Wilhelm Heinrichs
5 Jahre und 25 Tage
meines Lebens
Umschlaggestaltung: Sven Haas, Mainz
Titelbilder: Wilhelm Heinrichs, Krefeld
1. Auflage 2014
ISBN 978 - 3-86777 - 691-2 gedruckte Ausgabe
ISBN 978 - 3-86777 - 733-9, E-Book [ePUb]
Repro, Satz und Layout: Sven Haas, Mainz
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Der Verlauf des Krieges
Einleitende Bilddokumente
1941
1942
1943
1944
1945
Dokumente
Nachwort
Liebe Leserinnen und Leser,
„5 Jahre und 25 Tage meines Lebens“; so hat mein Großvater sein Kriegstagebuch genannt, welches ich mir vor etwa 2 Jahren von meiner Mutter zum Anschauen nahm. Als ich sah, was er an Dokumenten und detailliertem Text über seine Zeit als Funker im 2. Weltkrieg zusammengetragen hatte, war ich beeindruckt. Annähernd jeden Tag in den über 5 Jahren hat er, teilweise sehr ausführlich, dokumentiert. Ich begann zu lesen und mir wurde schnell klar, dass man dies der Nachwelt erhalten sollte. Im Zuge meiner nebenberuflichen Fortbildung zum staatlich geprüften Medientechniker keimte in mir gleich der Gedanke, dieses Buch als Abschlussprojekt zu bearbeiten und es in Buchform zu publizieren.
Mein Großvater starb 1989 im Alter von 69 Jahren an einer Leberzirrhose – was möglicherweise eine späte Folge der Jahre im Krieg war. Ich war damals erst 9 Jahre alt und kann mich nur teilweise an meinen Großvater erinnern. Ich bedauere es sehr, dass ich heute nicht mehr die Möglichkeit habe, mit ihm über seine Zeit während des Krieges zu sprechen, und ihn persönlich zu manchen Dingen zu befragen. Ob er mir bereitwillig Auskunft gegeben hätte, ist allerdings fragwürdig. Wenn man bedenkt, welch ein psychisches Trauma diese Kriegsgeneration davongetragen haben muss durch die Erlebnisse solch grausamer Dinge in so jungen Lebensjahren, ist es fast unglaublich, dass sie danach ein unbelastetes Leben führen konnte.
Über das letzte Jahr in russischer Gefangenschaft schreibt mein Großvater nur wenig. Dies ist darauf zurück zu führen, dass er seine letzten Tagebuchaufzeichnungen in der Gefangenschaft vernichtet hat, diese aber später – so gut es ihm möglich war – zu Hause rekapituliert hat. Es lässt sich nur erahnen, was er während dieser Zeit erlebt haben muss, da er sich beim Schreiben darüber recht bedeckt äußert.
Das gesamte Kriegstagebuch hat er ein Jahr nach seiner Gefangenschaft in Russland noch einmal komplett abgeschrieben und mit allen Dokumenten in chronologischer Reihenfolge versehen. Ich habe den Aufbau des Buches eng am Originaldokument orientiert. Text, Fotos und Dokumente sind annähernd genau in der Reihenfolge angeordnet, in der er sie damals abgeheftet hat. Auch die Bildunterschriften sind genau so, wie sie auf der Rückseite der Originalfotos stehen. Einige Fotos weisen keinerlei schriftliche Hinweise auf.
Manche Begriffe und Übersetzungen russischer Wörter habe ich in eckigen Klammern [] im Text ergänzt. Aus satztechnischen Gründen wurden einige Dokumente manchmal erst etwas weiter hinten platziert, als von meinem Großvater angeordnet.
Ganz herzlich möchte ich mich bei meinem Verleger Herrn Harald Rockstuhl bedanken, der ohne Zögern zusagte, dieses Tagebuch zu publizieren. Ein ebenso großer Dank geht an meine Mutter Margot Haas, ohne die die Arbeit an dem Tagebuch in dieser Form sicherlich nicht so gut möglich gewesen wäre.
Sven Haas (April 2014)
Original Tagebücher
Seit dem ersten September 1939 ist Krieg. Polen wurde in 18 Tagen besiegt. Am 9. April 1940 begann die Besetzung von Dänemark und Norwegen. Am 10. Mai folgte der Einmarsch in Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Nach 6 Wochen war auch dieser Feldzug beendet. Bis Ende 1940 wurde der Luft- und Seekrieg gegen England geführt, während Italien im Mittelmeerraum gegen Engländer in Nordafrika und gegen Griechenland kämpfte. Zu Beginn des Jahres 1941 kommt Italien in schwere Bedrängnis. Niederlagen in Nordafrika folgt der Rückzug aus Griechenland und schwere Kämpfe in Albanien. Anfang April begann der Balkanfeldzug gegen Jugoslawien und Griechenland. In Nordafrika griffen deutsche Truppen die Engländer an. Am 20. Mai folgte die Invasion Kretas. Der Seekrieg wurde verstärkt geführt. Dann kam der 22. Juni 1941; der Beginn des Kampfes gegen Russland.
Am 9. Oktober 1940 werde ich zur Wehrmacht einberufen. Im Sammeltransport geht es zunächst nach Eberswalde. Von dort werden wir nach Aufteilung weitergeleitet nach Biesenthal (in der Mark) zur Nachrichten-Ersatz-Kompanie 83. Hier erfolgt unsere Rekruten-Ausbildung. Nach einigen Wochen werden wir in ein Barackenlager nach Lamke bei Bernau verlegt.
Nach der Ausbildung geht es im Dezember zum Schützen-Regiment 3 nach Eberswalde. Hier werde ich weiter zum Funker ausgebildet. Am 12. Januar 1941 fahren wir geschlossen mit unserer Gruppe zur Besichtigung nach Berlin. Im März folgt die Abkommandierung zum Kradschützen-Bataillon 3 nach Bad Freienwalde an der Oder. Wir erfahren hier eine besonders strenge Ausbildung mit vielen Geländeübungen. Am 5. Juni tauschen wir unsere Anschrift mit der Feldpost Nr. 01405.
Am Tage der Vereidigung - Bliesenthal (18. Oktober 1940)
Ankunft in Eberswalde (4. Oktober 1940)
Marktplatz in Bliesenthal (November 1940)
Barackenlager in Lanke (November 1940)
Straße Lanke-Bernau (November 1940)
Bliesenthal (Oktober 1940)
Als Rekrut in Bliesenthal (Oktober 1940)
Tag der Vereidigung Bliesenthal (18.Oktober 1940)
Leutnant Menzel
von links: Leutnant Menzel, Oberleutnant Dürr, Leutnant Renesch
von links: Leutnant Renesch, Oberleutnant Dürr, Hauptfeldwebel Hoffmann, Feldwebel Manitz
Unteroffizier Ewald
Feldwebel Lange, Unteroffizier Ewald, Unteroffizier Soffke
Kaserne in Eberswalde (Dezember 1940)
Eberswalde im Dezember 1940
Eberswalde im Dezember 1940
Eberswalde im Dezember 1940
Eberswalde im Dezember 1940
Eberswalde Bismarcktreppe
Eberswalde im Dezember 1940
Eberswalde im Dezember 1940
Eberswalde im Januar 1941
Übungsgelände Eichwerder (Januar 1941)
Eberswalde im Januar 1941
Eberswalde im Januar 1941
Eberswalde im Januar 1941
Eberswalde von der Bismarcktreppe aus gesehen
Eberswalde im Januar 1941
Eberswalde im Januar 1941
Berlin am 12. Januar 1941
Berlin am 12. Januar 1941
Berlin am 12. Januar 1941
Berlin am 12. Januar 1941
Berlin am 12. Januar 1941
Berlin am 12. Januar 1941
Brandenburger Tor
Berlin am 12. Januar 1941
Bad Freienwalde von der Ruine gesehen (März 1941)
Bad Freienwalde Kaserne (März 1941)
Bad Freienwalde Exerzierplatz (März 1941)
Bad Freienwalde (März 1941)
Bad Freienwalde (März 1941)
Bad Freienwalde Funklehrsaal (März 1941)
6. 6. 1941
Früh um 5 : 30 Uhr Abmarsch von der Kaserne über Eberswalde, Finowfurt, Autobahn Frankfurt/Oder, Beelitz. In einer Scheune übernachtet.
7. 6. 1941
6 : 45 Uhr geht’s weiter. Um 12 : 45 Uhr bei Tirschtiegel über die Korridorgrenze nach Pytin. Dort in einer Schule übernachtet.
8. 6. 1941
7 : 15 Uhr weiter über Posen, Kostschin, Wreschen bis Konin (Polen). Deutlich sichtbarer Unterschied zu Deutschland. Dörfer sind verwahrlost, so etwas noch nie gesehen. In einer Scheune gut übernachtet.
9. 6. 1941
13 : 00 Uhr zur Vormarschstraße. 14 : 45 Uhr rollt das Batallion weiter über Wartbrücken, Tormingen, Kutno. Abends um 22 : 15 Uhr bei Sochaczew über die Grenze zum Generalgouvernement. Die Nacht wird durchgefahren. Wir haben Funkbetrieb.
10. 6. 1941
Um 5 : 30 Uhr in Tutnowice halt. Bis 11 : 00 Uhr geschlafen, dann technischen Dienst bis 16 : 00 Uhr. 17 : 00 Uhr weiter über Blonie, Warschau. Um 24 : 00 Uhr wird rechts der Vormarschstraße zum ersten Mal gezeltet.
11. 6. 1941
Ruhetag! Abends um 23 : 00 Uhr rollen wir weiter.
12. 6. 1941
Gegen 4 : 00 Uhr sind wir am Ziel. Es hat die ganze Nacht geregnet. Wir ziehen in einem Wald 8 km vor Radzyn unter. Wir zelten und schlafen anschließend bis 12 : 00 Uhr. Mittags etwas wohnlich gemacht, abends erste Post.
13. 6. 1941
Um 8 : 00 Uhr wecken. Der Regen hat aufgehört. Es wird ein schöner Tag. Wir haben Zeit uns weiter einzurichten.
14. 6. 1941
7 : 00 Uhr wecken. Es regnet wieder in Strömen. Wir bauen weiter an unserer Unterkunft. Mittags impfen gegen Cholera. Abends wieder herrliches Wetter. Bekommen das erste polnische Geld (Sloty).
15. 6. 1941
Sonntag! Zum ersten Mal Zeit, meine Post zu beantworten. Kein Dienst. Der Tag geht trotzdem schnell vorbei.
16. 6. 1941
Morgens Funkbetrieb, Nachmittags technischer Dienst.
17. 6. 1941
1 Stunde exerzieren, dann technischer Dienst. Wir haben Zeit uns ein Stück Fleisch zu braten, dazu gibt es eine Sekt-Ration.
18. 6. 1941
Wieder exerzieren, Funkbetrieb, technischer Dienst. Nachmittags wird gewaschen und anschließend Munition empfagen.
19. 6. 1941
Vorbereitung zum Abmarsch. Wir rollen wieder von 16 : 00 - 24 : 00 Uhr. In einem Wald 3 - 5 km vor der Grenze ziehen wir unter. Es wird gezeltet.
20. 6. 1941
Wir bauen Deckungsgräben, da wir im Bereich feindlicher Artillerie liegen. Zum Haare schneiden reicht die Zeit noch. Abends erhalten wir die Gewissheit: wir ziehen gegen Russland. Nun ist Schluss mit den vielen Gerüchten.
21. 6. 1941
Unterricht über den Einsatz. Die Funkunterlagen werden ausgegeben. Es ist dienstfrei.
22. 6. 1941
Der Tag X ist da. Um 3 : 15 Uhr Beginn des Artillerie-Feuers. 4 : 45 Uhr rollen wir und fahren bereits um 6 : 00 Uhr über den Bug, der hier die Grenze bildet. Uns begegnen schon die ersten Gefangenen. Unsere beiden Schützen-Regimenter SR3 und SR 394 haben vor uns die Brücke und die erste Bunkerlinie genommen. Unsere Panzer, unterstützt von Artillerie, rollen über Brest vor. Wir sichern rechts der Vormarschstraße. Wir kommen durch einen Ort, der fast völlig zerstört ist. Der Feind geht weiter zurück. Bald sehen wir die ersten Toten und die zerstörten Geschütze des Gegners. Mittags haben wir den ersten Toten. Es ist ein Leutnant der 2. Kompanie. Abends um 21 : 00 Uhr noch nichts zu trinken. Die Feldküche ist noch nicht da. Die Luft ist heiß und staubig. Die Bevölkerung ist sehr arm und hat ihre wenige Habe gepackt. Einige weinen oder beten neben ihren zerstörten Häusern. Um 21 : 30 Uhr erhält unser Funktrupp den ersten Auftrag. Wir werden zur 2. Kompanie abgestellt, die für die Nacht zur Sicherung der Straße eingesetzt ist. Das Bataillon rollt etwa 8 km weiter. Wir fahren über Katy nach Puhaczewa. Hier liegen wir vor einer zerstörten Brücke. Es war nicht gelungen diese unversehrt zu bekommen. In der Nacht weiterhin sichtbare Brände. Oberstleutnant Mölders schützt unseren Luftraum. Die Landschaft besteht aus Sumpf, Sand und Heide.
23. 6. 1941
Nach ruhiger Nacht, in der wir neben dem Fahrzeug geschlafen haben, erhalten wir 4 : 30 Uhr Befehl, zurück zum Bataillon. Wir stellen sofort Verbindung her zur 3. Kompanie, die zur Sicherung des weiteren Vormarsches eingesetzt ist. Zu schweren Kämpfen kommt es in Kobryn. Die Stadt steht in Flammen. Nach hartem Gefecht gehen wir mit den Panzern weiter vor. Tagesziel ist Bereza-Kartuska 50 - 60 km ostwärts. Am späten Nachmittag wird das Ziel erreicht. Der Feind wurde in die Luft geschlagen und verlor etwa 60 Panzer und ebenso viele Geschütze aller Kaliber. Rechts und links der Straße wurden wir aus den Wäldern und Sümpfen immer wieder beschossen. Es hieß immer wieder absitzen und den Feind niederkämpfen. Abends zelten wir neben der Vormarschstraße. Um 21 : 00 Uhr kommt erstmalig unsere Feldküche. Ich habe keinen Hunger, nur großen Durst. Das Wasser hier darf wegen Seuchengefahr nicht getrunken werden. Nach einem heißen Tag ist die Nacht empfindlich kühl, bleibt aber ruhig. Wir haben immer noch Funkbetrieb. Noch am Abend ist ein neu zusammengestelltes Vormarschbataillon weiter vorgestoßen.
24. 6. 1941
Um 3 : 00 Uhr wecken. Bei gutem Tempo geht es 25 - 30 km weiter. Wir halten rechts der Straße. Panzer und andere motorisierte Kolonnen rollen vorbei und lösen die Spitze ab. Wir ziehen etwas zurück. Um 14 : 00 Uhr erscheinen feindliche Bomber. In wenigen Minuten hat unsere Abwehr zwei Flugzeuge abgeschossen. Eine Stunde später erneut Fliegerangriff. Alle suchen Deckung. Ich muss im Wagen bleiben (Funkbetrieb). Etwa 10 m links und rechts neben mir reißen die Bomben große Trichter in die Erde, die sich sofort mit Wasser füllen. Wir rollen noch ein Stück weiter und dann kommt der Angriff zum Stehen. Die 3. Kompanie hat nach hartem Kampf eine vor uns liegende Höhe genommen. Oberleutnant Peetsch schwer verwundet. Wir haben die alte russische Grenze erreicht. Hier hat der Russe Bunker gebaut, Panzer und Artillerie-Stellungen. Die 3. Kompanie wird von der 2. abgelöst. Wir werden noch mehrmals von etwa 30 Bombern angegriffen. Schweres Artillerie-Feuer auf beiden Seiten. Die 2. Kompanie hat große Verluste. Oberleutnant Erdmann wird verwundet. Um 8 : 00 Uhr kommt der Funkspruch: 2. Kompanie nicht mehr einsatzfähig. Wir bauen Deckungsgräben für die Nacht. Kurz nach 9 : 00 Uhr fahren wir dann aber weiter vor, bis 300 m vor den Fluss. Gegenüber sind die feindlichen Bunker, die Brücke ist zerstört. Unsere Artillerie schießt, die feindlichen Geschütze schweigen. Sind sie vernichtet? Die 1. Kompanie ist über den Fluss vorgestoßen, kann sich dort aber nicht halten und muss wieder zurück. Es fallen nur noch einzelne Schüsse. Nachdem wir uns in unsere Gummimäntel gehüllt haben und hinlegen, plötzlich in unmittelbarer Nähe Einschläge aus kurzer Entfernung. Ich springe hoch und stürze mich in ein Erdloch. Die Einschläge, scheinbar von einem Deck-Geschütz, kommen nur noch vereinzelt.
25. 6. 1941
Um 4 : 00 Uhr ziehen wir etwa 2 km zurück unter und warten ab. Mehrmals werden wir von Fliegern angegriffen. Es gibt einige Verwundete durch Tiefflieger-Beschuss. Um 14 : 00 Uhr ziehen wir wieder vor an unseren gestrigen Standort. Die Lage ist unbekannt. Es ist ruhig. Nachmittags wieder feindliche Bomber. Unsere Jäger greifen sofort an und in wenigen Minuten ist auch der letzte Bomber brennend herunter geholt. Wir bleiben und schlafen neben dem Wagen.
26. 6. 1941
1 : 00 Uhr fertig machen, 3 : 00 Uhr Abmarsch. Die Schtschara ist überwunden. Nach etwa 50 km zieht das Bataillon unter. Unsere Jagdflieger schützen uns vor feindlichen Bombern. Wir sehen 5 - 6 Abschüsse. 11 : 00 Uhr Einsatzbefehl. Mit einem Zug der 1. Kompanie 20 km rechts der Straße sichern und 2 Brücken zur Sprengung vorbereiten. Bei Feindangriff sprengen! Vorsichtig muss jeder Ort erkundet werden, ob feindfrei. Der Ort, der von uns besetzt werden soll, ist stark feindbesetzt. Aber der Feind geht zurück. Wir erhalten von allen Seiten Feuer. Nach allen Richtungen aufgestellte Spähtrupps melden stärkere Feindeinheiten. Im Wald vor uns 3 Geschütze in Stellung. Wir haben nur 2 PAK-Geschütze und zwei Granatwerfer. Es scheint, als ob wir eingeschlossen sind. Um 19 : 00 Uhr erhalten wir Artillerie-Beschuss. Wir fordern über Funk Panzer oder Artillerie Unterstützung an. Aber nach kurzer Zeit lässt der Feind alles im Stich und geht überall zurück. Wir nehmen etwa 30 Überläufer gefangen. Einer trägt eine Pistole mit dumdum-Geschossen. Wir werden noch aus einem Haus beschossen, können aber nicht feststellen woher. Wir versorgen uns im Ort mit Zigaretten, Bier, Brot usw. und schlafen dann ermüdet im Wagen ein. Der Ort heißt Cinkowicze.
27. 6. 1941
In der Nacht erhielten wir Verstärkung und wurden gegen Morgen von einer Kompanie SR3 abgelöst. 5 : 00 Uhr zurück zum Bataillon. Wir haben Ruhe, bringen den Wagen in Ordnung und dann lege ich mich auf eine Wiese und schlafe fest ein. Nachts hatte ich nur 2 Stunden geschlafen, da ich Funkwache hatte. Um 11 : 00 Uhr durch großen Lärm geweckt. 3 Bomber in der Luft. In wenigen Minuten werden sie von einer Me109 abgeschossen. Wir nehmen volle Deckung, da eine Maschine auf uns zustürzt. Mit einer riesigen Stichflamme schlägt sie etwa 200 m vor uns auf. Es ist wieder einmal gut gegangen. Jetzt bleibt es ruhig, aber es ist fast unerträglich heiß. Um 16 : 00 Uhr rollen wir weiter. Wie eine Erlösung zieht ein Gewitter auf und es regnet in Strömen. Gegen 19 : 00 Uhr erreichen wir die Stadt Sluzk. Die Stadt ist völlig zerstört. Ein furchtbarer Anblick. Wir haben 3 ½ Std. Aufenthalt und nehmen uns, was noch brauchbar ist. Ununterbrochen rollen Kolonnen vorbei. Um 22 : 30 Uhr reihen wir uns wieder ein. Die Fahrt geht durch ein Waldgebiet von 70 km Länge. SR394 wurde vor uns dort von starken Feindkräften beschossen und hatte etwa 60 Ausfälle. Das Gewehr im Anschlag fahren wir los. Es ist dunkel und die Nerven zum Zerreißen gespannt. Dauernd glaube ich Schüsse zu hören. Als nach 2 Std. noch nichts geschah, bin ich wieder ruhiger.
28. 6. 1941
Um 2 : 00 Uhr wird es Gott sei Dank schon hell. Es brennen einige Häuser und auf der Straße liegen feindliche Panzer und Ausrüstungsgegenstände. 3 : 00 Uhr Halt. Heute am 6. Tag sind wir schon über 300 km in Feindesland. Die Spitze ist noch 50 - 80 km weiter. Ich bin gegen 4 : 00 Uhr im Wagen eingeschlafen. Als ich um 8 : 00 Uhr aufwache, ziehen wir links der Straße unter. Trotz der frühen Stunde brennt die Sonne schon. In der Badehose wird der Wagen gesäubert. Um 12 : 00 Uhr wird in der Nähe der Straße bombardiert. Unsere Jäger kommen leider zu spät. Die Hitze ist unerträglich. Ein Gewitter mit Regenströmen bringt die ersehnte Abkühlung. Wir werden noch mehrmals von Fliegern angegriffen. Oft ist das Donnern nicht von Bombeneinschlägen zu unterscheiden. Ich sitze im Wagen und schreibe mein Tagebuch. Es fallen weiter Bomben und ich muss öfter volle Deckung nehmen. Um 20 : 00 Uhr wird die 3. Kompanie zur Sicherung des Flugplatzes (Mölders) abgestellt. Trotz aufgebauter Hochantenne bekommen wir wegen Gewitterstörungen keine Funkverbindung. Nachts plötzlich fertigmachen. Wir rollen los und sollen irgendwo zur Sicherung eingesetzt werden. Nach Stunden sind wir aber wieder an der alten Stelle. Nur die 1. Kompanie sichert an der Straße Sluzk-Wasiluiki. Wir müssen Verbindung dorthin halten; das heißt, für mich kein Schlaf. Die Spitze unserer Division ist 60 km voraus und hat die Beresina-Sümpfe erreicht. Der Feind leistet dort hartnäckigen Widerstand. Es geht nicht mehr vorwärts. Eine feindliche Armee liegt uns gegenüber. Unsere Vormarschstraße wird unaufhörlich bombardiert.
29. 6. 1941
Laut Kalender ist heute Sonntag. Der bisher ruhigste Tag. Kein feindliches Flugzeug zu sehen. Nur unsere Jäger brausen alle paar Minuten über uns hinweg. Am Nachmittag beobachten wir einen feindlichen Aufklärer. Die 2. Und 3. Kompanie sind zur Sicherung ausgestellt. Wir halten zur 3. Kompanie Verbindung.
30. 6. 1941
Im Zelt vor Mücken nicht geschlafen. Habe im Wagen gesessen. Um 7 : 30 Uhr rollt unser Bataillon weiter. Mit gutem Tempo rollen wir in 1 ½ Std. 60 km vor. Die Angriffsspitze ist noch etwa 30 - 40 km weiter. Am Ufer der Beresina dauern die schweren Kämpfe weiter an. Der Russe versucht mit allen Mitteln den Vormarsch aufzuhalten. Wir sind etwas rechts der Straße einigermaßen sicher vor der feindlichen Luftwaffe untergezogen. Unsere Jäger und Flak sind übrigens auf der Hut und schießen fast jeden Gegner, der sich zu weit wagt, ab. Die 2. Und 3. Kompanie sichern wieder zur Seite. Wir halten Funkverbindung. Nachmittags laufend Fliegerangriffe; es gibt keine Ruhe. Drei Bomben fallen dicht neben dem Wagen des Leutnants. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt. Ich habe etwa 10 Abschüsse durch unsere Jäger beobachtet. Um 21 : 00 Uhr erhalten wir Befehlt zu einem Zug der 2. Kompanie vorzufahren, der an der Beresina zur Sicherung eingesetzt ist. Wir liegen hier dicht am Feind, aber es bleibt ruhig. Die Funk-Gegenstelle ist beim Kompanie-Gefechtsstand etwa 25 - 30 km zurück. Die ganze Nacht hindurch fallen Bomben in unmittelbarer Nähe.
1. 7. 1941
Ich habe trotzdem neben dem Wagen gut geschlafen. Am Morgen sind die Bombeneinschläge weiter entfernt. Gegen Mittag Wäsche gewaschen und ein erfrischendes Bad im Fluss. Um 12 : 00 Uhr werden wir von einem anderen Zug abgelöst. Man hat den Funktrupp offenbar vergessen. Irrtümlich kommt der Befehl, zurück zum Kompanie-Gefechtsstand, erst nach 1 ½ Std. Es war unser Glück: die Kolonne mit der wir fahren sollten, erhielt einen Bomben-Volltreffer. Es gab 3 Tote und einige Verletzte. Zurückgekehrt wurden wir sofort einem Spähtrupp in Zugstärke zugeteilt. Auftrag war eine von links auf die Rollbahn stoßende große Straße zu sichern. Wir sollten in einem Ort unterziehen, wurden aber durch eine gesprengte Brücke über einen Fluss gehindert. Als wir am Morgen übersetzen wollten, konnten wir aber auf der anderen Seite einen deutschen Panzerspähtrupp sehen. Nachts in einem kleinen Wald in einem Zelt übernachtet. Ich habe mich wegen der vielen Mücken in Gummimantel und zwei Decken gehüllt und geschlafen. Nachts ruhig; es hat geregnet.
2. 7. 1941
Die Stadt Bobruisk ist genommen. Der Übergang über die Beresina wurde gegen stärksten Widerstand erzwungen. Außer einem russischen Aufklärer, der uns überfliegt, bleibt es bei uns ruhig. Wir machen aber vorsichtshalber Stellungswechsel in 1 km. Nochmal Gelegenheit zu einem Bad. Von einem mittags ausgesandten Spähtrupp kam einer nicht zurück. Er wurde später schwer verwundet gefunden. Wir vermuteten Heckenschützen und hatten für den Fall schon Befehlt vom Bataillon, den Ort in Brand zu schießen. Es stellte sich aber heraus, es war ein Unglücksfall. Der Mann hatte sich selbst die Halsschlagader durchschossen und starb 2 Std. später. Schließlich kam Befehl für uns: zurück zum Bataillon. Endlich nach 97 Std. Empfangsbereitschaft, konnten wir unser Funkgerät einmal ausschalten. Aber gleich hieß es wieder: in 5 Minuten fertigmachen zum Abmarsch. Es wurde aber 0 : 30 Uhr, bis das Bataillon rollte.
3. 7. 1941
Es geht aber so langsam voran, so dass wir um 8 : 30 Uhr erst 8 km zurückgelegt haben. Wir sind in Bobruisk. Seit 5 : 00 Uhr brennt schon die Sonne; es ist sehr heiß. An Schlaf ist nicht zu denken. Ich bin nur im Wagen kurz eingenickt. Die Stadt ist völlig zerstört. Die Bevölkerung sucht noch Brauchbares. Um 9 : 00 Uhr sind wir an der Beresina. Alle Brücken sind gesprengt oder abgebrannt. Unsere Pioniere haben eine neue Brücke geschlagen. Der Stab und die 3. Kompanie setzen über. Dann müssen erst wieder die Panzer vor. Wir stehen mit unserer Funkstelle vor der Brücke. Gegen Mittag werden wir abgelöst und zum Stab befohlen. Wir werden sofort zur 3. Kompanie abgestellt, die etwa 30 - 35 km weiter zur Verkehrsregelung eingesetzt ist. Die Straße dorthin ist gut befahrbar und wir sind bald da. Kaum angekommen haben wir russische Bomber über uns. Bei unserem Abwehrfeuer drehen sie aber gleich ab. Die Angriffsspitze ist noch etwa 40 km weiter und hat den Dnjpr erreicht. Hier hat der Feind eine starke Befestigungslinie gebaut. Mit allen Mitteln soll unser Angriff hier zum Stehen gebracht werden. Der Angriff aber soll noch heute beginnen. Um 19 : 30 Uhr werden wir zu einer Gruppe der 3. Kompanie in einen nahe gelegenen Ort befohlen. Unterwegs erfahren wir, dass russische Panzer im Ort sind. Unsere Leute mussten zurück, haben jedoch einen Panzer vernichtet. Uns werden 6 eigene Panzer zugeteilt und wir erhalten Befehl, den Ort sofort wieder zu besetzen. Als wir wieder vor rollen, hat der Feind sich zurückgezogen. In der Nacht sichern wir auf freiem Feld. Es bleibt ruhig. Nur in der Ferne ist das Grollen und der Feuerschein unserer Artillerie zu hören und zu sehen.
4. 7. 1941
Nach einem schweren Gewitter in der Nacht beginnt wieder ein herrlicher Tag. Wir haben den Auftrag den Ort Pobolowo zu sichern. Nach der Erkundung durch einen Leutnant, ziehen wir in den feindfreien Ort. Es bleibt ruhig hier. Unsere Division ist zum Angriff auf die Stadt Rogatschew angetreten. Schweres Trommelfeuer hämmert ununterbrochen auf die feindliche Bunkerlinie (Stalinlinie) hinter dem Dnjpr. Bis zu uns ist der Himmel mit Rauch und Pulverdampf überzogen. Der Feind leistet erbitterten Widerstand. Am Abend werden wir zum Bataillon befohlen. Das Bataillon ist vorgezogen und wir fahren die ganze Nacht durch.
5. 7. 1941
Ich bin im Wagen eingeschlafen. Als ich aufwache, sind wir bereits wieder der 4. Kompanie zugeteilt, die irgendwo zur Sicherung in einem Wald unterzieht. Die Artillerie schießt immer noch. Es herrscht auch wieder rege Fliegertätigkeit. Wir liegen aber hier ziemlich sicher. Mittags wieder Gewitter. Gegen 17 : 00 Uhr wieder zurück zum Bataillon, das in einer Fliegerschule untergezogen ist. Der Kommandeur erkundet das Gelände für unseren Einsatz. Abends erfahren wir, dass sein Wagen einen Volltreffer bekam. Der Bataillon-Schreiber Oberfeldwebel Lötzsch ist tot. Der Fahrer, ein Leutnant und der Kommandeur schwer verwundet. Das Artillerie-Duell geht unvermindert weiter. Neben dem Wagen wird geschlafen. Wir ziehen mit MP bewaffnet abwechselnd auf Wache.
6. 7. 1941
Um 6 : 00 Uhr werden wir geweckt; höchste Gefechtsbereitschaft. Wir werden von Süden her angegriffen. Nach etwa 2 Stunden war der mit Artillerie unterstützte Angriff abgeschlagen. Nachmittags beerdigen wir Oberfeldwebel Lötzsch. Ich habe das Grab mit ausgeschmückt. Da es ruhig bleibt, lege ich mich um 20 : 00 Uhr zum Schlafen hin.
7. 7. 1941
Ich habe 12 Stunden gelegen. Die Nacht war sehr kalt und ich war oft wach. Trotzdem fühle ich mich frisch. Die schweren Kämpfe am Dnjpr dauern an. Alle Angriffe werden zurückgeschlagen. Nur die russischen Flieger sind verschwunden. Bei uns bleibt es den ganzen Tag ruhig. Vormittags habe ich eine Ente gefangen und am Spieß gebraten.
8. 7. 1941
Wieder gut geschlafen. Das Artilleriefeuer stört mich nicht mehr. Wir bauen Deckungsgräben und bringen unsere Sachen in Ordnung. Es ist wieder heiß geworden.
9. 7. 1941
Auch heute bleibt es bei uns ruhig. Wir bringen unsere Sachen und Fahrzeuge in Ordnung.
10. 7. 1941
Ich helfe den ganzen Tag in der Küche. Es wird besonders gutes Essen bereitet für die Kameraden, die in Rogatschew in schwerem Kampf stehen. Abends plötzlich fertigmachen. Nach kurzer Zeit rollen wir schon. Wir ziehen noch etwa 20 - 30 km nordöstlicher Richtung in einem kleinen Nest unter.
11. 7. 1941
Gegen morgen kommen unsere Kameraden, die von einer Kavallerie-Division abgelöst wurden, zurück. Sie berichten uns von der Hölle von Rogatschew. Jeder einzelne wurde dort sofort mit Artillerie-Granaten beschossen. Unsere Division hatte große Verluste. Um 7 : 30 Uhr fahren wir weiter zurück und dann rollen wir hinter der 4. Panzer-Division nach Norden. Nach einem langen Marsch ziehen wir auf einem Feld unter. Ich habe gerade Zeit mich gründlich zu waschen, als es um 19 : 00 Uhr weiter geht. Wir fahren bis 1 : 00 Uhr. Bereits gestern gelang der Übergang über den Dnjpr bei Staryj-Bychow, einer kleinen Stadt zwischen Rogatschew und Mogilew. In den ausgedehnten Sumpfgebieten geht es aber nicht weiter. Unsere Division bekommt den Auftrag, die Stadt Mogilew zu besetzen und einen neuen Übergang zu schaffen.
12. 7. 1941
Um 3 : 00 Uhr beginnt unser Artillerie-Feuer. Zunächst geht es zügig vor, aber dann erhalten wir Feuer. Es entspannt sich ein heftiges Artillerie-Gefecht. Wir liegen genau im Schussfeld. Der Beschuss dauert mehrere Stunden und wir haben uns am Boden festgekrallt. Stabsarzt Dr. Spiegel ist verwundet, Feldwebel Schuster tot. Unser Wagen ist von Granatsplittern durchlöchert. Der Angriff ist liegengeblieben. Trotz aller Versuche kommen wir nicht weiter. Hier am Dnjpr, wo wir auf die Stalinlinie gestoßen sind, wehrt der Feind sich verzweifelt. Mehrere Panzer sind auf Minen gelaufen und ausgefallen. Die feindlichen Bunker und Befestigungen müssen einzeln vernichtet werden. Gegen 9 : 0 Uhr muss ich einen Funker bei der 2. Kompanie ablösen, der total fertig ist. Um 10 : 00 Uhr ist es bereits so heiß, dass alle Züge schon Ausfälle durch Sonnenstich melden. Auch ich schwitze fürchterlich. Die Artillerie schießt ununterbrochen. Um 15 : 00 Uhr ziehen wir uns zurück, da es nicht mehr weitergeht. Es wird Sicherung bezogen. 17 : 00 Uhr werde ich wieder abgelöst und komme zu unserem Wagen zurück. Wir ziehen in einem Wald unter, der immer noch unter Beschuss liegt. Abends geben wir die Stellung auf und ziehen in den Wald zurück, wo wir in Bereitstellung lagen. Wenn alle Tage wie heute wären, glaube ich erstmals nicht mehr an meine Rückkehr.
13. 7. 1941
Ich habe die Nacht gut geschlafen und bin wieder guter Laune. Wir rollen um 12 : 00 Uhr weiter. Die Straße ist völlig verstopft. Wir wurden von einer SS-Einheit und von Kavallerie abgelöst. Es geht sehr langsam voran. Schließlich ziehen wir in einem Ort unter. Keiner von uns weiß was los ist. Ich lege mich abends in ein Kornfeld und schlafe trotz vieler Mücken, die mich quälen, bald ein.
Russischer Geldschein
Russischer Geldschein
Russischer Geldschein
Russischer Geldschein
Russischer Geldschein
Russischer Geldschein
Russischer Geldschein
14. 7. 1941
Der Schlaf sollte nicht lange dauern. Nach kaum 2 Stunden werden wir geweckt. Um 1 : 00 Uhr rollen wir wieder. Immer noch sind die Straßen voller Fahrzeug-Kolonnen. Ich schlafe noch ein paar Stunden im Wagen. 6 : 30 Uhr geht es bei Staryj-Bychow über den hart umkämpften Dnjpr. Von der Stadt steht, außer zwei wenig beschädigten Kirchen, kein Haus mehr. Nachdem wir um 8 : 00 Uhr in einem Wald kaum unsere Fahrzeuge getarnt haben, heißt es schon wieder fertigmachen. Aus Südosten stoßen wir erneut schnell auf Mogilew vor. Es gelingt uns etwa 60.000 Russen einzukesseln. Unser Bataillon wird zur Sicherung eingesetzt. Wir müssen zur vorgezogenen 2. Kompanie. Der Feind erwartet Verstärkung und muss deshalb schnellstens vernichtet werden. Es sollen 3 Feind-Divisionen im Anmarsch sein. Wir stehen mit unserem Funkwagen in einem Kornfeld. Einzelne feindliche Flugzeuge drehen bei unserem Abwehrfeuer sofort ab. Unsere Artillerie schießt von allen Seiten. Die Bevölkerung läuft mit ihrem wenigen geretteten Hab und Gut planlos herum und weiß nicht wohin. In der Nacht werde ich durch MG-Feuer und andere Geräusche geweckt. Ich greife zu Gewehr und Stahlhelm und will sehen, was los ist; aber es ist wieder völlig ruhig. Lege mich wieder hin, ziehe mir die Decke über den Kopf und schlafe weiter.
15. 7. 1941
Durch die Abschüsse einer Batterie, die in der Nähe Stellung bezogen hat, werde ich geweckt. Der Tag wird wieder heiß, wie alle anderen. Gottseidank ist es etwas windig. Es ist kein Wasser in der Nähe und wir haben schrecklichen Durst. Um 18 : 30 Uhr versucht der Feind bei uns einen Durchbruch. Unsere Artillerie eröffnet sofort das Feuer. Nach einer ½ Stunde sind unsere Panzer hier und machen sofort einen Gegenangriff. Um 19 : 15 Uhr ist der Angriff abgeschlagen. Wir erhalten aber noch eine Weile Artillerie- und PAK-Beschuss. Bei Einbruch der Dunkelheit machen wir Stellungswechsel. Vor und hinter uns sind am Horizont große Brände sichtbar. Teile der Division sind schon wieder weiter nach Osten vorgestoßen. Unser Funktrupp-Führer Wohlenberg wurde heute zum Unteroffizier befördert. Um 24 : 00 Uhr werden wir von SR394 abgelöst. Wir fahren zurück und ziehen im Ort unter.
16. 7. 1941
4 : 30 Uhr wecken. Wir fahren dem Bataillon nach, das etwa 30 - 35 km weiter vor ist. Wir sind um 6 : 30 Uhr da und ziehen in einem Wald neben der Straße unter. Ringsum sind noch Kämpfe im Gange. Ich kann bis nachmittags trotz Artillerie-Feuer noch einige Stunden schlafen. Um 16 : 00 Uhr rollen wir weiter. Das Gelände vor uns, nördlich von Tschauszy ist vermint und es geht nur langsam weiter. Wir fahren mit unserem Funkwagen am Schluss des Bataillons und halten Verbindung zur Spitze. Vor uns ist Hügelland aufgetaucht. Endlich heraus aus dem Sumpfgebiet des Pripjet und der Dnjpr-Niederungen. Während einer kurzen Rast wird in einem Fluss schnell ein Bad genommen. Es geht sehr langsam voran. In der Dunkelheit sind wir dicht aufgefahren, da mit feindlichen Überfällen zu rechnen ist. Um Mitternacht liegen wir immer noch auf der Straße und sollen noch 20 km weiter.
17. 7. 1941
Ich habe im Wagen 2 Stunden geschlafen, als wir endlich gegen 7 : 00 Uhr in einem Ort unterziehen. Es ist ruhig hier und wir werden von der Bevölkerung freundlich aufgenommen. Vorsicht mit Trinkwasser ist geboten; die Brunnen sind teilweise vergiftet. Mittags haben wir für kurze Zeit Feuerbefehle für die Artillerie durchzugeben. 15 : 00 Uhr wieder Abmarsch. Unser Bataillon fährt mit unterstellten Einheiten als Vorausabteilung. Wir stellen wieder am Ende Verbindung nach vorn her. 18 : 00 Uhr kommt Befehl: sofort vor zur AA1. Wir müssen über eine Straße, die vom Feind eingesehen und mit Artillerie beschossen wird. Vor und hinter uns Granateinschläge. Aber wir kommen unversehrt durch. Wir rollen bis zum Einbruch der Dunkelheit und ziehen vor einem Dorf unter. Das Dorf wird von der Artillerie in Brand geschossen und ist in wenigen Minuten ein Flammenmeer. Ab 22 : 00 Uhr ist Ruhe. Nachdem es mittags schon einmal geregnet hatte, bringt ein schweres Gewitter in der Nacht endlich Abkühlung.
18. 7. 1941
Um 3 : 00 Uhr werden wir durch einsetzendes Artillerie-Feuer aus dem Schlaf im Wagen gerissen. Der Feind greift an. Unsere 2. Kompanie hat schwere Verluste, aber der Gegner wurde vernichtend geschlagen. Es wurden einige hundert Gefangene gemacht. Um 5 : 00 Uhr werden wir zurück gerufen und fahren eine Stunde später mit neuem Auftrag zum 2. Bataillon SR3. Es muss ein Brückenkopf über den Ssoshenka gebildet werden. Der Angriff gelingt und wir setzen mit Floßsäcken und Fähren über. Von allen Seiten werden Gefangene eingebracht. In einem Ort machen wir einige Stunden Rast. Um 14 : 00 Uhr wird der Angriff weiter vorgetragen. Auch wir ziehen noch ein paar Kilometer weiter in einen anderen Ort und bleiben dort über Nacht. Nach langer Zeit finden wir hier eine Scheune und können auf Stroh schlafen. 10 : 30 Uhr geht es wieder einige Kilometer weiter. Wir ziehen wieder in einem Ort unter. Nach einer längeren Pause geht es um 16 : 30 Uhr weiter. Plötzlich erhalten wir PAK-Beschuss. Es stellt sich aber bald heraus, dass sich aus einem eigenen Geschütz irrtümlich ein Schuss gelöst hat. Ein Mann wurde verwundet. Der Feind versucht unsere Spitzengruppe abzuschneiden. Das geht aus einem gefundenen Feindbefehl hervor. Aber dazu kommt es nicht. Das Gelände ist für uns günstiger geworden. Die großen Sumpfgebiete liegen hinter uns und die motorisierten Einheiten sind beweglicher geworden. Der Feind wird überall in die Flucht geschlagen oder gefangen genommen. Gefangene kommen weiter von überall her. Die AA1 ist auf starke Feindverbände gestoßen. Bis abends liegen wir auf der Straße und fahren um 22 : 00 Uhr in den Ort zurück zum Übernachten, in dem wir mittags waren.
20. 7. 1941
Auch die 4. Panzer-Division wird in der Flanke stark angegriffen. Sie kämpft rechts von uns. Wir sollen 20 - 30 km zurück bis zur Rollbahn und dann hinter der 4. fahren. Ein Panzerspähtrupp der AA1 wurde vom Feind aufgerieben. Uns gegenüber liegt der Gegner in Stärke eines Regiments. Mittags kommt Befehlt von der Division: wir müssen wieder in den Ort zurück, wo wir gestern waren. Einzelne Feindflieger drehen bei unserem Abwehrfeuer sofort ab. Es ist sehr ruhig hier und es bietet sich die Gelegenheit, ein paar Hühner zu braten.
21. 7. 1941
Nachts um 1 : 30 Uhr ein neuer Einsatzbefehl: wir müssen zur AA1 fahren und Funkverbindung halten. Aber auch hier bleibt es ruhig. Wir geben keinen einzigen Spruch durch. In der Nacht schlafen wir im Zelt. Es regnet und ist sehr kühl.
22. 7. 1941
Um 2 : 00 Uhr plötzlich heftiges Artillerie-Feuer. Der Feind versucht einen Angriff, aber nach etwa ¾ Stunde ist wieder alles ruhig. Am Tage lassen sich einige Ratas (feindliche Jagdflugzeuge) sehen. Sie können aber nichts ausrichten. Um 14 : 00 Uhr fahren wir zum Bataillon zurück. Wir bringen unseren Wagen, Waffen und Kleidung in Ordnung und sind abends wieder auf Empfang. Wir bleiben beim Stab und haben Verbindung zu einer Sicherung der 3. Kompanie.
23. 7. 1941
Nach ruhiger Nacht werden wir am Morgen durch einzelne Feindflieger geweckt. Sie stören uns weiter nicht, da sie nicht direkt über uns sind. Sonst auch heute wieder Ruhe. Wir langweilen uns schon und hoffen, dass es bald weiter geht. Drei Mann von der Nachrichtenstaffel erhielten heute das EK [Eiserne Kreuz].
24. 7. 1941
Morgens wieder feindliche Flugzeuge, die jedoch bald wieder verschwinden. Wieder ein ruhiger Tag. Aber um 17 : 00 Uhr erhalten wir einen dringenden Funkspruch. Russische Parlamentäre haben unsere Sicherung bei der 3. Kompanie zur sofortigen Übergabe aufgefordert. Wenige Minuten später kommt der Notruf: Feind greift in etwa Regimentsstärke an. Aber unser Bataillon rollt bereits; Panzer vorweg. Nach kurzem Gefecht ist der Russe zurückgeschlagen. Eine Anzahl Gefangene werden gemacht. Wir lachen über die Aufforderung vom Nachmittag, fahren zum nächsten Ort zurück und ziehen für die Nacht unter.
25. 7. 1941
Tagsüber immer noch Ruhe. Um 17 : 00 Uhr werden wir der 5. Kompanie zugeteilt und fahren bis zu einem Wald 3 km vor der vordersten Sicherung. Wir sind in unmittelbarer Feindnähe und erhalten auch bald Artillerie-Beschuss. Wir graben uns ein, machen aber bei Einbruch der Dunkelheit Stellungswechsel 200 m nach Süden. Von uns für die Nacht angeforderte Verstärkung erhalten wir nicht, da an anderer Stelle ein Angriff erwartet wird. Es schießt von allen Seiten. Bei uns bleibt es aber ruhig. Vermutlich hat der Feind uns für einen Spähtrupp gehalten, der wieder verschwunden ist.
26. 7. 1941
Die russische Artillerie schießt den ganzen Tag. Doch die Geschosse fliegen über uns hinweg. Für die Nacht fordern wir erneut Verstärkung. Wir sind nur 2 Züge stark und von jeder direkten Verbindung abgeschnitten. Es wird abermals abgelehnt und wir erhalten Befehl uns einzuigeln. Wir verhalten uns lautlos. Noch scheint der Gegner uns nicht ausgemacht zu haben.
27. 7. 1941
Nach ruhiger Nacht wird am Vormittag ein 14 Mann starker feindlicher Spähtrupp zurückgeschlagen. Wir machen einen Gefangenen. Auf Grund dessen Aussage erfahren wir, dass der Feind in Stärke von 8 Kompanien um 15 : 00 Uhr angreift. Sofort berichten wir dem Bataillon. In kurzer Zeit haben wir Panzer, Panzerjäger und Pioniere zur Verstärkung hier. Punkt 15 : 00 Uhr tritt der Feind mit Artillerie-Verstärkung an. Nach hartem Kampf und mehreren Versuchen wird der Angriff abgewehrt. Der Russe zieht sich in einen Wald 300 m vor uns zurück. Bis zum Einbruch der Dunkelheit wird der Wald unter direktem Beschuss von Artillerie, Panzer, Pak und Flak genommen. Die russische Artillerie schießt ein weit hinter uns liegendes Dorf in Brand. Der Himmel ist mit einem hellroten Feuerschein überzogen. Es ist Ruhe eingekehrt.
28. 7. 1941
Um 3 : 30 Uhr feuert unsere Artillerie etwa ½ Stunde. Dann ist wieder alles still. Am Vormittag werden 2 starke Spähtrupps zeitig erkannt und abgewiesen. Es wurden wieder einige Gefangene gemacht. Es ist ein schöner, warmer Sommertag. Außer schwacher Artillerie-Tätigkeit geschieht nichts. Abends erkundet ein eigener Spähtrupp die Bewegungen des Feindes. Nach einem Funkspruch von uns schickt die Artillerie noch 20 15er hinüber.
29. 7. 1941
Die Nacht war kalt und ich habe draußen gefroren. Um 6 : 00 Uhr hören wir neben uns heftigen Gefechtslärm. Gegen 10 : 00 Uhr müssen wir zum Bataillon zurück. Abends um 20 : 00 Uhr nehmen wir Verbindung zur 3. Kompanie auf. Wir bleiben beim Stab, der in einem Ort untergezogen ist. Die Artillerie hat den ganzen Tag fast ohne Unterbrechung geschossen.
30. 7. 1941
Auch heute früh wird der Beschuss aus allen Richtungen fortgesetzt. Wir bleiben tagsüber hier und ziehen abends einige km vor in einem Wald unter.
31. 7. 1941
Die Artillerie-Tätigkeit dauert an. Wir werden öfters durch feindliche Flieger gestört. Ein Spähtrupp wird von uns zurückgeschlagen.
1. 8. 1941
Endlich greifen auch wir wieder an. Um 3 : 30 Uhr erscheint erstmalig in unserem Abschnitt ein Stuka-Verband. Kurze Zeit später beginnt auch die Artillerie zu feuern. Unsere Funkstelle bleibt zunächst bei den Kradstaffeln und hält Verbindung. Der Angriff gelingt. Einige Stunden später werden wir nachgezogen und sind mittags wieder beim Bataillon. Unsere Pioniere haben eine Brücke über den Ssosh gebaut und rollen durch brennende oder bereits ausgebrannte Orte. Riesige Rauchwolken und Feuerschein weisen uns den weiteren Weg. Durch feindlichen Fliegerangriff gibt es 200 m vor uns mehrere Tote und Verwundete. In einem Dorf machen wir um 17 : 00 Uhr halt. Abends bei Dunkelheit geht es vorsichtig weiter. Überall kann noch der Feind stecken. Wir fahren jetzt an der Spitze und halten um 22 : 00 Uhr auf der Straße. Schwere Waffen werden vorgezogen. Wir sollen noch in der Nacht die Rollbahn erreichen. Der Angriff ist heute 40 - 50 km vorgetragen worden. An schlafen ist nicht zu denken.
2. 8. 1941
Um 2 : 30 Uhr stößt die Spitze auf Feind. 3 : 00 Uhr greifen wir an, aber der Feind ist sehr stark und macht schließlich einen Gegenangriff. Das Feuer ist so stark, dass unsere Kompanien sich kämpfend zurückziehen müssen. Da der Feind nachstößt, entbrennt ein ununterbrochen harter Kampf. Fast wären wir abgeschnitten worden. Wir sind in höchster Gefahr, als der Russe am Mittag durchzubrechen droht. In letzter Minute treffen unsere Panzer ein, die den Feind in kurzer Zeit zurückschlagen. Der General ist eingetroffen und wir erhalten Befehl, heute noch eine Stadt zu besetzen. Langsam und zur Seite sichernd rollen wir auf die Stadt zu. Sie ist feindfrei und wir ziehen unter. Es war ein harter Tag. Zum Glück hatte der Feind am Vormittag keine Artillerie, sonst hätte es böse für uns ausgesehen. Wir haben den ersten Toten bei der Nachrichtenstaffel (Seifert). Wir haben nur trocken Brot zu essen. Die Feldküche und der Verpflegungswagen sind noch nicht hier.
3. 8. 1941
Heute ist Sonntag. Es bleibt ruhig. Nur werden ein paar kleinere Bomben von Flugzeugen abgeworfen, die aber nicht treffen. Wir bringen unsere Fahrzeuge und anderen Sachen in Ordnung. Die Verpflegung ist knapp. Wir haben auch kaum noch etwas zu rauchen. Wir braten eine Gans, die wir gefangen haben.
4. 8. 1941
Seit 3 : 00 5 km