Manfred Böckl

Kreuzzug bis ans Höllentor

Machtgier und Glaubenswahn im europäischen und islamischen Mittelalter

Historischer Roman

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ISBN 978-3-86646-726-2

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Titelbild: Erster Kreuzzug 1096–1099. „PIERRE L’ERMITE PRECHE LA PREMIERE CROISADE (1095)“ (Synode von Clermont, 28. November 1095; Peter von Amiens ruft in Gegenwart des Papstes Urban II. zum Kreuzug auf). Farblithographie nach Henri Grobet. Aus: H. Grobet, Histoire de France, Paris (Emile Guérin) 1902. – akg-images

Der Gobelin

Der Frühmärz dieses Jahres 1204 war ungewöhnlich mild; seit Tagen hatte die Gräfin Ludmilla von Bogen das Gefühl, als würde die Sonne schon so kräftig wie im Mai scheinen. Selbst jetzt, am Spätnachmittag, war die Luft noch warm. Tief atmete Ludmilla, die am offenen Fenster ihres Gemachs stand, sie ein; schaute dabei versonnen auf das fruchtbare Donauland zu Füßen des Bogenberges hinaus. Schließlich, weil sie ein Geräusch in ihrem Rücken vernahm, drehte die Gräfin sich um. Die Zofe, die in die Kemenate gekommen war, verneigte sich und meldete: „Der Herzog ist auf dem Weg zu Euch, Herrin.“

„Ich dachte, er würde noch eine Weile in der Badestube bleiben, um sich von den Anstrengungen des langen Ritts zu erholen“, erwiderte Ludmilla. Sie zupfte ihr Miedertuch zurecht und fügte schmunzelnd hinzu: „Aber offenbar hat Ludwig von Wittelsbach es sehr eilig, mir seine Aufwartung zu machen.“

„Das ist kein Wunder“, beteuerte die Dienerin lächelnd. „Ihr geltet mit Fug und Recht als eine der begehrenswertesten Damen des Herzogtums, und gerade heute seht Ihr, mit Verlaub gesagt, wieder einmal wunderschön aus.“

„Findest du?“, murmelte die dreiunddreißigjährige Gräfin; dann, ohne eine Antwort abzuwarten, trat sie zu ihrem Frisiertisch und nahm einen venezianischen Spiegel zur Hand. Nachdenklich betrachtete sie sich: Lockig umrahmte das kastanienfarbene, im Nacken von einer Agraffe zusammengehaltene Haar ihr ovales Antlitz mit der hübsch geformten Nase und dem weichen Mund; die tiefblauen Augen harmonierten reizvoll mit dem hellblauen Kleid, das am Brustansatz und an den Ärmeln mit elfenbeinfarbenen Borten besetzt war.

Ja, ich bin noch immer anziehend, dachte Ludmilla. Die jahrelange Witwenschaft vermochte meine Schönheit nicht zu zerstören. Sie legte den Spiegel weg und wandte sich wieder der Zofe zu. „Erwarte den Herzog im Vorraum und führe ihn dann gleich zu mir.“ Ein schelmischer Ausdruck malte sich auf ihrem Gesicht. „Es ist bereits alles für seinen Empfang vorbereitet.“

Neuerlich verbeugte sich die Dienerin und verschwand. Die Gräfin durchquerte das Gemach und blieb vor einem prachtvollen Gobelin stehen, der im Hintergrund des Raumes unter einem Gewölbebogen neben dem breiten Himmelbett an der Wand hing. Der Bildteppich zeigte drei lebensgroße Ritter, die Kettenpanzer, Wappenröcke, Spitzschilde und Schwerter trugen. Ludmilla hatte den Gobelin im vergangenen Winter zusammen mit einigen Burgfrauen angefertigt; oft hatte sie dabei an Herzog Ludwig I. von Bayern gedacht − und auch jetzt wieder, da sie den Bildteppich mit seltsam entrücktem Gesichtsausdruck betrachtete, glaubte sie statt der drei Bewaffneten die Gestalt des jungen Landesherrn vor sich zu sehen.

Minutenlang verharrte die Gräfin reglos; erst als im Vorraum Stimmen erklangen, riss sie sich los. Gleich darauf geleitete die Zofe den Wittelsbacher in das Gemach.

Der neunundzwanzigjährige Herzog war von kräftigem Körperbau und hochgewachsen. Sein vollbärtiges Antlitz mit der markanten Nase und den graugrünen Augen drückte Willensstärke aus; das reiche dunkelbraune Haar, welches unter dem purpurroten Barett hervorquoll, fiel ihm ein gutes Stück über die Schultern. Rot leuchtete auch das knöchellange Gewand des Wittelsbachers; quer über die Brust jedoch lief ein silberner Zackenbalken, ebenso waren der Schwertgurt und die Scheide der Waffe mit Silberbeschlägen verziert.

Statt der Insignien seiner Herzogswürde trägt er die Farben und Wappenzeichen des Grafengeschlechts von Scheyern, dem seine Familie entstammt, dachte Ludmilla bewegt. Zweifellos will er mir dadurch zu verstehen geben, dass er nicht als Landesfürst, sondern einfach als Liebender zu mir kommt …

Plötzlich klopfte ihr Herz bis zum Hals; sie war versucht, zur Tür zu laufen, um sich in Ludwigs Arme zu werfen. Doch sie schaffte es, sich zu beherrschen. Mit gemessenen Bewegungen ging sie ihm lediglich ein paar Schritte entgegen, dann hörte sie ihn sagen: „Ich hatte solche Sehnsucht nach dir! Und nun, da ich dich endlich in deiner ganzen bezaubernden Schönheit wiedersehe, kann ich mein Glück kaum fassen!“

Durch eine Handbewegung bedeutete Ludmilla der Zofe, sich zu entfernen. Kaum war die Dienerin draußen, eilte der Herzog zur Gräfin und machte Anstalten, sie an seine Brust zu ziehen. Ludmilla indessen wehrte sich spielerisch, aber nachdrücklich gegen den stürmischen Überfall; nachdem Ludwig ernüchtert von ihr abgelassen hatte, äußerte sie im kühlsten Tonfall, der ihr möglich war: „Ich kann nicht glauben, dass du dich tatsächlich so über die Maßen nach mir gesehnt hast. Denn dein letzter Besuch liegt Monate zurück. Den ganzen Winter bliebst du dem Bogenberg fern, obwohl der Weg von deiner Burg Keltege her nur zwei Tagesritte in Anspruch genommen hätte.“

„Du zürnst mir zu Unrecht“, verteidigte sich der Wittelsbacher. „Es war mir nämlich leider nicht vergönnt, die kalte Jahreszeit auf meiner Kelheimer Festung zu verbringen. Vielmehr hielten mich die Bischöfe von Regensburg und Salzburg, die meinem Hause die junge Herzogsmacht neiden, auf Trab. Bis Ende Januar stand ich mit meinem Heer gegen beide im Feld; musste etliche ihrer Burgen auf dem Nordgau, beziehungsweise an Inn und Salzach belagern oder sogar stürmen. Danach folgten zähe Verhandlungen mit den rebellischen Kirchenfürsten, ehe es mir schließlich vergangene Woche gelang, sie zu einem für mich günstigen Friedensschluss zu zwingen.“

Ludmilla, die dank gewisser Vertrauensleute in Regensburg sehr wohl von den Kämpfen gehört und arge Ängste um Ludwig ausgestanden hatte, heuchelte Erstaunen. „Davon erfuhr ich so gut wie nichts. Lediglich ein Salzhändler aus Hallein, der im Dezember auf den Bogenberg kam, berichtete von einer Fehde zwischen dir und dem Salzburger Erzbischof. Ich dachte, es ginge bloß um den Besitz irgendeiner Festung; dass der Krieg dann dermaßen ausuferte, konnte ich wirklich nicht ahnen …“

Die Gräfin tastete nach der Hand des Wittelsbachers. „Vielmehr befürchtete ich, du hättest mich vergessen − vielleicht wegen einer anderen Frau. Wenn dich aber deine Pflichten als Herzog davon abhielten, mich zu besuchen, so muss ich mich wohl für mein Misstrauen entschuldigen …“

„Dann verzeihst du mir also, dass ich dich notgedrungen vernachlässigte?“ Ludwig forschte in ihren Augen. „Sag mir, dass du mir vergibst!“

Statt zu antworten, schmiegte sich Ludmilla an ihn und suchte seine Lippen. Hungrig küsste sie ihn, reizte ihn mit ihrer Zunge und genoss es, seine Erregung zu spüren. Doch ehe er allzu leidenschaftlich werden konnte, entzog sie sich ihm wieder; löste sich beinahe abrupt aus seiner Umarmung.

„Was soll das?“, stöhnte der Wittelsbacher. „Willst du mich zum Narren halten?!“

„Nein!“, entgegnete Ludmilla. „Ich liebe dich! Nur zu gerne würde ich mich dir hingeben, um die Lust zu genießen, die allein du mir zu schenken vermagst. Aber wenn ich schwach werde, muss ich einmal mehr eine Enttäuschung befürchten.“

„Wann hätte ich dich je enttäuscht?“, stieß Ludwig konsterniert hervor. „Ich dachte immer, die Nächte, die wir zusammen verbrachten, hätten dich sehr glücklich gemacht, und du …“

„Die Nächte ja“, fiel ihm Ludmilla ins Wort. „Doch stets kamen danach, wenn du wieder weg warst, die bitteren Tage der Einsamkeit. Die endlosen Wochen und Monate, in denen ich mich vor Sehnsucht nach dir verzehrte und mich schnöde von dir im Stich gelassen fühlte.“

„Soeben sprachen wir doch über meine vielfältigen Aufgaben als Landesherr“, verteidigte sich Ludwig. „Und gerade du als Grafenwitwe, die faktisch anstelle ihrer noch unmündigen Söhne über das Bogener Territorium herrscht, müsstest nachvollziehen können, was Adelspflichten bedeuten.“

„Ich werfe dir nicht vor, dass du dich bemühst, dein Herzogtum mit starker Hand zu regieren“, versetzte Ludmilla. „Aber dein Verhalten mir gegenüber kreide ich dir an. Seit wir im Frühling vor zwei Jahren erstmals das Bett miteinander teilten, treibst du ein schändliches Spiel mit mir. Wenn dich der Hafer sticht, erscheinst du auf meiner Burg und erwartest, dass ich dir zu Willen bin; hast du das Ersehnte von mir bekommen, verschwindest du wieder und lässt eine Ewigkeit nichts mehr von dir hören. − Anfangs, ich gebe es zu, wurde ich nur zu gerne schwach. Doch später, nachdem ich über dein seltsames Verhalten nachzudenken begonnen hatte, wurde mir bewusst, dass ich es dir viel zu leicht gemacht hatte. Ich empfand es zunehmend als Erniedrigung, bloß dann und wann deine Bettgefährtin zu sein; daher versuchte ich mehrmals, dich in die Schranken zu weisen. Du aber brachtest mich durch deine Liebesschwüre stets von neuem um den Verstand; dadurch und zudem durch das Eheversprechen, das du mir nicht nur einmal machtest − ohne dass du freilich vorhattest, es je einzuhalten!“

„Das stimmt nicht!“, widersprach Ludwig. „Ich meine es ehrlich mit dir! Sei versichert, der Tag wird kommen, da du meine Gemahlin und damit Herzogin von Bayern wirst.“

„Vermutlich am Sankt Nimmerleinstag?“, schnappte Ludmilla. Jäh wandte sie sich ab, ging zum Fenster und starrte hinaus.

Gleich darauf vernahm der Wittelsbacher ihr unterdrücktes Schluchzen und sah das Beben ihrer Schultern; er folgte der Gräfin, umschlang sie sanft von hinten und flüsterte: „Beruhige dich, mein Herz! Du täuschst dich, wenn du glaubst, ich würde nur mit dir spielen. Ich liebe dich. Du bist die einzige Frau, mit der ich mein Leben teilen möchte. Und ich sage es dir noch einmal: Wir werden heiraten …“

Ludwig spürte, wie Ludmillas verkrampfter Körper sich entspannte, wie sie sich zaghaft an ihn schmiegte; erleichtert fuhr er fort: „Und nun wollen wir den dummen Streit vergessen. Lass uns statt dessen unser Wiedersehen feiern …“ Er küsste Ludmillas Nackenansatz; sie duldete es, dass er mit der Rechten zärtlich ihre Brust umfasste − doch eben als der Wittelsbacher dachte, er hätte gewonnen, fragte die Gräfin mit gepresster Stimme: „Wann wirst du dein Heiratsversprechen einlösen?“

„Sobald meine Pflichten mir Zeit für eine Eheschließung lassen“, erwiderte Ludwig; bemühte sich dabei, Ludmillas Miedertuch zu lösen. Aber kaum war das letzte Wort gefallen, befreite die Gräfin sich aus der Umarmung des Herzogs und warf ihm vor: „Du versuchst mich schon wieder zum Narren zu halten! Willst mich einmal mehr nur vertrösten! Hast noch immer nicht begriffen, wie sehr du mich dadurch beleidigst!“

„Treib es bitte nicht zu weit“, warnte der Wittelsbacher.

„Ich lasse mir den Mund nicht verbieten!“ Zornig funkelte Ludmilla den Herzog an. „Und auch du wirst jetzt endlich reden, wirst mir klaren Wein einschenken! Also, heraus mit der Sprache! Wann gedenkst du mich zu heiraten? Noch heuer? Nächstes Jahr? In drei Jahren? Oder erst ihn zehn Jahren?“

„Dich scheint heute der Teufel zu reiten!“, schnaubte der Wittelsbacher. „Warum drängst du mich bloß so? Warum kannst du dich nicht einfach gedulden?“

„Mich gedulden?!“, brach es aus der Gräfin heraus. „Abwarten und immer weiter abwarten?! Nein danke! Dazu habe ich wahrhaftig keine Lust mehr!“

Sie atmete tief durch, fasste sich und setzte in gedämpfterem Tonfall hinzu: „Versteh mich doch bitte, Ludwig! Ich bin dreiunddreißig, habe das halbe Leben schon hinter mir. Ist es da nicht begreiflich, dass ich nicht noch weitere Jahre in Ungewissheit ausharren will? Dass ich mich inständig nach glücklicher Zweisamkeit und Geborgenheit sehne − noch dazu ich seit fast sieben Jahren die Einsamkeit des Witwendaseins ertragen muss. Nur so kurze Zeit war ich mit Graf Albert von Bogen verheiratet; ich war gerade erst sechsundzwanzig, drei Jahre jünger als du jetzt, als er viel zu früh verstarb. Seitdem verkümmere ich auf meiner Burg, und das quälende Gefühl, dass das Leben an mir vorübergeht, wird immer unerträglicher …“

Erneut schluchzte Ludmilla auf, trat nahe an den Herzog heran, klammerte sich wie hilfesuchend an seinem Wappenrock fest und fuhr mit erstickter Stimme fort: „Du ahnst nicht, wie sehr ich in den vielen Nächten litt, in denen du mir fern warst. In diesen grausamen Nächten, da ich wachlag und mir wieder und wieder die düstere Zukunft ausmalte, die einer Frau meinesgleichen droht. Eine Zukunft ohne Liebe, ohne Zärtlichkeit, ohne männlichen Halt. Und in all jenen schrecklichen Nächten konnte mich auch die Erinnerung an die rauschhaften Stunden unserer Leidenschaft nicht trösten, Ludwig. Denn wenn du auf dem Bogenberg weiltest, gabst du mir stets nur ein Quäntchen des wahren Liebesglücks zu kosten; zogst dich danach rasch wieder zurück − ganz so, als hättest du lediglich eine Metze gesucht, um deine Brunst in ihrem Schoß zu stillen …“

Ihre Faust hämmerte gegen seine Brust. „Dabei fließt in meinen Adern doch ebenso edles Blut wie in deinen! Mein verstorbener Vater Friedrich aus dem Geschlecht der Premysliden war Herzog in Böhmen, sein jüngerer Bruder Ottokar errang die Königswürde und sitzt in Prag auf dem Thron. Ich bin die Nichte eines regierenden Monarchen, und Graf Albert trug mich aus diesem Grund auf Händen! Dir aber bedeutet meine hohe Abstammung offenbar nichts − wie sonst könntest du mich seit nunmehr zwei Jahren so schnöde behandeln?!“

„Sofern ich diesen Eindruck bei dir erweckte, tut es mir von Herzen leid“, murmelte Ludwig. Er streichelte ihr kastanienfarbenes Haar. „Ich werde mich bessern, das schwöre ich. Und was unsere Heirat angeht, so will ich zusehen, ob sie sich noch heuer, vielleicht zum Jahresende, ermöglichen lässt. Doch jetzt sollten wir den unseligen Streit wirklich beenden.“ Er schaute ihr tief in die Augen. „Gib mir einen Versöhnungskuss.“

Kurz zögerte Ludmilla, dann hob sie ihm ihren Mund entgegen. Anfangs waren Ludwigs Küsse behutsam, reizten die Gräfin allein durch sanfte Zärtlichkeit; bald aber wurden sie leidenschaftlicher. Ludmilla ließ sich mitreißen; wenig später duldete sie es, dass der Herzog sie langsam in den Hintergrund des Gemachs drängte − dorthin, wo das breite Himmelbett stand und der Gobelin mit den Ritterbildnissen an der Wand unter dem Gewölbebogen hing.

Gleich darauf, als er zusammen mit der Gräfin auf das Ruhelager niedersank, glaubte Ludwig sich am Ziel seiner Wünsche − doch im selben Moment versteifte Ludmilla sich, drückte den Herzog weg und stieß hervor: „Halt ein! Bevor ich mich dir hingebe, musst du mir eine Bitte erfüllen!“

Schwer atmend starrte der Wittelsbacher sie an. „Was soll das nun wieder?! Wovon sprichst du?“

Ludmilla griff nach seiner Hand und verflocht ihre Finger mit seinen. „Ich brenne vor Sehnsucht nach dir! Möchte dir Lust schenken, wie du sie nie zuvor erlebt hast. Doch das ist mir nur möglich, wenn du tust, was ich von dir verlange.“

„Rede schon!“, forderte Ludwig mit heiserer Stimme.

„Ich will sicher sein können, dass du das Versprechen, das du mir vorhin gabst, auch einhältst und mich noch dieses Jahr zu deiner Gemahlin machst“, erklärte die Gräfin. „Das sollst du mir feierlich schwören − und zwar vor den drei Rittern, welche du hier neben uns auf dem Wandteppich erblickst.“

Der Wittelsbacher entspannte sich; es war ihm anzumerken, dass er in Ludmillas Ansinnen nichts weiter als eine etwas verrückte weibliche Laune sah. „Wenn es dir Freude bereitet, will ich den Eid gerne leisten“, erwiderte er, wobei ein kaum merkliches Lächeln seine Lippen kräuselte.

„Danke!“, kam es von der Gräfin; unmittelbar darauf zog sie ihn vom Ruhelager und führte ihn vor den Gobelin.

Ludwig rückte seinen Wappenrock zurecht, stellte sich in Positur und hob die Rechte. „Bei meiner Fürstenehre schwöre ich dir, Ludmilla von Bogen, dass ich dich noch heuer heiraten werde. Als Zeugen für meinen Eid rufe ich die Edelfreien an, welche auf diesem Bildteppich dargestellt sind.“ Schmunzelnd wandte er sich wieder der Gräfin zu. „Bist du jetzt zufrieden?“

„Außerordentlich!“, antwortete Ludmilla mit leuchtenden Augen. „Und auch die Ritter, welche deinen Schwur vernahmen, sind zweifellos höchst erfreut, wie du gleich sehen wirst …“

Damit zog die Gräfin an einer Kordel, die seitlich des Gobelins herabhing. Der Wandteppich glitt zu Boden; dahinter, in einer Mauernische unter dem Gewölbebogen, standen eng nebeneinander drei Männer. An ihrer Kleidung und Bewaffnung waren sie als Edelfreie kenntlich; die Farben ihrer Wappenröcke und die Embleme auf ihren Spitzschilden entsprachen denen der Ritter auf dem Gobelin.

Jetzt verneigten sich die Edelfreien, auf deren Gesichtern sich die Genugtuung über den gelungenen Streich malte, vor dem fassungslos dreinschauenden Herzog; im selben Moment wurde dem Wittelsbacher klar, wen er vor sich hatte. Es handelte sich um den graubärtigen Kastellan der gräflichen Festung sowie zwei jüngere Ritter, die von nahegelegenen Donauburgen stammten und zum Adelsgefolge der Gräfin gehörten.

Der Blick des Herzogs irrte verstört zwischen den Edelfreien und Ludmilla hin und her; eben als der Wittelsbacher die Zusammenhänge in ihrem vollen Ausmaß begriff, sagte die Gräfin: „Meine drei Ritter können vor Gott und der Welt bezeugen, was du mir bei deiner Fürstenehre geschworen hast, Ludwig. Und daher darf ich jetzt fest darauf bauen, dass wir noch in diesem Jahr Hochzeit feiern werden − nicht wahr, mein Herz?“

Der Wittelsbacher rang mit sich. Zunächst schien es ihm schwerzufallen, sich endgültig geschlagen zu geben; plötzlich jedoch lächelte er, nahm Ludmilla in die Arme und flüsterte: „Du musst mich wahrhaftig sehr lieben, nachdem du dir die Mühe gemacht hast, diese Kabale ins Werk zu setzen.“

„Ich liebe dich maßlos!“, raunte die Gräfin. „Und weil ich das tue, wirst du mir mein Ränkespiel auch verzeihen, oder?“

„Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig.“ Ludwig zwinkerte ihr zu, dann wandte er sich an die Edelfreien: „Ihr habt die Treuepflicht gegenüber Eurer Herrin bestens erfüllt, und ich lade Euch schon jetzt zur Feier unserer Eheschließung ein. Nun aber ersuche ich Euch, uns alleinzulassen, denn die Gräfin und ich haben hinsichtlich unserer bevorstehenden Hochzeit noch einiges unter vier Augen zu bereden.“

Die drei Ritter verneigten sich neuerlich, traten unter dem Gewölbebogen hervor und verließen das Gemach.

Kaum war das Portal hinter den Edelfreien ins Schloss gefallen, umschlang Ludmilla den Herzog voller Verlangen und küsste ihn leidenschaftlich. Gleich darauf war sie es, die ihn zum Bett drängte − und wenig später, nachdem sie einander entkleidet hatten, gab Ludmilla ihm ihrerseits ein Versprechen: „Heute sollst du mich so wild und schamlos erleben wie in keiner unserer früheren Liebesnächte …“

***

Drei Tage waren vergangen, seit Ludwig von Scheyern-Wittelsbach auf so ungewöhnliche Weise in die Liebesfalle der Bogener Gräfin getappt war.

An diesem Morgen, der abermals sonnig und mild war, hatte Ludmilla den Herzog zu einem Ausflug nach Windberg, dem Hauskloster ihrer Familie, überredet. Ludwig ritt den kräftigen Schimmelhengst, der ihn von Kelheim zum Bogenberg getragen hatte; die Gräfin saß im Sattel eines lichtbraunen Zelters. Im Abstand von einigen Pferdelängen folgte dem Paar die herzogliche Leibwache: eine Schar Reisiger, die von einem Ritter namens Sigfrid Aiterstein befehligt wurden.

Die Kavalkade durchquerte zunächst die flache Donaumarsch nördlich des Bogenberges. Der Weg schlängelte sich zwischen Altwassern, Fischteichen, Viehweiden, Ackerbreiten und Waldinseln; da und dort standen strohgedeckte Gehöfte oder Katen. Jenseits der Stromniederung zog sich der Pfad entlang sanft geschwungener Hügelflanken allmählich höher; als Ludwig einmal zurückschaute, zeigte sich ihm die nun bereits etliche Meilen entfernte Grafenburg in ihrer ganzen eindrucksvollen Pracht. Gleich einem Diadem schien die Festung den aus der Donauebene aufragenden Bogenberg zu krönen. Weiß leuchtete die gekalkte Ringmauer im Sonnenlicht; darüber stachen die steilen Giebel von Palas, Dürnitz und Kapelle sowie der Torturm und der gewaltige Bergfried gen Himmel.

Auf dem Wehrturm glaubte der Herzog die weißblaue gräfliche Rautenfahne zu erahnen; daneben die roten und silbernen Farben seines eigenen, zusätzlich mit dem Reichsadler geschmückten Fürstenbanners. Eben als ihm bewusst wurde, dass die herzoglichen und gräflichen Embleme schon bald heraldisch verbunden sein würden, richtete Ludmilla − als hätte sie seine Gedanken erraten − das Wort an ihn: „An unserem Hochzeitstag wirst du mit der Bogener Burg, den übrigen Festungen meines Hauses sowie den dazugehörigen reichen Ländereien, die sich von hier bis Böhmen erstrecken, einen starken Rückhalt gegen deine Feinde und Neider gewinnen.“

„Zweifellos ein beachtlicher Zuwachs meiner Fürstenmacht“, erwiderte Ludwig; seine Äußerung klang jedoch seltsam unbeteiligt. Sodann wechselte er das Thema und erkundigte sich: „Wie weit haben wir es noch bis Windberg?“

„Jenseits des Buchenhaines dort vorne öffnet sich der Blick auf die Abtei“, beschied ihn Ludmilla. Sie hatte sehr wohl bemerkt, dass der Herzog plötzlich aus irgendeinem Grund verstimmt war, ließ sich aber nichts anmerken. Die Gräfin tätschelte lediglich den Hals ihres Zelters und schwieg, bis sie und der Wittelsbacher das Waldstück passiert hatten. Erst dann wies sie hinüber zu dem Kloster, das jetzt in eineinhalb Meilen Entfernung auf einer Hügelkuppe zu sehen war, und sagte: „Da ich einen Boten voraussandte, konnten sich die Mönche auf unseren Empfang vorbereiten. Wir dürfen also damit rechnen, dass sie uns ein köstliches Mittagsmahl auftischen.“

Geistesabwesend nickte Ludwig; die restliche Wegstrecke bis zur Abtei wechselte er nur gelegentlich ein paar kurze Sätze mit Ludmilla. Schließlich erreichten die Rösser den Torbau der von einer hohen Wehrmauer umgebenen Klosteranlage. Die sechs Waffenknechte, welche je drei und drei zu beiden Seiten des Portals standen, senkten ehrerbietig ihre Spieße vor dem Herzog und der Gräfin; im Wirtschaftshof hinter der Torbastion erwarteten der Abt, etwa fünfzig Mönche sowie die weltlichen Dienstleute der Abtei ihre hochgestellten Besucher.

Nachdem Ludwig und Ludmilla ihre Pferde zum Stehen gebracht hatten, trat der Klostervorsteher vor, verbeugte sich vor dem Paar und richtete das Wort sodann an den Wittelsbacher: „Wie Ihr bestimmt wisst, Herr, war Windberg die Stammburg der Grafen von Bogen und bis Anno 1142 ihre wichtigste Burg. Im genannten Jahr jedoch siedelte die gräfliche Familie in ihre neue Festung auf dem Bogenberg über und wandelte die alte Burg hier zum Prämonstratenserstift um. Seither beten wir Mönche täglich für unsere erlauchte Stifterfamilie und bitten Gott, sie zu schützen und zu fördern, damit der ehrwürdige Stamm noch viele edle und mächtige Sprosse austreiben möge. Und in diesen Tagen hat Christus unsere Gebete erhört, denn wie ich mit außerordentlicher Freude vernahm, kommt Ihr, Herzog Ludwig, heute als Bräutigam unserer geliebten Gräfin Ludmilla zu uns. Daher begrüßen wir Euch mit ganz besonderer Herzlichkeit und versprechen, Eurem Hause künftig mit gleicher Treue zu dienen wie unserem Stiftergeschlecht.“

„Das hoffe ich“, entgegnete der Wittelsbacher knapp; auf ein unüberhörbares Räuspern der Gräfin hin fügte er verbindlicher hinzu: „Ich bin Euch dankbar, wenn Ihr von nun an auch mich und meine Familie in Eure Fürbitten einschließt; gewiss wird sich dies segensreich auf das gesamte Herzogtum auswirken.“ Unvermittelt schmunzelte er. „Ansonsten werde ich mir überlegen, ob ich nicht einige Eurer Mitbrüder als Kundschafter in meine Dienste nehmen soll. Denn in dieser Hinsicht scheinen die Windberger Mönche Erstaunliches zu leisten, nachdem Ihr bereits von der geplanten Hochzeit wisst.“

„Ich gab Abt Baldwin, der mein Beichtvater ist, Nachricht“, wandte sich Ludmilla an Ludwig. „Ich dachte, es wäre anlässlich unseres Besuches in Windberg auch in deinem Sinn.“

„Natürlich war es das“, versetzte der Herzog. „Ebenso wie so manches andere, das du in deiner bewährten Tatkraft für uns beide geregelt hast …“

„Dann ist es ja gut“, erwiderte die Gräfin lächelnd und richtete den Blick wieder auf den Abt. „Und jetzt, Baldwin, solltet Ihr uns zum Refektorium geleiten, denn mein Bräutigam und ich sind hungrig und durstig vom Ritt.“

„Ihr werdet aufs allerbeste bewirtet werden“, versprach der Klostervorsteher. Gleich darauf schritt er dem Paar durch eine zweite Torbastion in den Innenhof des Klosters voran; die herzogliche Leibwache folgte, die übrigen Mönche und die Dienstleute der Abtei schlossen sich an. Der Zug bewegte sich an der Basilika vorbei und erreichte den ehemaligen Palas der Windberger Burg. Vor dessen Portal saßen die Reiter ab, und Baldwin führte seine Gäste über eine Wendeltreppe und durch einen Gewölbegang in den einstigen Rittersaal, der den Prämonstratensern nunmehr als Refektorium diente.

Der Speisesaal war mit Girlanden aus Tannenzweigen sowie Tuchbahnen in den herzoglichen und gräflichen Farben geschmückt. Am Kopfende der langen Eichentafel standen drei lederbezogene Sessel für Ludwig, Ludmilla und den Klostervorsteher. Nachdem das hochadlige Paar und der Abt Platz genommen hatten, ließen sich die höhergestellten Kleriker und der Ritter Sigfrid Aiterstein auf den Stühlen in ihrer Nähe nieder; die einfachen Mönche, die herzoglichen Reisigen und die klösterlichen Dienstleute setzten sich ans untere Ende der Tafel.

Als die Gesellschaft zur Ruhe gekommen war, erschien auf einer Empore an der Seitenwand des Refektoriums eine Gruppe von Musikanten, welche auf Lauten, Flöten und Schalmeien zu spielen begannen. Fast gleichzeitig betraten Knechte und Mägde, die vom Küchenmeister des Klosters angeführt wurden, den Saal. Die Frauen trugen Weinkrüge, die Männer Platten mit Speisen; zuerst wurden der Herzog, die Gräfin und der Abt vom Koch persönlich bedient, danach füllten die Knechte und Mägde die Teller und Becher der anderen.

Es gab roten und weißen Wein, Weizenbrot, gesottenes und gebratenes Fleisch von Wild- und Haustieren, dazu eingelegtes Obst und kandierte Früchte. Bald herrschte an der langen Tafel ausgelassene Stimmung. Auch Ludwig schien das Mahl zu genießen; während er aß und trank, unterhielt er sich aufgeräumt mit Abt Baldwin und Ludmilla. Dann allerdings, nachdem er seinen Hunger und Durst gestillt hatte, schien der Herzog die Lust am Gespräch zu verlieren. Es war, als nähme er seine Umgebung kaum noch wahr; gedankenverloren starrte er ins Leere. Auf ein Scherzwort, das ihm Sigfrid Aiterstein zurief, reagierte er lediglich mit einem gequälten Lächeln. Erst als die Gräfin ihren Pokal hob und ihm zutrank, schüttelte er seine Lethargie ab, tat Ludmilla Bescheid und beteiligte sich wieder an der Unterhaltung. Während der folgenden beiden Stunden jedoch wirkte Ludwig noch mehrmals auf seltsame Weise in sich gekehrt; schließlich, nach einer weiteren derartigen Anwandlung, gab er dem Abt zu verstehen, dass er die Tafel aufheben lassen könne.

„Wollt Ihr etwa schon so zeitig zum Bogenberg zurückreiten, Herr?“, fragte Baldwin verwundert.

Ehe der Herzog zu antworten vermochte, entgegnete Ludmilla: „Nein, das wollen wir nicht.“ Sie griff nach der Hand ihres Bräutigams und fuhr fort: „Aber ich stimme dir zu, wenn du meinst, dass wir nun lange genug hier gesessen haben. Ein Spaziergang in frischer Luft wäre jetzt genau das richtige − und ich weiß auch wohin. Du musst unbedingt die malerische Klostermühle kennenlernen, Ludwig.“

Der Herzog schaute ein wenig erstaunt drein, doch dann erwiderte er: „Wenn es dein Wunsch ist, mir die Mühle zu zeigen, will ich ihn dir gerne erfüllen.“

„Dann lass uns aufbrechen.“ Ludmilla erhob sich, auch Ludwig stand auf. Sigfrid Aiterstein machte Anstalten, desgleichen zu tun − aber die Gräfin beschied ihn: „Ihr könnt mit Euren Männern dableiben. Auf dem kurzen Weg zur Klostermühle benötigen der Herzog und ich keine Leibwache.“

„Mir werdet Ihr jedoch wenigstens gestatten, Euch höflicherweise bis in den Hof zu führen“, mischte sich der Abt ein.

Nachdem Ludwig genickt hatte, geleitete Baldwin seine hochadligen Gäste aus dem Festsaal und weiter in den inneren Klosterhof, wo er stehenblieb und dem Paar nachblickte.

Der Herzog und die Gräfin verließen die Abtei; draußen schlug Ludmilla einen Pfad ein, der rechter Hand an der Wehrmauer entlang verlief. Bald bog der Weg auf einen Wiesenrain ab und senkte sich anschließend in einen kleinen Talgrund, der sich nach kurzer Zeit zu einer Kluft verengte. An den Hängen der Klamm wuchsen Haselsträucher sowie vereinzelte Eichen und Buchen; auf dem Boden der Kluft rauschte ein Wildbach, der nach einigen hundert Metern an einer Stelle, wo der Taleinschnitt sich wieder verbreiterte, in einen Teich mündete. Und jenseits dieses Gewässers, das dank seines smaragdgrünen Spiegels und der moosbedeckten Felsbuckel an den Ufern etwas Verwunschenes an sich hatte, stand die Klostermühle.

Das Fachwerkgebäude mit dem weit herabgezogenen Schindeldach und dem sich gemächlich drehenden Mühlrad wirkte ausgesprochen anheimelnd; zugleich schien es − ähnlich wie der Teich − ein Geheimnis zu bergen. Die Gräfin ließ ihrem Geliebten Zeit, das romantische Bild in sich aufzunehmen; erst als unter der Mühlentür ein Mann erschien, bewog sie Ludwig dazu, weiterzugehen. Beim Haus angelangt, wechselte Ludmilla einige freundliche Sätze mit dem Müller und dessen Frau, die inzwischen ebenfalls aufgetaucht war; am Ende des kurzen Gesprächs sagte die Gräfin zu den beiden: „Mein Begleiter und ich wollen zur Lindenkapelle hinaufsteigen. Seid so gut und sorgt dafür, dass wir dort nicht gestört werden.“

„Niemand von unserem Gesinde wird Euch belästigen, Herrin“, versprach der Müller; sein Weib nickte dazu.

Gleich darauf führte Ludmilla ihren Bräutigam auf einem Steg über den Mühlbach; auf der anderen Seite wand sich ein Pfad den Talhang empor. Nachdem sie die Leite bis zur halben Höhe erklommen hatten, gelangten die Gräfin und Ludwig auf ein schmales Plateau, das von einer uralten Linde überschattet wurde. Der Stamm des Baumes war so gewaltig, dass vier Männer ihn nicht hätten umfassen können. Etwas seitlich stand die kleine, aus Bruchsteinen errichtete Kapelle, von der Ludmilla vorhin gesprochen hatte. Das bescheidene Bauwerk beherbergte drei hölzerne Madonnenfiguren; ihre gefällig geschnitzten Umhänge waren weiß, rot und schwarz bemalt.

Sinnend betrachtete der Herzog die Statuen; dann murmelte er: „Eine ungewöhnliche Art, die Muttergottes darzustellen.“

„Der Legende nach behüten die drei Frauen das Tal mit dem Weiher schon seit Urzeiten“, erwiderte die Gräfin. „Bereits lange ehe das Christentum aufkam, sollen sie hiergewesen sein. Weiter heißt es in der Sage, die sich um die Lindenkapelle rankt, dass die Madonnen drei besondere Gaben bereithielten. Die Weiße schenke der Natur jeden Frühling junges Leben, die Rote schütze alles Dasein gleich einer liebevollen Mutter; die Schwarze schließlich sei fähig, den Tod zu überwinden, indem sie jegliches Absterben in neues Aufblühen umwandle.“

„Das klingt eher heidnisch als christlich“, versetzte Ludwig.

Ludmilla zuckte die Achseln. „Auf jeden Fall ist der Platz wunderschön, das musst du zugeben. Außerdem hat man von hier einen unvergleichlichen Blick auf den Wildbach, den Teich und das malerische Fachwerkhaus − und vor allem deshalb, damit du diese Aussicht genießen kannst, brachte ich dich her.“

Der Herzog trat an den Rand des Plateaus und schaute stumm ins Tal hinunter. Als er sich wieder umwandte, sah er, dass sich die Gräfin auf einem der mächtigen Wurzelstränge der Linde niedergelassen hatte. Ludwig setzte sich neben sie; einige Atemzüge lang schwiegen beide, dann erklärte Ludmilla leise: „Soeben habe ich dich ein wenig beschwindelt. Es war mir nicht allein darum zu tun, dir dieses zauberhafte Fleckchen Erde zu zeigen, als ich dir den Spaziergang vorschlug. Ich tat es ebenso, weil wir hier ungestört miteinander reden können.“

„Worüber denn?“, fragte der Wittelsbacher.

„Über das, was dich schon den ganzen Tag quält“, antwortete die Bogener Gräfin.

„Ich weiß nicht, was du meinst.“ Ludwig sagte es leichthin; Ludmilla spürte jedoch, wie er sich innerlich verspannte.

Sie rückte näher an ihn heran und küsste ihn sanft auf die Wange; erst dann erwiderte sie: „Bereits auf dem Ritt nach Windberg wirktest du zeitweise verstimmt. Später, im Kloster, war es ebenso. Und da ich dich liebe, fühle ich genau, was in dir vorgeht. Du bist zwischen schwankenden Stimmungen hin und her gerissen − und ich glaube, der Zwiespalt, in dem du dich befindest, hat mit unserer bevorstehenden Heirat zu tun.“

„Ich werde dich zum Altar führen!“, beteuerte der Herzog.

„Daran zweifle ich nicht“, entgegnete Ludmilla. „Aber ich will nicht, dass du unter dem Gedanken an unsere Hochzeit leidest − und aus diesem Grund solltest du mir offen darlegen, was dich quält. Bist du etwa verprellt, weil ich das Spiel mit den drei Rittern in Szene setzte?“

„Nein, das trage ich dir nicht nach“, antwortete Ludwig. „Letztlich blieb dir gar nichts anderes übrig, nachdem ich dich immer wieder hingehalten hatte.“

„Was belastet dich dann?“, insistierte die Gräfin.

Der Wittelsbacher hob einen dürren Zweig auf, betrachtete ihn mit zusammengepressten Lippen, zerbrach ihn langsam in kleine Stücke. Erst dann erwiderte er: „Ich weiß es selbst nicht genau. Doch in einem hast du recht. Ich bin seelisch hin und her gerissen …“ Er blickte Ludmilla fast flehend an. „Bitte versteh mich nicht falsch! Obwohl auch ich dich aufrichtig liebe, gibt es Momente, in denen mich die Vorstellung schreckt, schon bald verheiratet zu sein. Aber daran trägst gewiss nicht du die Schuld. Meine Ängste haben nichts mit dir zu tun; nicht du bist es, welche diese seltsame Beklemmung in mir auslöst …“

Er griff nach Ludmillas Hand, streichelte sie, ließ sie wieder los; dann brach es aus ihm heraus: „Vielmehr ist es, einmal mehr, der jähe Wandel in meinem Leben. Das Unbekannte und Unwägbare, das damit verbunden ist. Davor fürchte ich mich, und das ist kein Wunder. Denn seit meiner frühen Jugend wurde ich mit plötzlichen, oft brutalen Veränderungen konfrontiert. Und ich musste mich diesen Umschwüngen stellen; musste die Herausforderungen annehmen, mich durchkämpfen. Mehr als einmal wurde ich dabei über Menschenmaß hinaus gefordert. Bereits in meiner Kindheit begann es. Unvermittelt zerbrach meine eben noch so behütete Welt, zerbrach mit dem allzu frühen Tod meines Vaters …“ Der Herzog starrte vor sich hin, dann schloss er: „Und ich vermute, all das ist die Ursache, warum ich jetzt, wo eine neue, sehr tiefgreifende Veränderung in meinem Leben bevorsteht, diese quälende Unsicherheit verspüre.“

Nachdem Ludwig geendet hatte, herrschte eine Weile Schweigen; schließlich bat Ludmilla: „Sprich dich aus. Erzähle mir alles, was du durchmachen musstest. Mir darfst du dich anvertrauen, dafür bin ich da …“

Der Herzog rang mit sich, dann nickte er und begann: „Die erste Erinnerung, die ich habe, ist schön. Ich muss damals vier oder fünf Jahre alt gewesen sein. Auf der Burg Keltege, wo ich geboren worden war, fand irgendein Fest statt. Ein Frühlings- oder Sommerfest vermutlich. Ich saß zwischen meinen Eltern auf einer Empore im Festungshof. Bei uns war ein großer Mann mit flammend rotem Bart; ich wusste, es war Kaiser Barbarossa. Ihm zu Ehren hatte mein Vater Otto ein Turnier ausgerichtet. Nacheinander traten die Ritter im Tjost gegeneinander an. Ich war begeistert von den prächtigen Pferden, den blitzenden Rüstungen und der Waffenkunst der Kämpfer. Zuletzt lenkte der Turniersieger sein Ross zu uns heran und nahm aus der Hand meiner Mutter Agnes den Preis für seine Tapferkeit entgegen. Ich sah den Kämpen aus nächster Nähe und bekam auch mit, wie der Kaiser etwas zu ihm sagte. Daraufhin hob mich der Ritter zu sich in den Sattel und trabte mit mir um die Stechbahn. Er rief den Turniergästen zu, ich sei der künftige Landesherr, und sie sollten mich hochleben lassen. Die Menschen taten es, und ich genoss es über die Maßen …“

Ludwig hielt kurz inne, ehe er fortfuhr: „An diesem Tag dachte ich, mein späteres Leben würde ein einziges Fest sein. Doch schon wenige Jahre danach, Anno 1183, begriff ich, dass ich mich darin schrecklich getäuscht hatte. Es geschah fünf Monate vor meinem neunten Geburtstag. Es war Hochsommer, Ende Juli. Schon die ganze Woche herrschte drückende Hitze, alle in Keltege lechzten nach Abkühlung. Ich hielt mich bei meiner Mutter in ihrem Gemach hoch oben im Wohnturm der Burg auf. Vater war nicht bei uns; er war Anfang des Monats nach Konstanz gezogen, wohin der Kaiser einen Reichstag einberufen hatte. Plötzlich vernahmen wir Lärm im Festungshof. Als wir hinunterschauten, sahen wir, dass ein Reiter eingetroffen war; sein Ross war über und über mit Schaum bedeckt. Mutter und ich eilten in den Hof. Dort teilte uns der Bote, ein schwäbischer Edelfreier, das Furchtbare mit. Herzog Otto, mein Vater, war auf dem Heimweg von Konstanz verstorben. Ohne Vorwarnung, ganz schlagartig, hatte ihn der Tod in der Burg von Pfullendorf, nahe des Bodensees, ereilt …“

Wie verloren blickte Ludwig zur Kapelle, dann sprach er weiter: „Die Nachricht traf mich entsetzlich. Der unsägliche Schmerz meiner Mutter, die mit einem Weinkrampf zusammenbrach, kam hinzu. Aber das war noch nicht das Schlimmste. Am schlimmsten war die Beisetzung meines Vaters einige Tage später in Scheyern. Sein Gefolge hatte den Leichnam auf einem Pferdegespann in unser dortiges Hauskloster gebracht. Als Mutter und ich in die Kirche kamen, sahen wir neben der offenen Familiengruft den einfachen, mit Pech beschmierten Holzsarg, in dem die Leiche lag. Unmittelbar darauf begann die Trauerzeremonie. Während die Mönche beteten und ihre Choräle sangen, verursachte mir der grässliche Geruch, der aus der Totenkiste drang, Übelkeit. Endlich wurde der Sarg in die Gruft hinabgeschleppt; ich wollte das schaurige Gewölbe nicht betreten, doch ich musste meiner Mutter folgen. Unten standen Dutzende von Steinsarkophagen, einer war offen. Die Kleriker stellten die Totenkiste daneben ab und entfernten den Deckel; der Gestank wurde unerträglich. Dann, als die Mönche den Leichnam in den Sarkophag hoben, sah ich meinen Vater zum letzten Mal. Aber ich erkannte ihn nicht mehr; ich erblickte nur noch etwas unendlich Grauenhaftes. Denn auf dem langen Weg von Pfullendorf nach Scheyern hatte die Sommerhitze den Toten bereits bis zur Unkenntlichkeit verwesen lassen …“

Ludwig brach ab, setzte neu an: „Im Hochsommer 1183 passierte das; als ich meinen Vater verlor, zählte ich noch keine neun Jahre. Trotzdem war ich, des verstorbenen Herzogs einziger Sohn, nun plötzlich sein Erbe und Nachfolger. Kaum war die Gruft geschlossen, ließ meine totenbleiche Mutter mich in der Klosterkirche von unseren Gefolgsleuten und den Klerikern zum neuen Landesherrn ausrufen. Auf dem Heimritt nach Keltege verkündeten die Herolde, die uns begleiteten, den Menschen in jedem Marktflecken und jedem Dorf, dass ich, Herzog Ludwig I., die Regierung in Bayern angetreten hätte. Doch ich war nur ein Kindherzog, ein zutiefst verstörter unmündiger Bub. Deshalb setzte der Kaiser meine Mutter Agnes und unseren Verwandten, den Mainzer Erzbischof Konrad von Wittelsbach, als meine Vormünder ein. Und insbesondere der Bischof sorgte dafür, dass ich in den darauffolgenden Jahren, der Zeit meiner späten Kindheit und Jugend, in äußerst strenger Zucht gehalten wurde. Teils auf unserer Kelheimer Festung, teils im erzbischöflichen Palast zu Mainz traktierten mich die Lehrer, die Konrad mir zuwies: die Experten in Staatsrecht und Jurisprudenz sowie die Theologen; die Waffenmeister und Kriegsstrategen dazu. Fast ein Jahrzehnt ging das so; 1191 musste ich außerdem meiner Mutter ins Grab schauen, die ähnlich wie mein Vater ganz unverhofft und kaum vierzigjährig verstorben war. Der Druck, den der Bischof auf mich ausübte, wurde von da an noch unerträglicher. Erst an Weihnachten 1192, zwei Tage nach meinem achtzehnten Geburtstag, kam die Befreiung: die feierliche Zeremonie der Schwertleite.“

„Jetzt endlich warst du nach Recht und Gesetz dein eigener Herr und konntest das Herzogtum selbständig nach deinem Willen regieren“, warf Ludmilla ein.

„Und eine starke Hand war bitter nötig, denn in den letzten Jahren meiner Unmündigkeit hatte das Land schwer gelitten“, versetzte Ludwig. „Anno 1190 war Kaiser Barbarossa auf einem Kreuzzug umgekommen; bis sein Sohn und Nachfolger Heinrich VI. fest im Sattel saß, tobten im Reich schwere Kämpfe. Anarchie drohte; auch in Bayern brachen die Adligen eine Fehde nach der anderen vom Zaun, und sofort nach meiner Schwertleite musste ich einen monatelangen Feldzug gegen die aufsässigen Edelleute führen. Bis zum Frühling 1193 sprachen die Waffen; erst dann war die Ruhe so weit wiederhergestellt, dass ich auf meine Burg Keltege zurückkehren konnte …“

Weil unten im Bachtal Rosswiehern ertönte, spähte der Herzog die Leite hinab. Gleich darauf wurden am Ausgang der Kluft drei mit Kornsäcken beladene Tragpferde sichtbar, die offenbar vom Kloster kamen und zur Mühle unterwegs waren.

„Ich dachte schon, es wäre der Aitersteiner mit irgendeiner schlechten Nachricht“, murmelte Ludwig erleichtert, dann fuhr er in seinen Lebenserinnerungen fort: „Lange indessen durfte ich Anno 1193 den Frieden nicht genießen, denn noch im selben Jahr erging ein Ruf Heinrichs VI. zur Heerfolge an mich. Neuerlich stellte ich ein kriegsstarkes Aufgebot an Rittern und Reisigen zusammen und begleitete den jungen Kaiser nach Süditalien, wo die Barone des dortigen Normannenreiches gegen ihn rebellierten. Mehr noch: Der Normannenkönig Tankred hatte sich mit Richard Löwenherz von England verbündet, so dass wir zuerst in Apulien und anschließend auf Sizilien einen sehr schweren Stand hatten. Aber wir kämpften den Krieg durch; schlugen Feldschlachten, stürmten Städte und brachen Festungen. Bis 1194 ging dies so; zuletzt, weil der englische Herrscher in unsere Hand fiel, errangen wir den Sieg. Ich war Zeuge, wie Heinrich VI. im Dom zu Palermo zum König von Sizilien gekrönt wurde; ebenso erlebte ich mit, wie Richard Löwenherz meinem Kaiser den Treueid leistete, ehe Heinrich ihm gegen hohes Lösegeld die Freiheit zurückgab. Danach kehrte ich mit meinem Heerbann nach Bayern heim; beinahe die Hälfte der Männer jedoch, die mir in den Süden gefolgt waren, hatte ich auf den Schlachtfeldern oder durch die im Krieg unvermeidlichen Seuchen verloren.“

„Gottlob kamst du heil davon“, sagte Ludmilla leise. „Und während der nächsten Jahre standest du nicht im Feld, oder?“

„Ich focht zwar keine Schlachten aus, aber Ruhe war mir dennoch nicht vergönnt“, erwiderte Ludwig. „Jetzt nämlich machten die Andechser Grafen, die schon immer Feinde meines Hauses gewesen waren, mir das Leben schwer. Sie bestritten die wittelsbachischen Eigentumsrechte an einer Reihe von Burgen und Dörfern im Oberland; ließen ihre Rechtsverdreher gegen mich wühlen, wo immer sie konnten. Selbst beim Kaiser intrigierten sie, letztlich jedoch erreichten sie nichts. Denn Heinrich VI. benötigte mein Schwert auf einem weiteren Heereszug nach Sizilien, wo sich der Normannenadel erneut im Aufstand befand. Anfang 1197 marschierten wir los − und dieser zweite Krieg unter der glühenden süditalienischen Sonne entwickelte sich rasch zu einer entsetzlichen Blutorgie. Der Kaiser zwang uns, mit äußerster Brutalität gegen die Feinde vorzugehen. Unser Heer metzelte und vergewaltigte, brannte Städte und Dörfer nieder; jeder normannische Edelmann, der in Gefangenschaft geriet, wurde auf Befehl Heinrichs öffentlich zu Tode geschunden. Ich hasste den Kaiser dafür; gleichzeitig war ich auf seltsame Weise von seinem fast dämonischen Machtwillen fasziniert. Im September 1197 dann, wir befanden uns in Messina, griff Gott ein. Heinrich wurde von einem tückischen Fieber befallen, innerhalb weniger Tage verzehrte die Krankheit seinen Leib. Die letzten Stunden vor seinem Tod war ich bei ihm; ich musste mit ansehen, wie er grauenhafte Qualen durchlitt.“

Ludwig bekreuzigte sich und fuhr fort: „Ich hatte den Stauferkaiser Heinrich zu verabscheuen gelernt. Ungeachtet dessen hielt ich seinem jüngeren Bruder Philipp von Schwaben, der sich nunmehr um die Krone bewarb, die Treue. Nachdem ich mit meinem Heerbann wieder in Bayern war, unterstützte ich ihn nach Kräften, damit er im März 1198 zum deutschen König gewählt werden konnte. Philipp hatte allerdings nicht den Rückhalt aller Reichsfürsten gefunden; ein Teil von ihnen erhob den Welfen Otto von Braunschweig, den Sohn Herzog Heinrichs des Löwen und Neffen des englischen Herrschers Richard Löwenherz, zum Gegenkönig …“

„So begann der unselige Thronstreit, der das Reich spaltete und bis heute anhält“, unterbrach Ludmilla.

„Und ich wurde in die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gekrönten hineingerissen“, erklärte Ludwig in bitterem Tonfall. „Mehrmals forderte der Staufer die Heerfolge von mir, an Philipps Seite kämpfte ich unter anderem am Niederrhein und in Thüringen gegen den Welfen. Erst im Herbst des vergangenen Jahres, als die Kontrahenten einen halbherzigen und vermutlich alles andere als dauerhaften Frieden schlossen, konnte ich, wie du weißt, von der Saale in die Heimat zurückkehren. In jenem November ritt ich, nachdem ich in Keltege die dringendsten Pflichten erfüllt hatte, ohne Verzug zu dir. Und nur zu gerne hätte ich auch einen Teil des Winters auf dem Bogenberg verbracht − doch wie der Teufel es wollte, löckten einmal mehr die Bischöfe von Regensburg und Salzburg wider den Stachel, so dass ich neuerlich gezwungen war, zu den Waffen zu greifen.“

Damit beendete der Wittelsbacher den langen Rückblick auf sein bewegtes Dasein. Eine Weile saß das Paar schweigend auf dem Wurzelstrang der uralten Linde, dann sagte Ludmilla: „Jetzt, da du mir all dies erzählt hast, kann ich so manches an deinem Wesen besser begreifen. Es ist nur zu verständlich, dass du dich zuzeiten zerrissen fühlst und dich vor der Zukunft ängstigst. Das Schicksal verdunkelte dir die Kindheit; der Mainzer Erzbischof und, wohl notgedrungen, auch deine Mutter stahlen dir die Jugend. Später musstest du im Kaiser- und Königsdienst die vielen Kriege durchstehen und ihre Gräuel ertragen; die Anfeindungen deiner Rivalen und Neider kamen hinzu. Angesichts dessen ist es wahrlich kein Wunder, dass dir nun auch die kommenden Jahre manchmal finster und bedrohlich erscheinen − und du dich in gewissen Stunden sogar vor dem gemeinsamen Leben mit mir fürchtest.“

Wieder herrschte Stille, schließlich tastete Ludwig nach der Hand seiner Braut. „Ich wünschte mir so sehr, du wärst imstande, mir diese Angst zu nehmen.“

„Letztlich musst du sie selbst überwinden“, antwortete Ludmilla. „Aber ich werde dir mit meiner Liebe dabei helfen.“ Sie strich ihm eine seiner dunkelbraunen Locken aus der Stirn und fügte hinzu: „Und noch heute will ich damit beginnen. Sobald wir wieder auf dem Bogenberg sind, werde ich dir etwas zeigen …“

Der Herzog wollte Näheres erfahren, doch Ludmilla beschied ihn mit geheimnisvollem Lächeln: „Warte ab.“

Dann erhob sie sich, ging zur Kapelle mit den drei Frauenfiguren und verrichtete dort ein Gebet. Danach schlug sie Ludwig vor, den Rückweg zum Kloster anzutreten. Der Herzog war einverstanden; Hand in Hand verließen sie das von der Linde überschattete Plateau und stiegen zum Mühlengrund hinab.

Als das Paar in der Abtei eintraf, stand die Sonne bereits schräg am Nachmittagshimmel. Bei einem Abschiedstrunk im Refektorium dankten die Gräfin und Ludwig den Mönchen für ihre Gastfreundschaft; Baldwin versicherte, es sei ihm und seinen Brüdern eine Ehre gewesen, das edle Paar zu bewirten. Sodann geleiteten die Prämonstratenser ihre Gäste in den Hof; Klosterknechte führten die Reitpferde herbei. Wenig später trabten der Herzog und Ludmilla davon; dichtauf folgten ihnen der Ritter Sigfrid Aiterstein und die Bewaffneten, die unter seinem Befehl standen.