MARCUS BARANSKI
IM TRIATHLON
UND EINZELZEITFAHREN
MENSCH UND MASCHINE OPTIMAL VORBEREITEN
1. Auflage 2021
© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld
Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:
ISBN 978-3-667-12232-2 (Print)
ISBN 978-3-667-12338-1 (Epub)
Text: Marcus Baranski
Lektorat: René Stein, Stephanie Jaeschke, Petra Schomburg
Layout & Einbandgestaltung: Felix Kempf, www.fx68.de
Bildnachweis: Marcus Baranski: Seite 77, 79, 81; Cervélo: Seite 49, 117, 133, 178; DT Swiss: Seite 71; Nils Flieshardt: Cover, Seite 36, 180, 192, 194; Fotorika: Seite 20, 34, 52, 54, 55, 56, 57, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 68, 69, 74, 80, 85, 87, 88, 90, 91, 93, 95, 98, 99, 104, 105, 106, 109, 118, 120, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 152, 153, 155, 159, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 185, 191; FSA/Vision: Seite 196; Bernhard Glessing Sportograf: Seite 8, 187, 189; Martin Granadia: Seite 204; HYCYS: Seite 102;
Lex Karelly: Seite 24, 25; Tino Pohlmann: Seite 50, 58, 59, 100, 122, 128, 129, 149; Michael Rauschendorfer (†): Seite 138, 139, 201;
Klara Schuhmacher: Seite 42, 43; Schwalbe: Seite 71; Spomedis:
Seite 107; Swiss Side: Seite 4, 5, 83, 198, 199; Stefan Trocha: Seite 16, 97; Frank Wechsel: Seite 13, 23, 29, 33, 40, 91, 98, 112, 113, 115, 150, 197, 198
Lithografie: Mohn Media, Gütersloh
Datenkonvertierung E-Book: Bookwire - Gesellschaft zum Vertrieb digitaler Medien mbH
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DER PROLOG
HALB MENSCH, HALB MASCHINE – SO WIRD DAS WAS MIT DEM SCHNELLFAHREN
DER MENSCH
DIE MASCHINE
MENSCH UND MASCHINE
TRAINING UND REGENERATION
DIE ERNÄHRUNG
TAG X – DER WETTKAMPF IST DA!
FINALE UND FAILS
LITERATURTIPPS UND DANKSAGUNG
ZEITFAHREN WIRD OFT ALS DIE HÄRTESTE ALLER RADSPORTDISZIPLINEN BEZEICHNET. NATÜRLICH NIMMT DAS JEDE NISCHE GERN FÜR SICH IN ANSPRUCH. WAS SOLL ALSO DARAN SO HART SEIN, DASS MAN ALLEIN UND NICHT IM FELD UNTERWEGS IST? SICH NICHT GEGEN KONKURRENTEN AM BERG DURCHSETZEN UND AM ENDE NACH 100 KILOMETERN ODER MEHR IM SPRINT BESTEHEN MUSS, WENN ALLE EIGENTLICH SCHON STEHEND K. O. SIND? WARUM WIRD DAS ZEITFAHREN OFT ALS DIE »STUNDE DER WAHRHEIT« BEZEICHNET?
Du ahnst es schon, es liegt daran, dass man beim Zeitfahren sowie im Triathlon und Duathlon auf dem Rad allein mit sich selbst unterwegs ist und am Ende eine Zeit steht, die man folglich auch ganz allein zu verantworten hat. Bei den Ritten auf dem Aero-Lenker gewinnt der Sportler gegen die Uhr, den inneren Schweinehund und seine Konkurrenten, bei dem objektiv alles am besten passt: Neben der Form und dem richtigen Material gilt das besonders für die Aerodynamik und eben auch das richtige Mindset. Du musst aus dir das Letzte rausholen, aber so dosiert, dass es bis als Punktlandung ins Ziel reicht. Nichts wäre dabei unterwegs einfacher, als ein paar Tritte auszulassen, damit die Beine und Lunge nicht mehr so brennen. Ganz vorn landet allerdings immer der Kandidat, der sich am besten motivieren und am meisten quälen kann. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht immer derjenige ist, der auf dem Papier der Stärkste ist oder die größten Wattzahlen mitbringt. Sondern ebender Sportler, bei dem am Tag X alles passt: die Form, das Material und die richtige Einstellung.
Um dieses Gesamtpaket geht es in diesem Buch. Egal, ob du Radsportler oder Triathlet bist, du wirst in den folgenden Kapiteln lernen, was dich deinem Ziel näher bringt, schneller unterwegs zu sein. Welche Schrauben lohnt es sich zu drehen, und warum ist das so? Dabei geht es nicht immer nur um die Schrauben am Rad, sondern eben auch um die an dir als dem Motor. Schließlich bringst erst du die Leistung ins System ein. Weil du aber »nur« Mensch und eben nicht Maschine bist, geht das zu einem ganz wesentlichen Teil auch bei dir im Kopf über die Bühne. Die gute Nachricht lautet: Auch den kann man entsprechend vorbereiten. Weil ich das immer wieder von Anfängern und Breitensportlern höre, die schnell abgeschreckt sind wegen des vermeintlichen Aufwandes – all das Feintuning kann man natürlich als Raketenwissenschaft betreiben. Ab einem gewissen Punkt geht es wirklich ins Marginale, beim Material allerdings so richtig ins Geld. Aber alles kann und nichts muss. Gerade am Anfang sind die Basics nämlich mit wenig bis gar keinem finanziellen Aufwand verbunden. Die Verbesserungen, die du zu Beginn deines persönlichen Optimierungsprozesses erreichen wirst, sind so groß und so einfach zu erreichen wie später nie wieder. Ein Beispiel: Weil du mit dem Körper der größte Windfang bist, geht alles Richtung einer ersten Positionsoptimierung vergleichsweise schnell und in großen Schritten. Das Verhältnis von Aufwand – zeitlichem und finanziellem – zu Verbesserung ist anfangs grandios.
Das lohnt sich immer noch nicht für dich, weil du so langsam unterwegs bist? Irrtum, gerade dann sparst du durch Tuning an dir und deinem Material effektiv noch mehr an Nettozeit in Minuten ein. Anders als der erfahrene Athlet, der mit 45 Stundenkilometern nur noch daran feilt, ein paar Sekunden herauszuschlagen. Also trau gerade du als Hobbysportler dich da einfach mal ran!
Aber auch für den ambitionierten Piloten, der sich bereits in solchen Sphären fortbewegt, ist hier dann richtig viel nerdiger Inhalt an Bord. Keramiklager, gewachste Ketten und Latexschläuche sowie CdA-Werte oder deine »normalized power« sind Begriffe, über die du dich stundenlang unterhalten könntest? Dann wirst auch du hier abgeholt, und zwar eher für Tage als nur für Stunden, auch wenn im Ergebnis nachher nur ein paar Sekunden dabei herauskommen. Vielleicht sind es ja genau die, die dir beim letzten Mal zum Sieg gefehlt haben.
Zugegeben, wenn speziell das Zeitfahrmaterial nicht so viel zum Tüfteln und Testen hergeben würde – sei es nur für eine halbe Sekunde auf einen Kilometer bei Tempo 50 –, ich weiß nicht, ob ich mich dann so in diese Disziplin verliebt hätte. Nebenbei bemerkt: Solche »Marginal Gains« dann beim nächsten Wettkampf in petto zu haben, setzt auch psychisch noch ein paar Watt und Sekunden mehr frei, glaub mir!
Wo wir beim Thema Zeit sind: Ich fahre schon den Großteil meines Lebens Rad, irgendwie immer auf Zeit. Das war früher beim BMX-Rennen und gegen die Gegner so, heute geht es auf dem Aero-Lenker in erster Linie gegen die Uhr. Die Tüftelei, wie man unterwegs noch ein paar Sekunden gutmachen kann, wird dabei realistisch betrachtet auch nie vorbei sein. Grund eins: Das Material entwickelt sich ständig weiter. Nicht ohne Grund nimmt der Bereich Radtuning hier ein so umfangreiches Kapitel in Anspruch. Daneben entwickelt sich die Sportwissenschaft immer weiter, und was an Know-how bis vor ein paar Jahren noch den Profisportlern vorbehalten war, ist jetzt schon Allgemeinwissen bei den Amateuren und Agegroupern. Grund zwei: Es ist ja so, sind wir doch mal ehrlich, dass man mit der Leistung eigentlich nie so richtig zufrieden ist, wenn man erst mal mit der Jagd nach den Sekunden begonnen hat. Selbst nach einem guten Rennen fange ich spätestens nach ein paar Tagen an zu überlegen, was da noch besser hätte laufen können. Ähnlich wie der Surfer, der ewig auf der Suche nach der perfekten Welle ist.
Auf dem Level bewegst du dich (noch) nicht? Dir kommt es einfach darauf an, dem Wind ein Schnippchen zu schlagen und – ob nun im Wettkampf oder im Training – schnell unterwegs zu sein? Du möchtest als Triathlet nach dem Radsplit einfach noch fit genug für einen richtig guten Lauf sein? Oder einfach nicht so grausam einbrechen wie beim letzten Ironman, als du nach 180 Kilometern im Sattel beim anschließenden Marathon eingegangen bist? Dann bist du hier richtig: Du wirst dich in diesem Buch wiederfinden und jede Menge Nutzen daraus ziehen können, indem du die für dich relevanten Tipps und Kniffe umsetzt. Egal, auf welchem Niveau und in welcher Disziplin – du als Leser kannst deine Lernkurve mit den folgenden Kapiteln nämlich massiv abkürzen, indem du meine Fehler der letzten 20 Jahre gar nicht erst machst. Das gilt neben solchen »Hard Facts« wie allem rund um das Thema Material auch für die Bereiche Training und Regeneration, die richtige Ernährung sowie die klassischen Fails, die aus Nervosität beim Wettkampf gern gemacht werden, selbst von den Besten der Welt.
Für dich gut zu wissen: Wie bei jedem Berufstätigen gibt es bei mir noch eine Menge anderer Dinge, denen ich mich neben meinem Hobby rund ums Rad widmen darf, kann und muss. Deshalb ist mein Zeitbudget hierfür auch beschränkt auf ein paar kostbare Stunden in der Woche. Als Konsequenz bin ich immer auf die größtmögliche Effektivität im Training aus, inhaltslose Trainingseinheiten, sogenannte Junk Miles, absolviere ich schon seit Jahren nicht mehr. Dass man auch mit zeitlich begrenztem Budget massive Verbesserungen erreichen kann und nicht immer 100 Kilometer auf dem Tacho stehen müssen, das musste ich erst mal lernen. Wie wenig da reicht, zumindest in zeitlicher Hinsicht, das zeige ich dir im Kapitel »Training«. Schon mal vorab: Das findet bei mir nicht nur auf dem Rad statt.
Ich habe dieses Buch bewusst so geschrieben, dass die Kapitel aufeinander aufbauen, aber du kannst es nach dem ersten Lesen häufiger wieder zur Hand nehmen und einzelne Themenbereiche vertiefen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich nach der Lektüre von Ratgebern auf ein paar bequeme oder gerade angesagte Themen fokussiert und andere erst mal wieder in den Hintergrund treten. Sich diesen dann aber nach ein paar Monaten noch mal zu widmen macht die Sache meist erst rund. Eins noch vorab: Ist das erste Grund-Setup gefunden, wird es mit dem Schnellerwerden auf die Schnelle nichts mehr, Geduld und im wahrsten Sinne des Wortes Erfahrung gehören hier dann dazu.
Mit der Brechstange wird das erst recht nichts, vor allem wenn es um die körperliche Komponente beim Training und speziell Aerodynamik und Sitzposition geht. Du hast ein bisschen Zeit mitgebracht? Prima, dann lass uns mal loslegen.
Der Baranski
im Sommer 2021
BEVOR ICH DICH IN DEN FOLGENDEN KAPITELN SCHRITT FÜR SCHRITT SCHNELLER MACHE, GEHT ES HIER UM EIN PAAR GRUNDLEGENDE DINGE, DIE IMMER WIEDER AUFTAUCHEN WERDEN UND DICH JE NACH HERANGEHENSWEISE SCHNELLER MACHEN ODER EBEN DARAN HINDERN, DIE BESTMÖGLICHE PERFORMANCE ABZULIEFERN. BEVOR ES AN DIE DETAILS GEHT – MANCHE GANZ SICHER IN BEREICHEN, AN DIE DU VORHER NIE GEDACHT HÄTTEST –, GIBT ES EIN PAAR WESENTLICHE DINGE ZU BEACHTEN. SIE GELTEN – ANDERS ALS VIELE PUNKTE, DIE DANN NACHHER OFT GANZ INDIVIDUELL AUSFALLEN – FÜR UNS ALLE GLEICHERMASSEN.
Grob geht es immer wieder darum, schneller zu fahren. Das kann man durch mehr Training angehen, um mehr Leistung zu bringen. Irgendwann wird es dabei aber schwer, immer noch besser zu werden. Erstens wird es immer schwieriger, mit steigendem Fitnesslevel Leistungszuwächse zu erreichen – und zweitens wird es mit steigender Geschwindigkeit im wahrsten Sinne des Wortes immer härter, da noch eine Schippe draufzupacken. Man hat dann nämlich das Gefühl, gegen eine Wand aus Wind anzukämpfen. Grund hierfür ist, dass die zu erbringende Leistung sich im Verhältnis zur Geschwindigkeit im Quadrat erhöht. Ein Beispiel aus der Praxis: Bei 20 Stundenkilometern wird man locker mit dem Trainingspartner plaudern können, bei 40 wird es dann ganz schnell still. Grund ist der Windwiderstand, auf dem Rad fast immer dein größter Widersacher, der sich verachtfacht hat, während sich deine Geschwindigkeit lediglich verdoppelt hat. Als logische Konsequenz macht man sich also daran, Watt zu sparen, um die kostbare Leistung nicht zu vergeuden. Richtig umgesetzt, kann man dann bei gleicher Leistung schneller fahren oder bleibt gleich schnell wie bisher, aber mit weniger Energieaufwand; das ist vor allem im Triathlon wichtig, um in energetischer Hinsicht Körner für den abschließenden Lauf zu sparen.
Wie man das richtig angeht, ist einer der zentralen Punkte im vorliegenden Buch. Auch wenn ganz viele Tipps und Tricks auch auf andere Radsportdisziplinen angewendet werden können, gehe ich im Folgenden davon aus, dass du einen Aero-Lenker an deinem Rad montiert hast. Ganz gleich, ob du damit dann im reinen Zeitfahren, im Duathlon und Triathlon oder auf Langstreckenevents mit dem Rad unterwegs bist: Ein richtiger Zeitfahrlenker oder in abgespeckter Version ein auf den Rennlenker montierter Clip-on ist nämlich der erste wesentliche Bringer in Richtung hoher Geschwindigkeit und guter Aerodynamik.
Das Thema »Aero« wird sich wie ein roter Faden durch dieses Buch ziehen, denn nichts bringt dir so viel Richtung mehr Speed, als deine Aerodynamik zu verbessern. Andererseits hindert dich auch nichts so sehr daran, noch schneller zu fahren. Und merke: Es geht hierbei immer um dich auf deinem Rad. Auch wenn eine gesonderte Betrachtung etwa nur des Laufradsatzes verlockend klingt, lassen sich dabei meist nur niedrige einstellige Wattwerte herausholen. Bei dir als Fahrer sind es je nach Position aber deutlich zweistellige Werte, schließlich bist du als Mensch auf der Maschine für 75 Prozent und mehr das Windwiderstandes verantwortlich. Am Ende bist es also du samt Material, der dem Wind ein Schnippchen schlagen muss. Und das geht relativ früh los. Untersuchungen haben gezeigt, dass schon ab deutlich unter 20 Stundenkilometer, der Windwiderstand der größte Widersacher dabei ist, schnell zu fahren. Alles andere tritt dabei deutlich in den Hintergrund.
Je nachdem, wie viel Widerstand Mensch und Maschine verursachen, kommt dabei dein persönlicher CdA-Wert heraus. Er steht für den Luftwiderstandskoeffizienten, auf Englisch coefficient of drag (Cd), der mit deiner Frontalfläche (A) multipliziert wird, angegeben in Quadratmetern.
Gemessen werden kann das mit diversen mehr oder weniger genauen Methoden, angefangen beim Windkanal- über Bahntests bis hin zu Tests auf der Straße mit Testgeräten am Cockpit oder auch »nur« anhand von Leistungsdaten, deinem Gesamtgewicht und der Steigung. Egal, welche Methode man nutzt, wichtig sind die Wiederholbarkeit und ein geringer mittlerer Messfehler. Das wird umso wichtiger, je enger die Unterschiede zwischen den Setups oder Positionen sind. Profis und die Industrie gehen deshalb regelmäßig in den Windkanal und ins Velodrom. Eine ganze Ecke basaler, auch in puncto Genauigkeit, sind dann Tests auf der Straße, weil hier immer mit störenden Einflüssen wie Wind, anderen Fahrzeugen, unregelmäßigem Tritt und unbewussten Positionsänderungen zu rechnen ist.
Sinn je nach Leistungsniveau und Anspruch ergeben aber alle Varianten. Losgehen kann das schon mit einem Powermeter und einer Teststrecke von einem Kilometer, die du mit unterschiedlichen Positionen absolvierst. Ambitionierte Sportler werden um den Aufwand eines Bahntests aus meiner Sicht aber nicht herumkommen.
Tipp
In den kommenden Jahren wird es gerade im Bereich der Aero-Messung »on the road« noch deutliche Entwicklungssprünge geben, ganz einfach, weil die Idee, einen Wert auf den Computer zu projizieren, zu verlockend ist und nur so die breite Masse hierfür zu begeistern sein wird.
Jeder kennt das: Man sieht das neueste Rad im Laden, und das Erste, was man macht, ist, es hochzuheben, um zu sehen, wie leicht es ist. Gerade bei allen Vorhaben, die auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt sind, ist das Gewicht aber zu vernachlässigen. Dass gerade bei reinen Triathlon- und Zeitfahrrädern ein paar Gramm mehr oder weniger zweitrangig sind, macht dieser Vergleich deutlich: Das Gewichtslimit des Radsport-Weltverbandes UCI (Union Cycliste Internationale) liegt seit über 20 Jahren bei 6,8 Kilogramm, aus Sicherheitsgründen und im Hinblick auf die Stabilität so definiert. So viel muss ein Rennrad auch heute noch mindestens wiegen, um im Wettkampf gefahren werden zu dürfen. Moderne Triathlonräder mit Aero-Lenker, Hochprofillaufrädern, Scheibenbremsen und aerodynamisch optimierten Rahmen und Gabeln liegen hier inklusive aller Anbauteile aber locker um drei Kilogramm darüber. Schon ohne gefüllte Tanks und Trinkflaschen.
Je nach Leistungsniveau gilt das mit dem Aero-Benefit interessanterweise auch beim Klettern. Du fährst die Berge mit sagen wir mal 18 bis 20 km/h hoch? Auch da lohnt es sich schon, auf die Aerodynamik zu achten, etwa bei den Laufrädern, der Bekleidung und der Oberkörperhaltung. Eine Ecke weiter und konsequent zu Ende gedacht wird so was dann auch interessant für solche Wettbewerbe wie Gravel- und Mountainbike-Marathons, die zwar im Gelände ausgetragen werden, bei denen sich die Teilnehmer an der Spitze aber auch in solchen Geschwindigkeiten bewegen. Und wenn man da mal auf die Topleute guckt, wird man sehen, dass dort schon lange kein Trikot mehr flattert und sich die Sitzposition auf Highspeed-Abschnitten schon in Richtung einer kleinen Stirnfläche bewegt.
Das mit dem Gewicht geht interessanterweise auch beim Fahrer weiter, wenn man den Faktor Aerodynamik mitberücksichtigt. So kann es nämlich vorkommen, dass ein um 20 Kilogramm leichterer Fahrer, wenn er nicht optimal sitzt, satte 20 Watt mehr aufbringen muss als der schwerere Fahrer, der von Haus aus mehr Leistung wird aufbringen können. Am Berg wäre groß und schwer klein und leicht gnadenlos unterlegen, weil es gegen die Schwerkraft anginge. Hier, getestet im Windkanal oder im Flachen, schlägt Aerodynamik aber alles.
Wie sehr sich Veränderungen an der Position auswirken, wird unter anderem bei Tests auf der Bahn oder im Windkanal untersucht. Ein Beispiel aus meiner Testpraxis verdeutlicht hier die Welten, die sich auftun: Statt energieeffizient auf dem Aero-Lenker zu liegen, auf den breiteren Basebar auszuweichen, macht bei 45 Stundenkilometern satte 100 Watt aus. Der Unterschied zwischen einem 40 und einem 60 Millimeter hohen Laufrad vorn, das dich auf jeden Fall länger auf dem Aero-Lenker liegen lässt, sind hingegen (wenn es hochkommt) zwei bis drei Watt bei sonst identischer Konstruktion. Du merkst, worauf es hinausläuft.
Für ein grundlegendes Verständnis sind Online-Kalkulatoren wie dieser hier hilfreich: http://bikecalculator.com/. Selbst wenn man hier noch mit jeder Menge Toleranzen rechnet, wird schnell deutlich, dass es immer sinnig ist, so aerodynamisch wie möglich zu sitzen. Und dass es sich immer lohnt, alles an Speed-Killern abzustellen. Denn egal, wie gut man in Form ist, dieses »Bremsen« wird man irgendwann einfach nicht mehr durch mehr Watt wegdrücken können. Wer sich also einerseits mit Feinheiten wie leicht laufenden Reifen oder Leichtbau befasst, der sollte sich schon vorher mal Gedanken um seine Aerodynamik machen, weil damit nämlich so richtig was rauszuholen ist. Ansonsten sind Titanachsen oder der Sattel mit Carbonstrebe eher die sprichwörtlichen Perlen vor die Säue.
Tipp
Wenn du eh auf eine Kurve zufährst, bei der du bremsen musst, dann kannst du das also auch durch das rechtzeitige Außengreifen und Aufrichten tun, statt bis zum letzten Moment liegen zu bleiben und dann die Bremsen zu benutzen.
Gerade für Einsteiger ist die Tatsache erfreulich, dass viele der Tipps, die anfangs richtig viel bringen, wenig bis gar nichts kosten. Ein Beispiel: Die Arme und den Oberkörper aerodynamisch besser in den bereits verbauten Aero-Lenker zu »verpacken« bringt ein Vielfaches vom Custom-Cockpit, das via 3D-Scan an den Profisportler angepasst wurde, vierstellige Beträge kostet und dann nur noch für ihn und diese eine Position überhaupt passt. Andererseits kostet aber auch dich ein zwar verbauter, aber dann nicht genutzter Aero-Lenker von der Stange neben Zeit auch Geld – schließlich hast du ihn ja mal bezahlt. Und ein sauberer Antrieb, also Kette samt Ritzeln, Kettenblättern, Schaltwerk und Umwerfer ist viel schneller, kostengünstiger und bringt in Summe viel mehr, als die Schaltröllchen am Schaltwerk oder die Lagerung im Tretlager auf Keramikkugeln umzurüsten.
Andererseits: Das teuerste Rad mit allen Aero-Optimierungen, die man für viel Geld kaufen kann, bringt nur dann etwas, wenn man die Aero-Position auch dauerhaft fahren kann und nicht nach einer halben Stunde wieder am Basislenker greifen muss, weil es an Beweglichkeit oder Rumpfkraft fehlt. Ich weiß, dass solche Dinge wie Rumpfstabi-Übungen, eine Faszienrolle oder die gute alte Turnmatte nicht so sexy sind wie Hochprofilfelgen oder der 500-Euro-Einteiler, aber mehr bringen und weniger kosten werden solche »Trockenübungen« auf jeden Fall.
Gleiches gilt auch für alle Bereiche wie richtiges Training, richtige Ernährung, richtige Regeneration und richtige Wettkampfstrategie. Warum ich so oft die richtige Umsetzung betone? Ganz einfach, weil ich jahrelang alle Trends mit- und auch viel falsch gemacht habe. Vorteil für dich: Du kannst deine Lernkurve massiv abkürzen und im Zweifelsfall auch mit zeitlich überschaubarem Einsatz ein Maximum an Benefit und Verbesserung aus deinem Material und dir herausholen. Denn sind wir doch mal ehrlich: Für die allermeisten handelt es sich hier doch um das Hobby – ich weiß wie dehnbar dieser Begriff hier ist –, und du musst vermutlich noch ganz viele andere Bereiche jonglieren, damit du und alle um dich herum happy bleiben. Ergibt es da nicht Sinn, sich ein paar Gedanken über so etwas wie Effektivität und Relevanz zu machen, statt stumpf die Kilometer und Stunden zu schrubben, wie man es früher gemacht hat? Vor allem, wenn man dann durch den ein oder anderen Hack auch noch schneller und geschmeidiger unterwegs ist, als auf Teufel komm raus und mit der Brechstange immer gegen die Wand aus Wind anzurennen und jemand anders am Ende wieder schneller ist?