Aus dem Buch der Prophezeiungen

Der Bund

Mit der dreizehnten Geburt
der Bund sich schließt,
die Mächte sich vereinen,
wenn Blut sich vergießt.

PROLOG

Vollgepumpt mit Adrenalin schloss Ian Moore die Tür hinter sich. Eigentlich wollte er nicht gehen, aber ihm blieb keine andere Wahl. So war das nun mal mit dem Kreis. Man musste immer das tun, was Alistair befahl. Es gab kein Nein.

Während er die Treppe nach unten rannte, wurde ihm bewusst, was er eben zu Katie gesagt hatte. Anstatt ihr einfach zu sagen, was los war, hatte er sie abgewiesen.

Wie war er überhaupt auf die wahnwitzige Idee gekommen, Will einzubeziehen und zu sagen, sie sollte Zeit mit ihm verbringen?

Ian hasste ihn mehr als alles andere – auch wenn sie sich vor langer Zeit so nahgestanden hatten wie Brüder. Aber sie hatte es kaputtgemacht. Nein, Will hatte es, weil er ein Egoist war. Weil er sich immer das nahm, was er wollte und es auch wieder tun würde.

Eigentlich wäre jetzt der passende Moment gewesen, wieder umzudrehen und nochmal mit Katie zu reden. Es war dumm von ihm, nicht auf ihre Bitte einzugehen und stattdessen wie vom Teufel geritten wegzulaufen – und sich dabei noch fast beim Herunterstolpern der Treppe das Genick zu brechen.

Aber im Sinne des Kreises musste er seine Gefühle drosseln. Ian wollte jeden Ärger mit Alistair vermeiden, darunter zählte auch, dass er Katie nichts von der Mission erzählte. Als er ihr seine Gabe offenbart hatte und mit ihr nach Venedig kompassiert war, hatte er damit schon genug Ärger angerichtet.

Jonas wartete bereits unten im Foyer – er hatte wie immer eine Wollmütze auf, auch wenn draußen Temperaturen wie in der Karibik herrschten. Er nickte ihm zu und streckte ihm seine Hand entgegen. Ian griff danach.

Die beiden brauchten nicht viel reden, um sich blind zu verstehen.

Nachdem Will für Ian gestorben war, hatte er sich mit Jonas angefreundet. Es war zwar nicht dasselbe, aber Jonas war witzig, spontan und für jeden Spaß zu haben. William war immer so ernst und entschlossen.

Und ein Arschloch, fügte er mit finsteren Gedanken hinzu, während er sich selbst im Spiegel hinter Jonas betrachtet hatte. Seine Augenringe hätten dunkler nicht sein können.

»Du siehst scheiße aus«, bestätigte Jonas auch gleich. Dass er damit die Stimmung nicht heben konnte, war ja wohl klar.

Ian warf ihm einen wütenden Blick zu, obwohl er wusste, dass sein Freund recht hatte.

Er sah nicht nur scheiße aus, sondern auch so schrecklich, dass selbst ein Zombie schreiend davongelaufen wäre. Gerade erst war die Beerdigung von Jamie gewesen. Dass er bei einem Unfall ums Leben gekommen war, konnte Ian noch immer nicht begreifen.

Jonas räusperte sich ungeduldig, was Ian aus seinen Gedanken holte. Ohne ein weiteres Wort griff Ian nach Jonas' Hand und kompassierte sie in die Kathedrale.

Dort wartete Alistair bereits mit passenden Kostümen auf die beiden. Schweigend zogen sie sich die Trachten von Tellerwäschern über und kompassierten zum Anwesen der Gräfin von Wessex. Es lag in Windlesham.

Sie fanden sich im Keller des Anwesens wieder und schleppten schon kurz darauf jeweils eine Kiste mit Broten und Gebäck zur Tarnung nach oben in die Küche.

Jonas ächzte bei jedem Schritt. »Ich habe heute überhaupt noch nichts gegessen. Meinst du es fällt auf, wenn die Hälfte des Korbes leer ist?«

»Keine Ahnung«, antwortete Ian geistesabwesend und blendete Jonas aus. Sein Freund wäre für gewöhnlich für Essen gestorben, aber das kam Ian nun falsch vor.

Früher hatte er auch immer gedacht, er würde sterben, wenn sie ihn verlassen würde. Aber er lebte immer noch. Und er würde auch weiterhin leben, erst recht, da er endlich wieder Hoffnung schöpfte.

Katharinas Gesicht tauchte vor ihm auf. Das bezaubernde Lächeln, das kleine Grübchen, das sie dabei neben ihrem linken Mundwinkel bekam und ihre tiefen, braunen Augen, die eine Art Wärme ausstrahlen, die er längst verdrängt hatte. Er hatte bis vor kurzem nicht mehr daran geglaubt, dass er je wieder in der Lage sein würde, Wärme und Geborgenheit zu empfinden, doch dann hatte Katie wieder vor ihm gestanden.

Als sie das Ende der Treppe erreichten, drängte Ian seine Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf die Mission. Liebe, Tod und alles andere, was nicht zu Mut und Ehrgeiz zählte, musste jetzt zur Nebensache werden.

Er warf einen flüchtigen Blick über seine Schulter. »Sollen wir uns aufteilen?«

»Ich denke nicht«, flüsterte Jonas zurück. »Wenn etwas dazwischenkommt, würde ich gern so schnell wie möglich verschwinden. Und das ist dann dein Part und nicht meiner. Ich weiß sowieso nicht, warum ausgerechnet ich auf eine Mission soll. Ist ja nicht so, als wäre ich sonderlich hilfreich.«

Ian verdrehte die Augen, ging aber nicht auf die Selbstmitleidsnummer ein. Normalerweise hätte er auf solch eine Aussage wütend reagiert, aber er kannte Jonas inzwischen so gut, dass er wusste, dass es seine Art war, mit Jamies Tod fertig zu werden. Nämlich es einfach zu ignorieren.

Es verging eine knappe halbe Stunde, in der sie sich – wie mit Alistair besprochen – unter das Personal mischten und unauffällig das Anwesen durchsuchten. Zu ihrem Glück dauerte es nicht lang, da fanden sie bereits, wonach sie suchten.

Der Tresor stand im ersten Stock, versteckt zwischen der Couch und der dahinterliegenden Wand. Jonas hockte sich sofort stumm davor und holte sein Stethoskop heraus.

»Weißt du noch, wie das geht?«, fragte Ian wispernd und war drauf und dran sich über Jonas hinweg so nah wie möglich an den Tresor zu lehnen, um das hören zu können, was Jonas hören konnte. Allerdings gestaltete sich das sehr schwierig – Jonas schubste ihn sofort mit dem Ellenbogen zurück.

»Man kann es kaum glauben, aber während man mit Essen beschäftigt ist, kann man auch zuhören. Wenn man aber ständig im Unterricht schläft, Ian, dann wundert es mich auch nicht, wenn man keine Ahnung vom Tresorknacken hat.«

Ian antwortete nicht darauf, sondern warf ihm nur einen verbissenen Blick zu. Er sah Jonas über die Schulter, während dieser das Stethoskop mit konzentriertem Gesichtsausdruck aufsetzte und lauschte. Abwechselnd drehte er das Rädchen nach links, dann nach rechts und wieder nach links.

Als sich ein spitzbübisches Lächeln auf Jonas' Lippen ausbreitete, wusste Ian, dass sein bester Freund den Tresor soeben erfolgreich geschlagen hatte.

»Eins zu null für uns«, flüsterte er grinsend.

Gerade als Jonas die schwere Tür geöffnet hatte und nach dem Amulett greifen wollte, vernahmen beide ein leises, kratzendes Geräusch.

Sofort wirbelte Ian herum, der Puls schoss von jetzt auf gleich mindestens auf zweihundert und brachte ihn völlig durcheinander. Er brach in Schweiß aus.

Vor ihm stand ein Mann mit Pistole – Verflucht! Warum hatten sie keine Waffen dabei? Ian sah hilfesuchend an sich herunter, dann zu Jonas, der längst aufgesprungen war und genauso gehetzt zu Ian blickte, als würde er sagen wollen: »Ich habe es dir ja gleich gesagt!«

Hinter dem bewaffneten Mann tauchte plötzlich der Prinz auf und wollte gerade etwas sagen, als Ian so schnell nach Jonas Arm griff, dass sogar er vor Schreck zusammenzuckte. Ian glaubte, dass sie es geschafft hatten, als sie mit einem Mal wieder im großen Saal landeten. Er fiel auf seine Knie, Jonas entglitt seinem Griff.

Es dauerte einen Moment bis er die Augen wieder öffnen konnte, aber der Schuss hallte immer noch in seinen Ohren nach, dass er sich nicht traute nachzusehen, ob er getroffen worden war.

»Ian, Jonas«, drang Alistairs Stimme schließlich wieder zu ihm hindurch und brachte ihn dazu, flatternd die Augenlider zu öffnen. Unwillkürlich fiel sein erster Blick auf seine Hand, die blutverschmiert war.

Er spürte keinen Schmerz. War es der Schock? War er vielleicht so betäubt, dass er nicht einmal bemerkte, dass er gerade starb? Nein, so fühlte sich Sterben nicht an, ganz bestimmt nicht. Das Einzige, was ihm wirklich wehtat, war sein Knie, aber das schmerzhafte Kribbeln ließ bereits wieder nach.

Eine Woge der Erleichterung durchfuhr ihn, während er sich auf den Rücken rollte und die Augen vor Erschöpfung schloss. Heute war definitiv der falsche Tag, um auf eine Mission zu gehen und diese erfolgreich zu meistern.

Nicht, dass er überhaupt jemals eine Mission erfolgreich gemeistert hätte.

Plötzlich stöhnte Jonas erstickt auf. In Ians Ohren klang es merkwürdig verzerrt und irreal. Stimmte vielleicht doch etwas nicht mit ihm? Sein Kopf dröhnte, aber trotzdem schaute er zu Jonas.

Alistair hockte über ihm und sprach leise auf ihn ein. Ian konnte nicht verstehen, was es war; es war auch eigentlich egal. Sicher war, dass sie es geschafft hatten und nur das zählte. Aber dann erkannte er, warum seine Hand blutig war.

Es war nicht sein Blut, sondern das von Jonas.

Er setzte sich ruckartig auf. Zu schnell für seinen Körper, denn für einen kurzen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Er wollte Jonas rufen und wissen, wie es ihm ging, aber so wie es aussah, wurde er von der Kugel am Arm getroffen.

Er würde nicht sterben. Er war nur verletzt.

Allerdings änderte diese Tatsache nichts an dem Schock, der Ian fest im Griff hatte. Vielleicht zwanzig Zentimeter weiter rechts und die Kugel hätte Jonas' Herz getroffen – und dann hätte er noch einen Freund verloren.

»Was ist mit der Mission?«, fragte Ian leicht atemlos und robbte erschöpft zu Jonas.

Alistair hatte die Lippen krampfhaft zusammengepresst und schaute nachdenklich. Normalerweise dauerte es bei Alistair nicht lange, bis er eine Lösung gefunden hatte. Ian war sich sicher, dass es vielleicht noch ein oder zwei Sekunden dauern würde, da würde Alistair handeln.

Wie erwartet sprang der gebrechliche Mann plötzlich so schnell auf, dass Ian mehrmals blinzeln musste, um das Gesehene zu verarbeiten. Er sah Alistair hinterher, wie er, begleitet von seinem Gehstock, zu seinem Schreibtisch ging und das Telefon in die Hand nahm. Die Schnur hing quer über dem Schreibtisch und brachte dabei sämtliche Dokumente durcheinander, aber das beachtete Alistair nicht weiter.

»Thomas? Du musst sofort in den Saal kommen und dir Jonas ansehen. Er wurde angeschossen.«

Ohne auf eine Antwort zu warten, legte Alistair auf und nahm den Hörer sofort wieder ab. Dann wählte er erneut und beim nächsten Mal konnte Ian nur ahnen, wer am anderen Ende der Leitung dranging.

Wer sonst, wenn nicht der kühne Lebensretter, der Held aller Herzen, der fabelhafte und unberechenbare William Fairchild?

Ian schluckte den bitteren Geschmack der Enttäuschung herunter.

1

»Bitte wiederhol das nochmal«, bat ich Will ungläubig, nachdem ich mich fünfmal hatte selbst kneifen müssen. Ich wünschte, dass hier wäre bloß ein Traum, aber leider war es keiner. Und das machte mir höllisch Angst.

William und ich saßen in seinem Wagen und waren auf dem Weg in die Zentrale, einen geheimen Ort einer geheimen Organisation, die mich für ihre Zwecke verschleppt, mich aus meinem gewöhnlichen Leben gezerrt und mir offenbart hatte, dass ich und elf weitere junge Menschen vollkommen verrückt waren. Der geheime Ort war übrigens die bekannte St Paul's Cathedral mitten in London, oder besser gesagt in einem Teil der Kirche, der von der Menschheit in Vergessenheit geraten war.

Am Steuer verdrehte Will seine blauen Augen, die durch sein gleichfarbiges Shirt besonders hervorstachen. Er war einer der wenigen Männer, die von Gott das Glück und die Gabe geschenkt bekommen hatten, jedes Mädchen ins Träumen zu bringen und in die Gefahr zu stürzen, sich in diese Augen zu verlieren.

Gott sei Dank war ich da eine Ausnahme.

William und mich verband nichts, aber wirklich absolut gar nichts miteinander. Abgesehen von unserer Abneigung füreinander und dem dringenden Bedürfnis, uns das jeden Tag zu beweisen.

Gut, das war gelogen. Ich war leider keine Ausnahme.

»Ich kann es dir auch buchstabieren, wenn du es dann verstehst. W-I-R-S-O-L-L-E-N-F-Ü-«

»Lass das«, unterbrach ich ihn barsch. »Ich meine es ernst. Ich dachte, ich muss irgendeine dämliche Prüfung absolvieren und mich nicht sofort mit schreiendem Gebrüll in den Krieg stürzen!«

»Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Raphael sagt, du packst das.«

»Es ist mir egal, was Raphael sagt! Ich muss diese Prüfung machen. Darüber wurde abgestimmt, William. Hast du mal darüber nachgedacht, wie der Rest darauf reagieren wird?«

Eine schlechtere Ausrede für meine Panik hätte mir wirklich nicht einfallen können.

Will würdigte mich wie beinahe immer keines Blicks. »Es gibt nur einen der entscheiden kann, was zu tun ist. Und das ist Alistair.«

Wütend verdrehte ich die Augen. Das durfte doch nicht wahr sein! »Du hörst dich schon wieder wie sein privates, Hintern küssendes Schoßhündchen an.«

Ich verschränkte stur meine Arme vor der Brust und dachte bitter an Cookie. Sie besaß jetzt die große Ehre, sich um meine Wäsche zu kümmern, da mein Möchtegern-Verlobter mich Hals über Kopf in sein Auto gezerrt hatte. Er war schon losgerast, bevor ich ihr überhaupt Bescheid sagen konnte.

Als Will nicht antwortete, sah ich ihn genervt an – was sich schnell als Fehler erwies. Jetzt begann ich mich schuldig zu fühlen, weil ich mal wieder über seine unermessliche Solidarität Alistair gegenüber spottete, obwohl ich glaubte zu wissen, was tatsächlich dahintersteckte.

William Christopher Fairchild war einer dieser jungen Männer, der, um das Vertrauen anderer zu gewinnen, alles tun würde. Dabei beruhte das Vertrauen aber nicht immer auf Gegenseitigkeit. Zwar wusste ich nicht, was genau Will im Sinn hatte, wenn er sich Alistair unterwarf, aber was ging mich das schon an? Schließlich war es sein Leben und nicht meins.

Die anschließende zehnminütige Fahrt verlief erdrückend und schweigend. Auch wenn ich selbst schuld war, dass Will erneut die Schnauze voll von mir hatte, gefiel es mir ganz und gar nicht. Es tat mir leid, was ich ihm vorgeworfen hatte, doch war ich nicht mutig genug, um diesen Fehler einzusehen. Abgesehen davon auch viel zu stolz.

»Warum kann das nicht einfach wer anders machen?«, fragte ich ihn stattdessen, als wäre nichts gewesen. Während wir aus dem Auto ausstiegen, fiel mir an Will auf, dass sein Amulett aus dem Kragen seines Shirts hing.

Ich versuchte mich daran zu erinnern, was Will mir über sein Amulett erzählt hatte; aber ich bekam es nicht mehr zusammen.

Will bedachte mich mit einem Blick, der in einer anderen Situation, zu einer anderen Zeit, vielleicht jemandem das Leben gekostet hätte. »Frag ihn selbst.«

Mein Körper reagierte anders, als ich es mir wünschte. »Du machst mich wahnsinnig!«, warf ich ihm an den Kopf und erhoffte mir, dass er auf der Stelle von einem Bus überfahren wurde – aber natürlich geschah das nicht. Wann hatte ich auch mal ein bisschen Glück in diesem Leben verdient? »Ich bin der glücklichste Mensch auf Erden, wenn ich deine Visage nicht mehr ertragen muss!«

Konnte ich nicht einmal die Klappe halten?

»Ach, glaubst du, ich sehe das anders?«

Genervt bis zum Gehtnichtmehr stolzierte ich davon, ohne mich nach Will umzusehen. Ich hasste es, wenn man mich wie ein kleines Kind behandelte und ich Dinge tun musste, ohne nach dem Warum fragen zu dürfen.

Hatte überhaupt mal jemand daran gedacht, dass ich noch nicht bereit für diese Missionen war, auch wenn ich das so großkotzig behauptet hatte? War es etwa meine Schuld, dass Jonas angeschossen wurde und ich jetzt an seiner Stelle den spaßigen Teil übernehmen durfte?

Ich war so sauer, dass ich fast geheult hätte. Am liebsten würde ich Will dafür verantwortlich machen. Nicht nur für das, was Alistair jetzt von mir und ihm verlangte, sondern auch dafür, dass ich in dieses ganze Desaster hineingezogen wurde wie in einen riesigen Tornado!

Leider musste ich aber einsehen, dass er damit nichts zu tun hatte. Er war nur ein williger Soldat. Eiskalt. Unberechenbar und eiskalt.

Vor dem Haupteingang der Kathedrale kam ich schließlich zum Stehen und wartete auf Will. Doch statt die steinigen Treppen hinaufzugehen, ging er an mir vorbei und steuerte den Eingang an, zu dem seine Mutter Lily einen Schlüssel hatte. Als wir vor der versteckten Tür standen, die unwissende Touristen für ein Büro eines Paters hielten, sah Will sich kurz um und schloss diese dann auf, damit wir hineinschlüpfen konnten.

Er öffnete den Durchgang, indem er das Bücherregal betätigte, das sich wie eine Wand zur Seite bewegte und mit einem dumpfen Knall einrastete. Auf der anderen Seite war der Saal, der für festliche Veranstaltungen und Versammlungen des Kreises geeignet war.

Ohne ein Wort zu sagen, traten Will und ich durch das Loch, das das wandernde Bücherregal zurückgelassen hatte.

Alistair erwartete uns wohl schon; er saß an seinem Schreibtisch, neben ihm Lily, Raphael und ein weiterer Mann, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Vielleicht war es ja Williams Vater, schoss es mir durch den Kopf, ehe ich etwas anderes in Betracht ziehen konnte. Bei genauerem Hinsehen wurde mir allerdings bewusst, dass Lily mit diesem Mann keine Beziehungen eingegangen sein konnte.

Es sei denn, er war reich und todkrank. 'Tschuldigung.

Sofort kam Lily auf uns zu, als sie uns bemerkte. »William«, hörte ich sie besorgt sagen. »Schön, dass ihr so schnell kommen konntet.«

»Wie geht es Jonas?«, wollte er sofort wissen, ohne seine Mutter zu beachten.

Nun erhob sich auch Alistair, während er sich mit seinen faltigen, papierartigen Händen auf dem dunklen Holz des Schreibtisches abstützte. Wie immer trug er einen anthrazitfarbigen Anzug, dazu eine schwarze Fliege.

Bevor er um den Schreibtisch ging, griff er nach seinem Gehstock und sagte: »Mach dir keine Sorgen, William. Katharina, ich bin erfreut, dass du bereitwillig die Aufgabe anstelle von Chloé übernimmst.«

Erst sagte ich nichts, doch es schien mir als erwarteten alle eine Zustimmung meinerseits. »Es ist mir eine Ehre«, erwiderte ich monoton, als alle Augen immer noch auf mich gerichtet waren.

Eigentlich brannte mir die Frage auf der Zunge, was denn mit dem zweiten Prüfungsteil wäre, in dem ich irgendwelche politischen Fragen beantworten sollte, aber ich hielt den Mund.

Alistairs Lippen verzogen sich zu einem scheinheiligen Lächeln. Von Tag zu Tag wurde mir dieser Mann immer unsympathischer.

»Ihr werdet nicht viel Zeit haben, euch darauf vorzubereiten, meine Kinder.« Fast gebrechlich kam Alistair, der Vorsitzende des dicio-Kreises, auf uns zu. Er hielt etwas in seiner Hand. »Hier«, sagte er zu Will und übergab ihm zwei schwarze Mappen, die so groß waren wie die Innenfläche meiner Hand.

Ich warf einen skeptischen Blick darauf. »Was ist das?«

»Polizeimarken und Ausweise«, erklärte Alistair mir und zeigte dabei auf den Mann, der immer noch wie angewurzelt hinter Alistairs Schreibtisch stand. »Theodore arbeitet schon seit Jahren für diese Organisation. Er hat alles für euch vorbereitet.«

»Es ist vielleicht nicht ganz legal«, mischte Lily sich ein und wirkte alles andere als besorgt. »Aber es ist notwendig, Katharina.«

Ach ja? Meine Mutter hätte mich wahrscheinlich schon einen Kopf kürzer gemacht, wenn ich mich mit einem gefälschten Schülerausweis in einen Club schmuggeln wollte. Gefälschte Polizeimarken waren auch noch ein ganz anderes Niveau.

Ich nickte, sagte jedoch nichts, als Will mir meinen Ausweis gab. Mit angehaltenem Atem öffnete ich das schwarze, kleine Mäppchen, worin sich in der unteren Hälfte eine Polizeimarke befand, in der oberen eine Identitätskarte mit dem Lichtbild einer fremden Frau. Mein Name war jetzt übrigens Madeleine McGrowth, die zehn Jahre älter war als ich.

Wie sollte das funktionieren?

»In den Taschen dort drüben sind eure Uniformen«, sagte Alistair und deutete mit einem Blick auf den riesigen Tisch, an dem sich zwölf Stühle befanden. »Zieht euch um und kommt dann wieder.«

Will und ich taten ohne Widerworte das, was von uns verlangt wurde, obwohl ich liebend gern protestiert hätte. Wo war ich hier nur gelandet, dass man sich verkleiden musste, um diese Amulette zu stehlen?

Nachdem wir mit unseren Taschen den Saal verlassen hatten, konnte ich nicht mehr anders und musste meine Wut erneut runterschlucken. »Polizisten, Will? Hast du uns schon mal angesehen? Ich bin nicht mal zwanzig und soll eine Dreißigjährige verkörpern?«

»Glaubst du, das wüsste Alistair nicht?«, antwortete er, wie zu erwarten, total gelangweilt.

»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte ich daraufhin ein klein wenig zickig, um ihm deutlich zu machen, dass ich keine Lust auf die ganze Sache hatte.

Will seufzte genervt. »Jetzt entspann dich mal. Ich weiß, was ich tue.«

Sollte mich das jetzt etwa beruhigen?

Vor der Küchentür trennten wir uns. Ich ging hinein, während er draußen wartete. Da Alistair gesagt hatte, dass wir nicht viel Zeit hätten, versuchte ich mich zu beeilen.

Ich zog meine Jeans aus und streifte mir die Hose der schwarzen Uniform über. Sie passte wie angegossen, ebenso wie die weiße Bluse und darüber die beiliegende Weste.

Ehrlich gesagt wollte ich schon immer mal eine echte Uniform tragen. Damit fühlte man sich irgendwie wichtig. Erst recht in einer Polizeiuniform.

Als ich versuchte den Gürtel für die Schusswaffe umzumachen, wollte es nicht ganz so funktionieren, wie ich es gern gehabt hätte. Ich konnte nicht sagen, woran es lag. Es war ja eigentlich nicht schwer, sich einen Gürtel umzubinden.

Erst dachte ich stolz, ich hätte es geschafft, doch als ich ihn losließ, rutschte er mir von der Hüfte und knallte auf den Boden. Genervt hob ich ihn wieder auf und legte ihn zurück in die Tasche. Dabei bemerkte ich ein weiteres Utensil. Es war ein Handfunkgerät. Wie zum Teufel man das befestigen sollte, war mir noch fraglicher als das Spektakel mit dem Gürtel.

»Na toll«, murmelte ich zu mir selbst, als sich im nächsten Moment schon die Tür öffnete. Ich erschrak mich so sehr, dass ich herumwirbelte und dabei die Tasche vom Tisch stieß.

»Du bist ja immer noch nicht fertig«, stellte Will fest, nachdem er seinen Kopf durch die Tür gesteckt hatte und eintrat, bevor ich etwas sagen konnte. Er konnte von Glück reden, dass ich schon angezogen war, sonst hätte ich ihm mit dem Funkgerät ein drittes Nasenloch verpasst.

Was soll's, dachte ich und hob die Tasche wieder auf. »Ich weiß nicht, wie das geht.«

Er begann zu lachen, was ein merkwürdiges Gefühl in mir auslöste. Ich fragte mich, wieso er so gelassen sein konnte, obwohl wir gleich dutzende Gesetze brechen würden – und wieso er auf einmal wieder nett zu mir war.

»Komm her.« Will nahm den Gürtel und das Funkgerät in die Hand. Da ich nicht wusste, was er mit Komm her meinte, blieb ich verwirrt stehen und ließ es letzten Endes zu, dass er mich an der Hüfte zu sich heranzog.

Ich spürte, wie mein Herz in meiner Brust stolperte.

Dann hörte ich es klicken und Will sah zu mir auf. »Siehst du. Ganz einfach.« Er nahm das kleine schwarze Gerät mit der Antenne und hängte es an die schusssichere Weste. Dann hob er auffordernd eine Augenbraue. »Würde es dir etwas ausmachen?«

»Was?«, fragte ich wie ein dummes Huhn, auch wenn eigentlich auf der Hand lag, was er von mir wollte.

Will zeigte auf seine Tasche. »Ich würde mich gern umziehen. Deine Sachen kannst du hierlassen.«

Ich nickte zustimmend und verschwand schnell aus der Küche, bevor ich noch etwas sagen konnte, was ich bereuen würde.

Wahrscheinlich hielt er mich jetzt für komplett durchgeknallt. Aber das war ich wahrscheinlich auch. Wer würde nicht durchdrehen, wenn alles drunter und drüber ging?

Jamie war tot, Jonas angeschossen und mich würde es wahrscheinlich als Nächstes treffen. Es war nämlich nicht gerade üblich, dass sich zwei viel zu junge Menschen als erfahrene Polizisten ausgaben! Wenn das nicht schon ein Grund für die Todesstrafe war, dann wusste ich es auch nicht.

In der nächsten Sekunde öffnete sich wieder die Tür neben mir. Will kam in der gleichen Uniform wie ich sie trug heraus. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass er unglaublich darin aussah. Nicht direkt wie ein Stripper, denn dafür sah er wieder zu gut aus. Er wirkte dennoch muskulöser und größer und breiter und älter und noch draufgängerischer als sowieso schon.

Es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich hätte mich von oben bis unten vollgesabbert.

Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und folgte ihm zurück in den Saal, wo Alistair, dieser Theodore und Lily auf uns warteten.

Der Saal war abgedunkelt und nur durch eine kleine Leuchte am Glastisch erhellt. Jetzt erkannte ich auch eine vierte Person im Raum; es war Moira, die am besagten Tisch saß. Vor ihr lagen einige merkwürdige Sachen, die ich von hier aus nicht erkennen konnte.

»Setzt euch, meine Kinder«, befahl Alistair uns überschwänglich. Ich warf Will einen fragenden Blick zu, doch er schien total entspannt. Kein Wunder. Er machte das hier auch nicht zum ersten Mal so wie ich. »Hab keine Angst, Katharina.«

Ohne darauf zu antworten, folgte ich Will an den Tisch. Moira und er tauschten einen ziemlich offensichtlichen, bedeutungsvollen Blick aus, dann nahm sie seine Hand.

»Gib mir deine Hand«, flüsterte Will, während Moira anfing, unverständliche Sachen wispernd von sich zu geben. Ein wenig verwirrt tat ich, was er verlangte. Als wir uns berührten, spürte ich eine Verbindung zwischen uns, die mir mehr Angst machte als diese Séance.

Entweder bemerkte Will es nicht oder er versuchte es zu ignorieren. Er konzentrierte sich allein auf Moira, die etwas auf Latein murmelte. Sie sagte immer und immer wieder den gleichen Satz, doch verstehen konnte ich ihn dadurch trotzdem nicht.

Mir war nicht klar, wie viel Zeit in Wirklichkeit vergangen war. Für mich fühlte es sich an, als wären es nicht einmal zehn Sekunden gewesen, da saß plötzlich ein anderer Mann neben mir und hielt meine Hand.

Als ich erschrocken unsere Hände voneinander lösen wollte, sah ich, dass meine Hand nicht mehr meine Hand war. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass ich keinen pinken Nagellack trug. Ich besaß nicht mal einen pinken Nagellack!

Als der Mann bemerkte, dass ich unsere Hände voneinander lösen wollte, wurde sein Griff stärker. Ein Blick in seine Augen verriet mir, dass ich die Verbindung unter keinen Umständen unterbrechen durfte. Ich erkannte, dass es immer noch Wills Augen waren, die mir meinen Glauben raubten. Dieses tiefe, helle Blau, das mich an das Meer erinnerte.

Jetzt wurde mir klar, was hier vor sich ging. Moira verwandelte uns in die Personen, die auf unseren Ausweisen abgebildet waren.

In mir kochte das Verlangen, mein Gesicht oder wenigstens meine Haare zu berühren, die sich in meinem Augenwinkel veränderten. Ich hatte die Frau auf dem Bild zuvor nicht wirklich betrachtet, doch jetzt wusste ich, welche Haarfarbe sie hatte. Schwarz. Ich tippte darauf, dass es nicht gefärbt war, da sich meine Hautfarbe von Wimpernschlag zu Wimpernschlag verdunkelte. Vielleicht war ein Elternteil aus Spanien oder Italien. Falls diese Person in der Realität überhaupt existierte.

Während uns immer noch dieser Schimmer umgab, warf ich einen Blick auf William, den ich nicht wiedererkannt hätte. Anscheinend hatte er einen Polizisten erwischt, der doppelt so alt war wie meine neue Identität. Sein schönes, dunkelbraunes Haar ergraute und fiel an der Stirn aus. Genauso wie sein Bart, der nur noch ein grauer Schnäuzer war. Er hatte Falten im Gesicht, insbesondere am Mund und an den Augen. Jetzt kam er mir auch nicht mehr ganz so muskulös und draufgängerisch vor.

Das Einzige, was sich an seinem Gesicht nicht verändert hatte, war seine Augenfarbe.

Fast hätte ich angefangen zu lachen, ermahnte mich aber keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Wer wusste schon, was Moira aus meinem Gesicht geformt hatte.

Außerdem war es eine ernstzunehmende Situation.

Plötzlich war die Verbindung unterbrochen und der zauberhafte Schimmer verschwand zwischen uns.

So wie es aussah, realisierte ich erst jetzt richtig, was gerade passiert war. Schneller, als ich es verhindern konnte, sprang ich vom Stuhl und wäre fast nach hinten gefallen, wenn Will mich nicht festgehalten hätte. Ich fühlte mich wie damals in Venedig. So, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggerissen.

Mir war ein wenig schwindelig, also hielt ich mich an Will fest, der mich aber nur wieder auf den Stuhl setzte, als wäre ich ihm lästig. Ich ignorierte es, auch wenn ich dabei einen Schlag in die Magengrube spürte.

»Wie ist das möglich?«, stammelte ich und erntete dafür nur ein verschwiegenes Grinsen von Moira. »Das ist verrückt.«

»Es ist eine verrückte Welt«, sagte Alistair hinter mir. Ich zuckte zusammen, da ich ihn komplett vergessen hatte. »Und eine sehr mächtige.« Er lächelte ebenfalls und ging wieder auf mich und Will zu. »William, es wäre das Beste, wenn du dein Amulett hierlässt. Es ist zu riskant, dass jemand die Ähnlichkeit erkennt.«

»Ich werde aufpassen«, widersprach er mit einem spitzen Unterton in der Stimme. Er misstraute Alistair. »Es ist bei mir sicher.«

»Du weißt, was das für eine Verantwortung ist?«

William nickte. »Ja, Sir.«

Alistair schwieg einen Moment, schien zu überlegen, ob er William das durchgehen lassen sollte. Bei aller Liebe, er konnte ein angsteinflößender Mann sein. In einem Moment war er noch der Engel, der von Gottes Schulter herunter auf die Erde geplumpst war, in dem anderen war er der Teufel, der von Gott aus dem Himmel verbannt wurde, weil er Böses im Sinn hatte.

»Theodore«, sagte er schließlich. »Gib ihnen die Waffen.«

Warte, was? »Waffen?«, stieß ich fassungslos aus. Es war schon schlimm genug, dass ich eine Polizistin mimte, aber ganz sicher würde ich keine geladene Waffe an mir tragen!

Theodore griff unter den Schreibtisch und holte einen silbernen Aktenkoffer hervor. Er platzierte ihn vor uns, öffnete ihn mit einem leisen Klipp und drehte ihn zu uns herum. »Das sind zwei geladene Glock 17C, Kaliber 9x19mm. Sie fasst neunzehn Patronen pro Magazin und hat einen integrierten Kompensator«, ratterte er herunter, als hätte er es auswendig gelernt. Dabei klang er so gelangweilt, dass man meinen könnte, er würde so etwas jeden Tag machen. »Sie ist eine halbautomatische Selbstladepistole des österreichischen Waffenherstellers Glock GmbH. Fragen?«

Ich schüttelte sprachlos den Kopf, während ich die beiden in Schaumstoff gepolsterten Waffen ängstlich betrachtete.

Als ich nicht nach ihnen griff, tat es Will. »Keine Sorge, wir tragen sie nur zur Tarnung.«

»Mister Alistair hat nach geladenen Waffen verlangt.« Theodore bedachte Alistair mit einem fragenden und zugleich auch kritischen Blick, als wäre etwas in ihrem Geschäft schiefgelaufen.

Auf Alistairs faltigem Gesicht entstand ein Lächeln. »Es sind nur Platzpatronen.«

Während er sprach, befestigte William die Waffe an meinem Gürtel. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich am liebsten losgeheult. Das wurde mir gerade wirklich alles zu viel. Die plötzliche Mission, die körperliche Veränderung und jetzt auch noch die Waffen.

Herrgott, ich bin eine schreckliche Heulsuse.

»Warum haben Sie nicht Chloé die Aufgabe machen lassen?«, verlangte ich zu wissen, als Will die zweite Pistole an seinem Gürtel befestigte. Sie wirkte gleich hundertmal gefährlicher als sein ungeladener Revolver.

»Das war der Plan, Katharina«, erklärte Alistair mir. War er eigentlich der Einzige, der mir helfen wollte? »Aus organisatorischen Gründen hat Thomas vorgeschlagen, dass du an ihrer Stelle gehst und somit auch deine Prüfung absolvierst.«

»Ich dachte, es sei zu gefährlich? Werden diese Prüfungen sonst nicht simuliert?« Mein Gürtel lastete wie ein 50Kilo-Gewicht an meinem Körper. Ich spürte, wie die Waffe immer schwerer zu werden schien. »Ihr könnt mich doch nicht einfach aussetzen wie ein hilfloses Baby.«

Alistair kam einige Schritte auf mich zu. »Glaub mir, Liebes«, begann er, bevor er mir seine Hand auf die Schulter legte. Auf seiner Haut waren dunkle Flecken zu erkennen. »Dir wird nichts passieren, du musst nur das Vertrauen und den Mut haben. Eure Aufgabe ist es nur, das Beweismaterial einzusammeln, also das Amulett, das gestohlen werden sollte. Es gibt keinen Grund, weshalb es zu einem Schusswechsel kommen sollte.«

Das beruhigte mich kein bisschen.

»Alistair, es wird Zeit. Es ist bereits eine Stunde vergangen.« Theodore schloss den Koffer wieder und stellte ihn auf den Boden ab. Gab es jetzt einen neuen Vorstand des Kreises oder aus welchem Grund machte dieser Theodore, der mich mit seinen Glubschaugen unangenehm beobachtete, darauf aufmerksam, dass es Zeit wird?

»Sie haben recht, Theodore«, stimmte Alistair ihm zu, wandte sich dann an die Frau, die mir jetzt ein bisschen Angst einjagte. »Moira, Liebes, hol Ian. Er soll William und Katharina nach Windlesham bringen.«

2

Als wir wieder den Boden unter unseren Füßen spüren konnten, ließ Will sofort meine Hand los, während Ian die andere weiterhin festhielt, damit ich nicht wie beim letzten Mal umkippen würde. Er war nicht besonders glücklich darüber, dass ich das Amulett holen musste, nur, weil er und Jonas es verbockt hatten.

Will ließ mich und Ian keinen Moment aus den Augen. »Wir sollten jetzt fahren«, meinte er mit einer Endgültigkeit in der Stimme, die mich fast schon wieder wütend machte. Anstatt sich umzudrehen, wartete er solange, bis Ian meine Hand losgelassen hatte.

»Ich warte hier auf euch«, sagte Ian noch mit einem kühlen Blick in Wills Richtung, bevor er wie eine Rauchwolke aus der Gasse verschwand, in der wir gelandet waren.

Will und ich blieben noch einen Moment im Schatten der Mauern stehen und versicherten uns, dass uns niemand beobachtete. Meine Umgebung betrachtend wusste ich auch genau wieso: Will und ich standen hinter einem Müllcontainer, aus dem Nudeln, Pizza, Bananenschalen und weiteres herausquoll, das ich mir nicht genauer anschauen wollte. Der Geruch war bestialisch. Hier trieb sich nicht mal ein Obdachloser freiwillig herum.

Ich seufzte. »Wie kommen wir jetzt hier weg?«

»Alistair hat überall seine Kontakte. Und Theodore auch.« William zupfte seine Uniform zurecht und kratzte sich an seinem neuen Schnäuzer. Es war irgendwie bizarr zu wissen, dass hinter dieser väterlichen Maske ein junger Mann steckte, der nicht im Geringsten daran zu denken schien, wie sein Leben ohne den dicio-Kreis verlaufen wäre.

»Und das heißt jetzt was?«, hakte ich nach, während wir aus unserem Versteck krochen. Als wir aus der Gasse traten, bemerkte ich ein Polizeiauto, das einige Meter entfernt am Straßenrand parkte.

Für einen Moment blieb mir das Herz vor Angst stehen, bis ich direkt neben mir ein kleines Piepen vernehmen konnte.

William hatte das Polizeiauto aufgeschlossen. Mit einem Schlüssel. Den er von Theodore hatte. Großartig. Ganz toll. Ich war ab heute kriminell.

»Komm schon, Katie. Wir haben nicht ewig Zeit«, informierte Will mich alles andere als feinfühlig und schob mich zur Beifahrertür des Polizeiautos.

Widerwillig stieg ich in das Auto und klammerte mich an der Tür fest, als Will auch schon den Wagen startete und sich mit Blaulicht und Sirene in den Verkehr einordnete. Ich war mir nicht so sicher, ob es so ein dringender Fall war, dass man mit 60mph über den Asphalt rasen musste, aber den Mund bekam ich auch nicht auf.

Zudem fragte ich mich, ob das ein echtes Polizeiauto war oder ob es extra für unsere Zwecke konstruiert worden war. Es wirkte nicht besonders auffällig.

Aber das bedeutete ja noch lange nicht, dass man unsere Identitäten nicht entlarven könnte. Sie würden unsere Marken sehen wollen, bemerken, dass sie gefälscht waren und dann war's das. Dann konnte ich nur noch hoffen, dass ich eine Einzelzelle für besonders schwere Strafen bekam. Am besten sollten sie auch dafür sorgen, dass ich William niemals wiedersehen würde – sonst gäbe es noch mehr Gründe, mich für eine lange, sehr lange Zeit einzubuchten. Mord, Todschlag, Körperverletzung mit Todesfolge. Möglichkeiten gab es genug.

Ok, Katie. Lenk dich ab. So geht das nicht weiter.

»Warum mögt ihr beide euch eigentlich nicht?«, fragte ich Will und hoffte darauf, dass wir unsere On-Off-Abneigung einmal ausschalten konnten.

»Was meinst du?«, fragte er mich zurück, wobei er sich vollkommen auf den Verkehr konzentrierte. Es schien ihm sogar Spaß zu machen, dass er so schnell fahren konnte, wie er wollte und dass andere ihm dafür Platz machten.

Ich versuchte den Griff langsam von der Tür zu lösen. »Du und Ian.«

»Das ist eine lange Geschichte.« Will verdrehte die Augen und schlug das Lenkrad auf einer Kreuzung nach rechts herum. Wir schlitterten um die Kurve, bis die Reifen wieder in den Asphalt griffen. Das bemerkte ich insbesondere durch den Zusammenstoß meiner Schulter mit der Fensterscheibe der Autotür.

Ich betete nur noch, dass ich das hier irgendwie überlebte. Wahrscheinlich war die Autofahrt mit Will aber noch gefährlicher, als zu behaupten, man wäre ein Polizist.

»Erzähl sie mir«, drängte ich, als ich wieder nach Luft schnappen konnte.

Will schwieg eine Weile. Ich bemerkte eine Veränderung in seinem Gesicht, das von Sekunde zu Sekunde ausdrucksloser und dann plötzlich eisig wurde. Seine Hand war so fest um das Lenkrad geklammert, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Ich hätte wohl besser nicht fragen sollen.

»Es ging um ein Mädchen«, erklärte er schließlich bitter. »Wir waren beide in sie verliebt und sie hat sich für mich entschieden.«

»Wer ist sie?«

»Du kennst sie nicht.« Sein starrer Blick löste Mitleid in mir aus. Will mit einem gebrochenem Herzen, das war ja schon irgendwie kaum vorstellbar. Allein Will und Herz in einem Satz zu sagen, war wie Feuer und Eis. Es passte einfach nicht zusammen.

»Und wo ist sie?«, hakte ich weiter nach, doch mir war klar, dass ich aus Will nicht so viel herausbekommen würde, wie ich es gern gewollt hätte.

Er zuckte mit den Schultern. »Weg.«

»Einfach so?«

»Einfach so.«

Ich zog skeptisch die Augen zusammen. Wollte er mich gerade auf den Arm nehmen? »Das glaube ich dir nicht.«

»Mach, was du willst«, erwiderte er knapp und trat so heftig auf die Bremse, dass ich durch die Windschutzscheibe geflogen wäre, wenn ich mich nicht angeschnallt hätte. Der Gurt drückte mir für einen Moment die Luft ab.

»Und wieso hasst ihr euch jetzt noch, wenn sie weg ist?«

Will schnallte sich ab und stieg aus dem Auto, als hätten wir nicht gerade die turbulenteste Fahrt unseres Lebens hinter uns. In aller Seelenruhe holte er eine Plastiktüte vom Rücksitz des Wagens. »Warum interessiert dich das?«

»Ich mag Ian.«

Unsere Blicke trafen sich, aber Will sah zuerst wieder weg. »Dann solltest du vielleicht ihn fragen.« Er warf die Autotür zu und ging voraus zu dem Anwesen der Gräfin Sophie von Wessex und Prinz Edward. Ich warf einen kurzen Blick darauf und war nicht weniger erstaunt als Will. Das riesige schlossartige Haus war noch pompöser als die Villa der Fairchilds. Aber darin wohnte ja auch ein Prinz mit seiner Gräfin.

Ich schluckte meine Bewunderung runter. »Ich habe ihn gefragt, aber er meinte nur, dass du immer das kriegst, was du willst.«

Das brachte ihn überraschenderweise zum Lachen. »Da hat er wahrscheinlich recht.«

»Ist es jetzt auch so?«, fragte ich. »Kriegst du das, was du willst?« Ich blieb stehen, was auch William dazu veranlasste, stehen zu bleiben.

Er wirkte alles andere als erfreut, zumindest verzog sich sein neuer Schnurrbart grimmig. »Katie, wir haben jetzt wichtigeres zu tun, als darüber zu reden.«

»Ich finde es sehr wichtig«, widersprach ich ihm. Mir war egal, was mit dem Amulett passierte.

»Schön«, zischte er und ging weiter, ohne sich nach mir umzudrehen. »Ian denkt, es wiederholt sich. Er ist der festen Überzeugung, ich würde dich lieben.« Er schüttelte fassungslos darüber den Kopf, während er ein ungläubiges Geräusch von sich gab. Sein darauffolgendes Lachen schnitt mir ins Herz, doch ich schaffte es, es erstaunlich gut zu verbergen. Katie bedeutet mir nichts. »Genau wie Ian.«

»Du meinst, er ist in mich verliebt?«

William nickte.

»Aber er kennt mich doch überhaupt nicht«, verteidigte ich mich, obwohl ich nicht wusste, was mir das nützen sollte.

»Muss man jemanden kennen, um Gefühle für ihn zu haben?«, wollte William wissen und sah mich mit einem so ernsten Blick an, dass ich eine Gänsehaut bekam. »Ich denke nicht.«

»Und jetzt denkt Ian, dass ich mich in dich verliebt habe? So wie das Mädchen vor mir?« Will und ich durchquerten ein großes Tor und folgten dem Weg aus Stein und Marmor hinauf zum Haus.

»Genau das denkt er.«

»Natürlich«, seufzte ich. War es so offensichtlich, dass ich Will mehr mochte, als ich zugeben wollte? Anders konnte ich mir nicht erklären, warum Ian so denken konnte.

Ich schob die Gedanken beiseite, als mir klar war, wie weit wir schon vor der Haustür standen. Bevor ich etwas sagen konnte, klingelte Will und die Tür sprang sofort auf, als hätte man schon auf unser Erscheinen gewartet. Vor uns stand eine junge Frau, die eine Uniform ganz in weiß trug. Ich vermutete, dass sie zum Küchenpersonal gehörte.

»Guten Tag, Miss. Metropolitan Police«, begann Will und holte dann seine Marke hervor. »Detective Reynolds, und das ist meine Partnerin Constable McGrowth.«

Ich tat das, was Will auch tat und zeigte ihr meine Marke, für die sie sich nicht besonders zu interessieren schien. Wahrscheinlich war es nicht üblich, dass sich einfache Bürger als Polizisten ausgaben.

»Bitte, warten Sie einen Moment.« Dann verschwand die junge Frau und Prinz Edward trat an ihre Stelle.

Ich war mir sicher, dass man am anderen Ende der Welt mein Herz aufgeregt schlagen hören konnte. Mindestens. Nicht nur, weil wir eine Straftat begingen, sondern auch, weil hier eine Berühmtheit vor mir stand und ich gleich in ihr Haus gehen würde.

»Sie sind spät, Detective Reynolds«, begrüßte der Prinz uns, nachdem auch wir ihm unsere Marken gezeigt hatten. »Constable McGrowth.« Er nickte mir zu und bat uns anschließend ins Haus.

»Wir würden gern mit Ihrer Frau sprechen. Ist es richtig, dass vor etwa einer Stunde ein Tellerwäscher versuchte eine Kette zu stehlen, ein Amulett? Wissen Sie, wie viele Schüsse gefallen sind?« William zeigte sich von seiner professionellen Seite, die mich schon ein wenig einschüchterte.

Ich blieb einfach nichts tuend neben ihm stehen und begutachtete das Haus. Es war schön; hell und groß. Alles schien aus Silber und Gold zu sein. Es hätte mich eigentlich nicht wundern dürfen, immerhin war diese Familie adligen Geschlechts. Trotzdem war ich hellauf fasziniert.

Verdammt, das war alles andere als professionell.

»Da sind Sie ja endlich, Detectives!«, rief eine aufgebrachte Frau von der Empore aus, noch bevor der Prinz antworten konnte. Sie musste die Gräfin sein, der das Amulett fast gestohlen worden war. »Kommen Sie nach oben. Ich habe das Amulett meiner Großmutter zurück in den Safe geschlossen.«

»Madeleine, hol du das Beweismaterial und nimm ihre Zeugenaussage auf. Ich komme nach, wenn ich hier fertig bin.« Anstatt mich anzusehen, fixierte Will lieber den Notizblock in seiner Hand und sprach weiter mit dem Prinzen.

Ich würde ihn umbringen, das war sicher. Die Anklage würde lauten: Täter hat das Opfer mit einer Plastiktüte angegriffen, einen Kugelschreiber in die Stirn gerammt und zur Vollendung der Tat das Herz herausgerissen. Falls Will überhaupt eines besaß.

Wortlos, aber mit einem rasenden Herzen, folgte ich der Gräfin die Treppe nach oben in eines der Zimmer. Ich versuchte möglichst nichts anzufassen oder auch nur anzusehen. Ich wollte jetzt einfach nur meine Arbeit gut machen; immerhin handelte es sich hierbei um eine Prüfung.

Die Plastiktüte, die Will mir noch schnell zugesteckt hatte, hielt ich fest in den Händen. Es gab so ein Versiegelungsetikett, das das Ganze noch glaubwürdiger machte.

Als wir im Tresorraum ankamen, bat ich die Gräfin, mir das Beweismaterial auszuhändigen, damit wir es auf Fingerabdrücke untersuchen konnten.

Ich sah zu, wie die Gräfin den Tresor öffnete und mir das Amulett hinhielt. »Hat es noch jemand berührt, abgesehen von Ihnen?«

»Nur mein Mann. Er hat es aufgehoben, als dieser Dieb es fallen ließ.«

Das Amulett mit einem dunkelbrauen Edelstein rutschte aus der schlanken Hand der blonden Frau direkt in die Plastiktüte. Schnell schloss ich sie mithilfe des Etiketts und verstaute sie in der Innentasche meiner Weste. So weit so gut.

»Können Sie mir sagen, wohin die Täter geflohen sind?«, fragte ich und zog gekonnt den gleichen Notizblock hervor, den auch Will in seiner Weste hatte.

Völlig fertig mit der Welt ließ die Dame ihre Schultern sinken. Ihr Blick ging nach unten. »Leider nein. Mein Mann war sich ziemlich sicher, dass sie sich direkt vor seinen Augen in Luft aufgelöst haben. Auch wenn ich ihn liebe, Constable, aber dem darf man doch keinen Glauben schenken.«

»Womöglich haben Sie recht, aber wir müssen jedem Hinweis nachgehen, Miss. Kennen Sie vielleicht einen Grund, warum man ausgerechnet das Amulett stehlen wollte?«

Sie schien kurz nachzudenken. »Es ist ein Familienerbstück und sehr wertvoll. In dem Gold wurde Sternenstaub eingearbeitet. Ein Stück des Himmels befindet sich dort drin, verstehen Sie? Vielleicht haben die Diebe geglaubt, sie könnten es verkaufen«, erklärte sie mir seufzend. Sie legte den Kopf schief, wobei ihr ihre blonden, schulterlangen Haare ins blasse Gesicht fielen.

Die arme Frau tat mir bei der Tatsache, dass Will und ich mit dem Amulett verschwinden und nie wiederauftauchen würden, schon fast leid.

»Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht.« Ich legte ein kleines Lächeln auf die Lippen, klappte den Block zusammen und schob ihn wieder zurück. Bei meinen Notizen zu diesem Gespräch handelte es sich sowieso nur um eine dahingekritzelte Sonne und ein paar Sterne. Ich konnte nicht glauben, dass Wills Block anders aussah. »Wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte, melden Sie sich bitte bei uns.«

»Selbstverständlich. Ich möchte nur, dass die Täter gefasst und bestraft werden.« Die Gräfin ließ sich auf einen grünen Sessel fallen und legte den Kopf in die Hände. Erst wusste ich nicht, was ich tun sollte, entschied mich dann aber dazu den Raum ohne weiteres zu verlassen.

Wie mir im Nachhinein bewusst wurde, war das auch die richtige Entscheidung gewesen.

Gerade als ich am Fuß der Treppe ankam, klingelte es erneut an der Tür. Weil Will sich immer noch mit dem Prinzen unterhielt, öffnete wieder das Mädchen vom Küchenpersonal. Will versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch ich konnte selbst von weitem sehen, dass sein Gehirn arbeitete und einen Notfallplan schmiedete.

Vor der Tür standen nämlich zwei Polizisten der Metropolitan Police, die sich nach der Gräfin erkundigten. Sie sahen uns.

Will klappte daraufhin schnell seinen Block zu und schob ihn zurück in die Weste. »Wir wären dann fertig. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie uns an. Wie Sie wissen, kann jede Information für uns wichtig sein. Trotzdem noch einen angenehmen Tag.« Dann warf er mir einen eindringlichen Blick zu; ich erwiderte ein Nicken.

Ja, ich habe das Amulett.

An der Tür konnten wir einen Zusammenstoß mit unseren angeblichen Kollegen nicht vermeiden. Anders als erwartet bemerkten sie anscheinend nicht, dass wir nicht die waren, für die sie uns hielten. Beide musterten uns mit einem freundlichen Lächeln. Der eine enthüllte bei dieser offenen Begrüßung eine Zahnlücke.

Ich betete, dass mein Gesicht jetzt nicht so aussah, als sähe ich diesen Makel zum ersten Mal.

»Was macht ihr denn hier?«, fragte uns der Kleinere mit dem breiten Kreuz. »Wir dachten, dass ihr diesen anderen Fall übernehmt? Den oben am Krankenhaus.«

Erwartungsvolle Blicke trafen mich, doch leider oder viel mehr zum Glück war Will derjenige, der den beiden antwortete. Als ich seine Stimme wahrnahm, fiel mir ein riesiger Stein vom Herzen.

»Der wurde uns wieder abgenommen. Über Funk war dieser hier reingekommen, also sind wir einfach mal hin. Wir haben auch schon die Zeugenaussagen aufgenommen.«

Wie schaffte Will es nur so professionell zu wirken?

»Und das Beweismaterial?«, wollte nun der Größere wissen und rümpfte dabei die Nase. Irgendwie sah er nicht so aus, als hätte er Bock auf seinen Job.

Über Wills falsches Gesicht huschte ein Lächeln. »Ein bisschen Arbeit wollten wir euch auch noch übriglassen. Vielleicht kriegt ihr ja noch etwas aus dem Personal raus. Der Prinz klang nämlich nicht besonders glaubwürdig.«

»Gut zu wissen«, meinte der Kleine. »Dann sehen wir uns später auf der Wache.« Und weg waren sie auch schon. Zumindest fast. Bevor noch jemand auf die blöde Idee kam, uns weitere Fragen zu stellen, setzten Will und ich uns schnell in Bewegung. Es fiel mir schwer darauf zu achten, dass meine fluchtartigen Bewegungen kein Aufsehen erregten. Um genau zu sein, wäre ich am liebsten wie vom Teufel besessen weggerannt.

Mein Herz klopfte so heftig, dass ich das Gefühl hatte, es würde im nächsten Moment explodieren.

Es dauerte keine zehn Sekunden, da änderte sich die Situation. »Hey!«, rief uns einer der Detectives hinterher. Wir waren inzwischen fast beim Tor angekommen. Das Auto war nicht mehr weit. Ob sie jetzt mitbekommen hatten, dass wir gelogen hatten? »Madeleine, George, wartet mal kurz! Wir –«