Titel

Ulrich Ladurner

Südtiroler

Zeitreisen

Erzählungen

Widmung

für meine Eltern Peter und Elisabeth

für meine Kinder Lilli und Julius

Vorwort

Noch ein Buch über Südtirol? Gibt es denn nicht schon genug davon?! Ja, es gibt mehr als genug. Die Regale in den Buchhandlungen biegen sich unter dem Gewicht südtirolerischer Nabelschau. Jeder Autor sollte deshalb ein Gelübde ablegen: Für die nächsten zehn Jahre wird er keine Buchzeile mehr über Südtirol schreiben. Denn die Welt ist groß, sehr groß. Sie braucht Südtirol nicht. Und sie braucht schon gar nicht noch ein Buch über Südtirol.

Ich weiß das alles. Und ich stimme dem zu. Darum habe ich kein Buch über Südtirol geschrieben, auch wenn es der Titel behauptet. Es ist dies ein Buch über einen kleinen, paradiesisch schönen Landstrich, der seinen aktuellen Namen aufgrund verschiedener historischer Zufälligkeiten verpasst bekommen hat. Obwohl Süd­tirol die korrekte Bezeichnung ist, lenkt sie vom Eigentlichen ab: Wenn von Südtirol die Rede ist, dann sprechen wir von der Welt als Ganzer.

Die Südtiroler verstehen das auf Anhieb. Sie sind von der weltgeschichtlichen Bedeutung ihrer Heimat ohnehin überzeugt. Man bringt ihnen von Kindesbeinen an bei, sich wichtig zu nehmen. Darüber lässt sich leicht spotten. Denn ein Blick in den Atlas genügt. Ein winziger Fleck ist dieses Südtirol, mehr nicht. Doch entgegen aller Gewissheit halten die Südtiroler an ihrem Glauben fest, dass sich zwischen Brenner und Salurn alles Wesentliche abspielt. Hier also soll sich die ganze Welt spiegeln?!

Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, habe ich eine Reise durch Raum und Zeit unternommen. Sie führte mich von Toblach im Jahre 1905 über Graun nach Kiens und in das Städtchen Meran des Jahres 1985. Ich flog weiter durch die Zeit, der Zukunft entgegen. Bis ins Jahr 2025 begab ich mich, um zu verstehen, was es mit der Welthaltigkeit Südtirols auf sich hat.

Das Ergebnis, zu dem ich gekommen bin, ist so einfach wie verblüffend: Die Südtiroler haben Recht! Ihre Heimat ist eine Kapsel für alles. Sozialismus, Christen­tum, Faschismus, Demokratie, Monarchie, Turbokapi­talismus – nennen Sie, was Sie wollen. Südtirol kennt alle vormodernen, modernen und postmodernen Erscheinungen. Es ist darum, ganz zu Recht, zu einem Lebensprojekt geworden. Selbst ich, der glaubte, es zu kennen, war überrascht von dem vorgefundenen Reichtum.

Von Südtirol lernen heißt also über die Welt lernen – wie sie war, wie sie ist und wie sie sein wird. Darum ist dieses Buch erschienen.