Dietrich Grund
Heimatforscher Taufkirchen
grund.d@arcor.de
Bisher vom Autor im gleichen Verlag erschienen:
„Der Hachinger Bach, Seine Entstehung – seine Menschen – seine Mühlen“ (ISBN 978-3-7347-3106-8), „Hilprant und die Familie der Taufkircher“ (978-3-7386-5482-0) und „Kleine Chronik von Taufkirchen“ (978-3-7431-1725-9).
Über viele Jahrhunderte stellte die katholische Pfarrkirche St. Johannes der Täufer so etwas wie den geistigen Mittelpunkt der Gemeinde Taufkirchen dar. Im aktuellen Logo der Kommune versinnbildlicht der stilisierte Kirchturm genau dies.
Der Autor dieser vor Ihnen liegenden Publikation, Dietrich Grund, erforscht seit Jahren im besten Wortsinn die Geschichte unserer Gemeinde und der umliegenden Region. Akribisch in der Recherche, in großen Zusammenhängen denkend und gleichzeitig im Detail auf den Punkt kommend, nimmt er uns Leser immer wieder mit auf eine spannende Zeitreise.
In diesem Werk spannt er den Bogen über die Historie der Dorfkirche und deren Pfarrgemeinde, die wechselnden Lehensherren und Träger, eingebunden in die Entwicklung der weltlichen Gemeinde. Dieser Bogen reicht vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart. In der Frühzeit der Christianisierung Bayerns wurde - zunächst aus Holz - die bischöfliche Taufkirche am Bach für das gesamte Hachinger Tal errichtet. Im 12. Jahrhundert entstand das steinerne Gebäude als sogenannte Chorturmkirche, dessen Turm erst im 14. Jahrhundert vollendet wurde. Die Pfarrgemeinde war zunächst selbstständig, bis die Kirche für viele Jahrhunderte als Filiale dem Gotteshaus in Oberhaching unterstand und erst 1909 wieder eigenständig wurde.
Der Autor nimmt uns mit bis in die Gegenwart, in der ein inzwischen gebildeter Pfarrverband angesichts der Herausforderungen von knapper werdenden Finanzmitteln, Priestermangel und Kirchenaustritten einen erfolgversprechenden Weg in die Zukunft finden muss.
Diese Publikation von Dietrich Grund vermittelt in gelungener Weise einen erhellenden Einblick in die bewegte Geschichte unserer katholischen Pfarrkirche und unserer Gemeinde. Der gut lesbaren Lektüre wünsche ich eine weite Verbreitung und viele interessierte Leserinnen und Leser.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Müller Heimatpfleger
„Nicht du trägst, die Wurzel, die Wurzel trägt dich.“ So schreibt der Heilige Apostel Paulus an die Gemeinde in Rom (Röm 11,18). Damals ging es um die Frage, wie sich der „neue Weg“ des Christentums zu dem „alten Weg“ des Judentums verhalten solle. Die Menschen waren von Fragen bewegt: Wie soll man das Neue leben, wenn man auf Christus getauft ist? Alles „Alte“ wegwerfen? Verachten? Bekämpfen? Gehört man denn jetzt als Christ zu den Besseren, den Richtigeren? Kann man alles vergessen, was an Glaubenswissen und Glaubenspraxis aus dem Volk Israel überliefert ist? Paulus wirbt mit seinem Wort darum, das „Alte“ als Wurzel des „Neuen“ zu begreifen und damit als festen Grund auch für den eigenen Glauben.
Tatsächlich glauben wir als Christen an einen Gott, der mit uns Menschen mitgeht. Der unser Leben teilen will und uns begleitet. Der Evangelist Matthäus nennt ihn den „Immanuel“, das heißt übersetzt, den „Gott mit uns“. Wir glauben, dass Gott in Jesus Christus selbst Mensch geworden ist und in die Geschichte von uns Menschen in neuer und zuvor nicht gekannter Weise eingetreten ist, um so auch selbst Teil der Geschichte zu werden. Schon im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung hat der Glaube an Jesus Christus den gesamten Mittelmeerraum erreicht und sich auch in den folgenden Jahrhunderten rasch weiter ausgebreitet. Auch in unserer Gegend finden sich sehr frühe Zeugnisse christlichen Glaubens, vor allem auch in Gräbern, die auf ein christliches Begräbnis hindeuten.
Mit der ihm eigenen Akribie und Hartnäckigkeit ist Diplom-Ingenieur Dietrich Grund aus Taufkirchen allen Spuren und Zeugnissen des Glaubens rund um die Geschichte unserer Pfarrkirche St. Johannes der Täufer nachgegangen. Seine Recherche hat facetten- und kenntnisreich viele Details der Geschichte des Glaubens in Taufkirchen und Umgebung von den Anfängen bis in die Gegenwart zu Tage gefördert. Auch über die Baugeschichte unserer Pfarrkirche St. Johannes kann man hier sehr viel erfahren. Die Ergebnisse seiner Arbeit liegen nun für jedermann zugänglich in dieser Publikation vor. Ich selbst habe sie als noch immer „neuer“ Pfarrer in Taufkirchen mit höchstem Interesse gelesen.
„Nicht Du trägst die Wurzel, die Wurzel trägt dich“. Mögen dieser Publikation zahlreiche Leser und Leserinnen beschieden sein. Und möge die Kenntnis der Geschichte des christlichen Glaubens am Ort auch Menschen ermutigen, sich heute neu auf die Suche zu machen, nach dem Gott, der zu uns in Jesus Christus segnen und unseren Lebensweg begleiten möchte.
Als Pfarrer am Ort möchte ich Herrn Dietrich Grund für seine Arbeit danken! Ihm und seiner Familie wünsche ich alles Gute und Gottes Segen, seiner Publikation zahlreiche interessierte Leser und dem Glauben am Ort eine gute Zukunft!
Taufkirchen, den 15.8.2020, dem Fest „Maria Himmelfahrt“
Pfarrer Thomas Kratochvil
Taufkirchen muss seit 50 Jahren mit einer Zweiteilung zurechtkommen: Hier der neue Ortsteil am Wald mit seiner Reihen- und Hochhausbebauung, dort das „Dorf“ mit der alten Kirche umgeben von historischen und auch neuen Gebäuden. Im aktuellen Logo der Gemeinde symbolisieren daher auch ein Hochhaus und die Kirche St. Johannes am Bach den Ort.
Ohne Zweifel ist eine gefühlsmäßige Identifikation mit dem ehrwürdigen, wohlgestalteten Gotteshaus sehr viel leichter möglich als mit einem Hochhaus. Es lohnt sich daher einmal Bekanntes und Unbekanntes über dieses ideelle Zentrum Taufkirchens ausführlich darzustellen. Man möge dem protestantisch sozialisierten Autor seine Kühnheit verzeihen, beim Versuch, die Geschichte von Kirche und Pfarrei St. Johannes der Täufer richtig und unverfälscht wiedergeben zu wollen.
Bei einer Taufkirche liegt es nahe, sie dem Schutz Johannes des Täufers zu unterstellen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Heilige Johannes ebenso wie Jesus historische Persönlichkeiten waren. Wie aber war ihr Verhältnis zueinander? Johannes predigte am Jordan und rief seine Zuhörer zur Buße auf. Sein Name leitet sich von hebräisch Jochanan ab, was „Jehova hat sich erbarmt“ bedeutet. Er hatte im Griechischen die Form „Ioannes o Baptistes“ im Lateinischen „Ioannes Baptista“.
Der älteste, kürzeste und möglicherweise authentischste Bericht des Neuen Testaments, das Evangelium von Markus (entstanden um das Jahr 70), erzählt (Mk. 1/9)1: „Es geschah in jenen Tagen, da kam Jesus aus Nazareth in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen.“ Für diesen „Kurzbericht“, so heißt es: „gibt es nur eine historisch plausible Erklärung: Jesus hat die Botschaft des Täufers akzeptiert und sich der von Johannes initiierten Umkehrbewegung angeschlossen.“ 2
Der Bericht von der Geburt des Johannes, die Lukas in sein Evangelium einfügt (Lk. 1,57), hat literarischen Charakter.
Sie entspricht „einem eingeführten, festen Erzählschema, das die Geburt bedeutender Kinder von betagten Eltern zum Inhalt hat.“3 Die Verhaftung und Tötung des Johannes durch König Herodes Antipas ist wohl tatsächlich geschehen. Die Erzählung vom Tanz des Mädchens vor Herodes und die Überreichung des Kopfes des Täufers ist aber eine dramatische, literarische Fiktion. Die Ermordung des Täufers geschah wohl, da Herodes in dessen Wirken (ähnlich wie beim Prozess gegen Jesus) eine politische Provokation und Rebellion gesehen hat.4
Im Johannesevangelium heißt es, dass Jesus und Johannes gleichzeitig predigten (Joh. 3,23). Bei Markus (Mk. 1,14) lesen wir dann: „Nachdem Johannes ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa, er verkündete das Evangelium Gottes.“ Jesus tritt also nach der Verhaftung und Ausschaltung des Johannes aus dessen Schatten heraus und beginnt seinen Weg der Predigt und der Verkündigung. Um die Zeit der Sommersonnenwende, am 24. Juli, wird in der katholischen Kirche das Hochfest der Geburt des Johannes gefeiert.
In Taufkirchen feierte man jährlich das Fest des Kirchenpatrons mit Gottesdienst, Marktständen bei der Kirche und Feiern auf den Bauernhöfen. Dorthin wurden in guten Zeiten Freunde und Verwandte eingeladen und üppigst mit Wurst, Fleisch, Bier, Wein, Likör, Kaffee & Krapfen bewirtet.5 Rund um das Heimatmuseum Wolfschneiderhof wird jährlich die Johannidult wieder ausgiebig gefeiert.
Der Abstand vom sommerlichen Johannisfest zum Wiegenfest vom Jesus am 25. Dezember bzw. zum Vorabend, dem 24. Dezember, beträgt sechs Monate.
Und zwar weil Lukas berichtet, dass Elisabet, die Mutter des Johannes, „im sechsten Monat war“, als der Engel der Jungfrau Maria ihre Schwangerschaft angekündigt habe. (Nach jüdischer Tradition beginnen die Festtage bereits am Vortag.)
Jesu Geburtstag hatte man 381 beim Konzil von Konstantinopel auf den Tag der Wintersonnenwende festgelegt. Allerdings nicht auf den 21. Dezember sondern auf den 25. dieses Monats, an dem die Römer ihren Staatsgott, den sol invictus (unbesiegter Sonnengott) gefeiert hatten. Bereits vor 12.000 Jahren hatten die Menschen in Mesopotamien mit der Einführung der Landwirtschaft begonnen, den kürzesten Tag des Jahres als Tag des Sterbens und des Wiedererwachens der Sonne festlich zu begehen. Es war daher naheliegend auch Weihnachten zu diesem Zeitpunkt zu feiern, da Jesus ebenfalls gestorben und wieder auferstanden war.6 Während des ersten Kreuzzuges entstand im Jahr 1099 der „Orden vom Spital des Heiligen Johannes zu Jerusalem“ (Johanniterorden) in einem Pilgerkrankenhaus, das bereits 1048 existierte und Johannes dem Täufer geweiht war.
Nach dem Ende des Kreuzritterstaates verlegte der Orden nach etlichen Zwischenstationen 1530 seinen Sitz nach Malta. Daher trägt er heute in der Kurzform den Namen Souveräner Malteserorden. 1538 entstand der evangelische Johanniterorden. Aus den Gemeinschaften erwuchsen die Sozialverbände der Malteser und der Johanniter.
Als die Jesuiten Hofmarksherren in Taufkirchen waren, führten sie für die Dorfkirche und deren barockem Bildprogramm das zusätzliche Patrozinium des Johann Evangelist ein.7 Die kirchliche Tradition sieht in ihm den Lieblingsjünger Jesu und den Verfasser des Evangeliums, das seinen Namen trägt, sowie der Offenbarung und der drei Johannesbriefe.
Im Johannesevangelium, dem jüngsten der kanonischen Texte, entstanden um das Jahr 100, heißt es als Predigt für die entstehende Christengemeinde über den Täufer: „Johannes legt Zeugnis für ihn ab und ruft: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war ... Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus … Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht (Joh. 1,15 ff).“
Das kirchliche Fest für den Apostel Johannes wird am 27. Dezember begangen, also am Tag nach dem Stephanitag, dem zweiten Weihnachtsfeiertag. Es heißt dieser Tag: „galt zwar in bäuerlichen Gegenden bereits wieder als Werktag, dennoch nahm man sich Zeit für alle möglichen Feiervergnügen. Im Mittelpunkt stand dabei der junge Wein, der Heurige. Den brachte man in die Kirche, wo er als Johannisminne gesegnet wurde, danach kredenzte man ihn Nachbarn und Freunden.
Der Brauch des Minnetrinkens ist ein letzter Rest vom antiken Christentum in Bayern: In der griechischen Ostkirche war die sogenannte Agape üblich, ein fröhliches Beisammensein nach der Messe (griechisch: agape = Liebe; auch Minne)“8.
Der verstorbene Heimatpfleger Seebauer erzählte gern aus Kindertagen, dass seine Tante ihn ein Gläschen süßen Johanniswein trinken ließ, wobei er aufsagen musste: „Ich trinke die Liebe des Heiligen Johannes“.
Die Namen des „Sommerhannes“ und des „Winterhannes“ sind in Bayern als männliche Vornamen in Form von Johann oder Hans weit verbreitet (Die weibliche Form lautet Johanna oder Hanna). In Taufkirchen und anderswo in Bayern war es früher Sitte, dass die Bauern ihren Erstgeborenen Johann nannten.
1 Zitate nach der Einheitsübers. 2016 des Katholischen Bibelwerkes
2 www.bibelstudium.kaththeol.uni-muenchen.de
3 www.bibelwissenschaften.de
4 Vgl. Joel Carmichael, Leben und Tod des Jesus von Nazareth, Fischer Bücherei, Hamburg 1968
5 Vgl. Bericht der Münchner Vorort-Zeitung vom 25.6.1906
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