich noch komplizierter machen.« Er lächelte dabei, doch der Ausdruck in seinen Augen war nun eindeutig so steinhart wie sein Name.

Mir wurde klar, dass ich Fortuna über Gebühr strapazieren würde, wenn ich jetzt nicht einlenkte. Also hob ich beschwichtigend die Hände.

»Es ist ja nicht so, dass man mich zu meinem Glück zwingen müsste, aber ich kann es immer noch nicht so richtig glauben … Apulien also. Ich bin gespannt.«

Los gehts

er Rest war schnell erledigt. Frau Krause händigte mir die gesammelten Unterlagen aus. Erneut war sie ungewohnt entzückt über ihre Idee, mich nach Italien zu schicken, als ich ihr bestätigte, dass die Wurzeln meiner Eltern tatsächlich dort lagen und es sich bei dem Namen Agata Finocchio nicht um ein Pseudonym handelte. Zum Schluss wurde ich noch einmal ermahnt, mich in den nächsten Tagen konsequent aus eventuell in den sozialen Medien aufkommenden Diskussionen herauszuhalten. Ich sagte zu allem ‘Ja und Amen’, denn ich hatte inzwischen den Abflugtermin gesehen, sodass mir klar war, dass ich mich extrem beeilen müsste, um wenigstens noch das Nötigste packen zu können.

Und wer kann mein Verhalten schon kontrollieren, wenn ich nicht mehr in Berlin bin?

Durch das Glück, für Emmy fast direkt vor dem Verlagsgebäude ein Plätzchen ergattert zu haben, gab es diesmal keinerlei Schwierigkeiten, sie zu lokalisieren. Ich schwang mich hinter das Lenkrad und brauste zu mir nach Hause. Dort angekommen verwendete ich nicht übermäßig viel Zeit auf die Suche nach einem Parkplatz, sondern ließ das Auto einfach auf der breiten Auffahrt zum Parkdeck stehen. Für den Moment würde das hoffentlich keinen Ärger geben.

Die nächsten Minuten verliefen für mich wie in den Filmen, wo in Zeitrafferaufnahmen Personen dabei beobachtet wurden, wie sie den Inhalt ihres Kleiderschranks auf ihrem Bett verteilten und daraus den Inhalt eines Koffers destillierten. Allerdings wussten diese Personen meistens, wo es hinging.

Wie soll ich bloß für ganze zwei Wochen packen, ohne auch nur einen Schimmer davon zu haben, was mich da unten in Italien erwarten wird?

Mir war weder klar, welches Wetter dort gerade herrschte, noch wie die übliche Klientel des Hotels ausschaute, in das die ach so wohlmeinende Frau Krause mich zu verfrachten geruht hatte. Womöglich irgend so ein Pensionärstreff, bei dem peinlichst darauf geachtet wurde, zu jeder Tageszeit die passende Kleidung zu tragen.

Ich hasste es, wenn ich nicht dem Anlass entsprechend gekleidet war. Ich würde mich selbst nackt in Gesellschaft wohlfühlen, wenn diese Gesellschaft aus Nudisten bestünde. Aber so? Das war viel schlimmer, als jedes Blind Date sein könnte, denn das konnte man immerhin geschickt abkürzen. Und ich war dorthin für ganze zwei Wochen verbannt worden.

Hektisch stapelte ich sämtliche halbwegs kombinationsfähigen Klamotten in den Koffer und beschränkte mich auf fünf Paar Schuhe: Sandalen für den Strand, falls es dort einen geben sollte, ein Paar Ballerinas – die gingen ja sowohl zu Jeans, als auch zu meinen Sommerkleidern – ein Paar Sneaker, für den Fall, dass es doch nicht so förmlich werden würde, wie ich befürchtete, Sportschuhe, denn mal wieder ein bisschen mehr zu laufen wäre nicht verkehrt und schließlich meine meerblauen Louboutins, ohne die ich nirgendwo hinreiste. Sie waren schließlich das Erste, was ich mir von den Tantiemen eines Romans geleistet hatte. Das musste reichen. Ein kurzer Blick auf die Uhr.

Verdammt, schon zehn Minuten später, als es sein dürfte. Jetzt kommt doch die Kosmetikabteilung dran.

Ohne Paul Mitchell, Tigi, Essie und Shiseido fühlte ich mich nach all den Jahren der Repräsentation immer ein wenig unwohl, auch wenn ich die richtigen Klamotten trug. Ich raste ins Bad und knallte dabei um ein Haar gegen die Glastür der Dusche, die ich aus einem mir nicht mehr bekannten Grund offengelassen hatte.

Das hätte gerade noch gefehlt.

Mit ’ner dicken Brüsche auf der Stirn würde es noch weniger Spaß machen, eine Reise ins Unbekannte anzutreten. Mein Blick fiel auf den Spiegel, aus dem mir eine Frau entgegensah, die mir nur vage bekannt vorkam. Ihr normalerweise auf natürliche Art gebräunter Teint wirkte blass und sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, deren blaue Farbe trüb wirkte. Das lange schwarze Haar stand ihr wirr um den Kopf, wie eine Gewitterwolke. Spontan wollte ich mich daran machen, die Schäden mit Concealer und Co. zu beheben, aber eingedenk des Zeitdrucks verzichtete ich darauf und bändigte lediglich meine Mähne mit einem Zopfgummi zu einem Pferdeschwanz. Dann holte mich die Wirklichkeit wieder ein.

Wo ist nur das Beautycase?

Nach eiliger Suche gab ich auf und verfrachtete alle Beauty-Essentials stattdessen in einen Baumwollbeutel. Den konnte ich dort unten vielleicht auch als Strandtasche benutzen.

Sonst noch was? Shit! Geld.

Ich hatte keinen müden Euro mehr in der Tasche. Wenn ich gewusst hätte, dass ich heute ins Ausland reisen würde, dann hätte ich mich früher darum gekümmert mir nach dem Auszug bei Schröder nicht nur ein neues Konto anzulegen, sondern ebenfalls eine Kreditkarte zuzulegen. Ich war kein Fan davon, durch solche Karten einfach Geld ausgeben zu können, ohne sich dafür interessieren zu müssen, ob auch genug davon auf dem Konto war. Ob die dort unten, kurz vor dem Ende der Welt, aber eine EC-Karte akzeptieren würden, war mir unbekannt. Als Reiseland war Italien für mich gestorben, nachdem ich endlich alt genug geworden war, um nicht mit Mamma fahren zu müssen. Und für sie hatte es nun mal kein anderes Urlaubsziel gegeben. Da ich also noch zur Bank musste, blieb keine Zeit mehr, um über meinem Gepäck zu meditieren.

Ich schnappte mir Beutel und Koffer. Dann hastete ich aus der Wohnung. Auf ebener Strecke rollte der Trolley ganz brav neben mir her, aber er war schwer und reichte mir bis zur Taille. Ohne den Lift unserer Wohnanlage hätte ich ihn wahrscheinlich nur mit einigen Tritten die Treppe hinunter befördern können.

Minuten später war ich bei Emmy angekommen. Schon von weitem betätigte ich den Knopf der Zentralverriegelung, um keine Zeit zu verlieren.

Okay, jetzt nur noch die Sachen ins Auto.

Doch warum ging der Kofferraum nicht auf? Ich drückte ein weiteres Mal auf den Knopf. Die Blinker leuchteten fröhlich auf, aber die Klappe des Kofferraums bewegte sich keinen Zentimeter. Ich bückte mich hinunter und sah das mechanische Schloss.

Ernsthaft? Muss man das mit dem Schlüssel aufschließen?

Ich hatte mich bisher nicht besonders für Autos interessiert, da ich mir früher keines leisten konnte. In meiner Ehe hatte es immer nur die Luxusschlitten von Schröder gegeben, die sich natürlich vollkommen selbstständig öffneten.

Habe ich Emmys Kofferraumklappe überhaupt schon mal geöffnet?

Ich konnte mich nicht erinnern. Dabei fiel mir der Gesichtsausdruck des Typen ein, der mir den Wagen vor Kurzem verkauft hatte.

Hat der nicht irgendwie erleichtert gewirkt, als ich ihm das Schmuckstück abgenommen habe?

Der Autorin in mir gingen wieder einmal die Pferde durch. In meinen Gedanken warteten im Kofferraum einige fein sortierte und hübsch verschnürte Leichenteile darauf, nun von mir gefunden zu werden.

Ich zögerte.

Soll ich wirklich?

Aber wohin könnte ich den Koffer sonst packen?

Hör endlich auf, dämliche Fantasie. Das ist ein Kofferraum, kein Folterkeller.

Ich rammte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Klappe.

Leer.

Natürlich.

Aber leider auch ziemlich winzig.

Ob der Koffer da überhaupt hineinpasst?

Es war keine Zeit für Zweifel, also hievte ich ihn über die Kante und zwängte ihn in die Öffnung. Das Ding füllte den Kofferraum nicht nur vollständig aus. Es war sogar noch genug von ihm übrig, dass sich die Klappe nicht schließen ließ.

Das kann doch nicht wahr sein. Ich habe keine Zeit dafür, nochmal nach oben zu laufen und etwas zum Zubinden zu suchen.

Wie oft in solchen Situationen bahnte sich das Erbe meiner Eltern einen Weg aus dem Winkel meines Geistes, in den ich es normalerweise verbannt hatte.

»Cosa maledetta!«, rief ich und hob die Hände zürnend gen Himmel.

In diesem Augenblick fielen mir die Worte ein, mit denen Zino mir vor zwei Wochen einen Gummi-Spanngurt ins Handschuhfach gelegt hatte.

‘Für den Fall, dass du mal was Großes im Kofferraum unterbringen musst.’

Damals hatte ich ihn ausgelacht. Nun hätte ich ihn küssen können.

Schnell sprang ich in meine Emmy, ließ den Kosmetikbeutel in den Beifahrerfußraum gleiten und fischte das rettende Teil hervor. Damit befestigte ich die Klappe immerhin so, dass sie beim Fahren nicht ständig wie ein Wackeldackel hoch- und runterklappen würde. Ich startete den Motor und war drauf und dran mit quietschenden Reifen zu wenden und Richtung Flughafen zu rasen. Da fiel mein Blick auf den Spielplatz zur Linken und ich zügelte das Temperament, bis ich die Wohnanlage verlassen hatte. Auf der Hauptstraße geblitzt zu werden war eines, aber durch Nachlässigkeit das Leben der Nachbarskinder zu riskieren, ging gar nicht.

 

Beim Parken in der zweiten Reihe hatte ich heute ja bereits Glück gehabt. Also ließ ich Emmy direkt vor der Bank stehen und hoffte, dass sich niemand für den halb offenen Kofferraumdeckel interessieren würde. Ich flitzte zum separaten SB-Bereich und wollte gerade die Tür öffnen, als sie von innen aufgestoßen wurde. Da ich den Türgriff schon in der Hand hatte, kippte ich zur Seite. Glücklicherweise stoppte mich ein Geländer, sonst wäre ich direkt in einer Hecke gelandet.

»Tschuldigung«, murmelte der Typ, der in der nun offenen Tür stand. Er war groß und schlank, so viel konnte ich auf Anhieb erkennen. Eine weitere Beurteilung seiner körperlichen Merkmale machten sein Hoodie und Basecap unmöglich. Aber er benutzte eindeutig ‘Cool Water’. Meine Nase erkannte das herrlich frische Aroma seines Parfums sofort. Allerdings hatte ich momentan weder Zeit noch Lust darauf, mich näher mit ihm zu befassen. Ich brauchte Geld, und zwar schnell. Also rappelte ich mich auf und drängte mich an ihm vorbei. Als ich fast drin war, wurde ich jedoch gebremst.

Verdammt, will der mich jetzt ausrauben? Mitten in der Bank?

Ein kurzer Blick nach unten zeigte mir den wirklichen Grund. Ein Knopf meines Blazers hatte sich in der Schnalle der Tasche verhakt, die er über der Schulter trug. Leider passte der Schwung, den ich entwickelt hatte, nicht zu der Geschwindigkeit, mit der mein Hirn in der Lage war, eine Gegenmaßnahme für das zu entwickeln, was nun folgen musste. Der Knopf riss ab und weil wir beide an diesem gemeinsamen Punkt festgehalten worden waren, standen wir uns nun Aug in Auge gegenüber.

Das hieß, wir hätten uns Aug in Auge gegenübergestanden, wenn seine Augen nicht ungefähr zwanzig Zentimeter zu tief ausgerichtet gewesen wären.

Obwohl ich von seinem Gesicht kaum etwas erkennen konnte, war mir doch klar, wohin er starrte. Er glotzte auf die formschön aufs T-Shirt gedruckten Brüste, die der losgerissene Knopf freigelegt hatte. Ich hatte vergessen mich umzuziehen und trug immer noch Zinos verflixtes Shirt, auf dem stand, dass ich Milch dabeihätte.

Mann, ich habe keine Zeit für den Scheiß.

»Na, hast du’n Glas und ein paar Oreos? Dann könnten wir uns zusammentun«, formten meine Lippen, ohne dass ich sie dazu aufgefordert hatte.

Oh verdammt, was war das denn für eine dämliche Idee? Wenn der jetzt darauf einsteigt, dann komme ich erst recht nicht schnell genug hier weg.

»W-wie … äh, was?«, stammelte er jedoch.

»Zieh Leine«, fauchte ich, drehte mich herum und stürmte zum nächsten Geldautomaten.

 

Der Rest war reine Formsache. Geld ziehen, zum Wagen hetzen und losdüsen gelang mir in rekordverdächtigen zwei Minuten, was die Zeitbilanz wieder etwas zu meinen Gunsten verschob. Ein paar Kilometer und eine kirschgrüne Ampel später bog ich siegessicher auf den Saatwinkler Damm ein. Nur noch fünf Minuten und ich war tatsächlich an einem funktionsfähigen Berliner Flughafen angelangt – mit immerhin noch fast dreißig Minuten Zeit, um zum Terminal zu gelangen.

Aber ich hatte mich zu früh gefreut.

Kaum dass ich abgebogen war, fiel mein Blick routinemäßig auf die Öldruckanzeige. Ich hatte es mir angewöhnt, dort immer mal wieder hinzuschauen, weil mir der Automechaniker eingeschärft hatte, dass ich den Öldruck an diesem Flitzer auf keinen Fall nachlässig behandeln durfte. Das, was ich dort sah, trieb mir trotz des Fahrtwindes Schweißperlen auf die Stirn. Der Zeiger befand sich nicht etwa gefährlich nahe am roten Bereich der Skala, sondern mitten drin. Was hieß das nochmal? Musste ich jeden Moment damit rechnen, dass der Wagen den Geist aufgab?

Verdammt, wenn ich doch bloß ein Gedächtnis für technische Beschreibungen hätte.

Wenn ich doch bloß mein eigenes Telefon dabei hätte, auf dem ich alles aufgenommen habe, als Luke es mir mit seinem herrlich britischen Akzent erklärt hat.

Ich nutzte die Parkplatzeinfahrt eines Discounters, an der ich gerade vorbeikam, stellte Emmy auf die erstbeste freie Fläche und sprang hinaus. Wie ein aufgescheuchtes Huhn lief ich auf dem Parkplatz umher – gefangen zwischen Fluchtgedanken und dem Wunsch, rechtzeitig am Gate anzukommen.

Nach einer kleinen Weile beruhigte sich mein Gemüt immerhin so weit, dass mir ein Teil seiner Worte wieder einfiel.

Fünf Minuten. Er hat etwas von fünf Minuten warten gesagt, oder?

Ich linste auf die Öldruckanzeige. Dann traf ich eine Entscheidung.

Wenn es mir gelänge, die letzten Kilometer bis zum Flughafen trotz meines angespannten Zustands nicht allzu schnell zu fahren, sollte es gerade noch so zu schaffen sein.

Zum Glück hatte die gute Frau Krause auf den Flugunterlagen vermerkt, dass Alitalia von Terminal C aus flog. So bog ich von der Zufahrt direkt nach rechts auf den dazu gehörenden Parkplatz ab.

Ob ich mir das Parken für zwei Wochen dort überhaupt leisten kann?

Egal, darum konnte ich mich kümmern, wenn ich wieder zurück war. Zur Not musste ich erst einmal mit dem Taxi nach Hause und dann Zino um einen Kredit bitten. Sie würden den Wagen sicherlich nicht nach ein paar Wochen verschrotten. Jetzt galt es nur noch, überhaupt einen freien Platz zu finden.

Immer noch hoffnungsvoll, aber mit stetig ansteigendem Stresslevel, spähte ich in jede vom Hauptweg abzweigende Reihe von Parkplätzen. Nirgendwo war eine freie Stelle zu entdecken. Aber dann, gefühlt am anderen Ende der Parkfläche, sah ich eine und bog mit quietschenden Reifen ab, um sie nicht zu verpassen und damit den hinter mir kreisenden Parkplatzkonkurrenten zu überlassen. Geschafft. Emmy stand vorschriftsmäßig in der letzten Lücke weit und breit. Ein hektischer Blick auf die Uhr.

Fünfzehn Minuten. Das könnte gerade so noch klappen.

Ich sprang aus dem Auto und rannte zum Kofferraum.

Eigentlich hätte ich es wissen sollen.

Abgehoben

 

ein, der Koffer war auch trotz meines hektischen Gekurves nicht herausgefallen. Der saß fest. Wirklich fest. Genaugenommen so fest, dass ich nicht in der Lage war, ihn wieder herauszuziehen. Ich zog und zerrte am Griff des Koffers, stemmte mich mit einem Fuß gegen Emmys Stoßfänger, aber nichts wirkte.

»Sbrigati!«, feuerte ich das Ding in Gedanken an. Oder hatte ich es laut gesagt?

»Gibt’s Probleme?«, erklang hinter mir eine Stimme.

Ich fuhr herum. Nun direkt vor mir stand eine Frau, die einige Gegensätze in sich vereinte. Nach dem Klang ihrer Worte hatte ich sie eher meiner Gewichtsklasse zugeordnet, aber sie war mindestens dreißig Zentimeter größer als ich und ihre Schultern bestimmt doppelt so breit wie die meinen. Sie trug einen sportlich-eleganten Hosenanzug, doch ihr Gepäck bestand aus einer Art Seesack, der über ihrer Schulter hing. Das Außergewöhnlichste an ihrer Erscheinung war jedoch die Verwandlung, die ihre gesamte Gestalt vollführte, während sie mir ins Gesicht blickte.

Ihre Augen weiteten sich wie in maßlosem Erstaunen und ihre Lippen formten ein scheues Lächeln. Sie ließ den Seesack von ihrer Schulter gleiten und errötete.

»Sind Sie …? Ich meine …« Bevor sie weitersprach, musste die Frau sich erst einmal räuspern. »Sehe ich das richtig, dass Sie Agata Finocchio sind? Die Autorin?«

Nun war es an mir, scheu zu lächeln. Immer wieder hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre, einer Leserin im normalen Alltag zu begegnen. Aber ausgerechnet heute?

»Nun ja … das stimmt«, gab ich zu.

Was, wenn sie den Blog gelesen hat? Sie sieht aus, als ob sie durchaus dazu in der Lage wäre, mich hier und jetzt ungespitzt in den Boden zu rammen.

»Wissen Sie«, begann ich. »Dieser Blogartikel von gestern …«

Aber die Befürchtungen waren unbegründet.

»Sie meinen den mit den Nullen? Vielen Dank dafür. Ich habe sehr gelacht.«

Mein zur Flucht gespannter Körper fing an, sich wieder ein wenig zu entspannen.

»Wenn Sie meinen.«

Sie winkte ab.

»Sind wir doch mal ehrlich. Typen sind einfach nur Typen, egal wie viel Kohle sie auf der Bank haben. Die Einen sind gut für dich und die Anderen nicht.«

Das brachte mich zu meinem momentanen Problem. Ich entschied mich für die Kurzform, auch wenn ich damit zu Lasten von Herrn Stein ein wenig übertrieb.

»Das können Sie laut sagen. Mein Chef zum Beispiel hat mir erst vor ein paar Stunden mitgeteilt, dass ich in etwa einer Viertelstunde auf eine Reise gehen muss.«

Sie schnaubte verächtlich und schaute mich dann forschend an.

»Kann ich irgendwie helfen?«

Ich wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen.

»Der olle Koffer hat sich verklemmt«, rief ich aufgeregt. »Vielleicht bekommen wir ihn zu zweit heraus.«

Mit einem breiten Lächeln trat sie neben mir an Emmys Kofferraum.

Etwa fünf Minuten später hetzte ich, mit dem Koffer im Schlepptau, durch die Abflughalle auf den Check-in der Alitalia zu.

Mit vereinten Kräften und dank der Statur meiner Zufallsbekanntschaft war es uns ohne Weiteres gelungen, ihn aus dem Wagen zu bergen. Wahrscheinlich wäre sie auch komplett allein dazu in der Lage gewesen, aber ich rechnete es ihr hoch an, dass sie mir das Gefühl gelassen hatte, es mit ihrer Hilfe selbst geschafft zu haben. Danach hatte sie mir eine Visitenkarte in die Hand gegeben und scheu gefragt, ob ich ihr eines meiner Bücher signieren würde. Ich nahm mir fest vor, ihr nicht nur eines, sondern alle sieben zu schicken.

 

»Ich weiß, ich bin ziemlich spät«, keuchte ich, als ich den Schalter erreichte und mir von dort eine der Angestellten mit extrem säuerlicher Miene entgegenblickte. »Ich habe überhaupt erst vor zwei Stunden erfahren, dass ich heute fliegen werde.«

Damit schob ich ihr meine Flugunterlagen über den Tresen.

Die Frau besah sich die Unterlagen. Zu ihrer einen hochgezogenen Braue gesellte sich schnell eine zweite und der spöttische Gesichtsausdruck wechselte im Nu zu einem überrascht wirkenden.

»Oh, einen Moment bitte, Frau Finocchio-Schröder«, sagte sie erstaunlich freundlich, drehte sich zu ihrer Kollegin herum und begann mit ihr zu tuscheln.

»... nie gemacht … weiß gar nicht … Magnifica«, waren die Wortfetzen, die ich von ihrem Gespräch mitbekam.

Da soll sich mal einer einen Reim drauf machen.

Aber immerhin war von ihrer abweisenden Haltung nichts mehr zu spüren.

Oder ist der Flieger vielleicht schon abgehoben und sie diskutiert mit ihrer Kollegin darüber, wie sie mich hier am einfachsten hinauskomplimentieren soll?

»Entschuldigen Sie bitte«, begann die Schalter-Frau nun und trug dabei ein – wie ich fand – höchst irritierendes Lächeln zur Schau.

Kommt jetzt der große Hammer?

»Ich musste mich zuerst vergewissern, wie wir mit einer Buchung in dieser Klasse umzugehen haben. Das kommt tatsächlich relativ selten vor. Dafür kann ich nur noch einmal um Verzeihung bitten. Meine Kollegin klärt momentan die notwendigen Anpassungen im Flugzeug mit der Crew. Ihr Gepäck checke ich direkt bis nach Neapel durch und mit ein wenig Glück können wir Ihnen die eigentlich planmäßige Aufenthaltszeit in Rom abkürzen. Darüber wird Sie dann die Crew auf dem Flug informieren. Haben Sie nur dieses eine Gepäckstück?«

»Ja, ich hoffe, der Koffer ist nicht zu …«, begann ich, wurde jedoch von einer wegwerfenden Handbewegung der Dame auf der anderen Seite des Counters gestoppt.