BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK:
DIE DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK VERZEICHNET DIESE PUBLIKATION IN DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOGRAFIE; DETAILLIERTE BIBLIOGRAFISCHE DATEN SIND IM INTERNET ÜBER WWW.DNB.DE ABRUFBAR.

© 2019 HENNING MÜLLER
HERSTELLUNG UND VERLAG:
BOD — BOOKS ON DEMAND GmbH, NORDERSTEDT

ISBN: 9783748106012

FÜR MELLI, ANNIKA UND MARIE.

Inhaltsverzeichnis
  1. Einleitung
  2. Grundlagen der Künstlersozialversicherung
    1. Allgemeines zum versicherten Personenkreis
      1. Künstler- und Publizistenbegriff
      2. Selbständigkeit
      3. Erwerbsmäßigkeit
      4. Ausnahmen von der Versicherungspflicht
  3. Abgabepflichtige
    1. Systematischer Überblick
    2. Der Unternehmensbegriff des KSVG
    3. „Typische Verwerter“, § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG
      1. Verlage, § 24 Abs. 1 Nr. 1 KSVG
      2. Theater, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG
      3. Orchester, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG
      4. Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen, sowie sonstige Unternehmen, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG
      5. Rundfunk, Fernsehen, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KSVG
      6. Hersteller von bespielten Bild- und Tonträgern, § Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KSVG
      7. Galerien und Kunsthandel, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KSVG
      8. Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KSVG
      9. Varieté- und Zirkusunternehmen, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 KSVG
      10. Museen, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 KSVG
      11. Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. KSVG
    4. Werbung für das eigene Unternehmen, § 24 Abs. 1 Satz KSVG
      1. Die Rechtsprechung zu Werbefotografie
      2. Werbung in neuen Medien
    5. Sonstige Unternehmen, § 24 Abs. 2 KSVG
      1. Einnahmenerzielung
      2. Nicht nur gelegentlich
    6. Dritte Abgabepflichtige, § 25 Abs. 1 Satz 2 KSVG
  4. Bemessungsgrundlage: Abgabepflichtige Entgelte
    1. Einzelfälle
      1. Preisgelder
      2. Nebenkosten und Auslagenerstattung
      3. Umsatzsteuer und Beiträge zu Verwertungsgesellschaften
      4. Übungsleiterfreibetrag
      5. Zahlungen an Künstler im Ausland
      6. Konsequenzen für abgabepflichtige Unternehmen
  5. Überblick über das Verwaltungsverfahren
    1. Erfassung der abgabepflichtigen Verwerter
      1. Inhalt der Ersterfassung
      2. Mitwirkungspflichten
      3. Rechtsfolgen
    2. Meldepflichten
      1. Inhalt der jährlichen Meldepflicht
      2. Schätzung bei versäumter Meldung
    3. Der Abgabebescheid
    4. Monatliche Vorauszahlungen
      1. Höhe der Vorauszahlungen
      2. Fälligkeit der Vorauszahlungen
      3. Herabsetzung der Vorauszahlungen
    5. Bildung einer Ausgleichsvereinigung
      1. Rechtsfolgen der Bildung einer Ausgleichsvereinigung
      2. Verfahren der Gründung
    6. Aufzeichnungspflichten, § 28 KSVG
      1. Nachprüfbarkeit der Entgeltmeldung, § 28 Satz KSVG
      2. Nachprüfbarkeit des Zusammenhangs, § 28 Satz 2 1. Hs. KSVG
      3. Listenmäßige Zusammenführung, § 28 Satz 2 2. Hs. KSVG
      4. Form der Aufzeichnungen
      5. Verstoß gegen Aufzeichnungspflichten
      6. Auskunfts- und Vorlagepflichten, § 29 KSVG
  6. Betriebsprüfungsverfahren
    1. Gegenstand der Prüfung
    2. Ablauf der Prüfung
      1. Außenprüfung
      2. Prüfungsablauf
      3. Prüfbericht
      4. Mängelbeseitigung
    3. Mitwirkungspflichten
      1. Vorlagepflichten, § 7 KSVG-BeitrÜV
      2. Auskunftspflichten, § 8 KSVG-BeitrÜV
      3. Zahlungspflichten
      4. Verhältnis zum Statusfeststellungsverfahren
  7. Konsequenzen für die anwaltliche Beratungspraxis

A. Einleitung

Am 1. Januar 2015 ist das Gesetz zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes (Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz, im Folgenden: KSAStabG) in Kraft getreten. Hintergrund ist unter anderem das teilweise nachlässige Melde- und Abgabeverhalten der Unternehmen. Der Gesetzgeber meint dies jedenfalls als wesentlichen Grund für die nicht zufriedenstellende Einnahmesituation der Künstlersozialkasse identifiziert zu haben. Je größer die Zahl der Versicherten und damit des benötigten Beitragsvolumens und je kleiner die Zahl der zur Künstlersozialabgabe herangezogenen Unternehmen und die Summe der von ihnen gezahlten Entgelte, umso mehr muss der Abgabesatz steigen. Er betrug im Jahr 2003 3,8 % und beträgt 2014 5,2 %. Um mehr abgabepflichtige Unternehmen zu erfassen, wurde die Zuständigkeit zur Prüfung der Abgabepflicht schon 2007 weitgehend von der Künstlersozialkasse auf die Rentenversicherungsträger übertragen; die Regelung wurde in die Vorschrift über die sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung der Arbeitgeber eingegliedert zur, ohne dass jedoch nach deren Wortlaut ein bestimmter Prüfturnus oder die Intensität der Prüfung vorgeschrieben gewesen wären.1 Die Rentenversicherungsträger haben daraufhin in einer auf vier Jahre angelegten „Anschreibeaktion“ jährlich rund 70.000 noch nicht hinsichtlich der KSA erfasste Arbeitgeber angeschrieben und teils schriftlich, teils vor Ort geprüft. Ab dem Jahr 2011 wurden die Prüfungen reduziert. Sie wurden erst ab 2013 wieder auf 70.000 im Jahr erhöht und richteten sich jetzt erstmals auch auf den bei der Künstlersozialkasse schon als abgabepflichtig geführten Bestand von Unternehmen.2

Die Neuregelung ab 2015 normiert insbesondere den künftigen Umfang der Prüfungen bei Unternehmen im Hinblick auf die Erfüllung der Melde- und Abgabepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (im Folgenden: KSVG) und wird eine signifikante Ausweitung der Prüfungen zur Folge haben, vgl. § 28 Abs. 1a Satz 2 KSVG. Insbesondere erfolgen nun vermehrt Prüfungen durch die Künstlersozialkasse selbst, nicht mehr (nur) durch den Rentenversicherungsträger.3 Ziel ist es, bei gleich bleibendem Künstlersozialabgabesatz die Einnahmen der Künstlersozialkasse durch vermehrte Prüfungen zu erhöhen. Soweit keine Prüfung durchgeführt wird, erfolgt eine amtliche (und vor allem bußgeldbewehrte) Belehrung des Unternehmens. Darauf sollten gerade Unternehmen, die dem Thema Künstlersozialabgabe bisher (bewusst oder unbewusst) wenig bis keine Aufmerksamkeit gewidmet haben, gut vorbereitet sein.4

Die jüngst ergangene Rechtsprechung zeigt, dass sich die Abgabepflicht vor allem aufgrund der Berücksichtigung weiterer Berufsfelder in den neuen Medien, die zudem typischerweise von selbständigen Künstlern und Publizisten (oder eben „Technikern“) ausgeübt werden, beständig ausweitet. Dies betrifft insbesondere den Bereich des Web- oder Computerdesigns, der gerade im werbenden Umfeld für viele Unternehmen fast unumgänglich ist.

Wichtig ist es daher, dass Unternehmen folgende Fragen klären:5

Diese Fragen sollen im Fokus dieses Werks stehen und den anwaltlichen Berater oder eine Rechtsabteilung bei dessen Tätigkeit gegenüber dem Unternehmen unterstützen!

Diese Auflage berücksichtigt die bis Januar 2019 veröffentlichte Rechtsprechung und verfolgt den Zweck Argumentationshilfen und Richtschnuren zu bieten – so gut es bei der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe im KSVG geht.


1 Vgl. hierzu Segebrecht, in: juris-PR 16/2007 Anm. 4.

2 Mittelmann, DStR 2014, 2301

3 Gallini/Paschke, BB 2015, 55, 58.

4 Gallini/Paschke, BB 2015, 55.

5 Jürgensen, Praxishandbuch Künstlersozialabgabe, 3. Aufl. 2015, S. V.

B. Grundlagen der
Künstlersozialversicherung

Selbständige sind im Wesentlichen aus dem System der Sozialversicherung ausgenommen. Sie werden als regelmäßig wirtschaftlich nicht schutzbedürftig typisiert; der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass es Selbständigen regelmäßig möglich ist, sich gegen die von der Sozialversicherung abgedeckten Risiken privat abzusichern. Ein Versicherungspflichttatbestand in der Gesetzlichen Krankenversicherung ist gem. § 5 Abs. 5 SGB V bei (hauptberuflich) Selbständigen nicht gegeben. Sie müssen6 sich privat krankenversichern, § 193 Abs. 3 VVG, oder als freiwillige Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung beitreten, § 9 SGB V. Auch die Absicherung im Alter und gegen Erwerbsminderung wird der Gruppe der Selbständigen grundsätzlich privat aufgebürdet. Sie wird grundsätzlich nicht erzwungen und im Umlageverfahren finanziert, vgl. § 2 SGB VI.

Völlig fremd ist der Sozialversicherung die Mitgliedschaft Selbständiger indes nicht. Sieht der Gesetzgeber aufgrund von Indizien eine besondere wirtschaftliche Schutzwürdigkeit, so unterwirft er auch (hauptberuflich) Selbständige der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 2 SGB VI. Die Beitragslast verbleibt aber bei den versicherten Personen alleine. Hierdurch entlastet der Gesetzgeber den Träger der Sozialhilfe von der Tragung des Letztrisikos im Falle des Fehlens einer eigenen Absicherung bei Erwerbsunfähigkeit oder Alter. Immer häufiger entwickelt sich die Selbständigkeit während des Erwerbslebens zu einem wesentlichen Risikofaktor für Altersarmut.


6 Seit dem 1. Januar 2009 besteht gem. § 193 Abs. 3 VVG eine allgemeine Krankenversicherungspflicht für Personen mit Wohnsitz in Deutschland.

I. Allgemeines zum versicherten
Personenkreis

§ 1 KSVG unterwirft selbständige Künstler und Publizisten der

Versicherungspflicht nach dem KSVG, sofern sie

Eine bloß vorübergehende künstlerische oder publizistische Tätigkeit liegt vor, wenn nicht bereits im Vorhinein die Absicht besteht, sie dauerhaft auszuüben. Jenseits des allgemeinen Sprachgebrauchs und angelehnt an § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ist der Tatbestand der „Dauerhaftigkeit“ erfüllt, wenn die Tätigkeit mindestens zwei Monate andauert.7

Ausnahmsweise als nicht schutzwürdig werden Künstler und Publizisten qualifiziert, die eine starke Arbeitgeberstellung innehaben.8

Eine solche starke Stellung wird bei Beschäftigung mehr als eines Arbeitnehmers angenommen, sofern es sich bei diesen nicht um Berufsauszubildende oder geringfügig Beschäftigte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV handelt.

Liegen alle Voraussetzungen vor, besteht grundsätzlich Versicherungspflicht für alle Zweige der Sozialversicherung. Tatbestände der Versicherungsfreiheit regeln die §§ 3 – 5 KSVG. § 3 KSVG stellt Künstler und Publizisten von allen Zweigen der Sozialversicherung frei, die aus dieser Tätigkeit ein geringfügiges Arbeitseinkommen erzielen. Dabei entspricht die Geringfügigkeitsgrenze nach dem KSVG allerdings nicht der Minijob-Grenze des § 8 SGB IV. Der Versicherungsschutz entfällt nicht bei jedem Unterschreiten der Geringfügigkeitsgrenze, sondern nur dann, wenn sie mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren nicht erreicht wird. Hierfür ist eine rückwirkende Betrachtung anzustellen, wobei ein Berufsanfängerzeitraum außer Betracht bleibt, Abs. 2.9 § 4 KSVG enthält daneben Regelungen zur Versicherungsfreiheit in der Gesetzlichen Rentenversicherung. Es handelt sich insoweit jeweils um Konstellationen in denen der Gesetzgeber die Schutzbedürftigkeit hinsichtlich einer Absicherung durch die Gesetzliche Rentenversicherung nicht sieht. Ebenfalls mangels Schutzbedürftigkeit stellt § 5 KSVG mehrere Tatbestände auf, in denen eine Versicherungsfreiheit in der Gesetzlichen Krankenversicherung angenommen wird. Die Regelung dient auch der Missbrauchsabwehr gegen Personen, die das Nichtbestehen der (wirtschaftlich günstigen) Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung dadurch zu umgehen versuchen, dass Sie sich künstlerisch oder publizistisch betätigen, bspw. § 5 Abs. 1 Nr. 2 KSVG. Ergänzt wird § 5 KSVG durch die Befreiungsmöglichkeiten der §§ 6 ff. KSVG auf Antrag. Ist eine Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegeben, gilt dies gem. § 5 Abs. 2 KSVG auch für die Soziale Pflegeversicherung. Trotz Befreiung bzw. Freiheit von der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung verbleibt es aber bei der allgemeinen Versicherungspflicht hinsichtlich dieser Risikobereiche, die dann – im Vergleich teurer - durch eine freiwillige Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung oder durch Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags zu erfüllen ist, vgl. §§ 193 Abs. 3 VVG, 9 SGB V. Letzteres kann – insbesondere, wenn der Betroffene hiermit nicht rechnet – schnell existenzbedrohend werden!


7 Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2004, § 1 Rn. 22.

8 Berndt, in: DStR 2008, 203, 204.

9 Vgl. ausführlich Berndt, in: DStR 2008, 203, 204 f..

1. Künstler- und Publizistenbegriff

a. Allgemeines zur Definition des Künstlers

Gem. § 2 Satz 1 KSVG ist Künstler, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Der Begriff der künstlerischen Tätigkeit ist aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen.10

Der Gesetzgeber verzichtet damit im Wortlaut des Gesetzes auf eine konkrete Definition des Künstlerberufs.11 Insbesondere gibt es keine Aufzählung bestimmter Berufsbezeichnungen vor.12 Er beschränkt sich auf abstrakt-formale Eingrenzung in Form von Ausübungsfeldern künstlerischer Betätigung. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers ist auch sachgerecht; einer definitorischen Eingrenzung des Künstlerbegriffs stehen die Vielfalt, die Komplexität und vor allem die Dynamik der künstlerischen Tätigkeit entgegen.13 Die Gesetzesmaterialien14 nehmen allerdings Bezug auf den Künstlerbericht der Bundesregierung von 1975.15 Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps entspricht. Bei diesen Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird.

Der Gesetzgeber hat bei der Konzeption des KSVG darauf verzichtet, im Wege der Aufzählung von Berufsbezeichnungen die künstlerische oder publizistische Tätigkeit im Einzelnen zu definieren, da einer solchen Definition Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer und publizistischer Berufstätigkeit entgegenstehen. Auf diese Motive des Gesetzgebers lassen die Materialien zum KSVG, insbesondere der Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe, sogenannter Künstlerbericht, aus dem Jahr 1975, schließen […]. Der Gesetzgeber unterstellt das soziale Schutzbedürfnis der dort erfassten Berufsgruppen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Leistung im Einzelfall ankommt oder eine bestimmt Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird.

Bei der Beurteilung der Künstlereigenschaft ist insoweit die Tatsache, dass deren eigenschöpfersicher Entfaltungsspielraum […] eingeschränkt wird bzw. werden kann, unerheblich. […] Bei der Zuordnung zum Zwecke der Abgabenerhebung nach dem KSVG [ist] nicht die künstlerische Qualität der jeweiligen Arbeiten zu bewerten ist, sondern vielmehr als maßgebend anzusehen, in welchem Tätigkeitsbereich und gesellschaftlichem Umfeld die einzelnen Leistungen erbracht werden. Wer sich auf dem herkömmlichen Berufsfeld eines Handwerks bewegt, wird auch nicht dadurch zum Künstler im Sinne des KSVG, dass seine Leistungen einen eigenschöpferischen, gestalterischen Charakter aufweisen, weil ein solcher bei diesen Handwerksberufen typisch ist. Als Künstler ist er vielmehr erst dann einzuordnen, wenn er das typische handwerkliche Berufsfeld verlässt, sich mit seinen Produkten in einem künstlerischen Umfeld bewegt und in künstlerischen Kreisen als gleichrangig anerkannt wird. [Dem] steht [auch] nicht das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 21. Februar 2007 (L 9 KR 132/04) entgegen, das die Beurteilung der Tätigkeit als Location Scout zum Gegenstand hatte. Nur weil es sich bei dieser Tätigkeit nicht um eine anerkannte künstlerische Tätigkeit im Sinne der so genannten künstlerischen Katalogberufe nach dem Künstlerbericht handelt, ist zu prüfen, ob die einzubringenden eigenschöpferisch-künstlerischen Elemente von übergeordneter Bedeutung sind und dem Schaffen des Location Scout das Gepräge gegeben haben.

(Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15. Januar 2015 – L 3 R 323/12 Rn. 26)

Als Anhaltspunkt für die Künstlereigenschaft kann auch der sogenannte Künstlerkatalog der Künstlersozialkasse selbst dienen.16 Klar ist dabei, dass es bei der Bestimmung der Künstlereigenschaft nicht auf die Qualität der künstlerischen Betätigung ankommen; wie schon der Volksmund weiß, ist diese nicht objektiv bestimmbar, sondern liegt im „Auge des Betrachters“.

Grundsätzlich erfolgt die Einordnung stets aufgrund einer Gesamtbetrachtung der Tätigkeit, nicht unter Herausgreifung von bloßen Einzelaspekten. Voraussetzung ist dann, dass der künstlerische Anteil in der Gesamttätigkeit in einem Sinne überwiegt17, dass hierdurch das Gesamtbild geprägt wird.18

Als problematisch erweisen sich im Ergebnis insbesondere die Abgrenzung einer künstlerischen Tätigkeit zu

(1.) Abgrenzung zu handwerklichen Tätigkeiten

Handelt es sich um eine Tätigkeit, die nicht im Künstlerbericht der Bundesregierung von 1975 genannt ist – ist sie dort zu finden, kann schon aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich ohne Weiteres von der Künstlereigenschaft ausgegangen werden -, ist eine Abgrenzung zwischen Kunst und Handwerk im Einzelfall schwierig und Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten.19 Nicht mehr als Handwerker, sondern als Künstler, sieht das BSG eine Person an, wenn ihrem Schaffen eine schöpferische Leistung zugrunde liegt, die über den Bereich des Handwerklichen hinausgeht.20 Hiermit meint das BSG nicht das Leistungsniveau, mit dem die Tätigkeit vollführt wird. Vielmehr greift das BSG als Ausgangspunkt seiner Abgrenzung auf das Gewerberecht zurück21; hier auf die Abgrenzung zwischen einem Handwerk und einem freien Beruf: Tätigkeiten, die dem Berufsbild eines Handwerks entsprechen, werden von der Handwerksordnung nur dann nicht erfasst, wenn sie nicht als stehendes Gewerbe, sondern als freier Beruf ausgeübt werden. Dies setze, so das BSG, voraus, dass es sich um eine freie wissenschaftliche, künstlerische oder publizistische Tätigkeit höherer Art handele. Die Abgrenzung von Handwerk und Kunst sei deshalb nach materiellen Kriterien vorzunehmen. Für die Zuordnung zur Kunst könne allein die Tatsache, dass die Erzeugnisse eine gestalterische Leistung enthalten, nicht ausreichen. Gestalterische Elemente seien bei zahlreichen Arbeiten unabdingbar, die unzweifelhaft zum Bereich des Handwerks zählten. Gerade dem Kunsthandwerk sei ein gestalterischer Freiraum immanent; es bleibe damit dennoch Handwerk. Insoweit entscheidend sei auch nicht die Individualität der Produktion in Abgrenzung von einer industriellen Massenfertigung, sondern die Frage, ob es sich um eine rein technisch-manuelle Gestaltung handele oder, ob ihr ein schöpferischer Prozess zugrunde liege.22 Eine Zuordnung zum Bereich der Kunst sei unproblematisch, wenn sich die Tätigkeit nicht auf die Herstellung des Endproduktes erstrecke, wie dies etwa bei einem Designer der Fall sei, der sich allein mit der Anfertigung von Entwürfen beschäftige. Würden dagegen Einzelstücke nach eigenen Entwürfen manuell angefertigt, so könne bei der Zuordnung nicht allein an den eigenschöpferischen Anteil an der Gesamtleistung, nämlich die Erstellung des Entwurfs, angeknüpft werden, solange der Produzent seine Wertschätzung und sein Einkommen auch aus dem mit handwerklicher Qualität hergestellten Endprodukt beziehe, zumal wenn es sich um einen Gebrauchsgegenstand handele, der mit vergleichbaren Produkten aus industrieller oder (rein) handwerklicher Fertigung konkurriere.23

Das BSG erkennt insoweit aber das Dilemma, das diese recht offene Abgrenzung mit sich bringt, und behilft sich damit, dass es für die Abgrenzung nicht auf eine laienhafte Betrachtungsweise ankommen könne, die hinsichtlich vieler Formen des komplexeren Handwerks eine (eigen)schöpferische Gestaltung sehen wird („es ist eine Kunst, wenn man so arbeiten kann / so ein Ergebnis schafft“). Vielmehr stellt das BSG darauf ab, ob die Tätigkeit auch in den einschlägigen Fachkreisen über eine bloße – evtl. auch besondere – (Fertigungs-) Technik hinausgeht und als „künstlerisch“ anerkannt wird. Insoweit verlässt sich das BSG auf Indizien24, wie die Teilnahme an Ausstellungen, der Mitgliedschaft in Künstlervereinen, der Aufnahme in Künstlerlexika usw.25 Letztlich verbleibt es jedoch trotz aller Bemühungen der Subjektivität der Zuordnung zu Kunst oder Handwerk zu entgehen bei einem untauglichen Versuch einer objektiven Kunstdefinition des BSG. Die Zuordnung hinterlässt eine nicht ernsthaft zu leugnende Grauzone und damit eine Rechtsunsicherheit, die Anlass eines Rechtsstreits werden kann. Argumentativ ansetzen lässt sich bereit bei der Auswahl der sogenannten Fachkreise, vor allem aber bei der Bewertung und Gewichtung der Indizien.

(2). Lehrtätigkeiten

Da Lehrende grundsätzlich gem. § 2 Nr. 1 SGB VI schon in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, besteht für sie regelmäßig nicht die für die Künstlersozialversicherung typische Schutzbedürftigkeit. Der Begriff ist deshalb eher eng auszulegen. Diese Auffassung erhält auch ihren Niederschlag in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Als Künstler (bzw. auch Publizist) pflichtversichert sind zunächst Lehrer ist an Volkshochschulen, Schulen oder Hochschulen bzw. in Studien- oder Bildungsgängen für Künstler (bzw. im Fall des Publizisten: Für Journalisten oder Publizisten).

Für die sonstige Erwachsenenbildung