Roman
Band 10
von Gerd Maximovic
IN ALTER RECHTSCHREIBUNG
© der Digitalausgabe by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.alfredbekker.de
postmaster@alfredbekker.de
EDITION BÄRENKLAU, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius
AGENT UNTER DEN STERNEN
Ein klassischer Science Fiction Roman (Band 10) by Gerd Maximovic 2014
(Ursprünglich bei “Zauberkreis” unter dem Namen Maxim Bremer erschienen)
Cover: Steve Mayer
Der Inhalt dieses Ebooks entspricht 126 Taschenbuchseiten.
Das Reisen per Transmitter erschließt der Menschheit unzählige neue Welten und Möglichkeiten, sowie unbekannte und manchmal äußerst gefährliche Gefahren.
Victor Harrogate ist ein Agent des „Sternenbundes“ und überall dort im Einsatz, wo man einen Mann wie ihn am dringendsten braucht. Doch an das Geheimnis des Tekwaal scheint auch er sich die Zähne auszubeißen...
Victor Harrogate lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken im Sand. Er hatte einen muskulösen, sonnengebräunten Körper und maß fast zwei Meter. Die Sonnencreme überzog seinen Körper mit einer glänzenden Schicht. Sein Haar war dunkel, die Augenbrauen gleichmäßig gewölbt, der Mund in leichtem Spott verzogen. Unter seinem Kinn zog sich eine Narbe über den Adamsapfel hin, brandrot, als wäre die Wunde erst gestern geschlagen und sofort mit Bioplast behandelt worden. Harrogate hatte einen beachtlichen Bizeps, und es sah nicht so aus, als hätte da jemand nachgeholfen. Auf seinem rechten Unterarm lag die Hand des Mädchens.
Jo besaß einen schlanken Körper, ebenfalls dunkles Haar, und die obere Hälfte ihres Gesichts war von einer gewaltigen schwarzen Brille verdeckt. Ihre Lippen schimmerten, als wäre eben Tau auf sie gefallen. Wie sie das fertigbrachte, war Harrogate in den drei Wochen, die er sie nun kannte, ein Rätsel geblieben. Wahrscheinlich wußte sie einen kleinen, individuellen Kosmetiksalon abseits der großen Routen. Kurze, für Sekunden aufleuchtende Inserate lockten ja in ausgesprochene Außenseitergeschäfte. Aber man mußte schon aufpassen, wenn man nicht auf einen Saftladen hereinfallen wollte. Dann konnte es nämlich passieren, daß man ein halbes Jahr lang als Vogelscheuche der „Tinktur & Mätzchen GmbH“ herumlief und die Garantiefrist verfluchte …
Der Strand war hufeisenförmig geschwungen und umschloß sandfarben, gelb und braun den glatten Spiegel des Wassers jenseits der Brandung. Blaugrün stieg es zum Horizont hinauf, und wo es den Himmel berührte, da sah man nur eine kochende, schäumende Wand. Wahrscheinlich befand sich der Strand auf einem jener künstlichen Planeten, die man „Illusion“ nannte. Aber vielleicht gab es diesen Planeten auch schon eine Ewigkeit. Es war müßig, darüber nachzudenken; für Harrogate und Jo und die anderen Leute am Strand.
Orangefarben leuchtete die Transmitterkuppel über das Paradies. Die Kuppeln hatten im letzten Jahrhundert die herkömmlichen Transporteinrichtungen überflüssig gemacht, hatten Ochsenkarren, Autos, Flugzeuge und Raketen ersetzt; sie brauchten keine Schnellstraßen und Autobahnen, Schienen und Kanäle. Ein Dichter hatte sie „die Herzen unserer Zeit“ genannt.
Der Strand war Teil eines Erholungsgebietes für Leute, die es so nötig hatten wie Harrogate. Gewiß, die Medizin vermochte Wunder zu vollbringen, aber die Patienten mußten doch irgendwie mithelfen; und wenn man sie am Strand faulenzen ließ. Es gab geistige Wunden, lauernde, entsetzliche Dinge, die man am besten in der Hitze am Strand verdunsten ließ. Harrogate hatte drei Wochen Zeit gehabt, und er hätte sich bestimmt gewundert, was ihn diesmal so lange beschäftigte, wenn er darüber nachgedacht hätte. Aber sie hatten ihm bestimmte Medikamente gegeben, die verhinderten, daß seine Gedanken in die Tiefe stießen.
Das Mädchen drehte den Kopf. Die Brille rutschte auf ihre Nase.
„Victor“, sagte sie.
Harrogate starrte in den Sand, und erst allmählich formte sich ein Lächeln um seinen Mund. „Jo?“
„Du schaust drein, als wolltest du jemanden erwürgen. Was hast du? Gefällt es dir nicht?“
„Es ist reizend hier“, antwortete Harrogate zögernd. „Deine Nähe ist angenehm. Der Sand gefällt mir. Er macht so nette Spiele.“
„Aber?“ Sie nahm die Brille ab und stützte sich auf die Ellbogen. Sie hatte grüne Augen. Sie sah sehr neugierig aus.
„Kein Aber“, murmelte Harrogate. „Ich bin hier, um zu vergessen.“
„Also?“ Sie lehnte sich näher.
Er zog sie ganz zu sich heran.
„Jetzt besser?“, fragte Jo nach einiger Zeit.
„Viel besser“, sagte Harrogate. Aber es klang nicht sehr überzeugend.
Jo hatte plötzlich Appetit auf eine Zigarette. Aus dem Sand neben ihr wuchs ein weißer, glimmender Stengel. „Oh, danke“, sagte sie. dann wandte sie sich wieder Harrogate zu. „Wie oft hast du schon Urlaub gemacht?“
Er zuckte die Schultern. „Ich habe nicht mitgezählt. Zehnmal vielleicht.“ Er zupfte sich einen Kognak aus dem Sand. Er trank bedächtig.
„Und wie lange?“ Sie pflückte die Zigarette aus ihrem Mund, warf sie weg und schickte eine Rauchfahne hinter ihr her.
„So lange wie diesmal nie“, erklärte er, „wenn du das meinst.“
Sie nickte.
Harrogate ließ sich zurücksinken. Der Sand war weich und warm. Er floß um seinen Körper, von einer unsichtbaren Kraft bewegt, türmte sich auf, kletterte auf seine Beine, rann über seinen Rücken.
Dort, wo die Wellen auf den Strand schlugen, war der Sand dunkel gefärbt. Leute wateten durch das Wasser, und Köpfe trieben auf den Wellen, als hätten sie ihre Körper verloren. Wellenreiter glitten durch die Brandung, und Leiber lagen als dunkle, langgestreckte Flecken in dem hellen Teppich des Strands. Die meisten hatten sich möglichst weit von der Transmitterstation entfernt niedergelassen.
„Es ist schon eine feine Sache, fürs Faulenzen bezahlt zu werden“, sagte Harrogate zufrieden.
„Wer rastet, der rostet“, sagte Jo.
„Ich bin aber kein Roboter“, antwortete Harrogate. „Und außerdem hältst du mich ganz schön in Atem …“
Sie senkte die Lider wie ein unverschämtes, kleines Mädchen.
„Schön“, versetzte er, „wollen doch mal hören, was der Wetterbericht dazu meint.“ Er fuhr mit der Hand durch den Sand und fischte eine runde Box heraus und legte sie zwischen sich und Jo. Eine geübte, wohltemperierte Stimme ertönte:
„Liebe Freunde, Sie hören nun unser nachmittägliches Wunschkonzert mit klassischer Musik. Die Aufnahmen wurden uns freundlicherweise von der 23rd Century Fox zur Verfügung gestellt. Wir beginnen mit dem Wunsch eines Hörers von Pax IV, dessen Name aus politischen Gründen nicht genannt werden kann. Sie hören nun den klassischen Schlager ‚Yellow Submarine‘ mit den Beatles!“
„Kennst du die Aufnahme der Frogs über die Transmitterstationen?“ fragte Jo.
Harrogate schüttelte den Kopf. „Wo ich zuletzt war, geraten die Musikfans in Verzückung, wenn Reptilien einarmig Gitarren zupfen und mit den Fußnägeln über Trommeln kratzen. Dazu ertönt ein schauerlicher, zischender Gesang, der einem eine Gänsehaut über den Rücken jagt. Man könnte vielleicht Gefallen daran finden, wenn man es lange genug dort aushalten würde, um sich daran zu gewöhnen. Aber entschuldige, ich habe dich unterbrochen.“
„Macht nichts. Ist ´ne Schnulze. Spekuliert auf sentimentale Regungen. Du kannst es dir schon denken. Wie früher An-Fang, Rosaroter Dom der Geborgenheit und dieser Schmus. Es könnte einem dabei schlecht werden, und doch ist es so raffiniert inszeniert, daß man etwas fühlt. Hmmm. Eine ziemlich unangenehme Sache. Der Verstand wehrt sich, und doch muß man fast heulen.“
„Wer bezahlt die Frogs?“
Jo zuckte die Schultern. „Möglicherweise ein Bonbonfabrikant, aber vielleicht sind das auch ihre Gefühle. Sing deine Gefühle zum Tempel hinaus. Schreie und heule.“
„Alte Eule“, ergänzte Harrogate mit kollerndem Lachen. „Ist aus einem Kindervers von Gambles, Planet des Atair. Die Eingeborenen dort sind die terranische Besatzungsmacht losgeworden, als sie nur noch in Versen sprachen. Die Verse wurden immer kunstvoller und komplizierter, bis die Terraner nichts mehr verstanden. Historiker verboten, die Entwicklung rückgängig zu machen, da sonst schwere kulturelle Schäden zu befürchten seien. Ohne Kontakt zu den Regierten mußten die Regierenden abziehen. Ich glaube, es war nur ein Trick.“
Sie schwiegen und lauschten der klassischen Musik. Später hörten sie dann Nachrichten:
„Nach langem Zögern hat sich der Senat des Sternenbundes entschlossen, den Naturalisten einen Planeten zuzuweisen, auf dem sie unumschränktes Hausrecht haben sollen. Dies lässt sich zwar nicht mit der Charta des Sternenbundes vereinbaren, aber wie ein Sprecher des Senats erklärte, ist es die beste Lösung, die Unruhen zu beenden. Ein Sprecher der Opposition erklärte, daß durch diese Ausnahmeregelung ein Präzedenzfall mit unübersehbaren Folgen geschaffen worden sei. Er bezichtigte den Primus des Verrats an der Charta und forderte seinen Rücktritt. Die Naturalisten ließen verlautbaren, daß sie in dieser Regelung nur einen Anfang erblicken. Sie wiesen auf ihre große Gefolgschaft hin und erklärten, daß noch eine ganze Reihe von Planeten gefunden werden müsse, um die Bedürfnisse der Naturalisten zu befriedigen. Die meisten der unterentwickelten Planeten haben sich mit den Naturalisten solidarisch erklärt; diese Haltung steht in krassem Gegensatz zu der früher von ihnen vertretenen Anschauung. Aram Tassilow und eine Reihe anderer Publizisten glauben, daß es sich um ein Zweckbündnis handle, das nicht von langer Dauer sein könne. Der Oppositionssprecher meinte, daß sich nun die TM-Unfälle häufen würden. Seine Äußerung blieb rätselhaft, da der Zentralcomputer für die Befragung durch die Öffentlichkeit gesperrt wurde. Eine Begründung für diese Maßnahme wollte der Sprecher des Senats nicht geben.“
Harrogates Schläfrigkeit war verschwunden. „Sie haben ihre Extrawurst also doch bekommen.“ Er richtete sich auf. „Ich verstehe den Senat nicht. Sie müssen sich doch sagen, daß die Naturalisten dadurch nur Auftrieb bekommen.“
„Vielleicht wollen sie gerade das erreichen?“ vermutete Jo.
Harrogate schüttelte den Kopf. „Das wäre Verrat. Schlimmer noch als der Verrat eines Agenten.“ Er starrte mißmutig in den Sand. Nach einer Weile fuhr er fort: „Jedenfalls habe ich das Gefühl, bald Arbeit zu bekommen.“ Er sah nicht sehr erfreut aus.
„Sie haben die TM-Stationen erwähnt“, sagte Jo nachdenklich.
„So deutlich ist noch nie angeklungen“, bekräftigte Harrogate, „daß mit den Transmittern etwas nicht stimmt. Aber das ist vielleicht übertrieben. Immerhin ist es eine Tatsache, daß nicht alles, was in die Transmitter geht, auch wieder herauskommt. Ich habe von einer Sendung Energiekörper gehört, die in Mars-Capital aufgegeben wurde und seither spurlos verschwunden ist.“
„Und Menschen?“, fragte Jo besorgt.
„Ich weiß nicht. Ich habe die Geschichte von einem Freund, einem Agenten der Informationsklasse. Er schien sie nicht ganz zu glauben. Aber nach dem, was vorhin in den Nachrichten war …“
Die Leute am Strand hatten die Nachrichten anscheinend auch gehört. Die Agenten unter ihnen warfen unverhohlen Blicke zur TM-Station hinüber, denn jeden Augenblick konnte ein Bote im Eingang erscheinen, um sie in die gefahrvolle Wirklichkeit zurückzurufen. Es war schwül, die Wettermaschine mußte defekt sein. Eine eigentümliche Stimmung drückte auf den Strand und ließ den Urlaub mit einem Mal zu einer beklemmenden Farce werden.
Plötzlich hatte Harrogate das Gefühl, daß sein Urlaub viel zu kurz gewesen war. Er spürte die Mühsal, die er auf sich genommen hatte, sah fremde Welten, fühlte Gewichte an sich zerren. Er dachte daran, wie er hier zerschunden angekommen war. Es würde alles wieder von vorne beginnen. Ganz am Anfang stand der Sprung in die beklemmende Finsternis, in die Schwärze der Ungewißheit. Ist das Feigheit? wunderte sich Harrogate. Er versuchte es hinunterzuschlucken, und dabei erinnerte er sich, wie das Tier ihn angesprungen hatte; die Wunde brannte wieder.
Harrogate zwang sich zu einem Lächeln. „Wenn ich mitten drin bin, ist es leichter“, sagte er zögernd. „Ich empfinde vor jedem Auftrag eine Art Lampenfieber. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte eine andere Arbeit machen. Irgend etwas.“ Er griff mit der Hand in den Sand und ließ ihn durch seine Finger rieseln. „Ich könnte zum Beispiel Sand herstellen. Man verdient eine ganze Menge Geld damit.“ Er lachte ohne Freude. „Aber ich produziere keinen Sand, sondern Leichen. Mein Name ist Victor Harrogate, ich bin vierzig Jahre alt, Agent für verräterische Umtriebe, und wenn mich jemand fragt, wozu ich es gebracht habe, dann kann ich ihm die Kerben in meinem Gesicht zeigen. Für jeden Toten eine.“ Er hatte jetzt einen bitteren Zug um den Mund. „Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, entdecke ich weiße Haare.“
Er machte eine Pause und hob ein frisches Glas aus dem Sand. Er fuhr sich über die Lippen. Seine Augen leuchteten rot und fast böse. „Hast du schon einmal darüber nachgedacht, warum die Leute auf den dichtbesiedelten Planeten so friedlich zusammenleben?“
„So friedlich?“
„Ja, sehr. Relativ. Verglichen mit den äußeren Planeten. Man hat auf der Erde nämlich eine Charta. In ihr sind bestimmte Grundsätze niedergeschrieben. Toleranz, Fairneß und Hilfsbereitschaft sind einige von ihnen. Sie sind die Grundlage von Gesetzen. Wenn sich jemand nicht an sie hält, wird er im Sinn der Charta umerzogen, nicht etwa bestraft. Es gibt natürlich Leute, die diese Umerziehung als Strafe ansehen. Und bitte, es ist doch offensichtlich Mord, eine Persönlichkeit zu vernichten und an ihre Stelle eine andere zu setzen. Eunuchen, wenn du so willst.“
Er hob die Hand, wie um einen Einwand abzuwehren.
„Theoretisch stimmt das Konzept noch immer. Nur in der Praxis ist etwas faul. Denn es ist gar nicht so einfach, jemanden in die Erziehungsmaschine zu stecken. Jeder wehrt sich dagegen.“ Er fuhr sich nachdenklich über den Hals und berührte die Wunde. „Dann kommt es so weit, daß man die Leute abknallen muß, um nicht selbst getötet zu werden. Und das ist dann die verpönte Todesstrafe. Nicht auf dem Papier, in der Wirklichkeit. Und nicht nur für Kapitalverbrechen. Denn der perfekte Staat konnte es nicht unterlassen, auch kleinere Charaktermängel in der Maschine zu kurieren. Und so lege ich in Notwehr auch die kleinen Fische um. Das ist die Wirklichkeit eines Präzisionsstaates. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen. Agenten, die sich Charakterlumpen greifen, sollen, dürfen nicht zart besaitet sein. Bei ihnen legt man großzügige Maßstäbe an. Was man bei den einen bekämpft, fördert man bei den anderen.“
„Bitte, Victor“, sagte Jo, „mach dich nicht schlechter, als du bist. Der Preis, den die Agenten zahlen, ist hoch.“
„Ja“, sagte Harrogate gedehnt. „Jeden Tag ziehen wir tausendmal die Flagge auf für unsere Kameraden. Und jeden Tag wird die doppelte Zahl aus den Trainingslagern in den Dienst entlassen. Und weißt du, was mit ihnen geschieht?“
Er trank das Glas leer und warf es in den Sand. Es kollerte in eine Mulde, und der Sand stülpte sich wie ein Handschuh darüber.
„Sie werden vom Raum aufgesogen. Er ist ein Schwamm voller Labyrinthe. Sie stolpern in die Fallen der Korruption, kämpfen für stöhnendes Elend, das sie zuletzt verachten. Sie verlieren ihre Illusionen und usurpieren Throne oder werden zu skrupellosen Demagogen. Mit den Tricks und Finten, die sie in den Camps gelernt haben, kommen sie nach oben. Geld und Blut kleben an ihren Fingern. Sie umgeben sich mit Leibwachen und lassen sich in Sänften tragen. Zwanzig oder dreißig Jahre vergehen, ihre Leiber blähen sich, und ihre Gesichter sind fett und aufgeschwemmt. Die Augen haben den harten Glanz verloren, und jetzt wissen sie, was Angst bedeutet. Es gibt zuwenig Agenten, aber irgendwann erwischt es die Abtrünnigen. Sie wissen es. Und sie können sich nicht trösten, dass sie wenigstens am Leben bleiben, wenn sie aus der Erziehungsmaschine kommen. Für Abtrünnige gilt das nicht. Denn man ist nicht hart, wenn man formbar ist. Agenten sind hart. Sie haben ein Training, an dem die Erziehungsmaschine nichts ändern kann.“
Er schwieg einen Moment, und Jo nutzte die Pause: „Was geschieht mit ihnen?“
„Man tötet sie“, erwiderte Harrogate. „Dafür hat man Agenten, die den Verrat bekämpfen.“
„Wie du“, sagte Jo und erschrak über ihre eigenen Worte.
Aber Harrogate nickte nur.
„Verzeih mir“, bat Jo.
„Schon gut“, sagte Harrogate.
Er lag nun schon drei Wochen auf der faulen Haut, und er wußte nicht, womit er das verdient hatte. Er starrte in den unruhigen Himmel. Der schien „Aufbruch“ zu signalisieren. Dann war es also doch nur eine Illusion. Jo schien es auch zu spüren.
„Es war schön“, sagte sie.
Harrogate küßte sie.
Dann blickten sie beide gleichzeitig zur TM-Station hinüber. Im Eingang war ein Bote erschienen, mit blauer Uniform, auf den Kragenspiegeln das Hermeszeichen.