Inhalt

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Wider alle Vernunft
  4. Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Wider alle Vernunft

Obwohl alles gegen ihn spricht, hält Clara zu ihrem Liebsten

Von Andreas Kufsteiner

Bei einem Sturz mit seinem Motorrad hat sich Gendarm Ludwig Sirch so schwer verletzt, dass er wohl für längere Zeit ausfällt. Natürlich braucht er eine Vertretung, und so kommt die Polizistin Clara Serner ins Dorf. Eine Frau! Na, ob so ein zartes Persönchen wirklich für Recht und Ordnung sorgen kann? Die Mehrheit hat jedenfalls große Bedenken und ist überzeugt, dass es bald drunter und drüber geht. Schließlich gibt es sogar im friedlichen St. Christoph Menschen mit düsteren Plänen.

Wie zum Beispiel Beat Rodacher, der angeblich auf seinem Hof eine heimliche Drogenwerkstatt hat.

Natürlich muss Clara dem Verdacht nachgehen. Doch Beat schwört ihr bei seinem Leben, dass an den Anschuldigungen gegen ihn nichts dran ist.

Clara ist nur allzu gern bereit, dem attraktiven Mann zu glauben. Da wird eines Tages eine bewusstlose Frau in der Nähe des Rodacherhofs aufgefunden …

„Es ist nur noch ein Patient im Wartezimmer“, verkündete Bärbel Tannauer, Dr. Burgers langjährige Sprechstundenhilfe, gut gelaunt. „Die anderen haben sich allmählich verabschiedet, weil es ihnen zu lang gedauert hat. Die Leitner-Bäuerin hat angeblich noch nichts auf dem Herd stehen, und der Hintermoser wollt seine Erkältung doch lieber allein auskurieren. Man kennt ja die ganzen Ausreden.“

Dr. Burger schüttelte den Kopf. Aber in Wirklichkeit war er doch erleichtert, denn der langwierige Notfalleinsatz hatte alles von ihm gefordert.

Es war die vierte Niederkunft der jungen Koflerbäuerin gewesen, immer war alles gut verlaufen, doch dieses Mal hatte es unerwartete Komplikationen gegeben. Fast wäre ihm die junge Frau unter den Händen weggestorben, doch zuletzt hatte sich doch noch alles zum Guten gewandt, und sie konnte, erschöpft aber glücklich, ein gesundes Kind in den Armen halten.

„Ist alles gut gegangen?“, erkundigte Bärbel sich.

„Ja, aber es war nicht ganz leicht“, gab Martin Burger zur Antwort. „Der Kleine hat es halt ein bisserl zu eilig gehabt.“

„Dann ist es also endlich ein Buberl? Das wird aber eine Freud bei den Koflers sein nach drei Madeln“, meinte Bärbel.

Dr. Burger nickte zustimmend.

„Wer ist denn noch da?“, fragte er dann.

„Der Ludwig Sirch.“

Der Arzt zog erstaunt die Brauen hoch.

„Der Sirch-Ludwig? Der scheut doch den Arzt wie der Teufel das Weihwasser. Hoffentlich ist es nichts Ernstes.“

Ludwig Sirch war der Dorfgendarm, der mit unnachsichtiger Strenge jeden Verkehrssünder verfolgte. Oft lauerte er an Schleichpfaden, die von Autofahrern benutzt wurden, die eine Halbe zu viel getrunken hatten, um sie zu kontrollieren. Und falls sich jemand durch Flucht entziehen wollte, schwang er sich trotz seiner beträchtlichen Beleibtheit auf sein geliebtes Motorrad und setzte ihm nach.

Nachdem Dr. Burger seinen Platz hinter dem Schreibtisch im Sprechzimmer eingenommen hatte, ließ er Ludwig hereinrufen. Der Gendarm nahm umständlich auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz und verfiel dann in Schweigen.

Der Arzt musterte ihn. Es kam ihm vor, als hätte Ludwig noch mehr an Gewicht zugelegt, vor allem in der Leibesmitte. Sein Gesicht zeigte eine ungesunde Röte, und es war deutlich zu hören, dass er schwer atmete.

Alles keine guten Zeichen.

„Mir geht es halt gar net gut, Herr Doktor“, brach es unvermittelt aus Ludwig hervor, und sein Gesicht rötete sich noch mehr. „Ich hab dauernd so einen Druck in der Herzgegend, und neulich war mit richtig schwindlig.“

„Das werd ich mir halt einmal ansehen“, sagte Dr. Burger und erhob sich.

Er hörte Ludwig sorgfältig ab, und das Ergebnis gefiel ihm überhaupt nicht, auch wenn er sich nichts anmerken ließ.

„Was fehlt mir?“, fragte Ludwig Sirch angstvoll.

„Mit deinem Herzen bin ich nicht zufrieden, da müssen wir noch weitere Untersuchungen machen. Aber vor allen Dingen, Ludwig, musst du dringend abnehmen. Keine Schlachtplatten, keinen Braten mit Knödeln und Speckkraut …“

„Aber beim Ochsenwirt bin ich doch sozusagen zu Hause“, begehrte Ludwig auf und fuhr sich unwillkürlich über seine gewaltige Leibeswölbung.

„Das weiß ich. Aber das ist halt inzwischen zu viel des Guten. Salate sind in deinem Fall angebracht …“

„Dieses Grünzeug! Das ist doch was für die Viecher, aber net für einen strammen Mann“, fiel ihm Ludwig erregt ins Wort.

In Dr. Burger keimte langsam Ärger auf. Ludwig Sirch war einer jener rechthaberischen und uneinsichtigen Patienten, die jedem Arzt das Leben schwermachten.

„Es gibt ein altes Sprichwort, das geht so: ‚Man gräbt sich mit seinen Zähnen das eigene Grab‘“, entgegnete er bedeutungsschwer.

Doch mit diesem düsteren Spruch beeindruckte Martin Burger den störrischen Gendarmen keineswegs, bestärkte ihn, im Gegenteil, nur noch in seinem Widerspruchsgeist. Trotzig reckte er ihm sein Dreifachkinn entgegen.

„Ich lass mir net meine Lebensfreude verderben mit so einem Schmarrn“, sagte er grob und erhob sich.

So leicht kommst du mir nicht davon, Ludwig, dachte Dr. Burger mit einem Anflug von Schadenfreude, der eigentlich nicht seinem Wesen entsprach.

„Nicht so eilig. Jetzt geht es erst einmal zur Blutentnahme. Schwester Sophie nimmt sich deiner gern an.“

„Blutentnahme?“, echote Ludwig Sirch fassungslos, und seine Röte verwandelte sich jäh in eine fahle Blässe.

„Das gehört dazu.“

Ludwig warf dem Bergdoktor einen gehetzten Blick zu und verschwand grußlos aus dem Sprechzimmer.

Dr. Burger glaubte ihn nun in den kundigen Händen von Schwester Sophie geborgen und begann damit, noch einige Unterlagen zu bearbeiten, ehe er hinüber zu seiner Familie gehen wollte. Endlich konnte er wieder einmal gemeinsam mit seinen Lieben zu Abend essen und hoffentlich eine ruhige Stunde mit seiner Sabine auf der Terrasse verbringen!

Nachdem er einige Aufzeichnungen durchgelesen hatte, schweiften seine Gedanken ab, und er legte die Unterlagen beiseite. In den letzten Tagen war so viel angefallen, dass er seine Familie ziemlich vernachlässigt hatte. Dabei konnte er von Herzen dankbar sein, dass ihm noch einmal ein solches Glück zuteilgeworden war.

Schon früh hatte Martin Burger tiefes Leid erfahren. Als er elf Jahre alt gewesen war, war seine geliebte Mutter gestorben, und er war von Zenzi Bachhuber, dem guten Geist des Doktorhauses, mit großgezogen worden. Dann hatte er geglaubt, in der Ehe mit seiner ersten Frau Christl das Glück gefunden zu haben. Doch sie war bei der Geburt ihres Kindes gestorben und hatte das Kleine mit in den Tod genommen.

Da hatte es Martin Burger in der geliebten Heimat nicht mehr ausgehalten und war nach München gegangen, um dort seinen Facharzt in Chirurgie zu machen.

Lange war er St. Christoph ferngeblieben und erst ins Zillertal zurückgekehrt, als er die Praxis von seinem Vater Dr. Pankraz Burger übernommen hatte.

Damals war die Praxis um einen Anbau erweitert worden, in dem sich ein kleiner Operationssaal, ein Röntgenraum und das Labor befanden. Außerdem gab es jetzt noch zwei Krankenzimmer für Notfälle. Die Dörfler sprachen diesbezüglich auch gerne von ihrer „Mini-Klinik“.

Ihn nannten sie den Bergdoktor, denn mit seinem Freund Dominikus Salt, dem Leiter der Bergwacht, hatte er schon viele leichtsinnige Touristen gerettet.

Martin empfand die Bezeichnung „Bergdoktor“ als Ehrentitel. Er wurde ihm auch dadurch gerecht, dass er sich nicht nur um die körperlichen Leiden seiner Patienten kümmerte, sondern sich auch ihrer Sorgen annahm, sie beriet und tröstete.

Er war zufrieden gewesen mit seiner Arbeit in der Dorfpraxis und hatte nicht mehr auf ein persönliches Glück gehofft. Doch dann hatte er die junge Anästhesistin Sabine aus Wien getroffen, die ihre Tante Rika in St. Christoph besucht hatte.

Als er zum ersten Mal in ihre schönen braunen Augen gesehen hatte, in denen goldene Pünktchen funkelten, war es um ihn geschehen gewesen. Er hatte sich in die hübsche Ärztin verliebt, ihre schlanke Gestalt und das reizendes Gesicht unter einem Helm von blonden Haaren hatten ihn unwiderstehlich angezogen. Noch mehr aber bedeutete ihm ihr offenes, freundliches Wesen.

Sabine war es nicht anders ergangen. Sie hatte seine Gefühle aus ganzem Herzen erwidert. Dass er sechzehn Jahre älter war als sie – er war nun einundfünfzig –, hatte sie nie gestört. Sie versicherte ihm immer wieder, wie attraktiv sie ihn mit seiner sportlichen Gestalt, den markanten Gesichtszügen und dem vollen Haar mit den silbrigen Schläfen fand.

Ihm zuliebe hatte Sabine alles hinter sich gelassen, was vorher ihr Leben ausgemacht hatte: die Arbeit an einem großen Wiener Krankenhaus, den Freundeskreis, aber auch die Zerstreuungen und den Abwechslungsreichtum einer lebendigen Kulturstadt. Stattdessen war sie zu ihm nach St. Christoph gezogen und hatte eine Familie mit ihm gegründet. Und das hatte sie noch keinen einzigen Augenblick bereut.

Martin Burger hatte in Sabine nicht nur eine liebevolle Gefährtin gefunden, die den Kindern eine fürsorgliche Mutter war, sondern sie war auch eine seiner Säulen in seinem oft harten Alltag. Wenn Not am Mann war, half sie in der Praxis aus.

Ja, er konnte dankbar sein. Das Schicksal hatte ihn reich für erlittenes Leid entschädigt.

Als er von draußen ein Geräusch hörte, schrak er auf und legte die Papiere zusammen. Es war höchste Zeit, zu seiner Familie hinüberzugehen, damit sie nicht mit dem Essen auf ihn warten mussten.

Auch seine Sprechstundenhilfe war schon im Aufbruch begriffen, und Schwester Sophie näherte sich ihnen.

„Hat sich der Sirch bei der Blutentnahme auch nicht so sehr angestellt?“, erkundigte der Bergdoktor sich bei Schwester Sophie.

„Blutentnahme?“, fragte Schwester Sophie verständnislos und sah Bärbel an.

„Er ist also nicht zu dir ins Labor gekommen?“, vergewisserte sich Dr. Burger und machte sich im gleichen Augenblick Vorwürfe, weil er den widerborstigen Ludwig nicht wachsamer im Auge behalten hatte.

„Nein, bei mir hat er sich net blicken lassen. Ich hab ja auch net Bescheid gewusst, sonst hätt ich auf ihn aufgepasst“, rechtfertigte sich Schwester Sophie.

„Das ist nicht deine Schuld“, beruhigte Dr. Burger sie sofort.

„Ich kann nur sagen, dass er an mir vorbeigerannt ist, als ob der Leibhaftige hinter ihm her gewesen wär“, erklärte Bärbel.

Unwillkürlich brachen alle in Gelächter aus, dann aber wurde der Bergdoktor unvermittelt wieder ernst.

„Das ist eigentlich gar nicht zum Lachen. Dem Ludwig Sirch geht es nämlich nicht gut. Irgendwie muss ich ihn dazu bringen, dass er wieder in die Praxis kommt.“

Er hörte, dass Schwester Sophie etwas vor sich hinmurmelte, was wie „verstockter Bock“ klang, ehe sie sich wieder in die rückwärtigen Räume zurückzog. Bärbel verabschiedete sich, und der Bergdoktor ließ ebenfalls die Praxis hinter sich.

***

Fröhliches Geschrei empfing Dr. Burger, als er das Wohnzimmer betrat. Die achtjährige Tessa und ihr fünfjähriger Bruder Phillip, der von allen Filli genannt werden wollte, saßen auf dem Boden und ließen kleine Rennwagen auf einer Bahn entlangrasen. Ihr Großvater feuerte sie laut an, und Poldi, der Rauhaardackel, bellte dazu. Dazwischen schrillte Zenzis Stimme, die sie aufforderte, ruhiger zu sein.

Pankraz Burger sah von seinem Hocker hoch.

„Die Sabine bringt gerade das Laura-Mauserl ins Bett. Das wird noch ein Momenterl dauern, bis sie wieder herunterkommt.“

Die zweijährige Laura war das jüngste der Doktorkinder und hatte den Eltern durch eine furchtbare Krankheit großen Kummer bereitet. Doch nun ging es ihr dank einer Stammzellenspende wieder gut, kein dunkler Schatten hing mehr über dem Doktorhaus, der das Glück der Familie bedrohte.

Tessas Stimme erhob sich nun zu einem hohen Diskant, sie und ihr Bruder stritten sich einmal wieder, obwohl die beiden sich sehr zugetan waren. Doch Filli, der bald in die Schule kommen würde, nahm alles sehr genau und wehrte sich gegen die ältere Schwester.

„Schneckerl, was gibt es denn wieder?“, erkundigte sich ihr Vater milde.

„Sie hat versucht …“, begann Filli und schilderte dann aufgebracht, wie es Tessa mit einer List beinahe gelungen war, den Wagen ihres Bruders aus dem Rennen zu werfen.

Das gab sie sofort zu und lächelte dabei so schelmisch, dass man ihr nicht böse sein konnte. Selbst den schmollenden Filli versöhnte sie rasch wieder. Tessa war ein lebhaftes Kind, reizend anzusehen mit den Brombeeraugen und den fast schwarzen Locken, denen sie den Kosenamen „Schneckerl“ verdankte.

Zur Familie gehörte auch Zenzi Bachhuber, die eben aus der Küche trat und die Kinder anwies, ihr Spielzeug zusammenzuräumen und sich die Hände zu waschen, bevor sie sich an den gedeckten Abendbrottisch setzten. Die Kinder gehorchten sofort, denn Zenzis Wort galt etwas im Doktorhaus.

Sie war eine hagere Frau Anfang sechzig, und sie lebte in einer Kammer oben unter dem Dach des Doktorhauses. Zenzi trug einen strengen Knoten am Hinterkopf, und streng waren auch ihre Ansichten, besonders was die Kindererziehung betraf. Glücklicherweise setzte sie diese nie in die Tat um, denn sie betrachtete die Burgers als „ihre Familie“ und liebte die Kinder von ganzem Herzen.

Nun kam auch Sabine mit leichtem Schritt die Treppe hinunter, und wie immer hob sich Martins Herz, wenn er seine Frau erblickte. Wie entzückend sie aussah in dem Sommerdirndl mit dem schwingenden Rock! Ihre blonden Haare, die Filli von ihr geerbt hatte, waren leicht zerzaust, aber das erhöhte ihren Reiz nur noch.

„Es ist alles gut verlaufen, die Koflers haben einen Sohn und Erben“, berichtete Martin Burger, als ihn der forschende Blick seiner Frau traf.

„Nun, da werden ja endlich alle zufrieden sein“, erwiderte Sabine mit leichtem Spott und gab ihm einen zärtlichen Kuss.

Sie wusste, dass er sich nicht weiter dazu äußern wollte, denn er vermied es, Berufliches, das ja oft auch seine düsteren Seiten hatte, im Beisein der Kinder zu besprechen. Sie sollten heiter und unbeschwert aufwachsen.

Zenzi brachte eine große Terrine mit einem ihrer unvergleichlichen Eintöpfe herein, dessen appetitlicher Duft sofort das Esszimmer erfüllte. Pankraz Burger seufzte glücklich auf, Zenzis Kochkünste waren für ihn eine ständige Quelle des Entzückens.

Auch der Rauhaardackel Poldi wusste diese Genüsse zu schätzen, denn er nahm deutlich wahr, dass sich in dem Linseneintopf auch Würstl befanden. Und so nahm er seinen Lieblingsplatz neben Pankraz unter dem Tisch ein, dort konnte er darauf hoffen, einen Leckerbissen hinabgereicht zu bekommen.

Das allerdings missbilligte Dr. Sabine Burger sehr, und sie ließ keine Gelegenheit verstreichen, um ihrem Schwiegervater nicht klar zu machen, dass seine Essgewohnheiten – als auch die des Dackels – mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zum baldigen gesundheitlichen Niedergang führen würden. Pankraz Burgers Wölbung, dort wo eigentlich eine Taille sein sollte, hatte in der letzten Zeit eher noch zugenommen.

Dennoch war Pankraz seiner Schwiegertochter sehr zugetan, denn er wusste, dass sie in Sorge um ihn war. Außerdem hatte sie aus seinem Sohn wieder einen glücklichen Mann gemacht und ihm die geliebten Enkel geschenkt. Endlich war wieder Leben im Doktorhaus, und das verdankte er allein ihr.

Die Unterhaltung bei Tisch war sehr angeregt. Pankraz hatte überraschend eine Anekdote in einem Archiv gefunden, die er nun zum Besten gab, was viel Gelächter hervorrief. Der Großvater, der in dem Kabinettl, das sich an das Wohnzimmer anschloss, lebte, schrieb schon seit Jahren an einer Chronik des Zillertals und war in Kirchenbüchern und Archiven immer auf der Suche nach Legenden und lang zurückliegenden Ereignissen.

„Das war wenigstens etwas zum Lachen, net so wie die anderen Schauermärchen immer“, meinte Zenzi wohlwollend.

Einige der Legenden, die Pankraz den Enkeln oft als Gutenachtgeschichten vorgelesen hatte, waren nämlich so gruselig gewesen, dass die Kinder daraufhin nicht hatten schlafen können und unter Albträumen gelitten hatten. Das hatte man wahrlich nicht gutheißen können, und Pankraz hatte Besserung gelobt.

Als die Kinder zu Bett gebracht wurden, erbot sich Pankraz, ihnen auch heute eine neue Geschichte vorzulesen, damit Martin und Sabine noch eine Weile ungestört auf der Terrasse sitzen konnten.

Martin schilderte seiner Frau die schwierige Geburt, und Sabine spürte, wie viel Kraft es ihn gekostet hatte, die junge Koflerbäuerin dem Tod abzuringen. Vielleicht, weil er dabei an seine erste Frau Christl und sein Kindl hatte denken müssen, die schon so lange auf dem Friedhof von St. Christoph lagen.

Und da Martin plötzlich sehr müde wirkte, schlug Sabine vor, nach oben in ihr blaues Schlafzimmer zu gehen. Zuerst aber sahen sie nach den Kindern, die von der ziemlich langatmigen Geschichte, die ihr Großvater ihnen vorgelesen hatte, bereits in tiefen Schlaf versetzt worden waren.

Auch die kleine Laura schlief selig mit roten Bäckchen, und Sabine legte behutsam die Decke, die heruntergeglitten war, wieder um den kleinen Köüü