Janice Maynard

Ein sehr privater Verführer

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:
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© 2012 by Janice Maynard
Originaltitel: „Into His Private Domain“
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1758 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Kai Lautner

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 03/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-95446-437-1

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY, STURM DER LIEBE

 

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1. KAPITEL

Gareth kam aus der Dusche und warf einen Blick in den Spiegel. Er war immer noch aufgewühlt, trotz des vielen kalten Wassers. Nackt, wie er war, begann er, sich zu rasieren. Als sich seine Haut glatt anfühlte, zog er seinem Spiegelbild eine Grimasse.

Sein schwarzes, welliges Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Zwar trug er es immer länger, doch mittlerweile war es so lang, dass es ihn bei der Arbeit störte. Also griff er in eine Schublade, holte ein dünnes Lederband heraus und machte sich einen kurzen Pferdeschwanz.

Da hörte er ein lautes Klopfen an der Haustür. Wer konnte das sein? Irgendwelche Lieferanten brachten ihre Sachen immer ins Hauptgebäude. Weder seine Brüder noch sein Vater kämen auf die Idee, ihr Kommen auf diese Weise anzukündigen. Und sowohl Onkel Vincent als auch seine Cousins nahmen Rücksicht auf Gareths Einsiedlerdasein und ließen ihn in Ruhe.

Die Journalisten hatten sich jahrelang die Finger über ihn und seine Familie wund geschrieben, das Fernsehen war ihnen immer auf den Fersen gewesen. Wenn ein Mann reich war, gab es immer Leute, die sich an ihn hängten. Gareth war des Spiels müde.

Als Soldat hatte er sich kurz in eine Gemeinschaft einfügen müssen, aber sonst hatte er es zeitlebens vorgezogen, allein zu sein. Nur seine Familie bekam ihn ab und an zu Gesicht.

Er zog eine Jeans an – ohne Unterwäsche. Für den Eindringling, der geklopft hatte, musste das genügen. Seine Laune tendierte gegen null. Wer wagte es, einen grimmigen Wolff zu stören?

Mit langen Schritten durchquerte er sein Haus und fluchte, als sich das Lederband öffnete und sein schwarzes Haar wieder bis auf die Schultern fiel. Egal. Wer auch immer da draußen vor der Tür stand, würde hochkant vom Grundstück fliegen.

Er riss die Tür auf und sah verblüfft auf die zierliche Frau mit den wilden roten Locken. Während seine Wut nicht im Geringsten verrauchte, genügte ein Blick, und sein sexuelles Interesse erwachte. „Wer sind Sie und was wollen Sie?“, knurrte er.

Unwillkürlich wich die Frau einen Schritt zurück. Gareth baute sich vor ihr auf und stützte eine Hand gegen den Türrahmen. Barfuß und mit nacktem Oberkörper wirkte er äußerst bedrohlich.

Was die Frau nicht daran hinderte, seine muskulöse Brust mit einem bewundernden Blick zu streifen, ehe sie zu ihm aufsah und vorsichtig sagte: „Ich muss mit Ihnen reden.“

Wow, diese Rothaarige war sexy. Doch Gareth antwortete kalt: „Sie haben kein Recht, hier einzudringen.“

Ihre helle Haut schimmerte, und sie hielt sich extrem gerade. Zu gern hätte Gareth seine Zunge über ihren zarten Rücken gleiten lassen, bis sie …

Nein, befahl er sich, atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er musste auf der Hut sein, auch wenn er eine Schwäche für rote Locken und fein gemeißelte Wangenknochen besaß. Das Parfüm, das sie trug, erregte ihn. Kein Wunder. Es war lange her, seit er das letzte Mal mit einer Frau geschlafen hatte. „Was wollen Sie?“, blaffte er.

Nervös schaute sie ihn an. Ihre Augen waren klar und blau wie der Himmel in den Bergen. Dazu ein kleines energisches Kinn, das sie jetzt kämpferisch reckte, ehe sie lächelte und sagte: „Könnten wir nicht nach drinnen gehen und uns einen Moment unterhalten? Ich hätte auch gern etwas zu trinken. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie nicht lange aufhalten werde.“

Gareth ballte vor Zorn die Fäuste. Schon wieder eine, die ihn für ihre Zwecke benutzen wollte. „Hauen Sie ab“, schnauzte er sie an.

Erschrocken stolperte die Frau rückwärts. Sie öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch in diesem Moment trat sie ins Leere, fiel fast wie in Zeitlupe nach hinten und knallte unsanft auf die Stufen, um dann zusammengekauert am Fuß der Treppe liegen zu bleiben.

Sofort war Gareth bei ihr. Seine Hände zitterten, und sekundenlang konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Was bin ich doch für ein Mistkerl, fluchte er im Stillen. Nicht besser als die Kojoten, die nachts durch die Berge streifen.

Sie war bewusstlos. Hektisch untersuchte Gareth, ob sie sich etwas gebrochen hatte. Aufgewachsen mit Brüdern und Cousins, war er oft Zeuge von Knochenbrüchen gewesen. Doch jetzt fürchtete er sich vor dem Anblick eines scharfen Knochens, der die zarte, helle Haut durchstach.

Erleichtert atmete er auf, als er nichts dergleichen fand. Dafür gab es eine Platzwunde an der Schläfe, die stark blutete.

Vorsichtig hob er die zierliche Frau hoch und trug sie in sein Schlafzimmer – sein privatestes Refugium. Nachdem er sie so sachte wie möglich auf das noch ungemachte Bett gelegt hatte, holte er Eis und Verbandszeug.

Dass sie immer noch bewusstlos war, als er zurückkam, machte ihm große Sorgen, ebenso wie die tiefe Wunde an ihrem Bein. Also rief er seinen Bruder Jacob an. „Ich brauche dich. Es handelt sich um einen Notfall. Bring deinen Arztkoffer mit.“

Zehn Minuten später standen beide Männer da und schauten auf die zarte Person, die in dem riesigen Bett winzig wirkte. Ihr rotgoldenes Haar schimmerte auf dem in männlichen Grau- und Blautönen gehaltenen Kissenbezug.

Rasch und methodisch untersuchte Jacob seine Patientin von Kopf bis Fuß. „Den Schnitt am Schienbein muss ich nähen“, verkündete er dann. „Die Platzwunde am Kopf sieht schlimmer aus, als sie ist. Ihre Pupillen sind normal.“ Er runzelte die Stirn. „Ist sie eine Freundin von dir?“

Verächtlich schnaubend erwiderte Gareth: „Wohl kaum. Ich habe gerade mal zwei Minuten mit ihr gesprochen, ehe sie von der Treppe fiel. Sie wollte mit mir über irgendwas sprechen. Vermutlich eine Journalistin.“

„Und wieso ist sie gefallen?“

Gareth beugte sich vor und strich dem zierlichen Geschöpf eine rote Strähne aus dem Gesicht. „Ich wollte ihr Angst machen, und es hat funktioniert.“

Jacob seufzte. „Irgendwann gehst du zu weit in deinem Bedürfnis, ungestört zu bleiben, Gareth. Was ist, wenn sie uns auf Schadensersatz verklagt? Hast du auch nur eine Minute an die Familie gedacht?“

Während er sprach, hatte Jacob eine Spritze gesetzt und die Stelle am Schienbein betäubt, um sie zu nähen. Die Frau rührte sich nicht.

„Ich wollte einfach nur, dass sie abhaut“, murmelte Gareth schuldbewusst und hoffte, die Frau wäre so unschuldig wie der Neuschnee, der im Spätherbst in den Bergen fiel.

Doch sie konnte genauso gut eine giftige Schlange sein.

Jacob setzte den letzten Stich und verband die Wunde fachgerecht. Dann fühlte er den Puls seiner Patientin, spritzte ihr noch ein Schmerzmittel und überlegte kurz. „Wir müssen herausfinden, wer sie ist. Hatte sie eine Handtasche dabei?“

Gareth nickte. „Dort auf dem Stuhl.“ Während sein Bruder die große Handtasche durchwühlte, betrachtete er die junge Frau in seinem Bett. Sie sah aus wie ein Engel.

Gleich darauf hatte Jacob eine Geldbörse und ein Blatt Papier zutage gefördert. „Sieh dir mal dieses Foto an. Die Frau heißt Gracie Darlington.“

„Falls der Personalausweis keine Fälschung ist.“

„Sei nicht paranoid. Kann doch sein, dass das alles ganz harmlos ist.“

„Und Schweine können fliegen. Ich lasse mich von einem niedlichen Gesicht nicht täuschen. Das habe ich hinter mir.“

„Ach, komm. Deine Ex-Verlobte war einfach ein bisschen zu zielstrebig. Und niedlich ist für sie auch das falsche Wort. Das alles ist so lange her, Gareth. Zeit, es zu vergessen.“

„Trotzdem, ich bleibe misstrauisch.“

Jacob schüttelte den Kopf und zerbrach eine Ampulle mit Ammoniak unter Gracies Nase.

Das starke Stimulans führte dazu, dass sie sich unruhig bewegte. Als sie die Augen aufschlug und langsam in die Realität zurückkam, stöhnte sie.

Gareth nahm ihre kleine Hand. „Wachen Sie auf.“

Blinzelnd sah sie erst ihn an, dann seinen Bruder. „Es gibt zwei von Ihnen?“, flüsterte sie verwirrt.

Jacob antwortete grinsend: „Solange Sie nicht vier von uns sehen, ist alles in Ordnung. Sie haben vermutlich eine Gehirnerschütterung, das heißt, Sie müssen liegen und viel trinken. Wenn sich Ihr Zustand verschlechtern sollte – ich bin in der Nähe. Und keine hastigen Bewegungen verstanden?“

Gracie zog das Näschen kraus. „Wo bin ich?“

Beruhigend legte Jacob ihr die Hand auf den Arm. „Im Schlafzimmer meines Bruders. Aber keine Sorge. Gareth beißt nicht. Ich bin übrigens Jacob.“ Er warf Gareth einen Blick zu. „Eisbeutel für das Bein und die Beule an der Schläfe. Ich lasse ein paar Schmerztabletten da, für später, wenn die Wirkung der Spritze nachlässt. Morgen früh komme ich wieder und sehe nach ihr, außer, ihr braucht mich früher. Außerdem solltest du sie bald zu mir in die Klinik bringen, damit ich ein Röntgenbild machen kann. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich was übersehen habe.“

Gareth machte sich nicht die Mühe, seinen Bruder zur Tür zu bringen.

Stattdessen setzte er sich auf die Bettkante und verfluchte sich dafür im Stillen, als er sah, dass Gracie, obwohl sie so angeschlagen war, sofort versuchte, in den hintersten Winkel des Bettes zu flüchten. Leichenblass und zitternd beugte sie sich vor und erbrach sich auf den Fußboden.

Dann begann sie zu schluchzen.

Sekundenlang wusste Gareth nicht, was er tun sollte. Nie zuvor hatte er ein so starkes Bedürfnis verspürt, eine Frau zu trösten und sie zu umsorgen. Gleichzeitig war ihm klar, dass er Gracie nicht vertrauen durfte.

Ihre Hilflosigkeit rührte ihn allerdings zutiefst. Niemand konnte so etwas spielen.

Also ging er ins Bad, feuchtete einen Waschlappen an und gab ihn Gracie, während er das Malheur auf dem Boden aufwischte. Als er fertig war, ging ihr Schluchzen in einen Schluckauf über. Sie lag da mit geschlossenen Augen und rührte sich nicht, wahrscheinlich, weil ihr alles wehtat.

Mit zwölf war Gareth einmal ziemlich übel vom Pferd gestürzt und hatte sich am Kopf verletzt. Seitdem wusste er, wie sich eine Gehirnerschütterung anfühlte.

Er ging zum Fenster und öffnete beide Flügel weit, um die frische Frühlingsluft hereinzulassen. Dann zog er die Vorhänge vor, damit Gracie nicht geblendet wurde. Er wollte es ihr so angenehm wie möglich machen.

Später stand er neben dem Bett, schaute auf die zarte Frau und fragte sich, wie ein Tag, der so normal begonnen hatte, so aus dem Ruder hatte laufen können. Mit einem Räuspern deckte er Gracie bis zum Kinn zu. „Wir müssen miteinander reden. Aber das hat Zeit, bis Sie wiederhergestellt sind. Es ist fast Abend. Ich mache Ihnen etwas Leichtes zu essen und bringe es Ihnen.“ Zögernd wartete er auf ihre Antwort.

Gracie rang um Fassung, sicher, dass sie gleich wieder ganz sie selbst sein würde. Alles kam ihr vor wie ein merkwürdiger Traum. Und der Mann, der sich gerade so fürsorglich über sie beugte, war auch definitiv ein Traumtyp – obwohl sein Gesicht eher ungewöhnlich als schön aussah. Seine Adlernase, sein markantes Kinn und seine ausgeprägten Wangenknochen betonten seine tiefschwarzen Augen, in denen die Pupillen kaum zu erkennen waren.

Die Art, wie er sein Haar trug, ließ ihn ungebändigt, fast wild erscheinen. Offenbar kümmerte dieser Mann sich nicht um Konventionen. Zu gern hätte Gracie eine dieser schwarzen Strähnen durch ihre Finger gleiten lassen, um herauszufinden, ob seine Locken wirklich so weich waren, wie sie aussahen.

Sein nackter, muskulöser Oberkörper war gebräunt, und Gracie entdeckte drei kleine Narben. Es juckte sie in den Fingern, die schmalen Kerben zu berühren. Dieser Typ würde sie umhauen, läge sie nicht längst schon in seinem Bett. Sie sah ihm nach, als er das Zimmer verließ, und bald darauf fiel sie in einen unruhigen Schlaf. Ab und zu schreckte sie auf. Alles tat ihr weh, und sie fühlte sich gottverlassen. Als ihr Gastgeber endlich wiederkam, war es fast dunkel geworden.

Er trug ein Tablett, das er auf einer hölzernen Truhe am Fußende des Bettes absetzte. Statt die Deckenleuchte einzuschalten, knipste er eine kleine antike Nachttischlampe an, deren cremefarbener Seidenschirm weiches Licht verbreitete. Gracie war dankbar für diese Rücksichtnahme.

Nun trat er zu ihr ans Bett. „Sie sollten sich aufsetzen und etwas essen.“

Fragen über Fragen wirbelten durch ihren Kopf, aber aus dem Tontopf, der auf dem Tablett vor sich hin dampfte, duftete es verführerisch, und ihr Magen knurrte hörbar. Der Mann machte dazu keine Bemerkung, sondern half ihr, sich aufzurichten. Als seine Hand ihre Haut berührte, schien die Stelle zu brennen.

Sobald sie saß, stellte er das Tablett vor sie. Gracie bewegte ihre Beine und verspürte plötzlich einen heftigen Schmerz, der sie zusammenzucken ließ. Bisher hatte sie gar nicht bemerkt, dass sie außer der Kopfwunde auch noch eine andere Verletzung davongetragen hatte.

Er beantwortete ihre unausgesprochene Frage. „Jacob – mein Bruder, ein Arzt – er hat die Wunde an Ihrem Schienbein genäht. Sie haben sich an den scharfkantigen Kieseln geschnitten, als Sie …“ Er hielt inne, und sie sah, dass ihm die Erinnerung an den Vorfall sehr unangenehm war. Ohne weiteren Kommentar zog er sich einen Stuhl ans Bett und sah zu, wie Gracie aß.

Wenn sie nicht am Verhungern gewesen wäre, hätte seine Anwesenheit sie nervös gemacht. Aber offenbar war es Stunden her, seit sie das letzte Mal gegessen hatte, und die Hühnersuppe schmeckte einfach köstlich! Große Fleischstücke, frische Karotten und Sellerie schwammen in einer kräftigen Brühe. Wer auch immer diese Mahlzeit bereitet hatte – sie kam nicht aus der Dose. Gracie war sich darüber bewusst, dass die Hast, mit der sie aß, alles andere als damenhaft war.

Sie schwiegen, bis sie aufgegessen hatte, dann stellte Gareth – das war doch sein Name, oder? – das Tablett weg, setzte sich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust.

Er war leger in Jeans gekleidet und barfuß. Dazu trug er jetzt ein dunkelrotes, handgewebtes Shirt, weit geschnitten, ein bisschen Ethno, ein bisschen Hippie. An einem anderen Mann hätte es vielleicht lächerlich gewirkt, aber er sah darin selbstbewusst und anziehend aus.

Verlegen flüsterte Gracie: „Ich muss mal ins Bad.“ Es war ihr peinlich, dass sie Gareths Hilfe brauchte, um aufzustehen. Zuerst dachte sie, ihre Beine würden einfach so wegsacken, doch dann fing sie sich und humpelte nach nebenan.

Das Badezimmer war riesig und besaß eine gemauerte, voll verglaste Dusche. Für den Bruchteil eines Moments stellte sie sich Gareth unter der Brause vor, nackt, hinreißend männlich …

Puh, dachte sie, als sie merkte, wie ihre Knie zitterten. Der Typ ist unglaublich sexy. Beim Händewaschen machte sie den Fehler, in den Spiegel zu schauen. Sie war so blass, dass man jede Sommersprosse einzeln sah, und ihr Haar war völlig zerzaust.

Hastig suchte sie in den Schubladen, bis sie einen Kamm fand. Doch als sie versuchte, ihre Locken zu entwirren, kam sie an die Schläfenwunde und schrie vor Schmerz auf.

Sofort war Gareth bei ihr. Er hatte noch nicht einmal angeklopft. „Was ist los?“, wollte er wissen. „Ist Ihnen wieder übel?“ Als er begriff, was der Auslöser für ihren Schrei gewesen war, murmelte er: „Vergessen Sie Ihre Frisur“, hob sie hoch und trug sie zurück ins Bett.

Sobald sie wieder lag, justierte er die Eisbeutel und gab ihr zwei Schmerztabletten, wobei er darauf bestand, dass sie sie mit Milch hinunterspülte. Sie kam sich vor wie ein krankes Kind, das von einem Elternteil gepflegt wird. Ein starker Kontrast dazu waren ihre durchaus weiblichen Reaktionen auf diesen Mann. Er ging zur Tür, aber sie rief ihm hinterher: „Bitte, gehen Sie nicht weg.“ Dabei errötete sie und hoffte, er würde es nicht merken. „Ich will nicht allein sein.“

Gehorsam kam er zurück, drehte den Stuhl um und setzte sich rittlings darauf. Seiner Miene war nicht zu entnehmen, was er dachte. „Sie können sich hier absolut sicher fühlen“, sagte er mit so sanfter Stimme, dass sie einen Schauer spürte. „Jacob meint, dass Sie sich schnell erholen werden.“

Sie zupfte an der Decke. „Lebt Ihr Bruder auch hier im Haus?“

Seine Stimmung veränderte sich schlagartig, und er sah sie feindselig an. „Jacob hat ein eigenes Haus auf dem Gelände. Aber das geht Sie eigentlich auch nichts an. Ich wüsste gern: Weshalb sind Sie hierhergekommen?“

Kraftlos sank sie zurück in die Kissen und wandte den Kopf zur Seite. Das Fenster stand immer noch offen, aber draußen war es inzwischen dunkel. „Ich weiß es nicht“, erwiderte sie tonlos.

Er runzelte die Stirn. „Was meinen Sie damit? Schauen Sie mich doch bitte an, wenn ich mit Ihnen rede.“

Zögernd gehorchte sie. Die Situation war ihr äußerst peinlich, und sie fühlte sich vollkommen verwirrt. Nervös biss sie sich auf die Unterlippe und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. „Warum sind Sie so wütend? Liegt es an mir?“

Wenn sie nicht so eine gute Beobachterin gewesen wäre, dann hätte sie seine Reaktion vielleicht gar nicht bemerkt: Sein Blick war alarmiert und mit einer Hand umklammerte er die Stuhllehne, so heftig, dass die Knöchel weiß hervortraten. Gleich darauf hatte er sich aber wieder unter Kontrolle. „Nein, durchaus nicht. Ich möchte nur, dass Sie hier so bald wie möglich wieder verschwinden.“

Offensichtlich stellte ihre Anwesenheit in seinem Haus für ihn ein riesiges Problem dar. Hektisch schlug sie die Decke zurück und stand auf. „Ich gehe.“

Mit einer geschmeidigen Bewegung war er bei ihr und drückte sie sanft zurück in die Kissen. „Machen Sie sich nicht lächerlich. Sie sind überhaupt nicht in der Lage, irgendwo hinzugehen. Bleiben Sie liegen und schlafen Sie sich gesund. Morgen jedoch hauen Sie ab.“

In ihrem Kopf hämmerte der Schmerz, er machte sie fast verrückt. Aber noch mehr ängstigte sie etwas, das sie in diesem Moment immer klarer erkannte. „Bitte“, flüsterte sie tränenerstickt.

„Was?“, fragte er irritiert.

„Bitte sagen Sie mir, wer ich bin.“

2. KAPITEL

Gareth bemühte sich, seinen Schock zu verbergen. Jetzt wusste er Bescheid. Da war er, der Täuschungsversuch. Wahrscheinlich gehörte das zu ihrem finsteren Plan. Denn es konnte doch nicht sein, dass sie wirklich ihr Gedächtnis verloren hatte. Oder?

Mit ausdrucksloser Miene fragte er: „Amnesie? Tatsächlich. Haben Sie vor, hier eine Seifenoper abzuziehen?“ Er zuckte die Achseln. „Na gut, ich spiele mit. Ich heiße Gareth, und Ihr Name ist Gracie Darlington. Sie kommen aus Savannah. Gemeinsam mit Jacob habe ich mir Ihren Personalausweis angesehen.“

Er sah, wie ihre Lippen zu zittern begannen und sie sich verzweifelt um Kontrolle bemühte. Eine gute Schauspielerin bekam so etwas ohne Weiteres hin. Anders ihr Blick, in dem sich echte Angst spiegelte. So etwas ließ sich nicht ohne Weiteres herstellen. Jetzt atmete sie tief durch. „Wie bin ich hierhergekommen? Steht draußen mein Auto?“

Er schüttelte den Kopf. „Anscheinend haben Sie den Aufstieg zu Fuß gemacht. Kein leichtes Unterfangen. Es ist steil, und der Wald ist ein Dickicht. Es gibt keine Wege. Deshalb haben Sie sich wohl auch Arme und Beine zerkratzt.“

„Besitze ich ein Handy?“

„Ich werde es herausfinden.“ Gareth erinnerte sich an die pinkfarbene große Tasche, in der Jacob vorhin herumgewühlt hatte. Diesmal war es Gareth, der sie durchsuchte. Er zog einen Reißverschluss auf und fand ein Smartphone. Er gab es Gracie und ließ die Handtasche aufs Bett fallen. Glücklicherweise schien die Batterie aufgeladen zu sein. Gracie klappte das Handy auf.

„Immerhin wissen Sie noch, wie man so was bedient“, bemerkte Gareth sarkastisch. Seine Bemerkung ließ Gracie zusammenzucken, doch sie sah nicht zu ihm auf, sondern studierte das Namensverzeichnis so intensiv, als wolle sie es auswendig lernen.

Endlich hob sie den Kopf, und in ihre schönen Augen trat ein feuchter Schimmer. „Ich kenne diese Leute alle nicht“, flüsterte sie, während eine Träne über ihre Wange rollte. „Aber weshalb? Warum kann ich mich an nichts erinnern?“

Ohne allzu großes Mitgefühl zu zeigen, nahm ihr Gareth das Handy ab. Einem Wolff konnte man so leicht nichts vormachen. Jedenfalls nicht mehr. „Als Sie die Treppe hinuntergestürzt sind, haben Sie sich den Kopf angeschlagen. Aber Jacob ist Arzt, und wenn er sagt, dass alles in Ordnung ist, glaube ich ihm.“ Allerdings war Jacob gegangen, ehe der Gedächtnisverlust zutage getreten war. Verdammt.

Langsam scrollte Gareth durch das Namensverzeichnis, ohne recht zu wissen, nach was er eigentlich suchte. Doch dann fand er es. Es gab einen Eintrag: „Für Notfälle“, und darunter stand der Name Edward Darlington, dazu die Bezeichnung „Daddy“.

Sofort wählte er die Nummer und wartete. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine Männerstimme, und Gareth sagte ruhig: „Hier ist Gareth Wolff. Ihre Tochter ist gestürzt und hat sich verletzt. Ein Arzt hat sie bereits untersucht und nichts Gravierendes festgestellt. Allerdings klagt sie über Gedächtnisverlust, der sicherlich nur vorübergehend ist. Es wäre sehr freundlich von Ihnen, wenn Sie ein paar beruhigende Worte zu ihr sagen könnten. Ich reiche Sie jetzt weiter.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, gab er Gracie das Handy.

Sie setzte sich halb auf und lehnte ihren Kopf an die Rückwand des Bettes. „Hallo?“

Gareth ließ sich auf der Bettkante nieder, was ihm ermöglichte, Teile des Gesprächs mit anzuhören. Die Männerstimme klang belustigt.

„Gut gemacht, kleine Gracie. Ich wusste gar nicht, dass du so schlau sein kannst. Hast so getan, als wärst du auf dem Weg zu Wolff verunglückt. Und jetzt ein kleiner Gedächtnisverlust? Super. Jetzt haben wir ihn genau da, wo wir ihn haben wollten. Die ganze Familie wird sich davor fürchten, dass wir sie auf Schmerzensgeld verklagen. Gratuliere, Gracie. Es zahlt sich doch immer aus, wenn man geradewegs auf sein Ziel lossteuert. Brillant, mein Kleines. Absolut brillant.“

Gracie unterbrach die begeisterte Suada. „Vater … mir geht es wirklich nicht gut. Könntest du mich bitte abholen und nach Hause bringen?“

Darlington lachte. „Bestimmt steht er gerade neben dir, nicht wahr? Das heißt, du musst dein Spiel perfekt spielen. Bravo. Ich werde meinen Part übernehmen. Aber jetzt musst du noch allein zurechtkommen. In einer halben Stunde geht mein Flieger nach Europa, und ich bin erst in einer Woche wieder da. Im Haus sind außerdem die Handwerker. Ich habe dem Bauunternehmer mitgeteilt, dass wir beide nicht da sind, und er mit den Umbauarbeiten sofort anfangen kann. Falls du früher wiederkommst, musst du dir also ein Hotelzimmer nehmen.“

„Das ist überhaupt nicht lustig“, murmelte sie. „Ich meine es ernst. Hier kann ich nicht bleiben. Sie wollen mich nicht hier haben. Ich bin eine Fremde.“

„Pack sie bei ihrem Mitgefühl“, riet ihr Vater. „Es gehört sich nicht, eine verletzte Frau einfach rauszuwerfen. Du könntest mit Gareth ein bisschen flirten. Weck seinen Beschützerinstinkt. Ein Mädchen in Nöten und so weiter. Bald hast du ihn so weit, und er gibt uns, was wir von ihm wollen. Nächste Woche reden wir weiter. Jetzt muss ich los.“

„Halt, warte!“, rief sie verzweifelt. „Sag mir wenigstens, ob ich verheiratet bin oder einen Freund habe. Irgendjemanden, der mich vermisst.“

Lautes Gelächter antwortete ihr, und sie hielt das Telefon weg von ihrem Ohr. „Unsinn, natürlich nicht. Alles Gute, Gracie. So viel Freude an dir hatte ich selten. Ich wünschte, ich könnte sein Gesicht sehen. Machs gut.“

Er legte auf, und Gracie starrte blicklos auf das Handy. Was war das eigentlich für ein Vater, der seine Tochter einfach sitzen ließ, wenn sie ihn am dringendsten brauchte? Abgesehen davon, dass sie sich gerade gottverlassen fühlte, schämte sie sich dafür, mit diesem Edward Darlington verwandt zu sein.

Sie legte das Handy weg und brachte ein unsicheres Lächeln zustande. „Wie viel von dem Gespräch haben Sie mitgehört?“

Gareth stand auf, ging zum Fenster und wandte ihr den Rücken zu. „Genug“, sagte er grimmig. Die Sache ekelte ihn an, und er war unzufrieden mit sich selbst. Wenn er ganz bei Trost wäre, würde er Gracie von seinem Grund und Boden jagen, und zwar umgehend – warum tat er es nicht?

Mit tränenerstickter Stimme flüsterte Gracie: „Er kann mich nicht abholen, weil er für eine Woche nach Europa fliegt. Aber wenn Sie so nett wären, für eine Transportmöglichkeit zu sorgen, bin ich sicher, dass er Ihnen das Geld erstattet.“

Misstrauisch sah er sie an. „Er glaubt, dass Sie den Gedächtnisverlust nur erfunden haben.“

Sofort errötete sie. „Das Gespräch mit ihm war so seltsam. Anscheinend bin ich hierhergekommen, weil ich einen Plan hatte. Aber was für ein Plan das war, weiß ich nicht mehr. Mein Vater dagegen scheint es sehr gut zu wissen.“

„Haben Sie wirklich nicht den Schimmer einer Ahnung?“

Sie schüttelte den Kopf. „Es tut mir so leid. Sobald es geht, verschwinde ich von hier.“

„Das werden Sie nicht tun“, erwiderte Gareth fest. „Wenn Sie wirklich unter Amnesie leiden, muss Jacob davon erfahren. Die Familie Wolff ist nicht dafür bekannt, Bedürftige einfach auf die Straße zu setzen. Aber eines dürfen Sie mir glauben, Gracie. Weder Sie noch Ihr Vater werden Gelegenheit erhalten, uns zu verklagen.“

„Niemand will Sie verklagen“, sagte sie unglücklich und fügte hinzu: „Ich halte nichts von solchen Dingen.“

„Woher wollen Sie das wissen?“, gab er zurück. „Vielleicht ist jene Gracie Darlington, an die Sie sich nicht mehr erinnern können, genau anderer Meinung?“

Gracie rutschte wieder unter die Decke. Ihr Kopf schmerzte zum Zerspringen. „Bitte lassen Sie mich allein.“

„Kommt nicht infrage. Wenn Sie darauf bestehen, an Gedächtnisverlust zu leiden, muss ich Jacob hinzuziehen. Ich fahre Sie jetzt rüber zu ihm.“

Allein der Gedanke, stehen oder gar gehen zu müssen, machte ihr Angst. „Könnte er nicht lieber herkommen? Es ist doch noch gar nicht so spät, oder?“

„Es geht nicht darum, wie spät es ist. In Jacobs Klinik gibt es alles, was man für solche Fälle braucht. Er wird eine Computertomografie von Ihrem Kopf machen und Ihr Bein röntgen.“

„Das ist bestimmt nicht nötig. Ich brauche einfach nur Ruhe. Morgen sind Sie mich dann wieder los.“

Doch Gareth war schon auf dem Weg zur Tür. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um. „Sie befinden sich auf meinem Grund und Boden. Hier hat ein Wolff das Sagen, nicht Sie.“ Er schaute grimmig zu ihr hinüber. „Ich hole meine Schlüssel und ziehe mir Schuhe an. Rühren Sie sich nicht vom Fleck.“

Gracie schloss die Augen und bemühte sich, ruhig und tief zu atmen. Vielleicht war sie nur in einem verstörenden Albtraum gefangen. Bestimmt würde sie gleich aufwachen und feststellen, dass das alles nur Einbildung gewesen war. Gareth Wolff. Sie flüsterte seinen Namen und versuchte verzweifelt, sich zu erinnern. Weshalb war sie zu ihm gekommen? Was verlangte ihr Vater von ihr? Wie war sie überhaupt von Georgia nach Virginia gekommen? Wo war ihr Gepäck? In welchem Hotel war sie abgestiegen? Hatte sie ein Auto? Oder einen Laptop? In ihrer großen Handtasche befanden sich nur das Handy, ein paar Müsliriegel und Papiertaschentücher.

Verwundert fragte sie sich, weshalb sie wusste, was ein Laptop war, wenn sie sich nicht einmal an ihren eigenen Namen erinnern konnte?

Gareth kam zurück, an den Füßen gut eingetragene Lederstiefel. Er wirkte so sicher, so überlegen. Der Anblick der alten Stiefel beruhigte sie seltsamerweise etwas. Sie hatten so etwas Normales, Alltägliches. Irgendwie menschlich.

Als Gareth die Decke zurückschlug und Gracie hochhob, schrie sie auf.

„Habe ich Ihnen wehgetan?“, fragte er erschrocken. „Tut mir leid“, fügte er hinzu, ohne auf ihre Antwort zu warten.

Sie schüttelte den Kopf. Ihr ganzer Körper zitterte, als Gareth sie durch den Flur in die Eingangshalle trug. „Sie haben mich einfach nur überrumpelt.“ Nicht um alles in der Welt hätte sie zugegeben, dass seine Nähe sie gleichzeitig verstörte und erregte. Gareth roch so gut. Ihr Kopf lag an seiner Brust, und sein ruhiger, gleichmäßiger Herzschlag gab ihr das Gefühl, in Sicherheit zu sein.

Vage nahm sie auf ihrem Weg zur Haustür wahr, wie reich und exklusiv Gareth wohnte: glänzendes Parkett, teure Teppiche mit indianischen Mustern, ausladende Wandlüster aus Elchgeweih, die alles in warmes Licht tauchten.

Viel zu schnell war Gareths Schritt, als dass sie noch mehr Gelegenheit gehabt hätte, sich umzusehen. Gleich darauf hatten sie das Haus verlassen, und um sie war eine kühle, leicht neblige Frühlingsnacht.

Hm, woher weiß ich, dass es Frühling ist? überlegte Gracie. Die winzigen Erinnerungssplitter machten ihr Hoffnung, dass ihr Gedächtnisverlust tatsächlich mit dem Unfall zusammenhing und bald vergehen würde.

Fast ebenso sehr wie ihre fehlende Erinnerung daran, wer sie war und was sie hier tat, irritierte sie allerdings ihre Reaktion auf Gareths Nähe. Sie mochte es, wie er sie hielt und durch die Nacht trug. Und obwohl er ihr nur allzu deutlich gezeigt hatte, dass er sie für einen Eindringling hielt, hatte sie keine Angst vor ihm. Im Gegenteil. Sie fühlte sich extrem zu ihm hingezogen. Aber das kam vermutlich, weil er das einzig Reale in ihrem unwirklichen Zustand war.

Gareths Jeep parkte in einer riesigen Garage, die Platz für eine ganze Wagenflotte bot. Sobald er Gracie auf dem Beifahrersitz abgesetzt hatte, ging er auf die andere Seite und schwang sich hinters Steuer. Unsicher versuchte Gracie, in der Dunkelheit mehr von ihrer Umgebung zu erkennen. Es war verrückt, sich hier draußen in den Bergen und in Gesellschaft eines grimmigen Mannes sicher zu fühlen, selbst wenn sein Haus einem Schloss glich und er ihr Suppe zu essen gegeben hatte.

Sie zog die Decke, die er ihr umgelegt hatte, bis zum Kinn. „Wo sind wir hier eigentlich?“

Gareth warf ihr einen kurzen Blick zu. „Wolff Mountain.“

Wolfsberge. „Ich hoffe, das ist nicht so gefährlich, wie es klingt.“

Dafür erntete sie nur ein kurzes raues Lachen.

Als er aus der Garage fuhr, tauchte im Scheinwerferlicht ein Kaninchen auf, und Gareth lenkte den Wagen abrupt nach links, um das Tier nicht zu überfahren. „Hier bin ich zu Hause. Meine beiden Brüder, ich und meine Cousins – wir alle sind hier aufgewachsen. Ich bin sicher, dass Sie sich bald daran erinnern werden.“ Und er fügte grob hinzu: „Über meine Familie gibt es keine Geheimnisse mehr.“

Anscheinend hatte ihre Frage bei ihm einen empfindlichen Nerv getroffen. Also schwieg sie und klammerte sich am Türgriff fest, als Gareth den großen Wagen in hohem Tempo über holprige Pisten steuerte.

Glücklicherweise war die Fahrt nur kurz, nach etwa zehn Minuten tauchte ein Haus im Nebel auf. Es war moderner als Gareths Domizil und schien nur aus Stahl und Glas zu bestehen. Kühles, fast steriles Design überall.

Jacob erwartete sie bereits. „Hat sich irgendetwas verändert?“, wollte er sofort wissen, als Gareth die Patientin abgesetzt hatte.

Ehe sie antworten konnte, sagte Gareth: „Sie kann sich nicht an persönliche Details erinnern. Aber das Basiswissen funktioniert. Zum Beispiel weiß sie, wie man ein Handy benutzt. Die Namen im Adressbuch sind ihr jedoch völlig fremd – zumindest behauptet sie das.“

Gracie errötete. Sie war erschöpft, und das hier war ihr peinlich.

„Warte im Wohnzimmer auf uns, Bruderherz.“ Jacob wies auf die offene Wohnlandschaft, die aussah wie aus dem Katalog. „Auf Kanal zweiundfünfzig gibt es Baseball. Bier ist im Kühlschrank.“

„Ich würde lieber mitkommen.“

Jacob legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Das gehört sich nicht, Gareth. Vertraue mir. Sie ist in guten Händen.“

Er wandte sich an Gracie. „Also los, klären wir mal, was mit Ihnen los ist, kleine Lady. Ich verspreche Ihnen, dass es keine Tortur wird.“

Da Jacob keine Anstalten machte, sie zu tragen, legte Gracie die Decke, in die sie sich während der Fahrt gehüllt hatte, über eine Sessellehne und folgte dem Arzt auf wackeligen Beinen in den hinteren Bereich des Hauses. Die vorherrschenden Farben im Wohnbereich waren Schwarz und Weiß. Es fröstelte sie, während sie die Privatklinik betraten.

Als sie den Computertomografen sah, bemerkte sie: „Ich kann mir kaum vorstellen, wofür man hier draußen in der Wildnis solch ein Equipment braucht.“

„Ich habe einige Patienten, die im Licht der Öffentlichkeit stehen und eine Klinik bevorzugen, die weit weg von den Paparazzi ist.“

„Etwa Filmstars?“, fragte sie beeindruckt.

Er wies sie an, sich auf eine schmale Bank zu setzen, und justierte die Apparatur. „Politiker, Filmstars, Wirtschaftsbosse …“

Ihr Kopf befand sich jetzt zwischen den Halterungen eines Scanners. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Sie müssen nicht in eine Röhre.“ Das kameraähnliche Ding rotierte mehrmals um ihren Oberkörper, und schon war die Sache vorbei.

Jacob wies auf einen Stuhl, und sie ließ sich darauf nieder. „Jetzt schauen wir uns mal das Innere Ihres Kopfes an. Ich hoffe, wir finden nichts Ungewöhnliches.“

„Solange wir ein Gehirn darin finden, bin ich zufrieden.“

Er lachte und holte die 3D-Grafiken auf den Bildschirm. Eine Weile begutachtete er die Bilder schweigend.

Irgendwann verlor Gracie die Geduld. „Und?“

Lächelnd schob er seinen Stuhl zurück und sah zu ihr. „Nichts Alarmierendes. Kein Schädelbruch, nichts, worum man sich kümmern müsste. Da ist natürlich eine Schwellung, aber die ist nicht besonders ausgeprägt.“

Also gab es eigentlich überhaupt keinen Grund für ihren Gedächtnisverlust. Unzufrieden nagte Gracie an ihrer Unterlippe. Jetzt würde Gareth ihr erst recht nicht glauben.

Anscheinend konnte Jacob Gedanken lesen, denn er bemerkte: „Die Schwere der Verletzung hat nichts mit Ihrer derzeitigen Situation zu tun. Ein vorübergehender Gedächtnisverlust tritt viel häufiger auf, als man gemeinhin annimmt. Ich gehe davon aus, dass Sie sich bald wieder an alles erinnern werden.“

„Aber wann?“, rief sie und sprang auf. „Wie soll ich in Ruhe schlafen gehen, wenn ich nicht einmal weiß, wer ich bin?“

Jacob blieb gelassen. „Sie wissen, wer Sie sind. Gracie Darlington. Ihr Gehirn wird sich erholen. Geben Sie ihm Zeit. Und jetzt werde ich Ihr Bein röntgen.“

Ungeduldig ließ Gracie auch diese Prozedur über sich ergehen. Ihr Bein erwies sich als nicht gebrochen, Temperatur, Blutdruck und ein paar andere Werte waren normal. Jacob tätschelte ihre Schulter. „Sie werden alles überleben.“

Wenig später kamen sie zurück ins Wohnzimmer und fanden Gareth ausgestreckt auf einem cremefarbenen Ledersofa, das auf einem luxuriösen schwarzen Teppich stand. Als er Gracie erblickte, stand er sofort auf. „Setzen Sie sich, Gracie. Ich muss noch kurz allein mit meinem Bruder reden.“

Die beiden Männer standen etwas abseits und sprachen mit gedämpfter Stimme, doch Gracie hörte trotzdem alles.

„Und?“, wollte Gareth wissen. „Ist es wirklich eine Amnesie?“

„Meine Güte, Gareth. Hier handelt es sich nicht um eine exakte Wissenschaft. Ihre Symptome passen jedenfalls dazu. Von meinem Standpunkt aus kann ich sagen, dass sie uns vermutlich die Wahrheit erzählt. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass eine Amnesie schwer einzuschätzen ist. Vielleicht ist sie morgen weg oder auch erst nächste Woche. Im schlimmsten Fall sind es mehrere Monate. Kein Mensch kann das wissen.“

„Dann sitze ich jetzt in der Scheiße.“

Gracie zuckte zusammen, als sie Gareths deftigen Ausspruch hörte. An ihrem Unbehagen konnte auch Jacobs freundliches Lächeln nichts ändern, als er mit Gareth zu ihr trat. „Fahr mit ihr nach Hause und leg sie ins Bett“, riet er seinem Bruder. „Morgen früh sieht die Sache dann schon besser aus.“

3. KAPITEL

Daheim legst du sie ins Bett. Allein der Gedanke daran bewirkte, dass ungebetene Fantasien durch Gareths Kopf schwirrten. Er und Gracie. Leidenschaftlich ineinander verschlungen in seinem Schlafzimmer. Noch nie hatte er eine Frau mit in sein Haus in den Wolff Mountains gebracht. Wenn er Sex brauchte, holte er ihn sich an fremden Orten bei reifen Frauen, die keine Bindung suchten.

Allerdings war seine letzte heiße Nacht schon eine ganze Weile her … Und Gracie weckte seine Sinne auf eine Weise, wie er es nie zuvor erlebt hatte.

Er begehrte sie mit einer Heftigkeit, die ihn fast erschreckte. Dabei hatten sie sich doch gerade erst kennengelernt. In der Stadt, hoch oben in einer anonymen Hotelbar, hätte er sie umgehend eingeladen, mit ihm in seine Suite zu kommen. Hier jedoch war Wolff Country, und es galten andere Spielregeln. Er mochte zwar kein besonders guter Gastgeber sein, aber es stand ihm nicht zu, Gracie zu belästigen.

Nun stand sie auf, scheu, verletzlich, und fragte: „Könnte ich nicht hier bleiben, Jacob? Nur für den Fall, dass irgendetwas … passiert?“

„Kommt nicht infrage“, entfuhr es Gareth unwillkürlich.

Jacob und Gracie sahen ihn erstaunt an.

„Mein Bruder hat ein viel zu weiches Herz“, knurrte er dann. „Ich muss ein Auge auf Sie haben.“

Dafür erntete er einen belustigten Blick von Jacob. „Gareth bellt, aber er beißt nicht, Gracie. In seiner Obhut sind Sie sicher. Keine Angst, morgen früh schaue ich nach Ihnen.“ Er legte ihr freundschaftlich einen Arm um die Schultern. „Machen Sie sich keine Sorgen. Alles wird wieder gut. Das verspreche ich Ihnen.“

Die Rückfahrt verlief schweigend, und als sie wenig später Gareths Haus betraten, schwankte Gracie vor Erschöpfung. Ihr unwilliger Gastgeber wies ihr ein eigenes Schlafzimmer zu. Davon gab es insgesamt fünf, denn Kieran, der Architekt des Anwesens und Gareths zweiter Bruder, hatte darauf bestanden.

„Das Bad ist gleich hier“, erklärte Gareth und öffnete eine Tür. Viel lieber hätte er Gracie wieder in sein eigenes Bett gepackt. Er konnte kaum die Finger von ihr lassen, nutzte jede Gelegenheit, sie wie zufällig zu berühren.

Da sie kein Gepäck dabei hatte, sagte er: „Ich schaue mal, ob ich irgendetwas finde, worin Sie schlafen können. Morgen besorge ich Ihnen etwas zum Anziehen.“

Zwei Minuten später war er wieder da und reichte Gracie ein großes altes T-Shirt. Gracie stand immer noch an derselben Stelle und wirkte so einsam und verloren, dass es ihn tief berührte. Falls das mit dem Gedächtnisverlust wirklich stimmte, war es nur natürlich, dass sie Angst hatte. Doch sie riss sich zusammen, und er bewunderte sie dafür.

Als er ihren Arm berührte, zuckte sie zusammen, als wäre sie in Gedanken meilenweit weg gewesen. Er hielt das T-Shirt hoch. „Was Besseres habe ich leider nicht gefunden. In den Schubladen im Bad finden Sie alles, was Sie brauchen. Meine Cousine ist Innenarchitektin und behauptet, kein Bad sei komplett ohne die notwendigen Utensilien. Bedienen Sie sich.“

Gracie nahm das T-Shirt und sah zu Gareth auf. „Werden Sie nebenan in Ihrem Schlafzimmer sein?“ Sie konnte nicht wissen, was ihre arglose Frage in ihm auslöste.

„Ja. Demnächst. Ich muss noch abschließen und das Licht im Haus ausmachen.“ Er zögerte. „Vielleicht sollten Sie Ihre Nachttischlampe anlassen. Dann fühlen Sie sich nicht so fremd, wenn Sie mal aufwachen sollten. Und immer dran denken: Ich bin gleich nebenan.“

Sie nickte. „Danke.“

Irgendetwas an der Art, wie sie da vor ihm stand, brach ihm fast das Herz. Sie war so zart – und doch so stark. Er sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen. Stattdessen sagte er kühl: „Gute Nacht, Gracie.“

Sie hörte, wie die Tür leise geschlossen wurde. In ihren Augen standen Tränen, doch es gelang ihr, sie zu unterdrücken, indem sie auf ihre zitternde Unterlippe biss. Gareth war so misstrauisch und hart, und dennoch begehrte sie ihn so heftig, dass es ihr Angst machte. Irgendwie fühlte sie sich wie die Heldin in einem Schauerroman, mutterseelenallein mit einem düsteren Lord, den ein dunkles Geheimnis umgab.

Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es längst Zeit zum Schlafen war. Sie wankte ins Bad und hoffte, dass morgen früh tatsächlich alles nicht mehr so schlimm aussehen würde. Immerhin war an ihrer Unterkunft nicht das Geringste auszusetzen: ein großes, elegant möbliertes Schlafzimmer, nebenan ein helles Marmorbad mit einem riesigen Spiegel. Gracie schaute hinein und hatte Mühe, sich in dieser blassen übernächtigten Frau mit dem zerzausten Haar zu erkennen.

Da Jacob ihrem Bein einen wasserfesten Verband verpasst hatte, zog Gracie sich aus und betrat zögernd die enorm große, voll verglaste Dusche mit dem Granitbecken und den verschiedenen Düsen. Als heißes Wasser über ihren Körper strömte, beruhigte sie sich ein wenig, doch mit der Entspannung kamen auch die Tränen. Sie lehnte sich gegen die Wand und schluchzte herzzerreißend.

Als es vorbei war, nahm sie einen Schwamm und seifte sich mit herrlich duftendem Duschgel ein. Zwanzig Minuten später kam sie wieder zum Vorschein und trocknete sich ab. Dann zog sie Gareths T-Shirt an, das ihr bis zum Knie reichte und ihr über die Schulter rutschte. Ihr Spiegelbild zeigte ihr ein nymphenhaftes Wesen mit furchtsamem Blick.

Ehe sie zu Bett ging, nahm sie sich noch die Zeit, ihre Unterwäsche zu waschen und aufzuhängen. Als sie wieder ins Schlafzimmer kam, entdeckte sie, dass Gareth noch einmal hier gewesen sein musste, denn auf dem Nachttisch lagen ein Paar Wollsocken und zwei Schmerztabletten, daneben stand eine Wasserkaraffe, und als Einschlaflektüre hatte er ihr die neueste Ausgabe des Nachrichtenmagazins Newsweek gebracht.

Sie zog die Socken an und musste zum ersten Mal an diesem Tag lächeln, weil ihr klar wurde, wie lächerlich sie aussah. Was Gareth wohl von ihr denken würde? Er konnte bestimmt unter den schönsten Frauen wählen, attraktiv, wie er war.

Das mit dem Einschlafen klappte nicht so richtig. Alles war zu fremd, und das Bein tat weh, ganz zu schweigen von den Kopfschmerzen. Jedes Mal, wenn sie wegdämmerte, holte sie derselbe Traum ein: Sie lag in Gareths Bett und zwei Männer beugten sich mit misstrauischer Miene über sie. Erschrocken schlug sie dann die Augen auf.

Warum bin ich hierhergekommen? überlegte sie wieder und wieder. Wolff Mountain. Was wollte ich von Gareth? Und was hat mein Vater damit zu tun?

Endlich, gegen halb drei Uhr, wurde es ihr zu dumm. Sie stieg aus dem Bett und ging auf Zehenspitzen zur Zimmertür. Wenn sie schon nicht schlafen konnte, dann gab es ja immer noch ein großes Haus, das zur Besichtigung einlud. Vielleicht würde sie sich dann an irgendetwas erinnern?

Außerdem hatte sie Hunger. Ihr Herz hämmerte, als sie in den Flur schlich.

Gareth hörte es sofort, als sie ihr Zimmer verließ, denn seit seiner Zeit beim Militär war es ihm nicht mehr möglich, tief und entspannt durchzuschlafen. Während der fünf Jahre Dienst an der Front hätte jeder Tiefschlaf den Tod bedeuten können. Noch heute weckte ihn jedes noch so leise Geräusch auf.

Also stand er auf und folgte Gracie leise bis in die Küche. Schweigend beobachtete er, wie sie sich ein Glas Milch eingoss und dazu ein Stück Brot mit Cheddarkäse aß. Danach spülte sie Glas und Teller sorgfältig und stellte beides zurück in den Schrank. Gareth grinste. Glaubte sie etwa, so die Spuren ihres nächtlichen Ausflugs zu verwischen?

Seine Heiterkeit verflog allerdings, als Gracie sich seinem Laptop zuwandte, der auf dem integrierten Sekretär stand. Alle wichtigen Dokumente waren durch Passwörter gesichert, aber ein guter Hacker konnte auch hier Schaden anrichten. Gracie machte es sich auf dem Schreibtischsessel bequem und tippte mit flinken Fingern etwas in die Tastatur.

Gareth wurde es zu viel. Unhörbar trat er hinter sie und fuhr sie an: „Was fällt Ihnen ein?“

Erschrocken schnappte sie nach Luft und drehte sich schuldbewusst zu ihm um. „Ich konnte nicht schlafen.“

„Und da haben Sie gedacht, es wäre doch interessant, sich mal meinen Laptop vorzunehmen?“ Er warf einen Blick auf den Bildschirm und merkte sofort, dass er sie zu Unrecht verdächtigt hatte.

„Immerhin scheint es, als wüsste ich noch, wie man Solitär spielt“, bemerkte sie trocken.

„Verstehe.“

„Weshalb sollte ich mich für Ihre privaten Daten interessieren?“, fragte sie. „Halten Sie mich für diese Art Frau?“

„Ich weiß nicht, wofür ich Sie halten soll. Das ist ja gerade das Problem.“

Sie klappte den Laptop zu und stand auf. „Ich gehe jetzt wieder ins Bett.“

„Tun Sie, was Sie wollen“, erwiderte er. Gracie wirkte in seinem alten, viel zu weiten T-Shirt wie ein Supermodel in aufregender Pose, aber er war sicher, dass ihre verführerische Körperhaltung nicht beabsichtigt war.

Als Gareth sich fluchtartig umwandte, hielt sie ihn auf. „Reden Sie mit mir. Bitte. Erzählen Sie mir etwas über Ihre Familie. Über dieses Haus. Vielleicht kann ich mich dann an irgendwas erinnern.“

„Sie wollen mich aushorchen?“, gab er grimmig zurück. Er hielt es immer noch für möglich, dass Gracie eine Journalistin auf der Suche nach einer Top-Story war. Seine Familie hatte genug unter den Medien gelitten. Damit war ein für alle Mal Schluss.

„Bitte“, flüsterte sie. „Erzählen Sie mir irgendetwas. Ich habe bei Google meinen und den Namen meines Vaters eingegeben, aber alles, was ich gefunden habe, war, dass wir eine Galerie führen.“

Sie hatte tiefe Schatten unter den Augen, und er verspürte so etwas wie Mitgefühl. „Also gut. Sie befinden sich auf einem Berg in den Blue Ridge-Mountains. In den achtziger Jahren hat sich meine Familie hier niedergelassen. Mein Onkel und mein Vater bewohnen ein großes Haus ganz oben auf dem Gipfel. Meine beiden Brüder und meine Cousins haben ebenfalls Häuser hier oder sind gerade dabei, sich welche zu bauen.“

Stirnrunzelnd fragte sie: „Leben Sie wirklich alle hier? Wie in einer Kommune?“

„Nicht wie in einer Kommune“, korrigierte er. „Das Gelände erstreckt sich über mehr als tausend Hektar. Da begegnet man sich nur, wenn man will.“

„So wie die Kennedys in Hyannis Port?“

„So ungefähr. Nur mit Politik hat keiner von uns was am Hut.“

„Aber reich sind Sie schon?“