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www.piper.de
ISBN 978-3-492-99012-7
© Piper Verlag GmbH, München 2018
© Gabriele Frydrych 2006
unter dem Titel »Du hast es gut! Aberwitz im Schulalltag«
Covergestaltung: semper smile, München
Covermotiv: Jutta Bauer
Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell
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1 - Der Ernst des Lebens
2 - Montagmorgen
3 - Das böswillige Altern der Lehrkörper
4 - Segnungen eines Schullautsprechers
5 - Julia, dein Schuh ist offen!
6 - Stammtischpädagogik
7 - Hefeteig und Mandala
8 - Vertretungsstunden
9 - Am Kopierer
10 - Schon wieder ein Buch?
11 - Der heimliche Herrscher
12 - Meine Lieblingsbeschäftigung
13 - »Ich hasse Weiber!«
14 - Undercover
15 - Elternsprechtag
16 - »Ich mach dich Urban!«
17 - Teile und herrsche! Hilfreiches für die Hand des Schulleiters
18 - Privatsache
19 - Undankbare Gören
20 - Werbung in der Schule
21 - Produktive Unruhe
22 - Winnetou und Nepomuk
23 - Kulturgenuss
24 - Mea culpa, mea maxima culpa
25 - Engagiert und kritisch
26 - Gibt es heut kein Hitzefrei?
27 - Von der Macht der Methoden
28 - Sparsames Wirtschaften
29 - Hiermit kündige ich
30 - Lass sie doch einfach mal trommeln
31 - »Wir investieren in die Bildung!«
32 - Kindergeburtstag nach PISA
33 - Fürs Leben lernen
34 - Schluss mit der Weiberwirtschaft!
35 - Wenn Schüler plaudern
36 - Burnout? Selber schuld!
37 - Die Brave
38 - Leise Schadenfreude
39 - Die Made im Speck
40 - Schönen Urlaub!
41 - »Lehrer raus!«
42 - Im Castingfieber
43 - Spieglein, Spieglein an der Wand
44 - Kaugummikauen macht intelligent!
45 - Richtig so!
46 - Sport ist Mord
47 - Neue Lehrer braucht das Land!
48 - Lehrercasting
49 - Frauen und Technik
50 - Wenn einem der Humor vergeht
51 - Masochistische Duldungsstarre
52 - Immer nur das Eine
53 - Weihnachtslabsal
54 - Nie wieder Julklapp!
55 - Das Märchen vom Reformschub
56 - Frischer Wind
57 - »Jawohl, Euer Ehren!«
58 - Zurück zur Natur
59 - Zeugnisse aus dem Computer
60 - Endlich Ferien!
Sechs Uhr morgens. Viel zu früh. Mein Biorhythmus weint leise vor sich hin. Er möchte erst in vier Stunden geweckt werden. Der Rundfunkmoderator zerfließt vor Anteilnahme: »Für unsere armen Kiddies beginnt heute der Schulknast wieder. Hey, Leute, bleibt cool! Vergesst euren iPod nicht. Dann könnt ihr auch im Mathe-Unterricht Radio Fuck & Peace hören!«
Mit mir hat niemand Mitleid. Ich übe kurz vor dem Spiegel Giftblick und Zähnefletschen. Fertig ist der Kinderschreck. Aus dem Fernsehen weiß ich, dass es eigentlich nur zwei Sorten Lehrer gibt: weltfremd, vertrottelt und vergammelt oder arrogant, böse und zynisch. Ich habe mich entschieden: lieber Megäre als Depp!
»Na, wieder mal ein bisschen Schule?«, lästert der Zeitungsverkäufer, dessen reizende Kinder ich erziehen und unterrichten darf. »Wann beginnen eigentlich die Herbstferien?«, flötet er mir süffisant hinterher. Zwei andere Kunden begleiten meinen Abgang mit unfreundlichem Gebrabbel. Ich höre noch Fetzen wie: »Beamtenstatus … widersinnig … mal ordentlich arbeiten … PISA-Katastrophe …«
Auf dem U-Bahnhof vergesse ich im morgendlichen Tran, mich bis zur Ankunft des Zuges hinter einem Pfeiler zu verstecken. Sofort entdeckt mich die Kollegin mit dem Sprechdurchfall und textet mich zwanzig Minuten lang gnadenlos zu. Sie hatte Glück: Ihre Ostasienreise war schon fest gebucht, bevor unseren Dienstherren die begnadete Idee kam, die Lehrer an den letzten Ferientagen in die Schule zu bestellen. Während ich in der Schulbibliothek Staub gewischt und Bücherrücken geklebt habe, durfte die Kollegin noch im Bikini Cocktails schlürfen. Die anderen U-Bahn-Passagiere lauschen interessiert ihren lautstarken Ausführungen: Handtaschenraub auf Bali, anhaltender Durchfall während ihrer Trekking-Tour, wunderbar knackige Kellner unter Kokospalmen.
»Ich sag dir: Sooo ein Hintern!« Sie formt mit ihren braun gebrannten Händen einen mittelgroßen Kreis und leckt sich die Lippen. »Und wo warst du?«
»In Masuren.«
Sie sieht mich mitleidig an: »In Polen? Mit dem Auto? Na, du hattest ja schon immer so ein Faible für den Osten.«
Wir müssen aussteigen und vereinen uns mit den Lehrermassen, die zum Betonklotz aus den Siebzigerjahren strömen.
Am Zielort. Der Schulleiter begrüßt kurz seine hundertdreißig Untertanen. Ein pädagogischer Neuzugang ist blond gelockt, deutlich unter vierzig und weiblich. Die junge Frau errötet zart bei ihrer offiziellen Vorstellung, und einige männliche Kollegen werden ganz unruhig auf ihren Stühlen. Der Altersdurchschnitt im Kollegium wird durch ihre Ankunft dramatisch gesenkt. Dafür sind die Klassenfrequenzen weiter erhöht worden. Aber das macht nichts. Wo dreißig Kinder gut lernen, machen fünf bis sieben mehr auch nichts aus.
»Da ist eben Ihre pädagogische Handlungskompetenz gefragt«, gibt der Schulleiter trocken kund. Die fehlenden Klassenmöbel sind auch kein Problem. Wer kippelt, muss stehen – und so reichen die Plätze spielend für alle Schüler. Sicher schwänzen ein paar Kinder sowieso die ganze Zeit.
Die Kollegen, die jetzt erst aus den Ferien gekommen sind, rennen nach der Dienstbesprechung schnell in die Bücherei. Wer erhascht noch neue Bücher, wer muss sich mit den zerfetzten und verschmierten begnügen? Wer ergattert einen vollständigen Klassensatz, wer nur ein paar Reste? Wer muss das ganze Schuljahr über seine Aufgaben kopieren?
Der Fachbereichsleiter schlendert zufrieden zu seinem abschließbaren Schreibtisch. Keine Ahnung, wie er an den Schlüssel gekommen ist. Alle anderen Schreibtische stehen nämlich offen. Jeder Kollege, der Bleistift, Tesafilm oder Büroklammern braucht, kann mal eben beim Nachbarn suchen. Der Fachbereichsleiter hat in seinem Schreibtisch seit Wochen die Neuerscheinungen gebunkert. Nun kann er erst mal in Ruhe Kaffee trinken und seine Abiturordner in Reih und Glied aufstellen, bevor das Chaos über ihn hereinbricht. »Ach, Schule könnte so schön sein, wenn es keine Schüler gäbe!«, steht in seine tiefen Stirnfalten gegraben.
Und da kommen sie auch schon: Hunderte kleiner Monster, Kaugummi kauend, mit ihrem MP3-Player verstöpselt, in sechs Wochen zehn Zentimeter gewachsen, bereit zu neuen Untaten. Und grinsen fröhlich. Sebastian haut mir auf die Schulter: »Na, Alte, haste uns vermisst?«
Irritiert lässt die Lehrerin den Blick schweifen. Es hat längst zum Stundenbeginn geklingelt. Die Schüler und Schülerinnen wandern aber immer noch durch den Raum, kauen an ihren Brötchen, sitzen auf den Tischen, quasseln und kichern. Einige hängen übermüdet und entkräftet in den Stühlen. Zwei andere sind durch die Nabelschnur eines MP3-Players verbunden und zucken rhythmisch mit den Köpfen.
Die Lehrerin formuliert die erste spannende Textaufgabe: »Sechs Hühner brauchen acht Tage, um zwölf Eier auszubrüten. Wie lange brauchen 77 Hühner für 351 Eier?«
Niemand meldet sich. Nur leises Brabbeln antwortet aus den Tischgruppen. Die Lehrerin wartet geduldig. Sie versucht es mit einem ermunternden Lächeln. Sie drängt sanft. Sie wandelt die Aufgabe leicht um: »Zwanzig Schüler brauchen zehn Minuten, um wach zu werden. Wie lange brauchen vierzig Schüler?« Keine Reaktion. Schließlich gibt die Lehrerin die stummen Impulse und didaktischen Schleifen auf und erhebt unpädagogisch die Stimme. Aber nichts frommt.
Es ist Montagmorgen.
Die Schüler müssen ihre Wochenenderlebnisse schildern und die Fußballergebnisse austauschen. Das kennen Sie sicher auch von Ihrem Arbeitsplatz. Da aber viele Schüler ihre pünktliche Ankunft in der Schule haarscharf kalkulieren, bleibt vor dem Unterricht nicht genug Muße zum Erzählen. Wenn die Lehrkraft Glück hat, sind montags um acht Uhr schon fünfzig Prozent der Klasse anwesend. Der »Rest« trudelt im Lauf der nächsten fünfzehn Minuten ein, was die Wutkurve der Lehrer kurzzeitig enorm ansteigen, aber nach der vierten Ermahnung resignativ sinken lässt. Der fünfte Schüler kann sich dann schon in Ruhe hinsetzen und muss nicht mehr Ausreden für seine Verspätung ersinnen: »Mein Hund hatte Durchfall.« – »Die U-Bahn wurde umgeleitet.« – »Es war so starker Gegenwind auf dem Schulweg.«
Irgendwann hat sich die Lehrerin doch durchgesetzt und zumindest Zimmerlautstärke erzwungen – und das Verschwinden aller elektronischen Unterhaltungsmedien und »anspruchsvollen« Zeitschriften. Die entsprechenden Tricks aus der pädagogischen Steinzeit kennt man ja: Androhung von schriftlichem Unterricht (für viele Schüler ist Schreiben eine schmerzliche Strafe), von zusätzlichen Arbeiten und Tests, von Briefen an die Eltern. Und wenn das alles nicht fruchtet, kann noch die »Vorführung« beim Schulleiter in Aussicht gestellt werden.
Aber die Stunde läuft zäh und unergiebig. Die Hausaufgaben vom Donnerstag hat kaum jemand gemacht. Die fünf Schüler, die sie vorweisen können, sind anscheinend morgens im Bus ihren Pflichten nachgekommen. Vollständiges Arbeitsmaterial haben auch nur wenige dabei. Vielen ist es einfach nicht gelungen, noch etwas Schreibpapier und eine Tintenpatrone mit zur Fußballzeitung und zur Cola zu packen.
Montagmorgens scheint der Lehrkraft, als sei die Arbeit der letzten Stunden vergebens gewesen. Die Schüler erinnern sich nur mühsam und unwillig oder auch gar nicht an längst durchgenommenen Stoff. Das liegt natürlich in erster Linie an der schlechten Methodik der deutschen Schulen, wie meine Lieblingsjournalistin aus dem Bildungsressort weiß, aber meine Kollegen erklären es gern damit, dass viele Schüler in der morgendlichen Hektik gar nicht gefrühstückt haben und das bohrende Gefühl im Magen alle Denkanstrengungen behindert.
Sanftes Nachfragen bei einigen grünblassen, gähnenden Jugendlichen ergibt, dass der sonntägliche Fernsehabend bis tief in die Nacht gedauert und das Wochenende mindestens sechs »beschauliche« Videofilme beschert hat. Die Lehrerin erhebt eine kurze Statistik und stellt fest, dass nur ein Mädchen in der Klasse keinen eigenen Fernseher hat. Die anderen Schüler grinsen: Na klar, die Streberin.
»Und, was für Filme habt ihr so gesehen?« Die eben noch lethargischen Jugendlichen wollen plötzlich hochmotiviert die Einzelheiten eines Kettensägen-Thrillers schildern. Die Lehrerin möchte das aber nicht hören. Sie verweist auf ihre gut ausgeprägte Vorstellungskraft und Sensibilität. Außerdem will sie partout Mathematik unterrichten. Selber schuld.
Die Jugendlichen versinken wieder in Apathie oder erzählen die hübschen Details aus dem Thriller halt ihrem Banknachbarn. Der hört sich die blutige Hinrichtungsszene viel lieber an als die Matheformeln.
»Wir sind früher am Wochenende noch mit der ganzen Familie spazieren gegangen. Unsere Eltern haben mit uns Ausflüge gemacht oder etwas gespielt«, sinniert die Lehrerin.
»Sie Arme«, trösten die Schüler sie, »wie langweilig! Damals gab es eben noch keinen Computer und keinen DVD-Player. Was sollten Sie da auch anderes machen?«
Im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung altern Lehrerinnen und Lehrer. Sie tun das vorsätzlich, aus persönlicher Gemeinheit und mit voller Absicht. Da kann die Presse noch so oft deprimierende Schulstatistiken und Altersdurchschnitte zitieren – die Lehrer altern einfach weiter. Wissenschaftler lamentieren über die schulische Erziehung durch die Generation der Groß- und Urgroßeltern. Familienzeitschriften beklagen die unüberwindliche Altershürde zwischen hoffnungsvollem Nachwuchs und verkalkten Paukern – aber die Lehrerschaft hat kein Einsehen. Sie vergreist mit jedem Jahr mehr und denkt nicht im Traum daran, diesen Vorgang einzustellen. Schulbücher gehen schon dazu über, gebrechliche Lehrer am Krückstock darzustellen, um das Wortfeld »uralt« zu üben.
Und das heute, wo doch nur zählt, was jung, knackig und dynamisch ist. Politiker und Pseudoprominente machen es so schön vor: Wenn die Ehefrau in die Nähe der Wechseljahre kommt, wird sie flugs durch ein stromlinienförmiges Ersatzmodell im Teenageralter ausgetauscht. Und alle finden das völlig normal. Wenn ein Mann im Licht der Öffentlichkeit steht, lässt ihn eine Begleiterin mit Falten und Doppelkinn einfach alt aussehen! Aber junge Frauen machen jung!
Im Fernsehen führen flotte Spätkinder durch erfrischende Plapper-, Kletter- und Kreisch-Shows. Nirgends rennt da jemand mit grauem Haar, Bifokalbrille und Zahnersatz rum. Höchstens mit Zahnspange. Nur in den Schulen der Nation werden die armen Kinder den unerfreulichen Alterserscheinungen ihrer Lehrerschaft ausgesetzt. Müssen sich allesamt mit »Mäuschen« anreden lassen, weil der Geschichtslehrer sich die Namen nicht mehr merken kann. Schreiben zweimal in der Woche dieselbe Klassenarbeit, weil die Mathelehrerin ihre Kurse verwechselt.
Unsere lieben Kleinen, die sich nach coolen Sportanimateuren und langbeinigen Deutschmoderatorinnen sehnen, müssen sich bei fossilen Paukern langweilen, die nicht wissen, was »Beat-Box« ist, und die ihren vorsintflutlichen Computer kaum bedienen können. Die den Schülerinnen bei der Akrobatikübung wohlwollend zusehen, anstatt mitzuklettern. Die andächtig von Goethe und Weimar erzählen, als würde das irgendjemanden außer ihnen interessieren. Bei denen die Haare aus den Ohren wachsen, kleine Warzen und Gichtknoten an den Händen blühen und sich steile Sorgenfalten in Stirn und Wangen graben. Mit jedem Tag tiefer.
Denn anstatt froh zu sein, auch im Alter noch sinnvoll beschäftigt zu werden, beklagen die pädagogischen Senioren ihre zunehmende »Belastung«. Die ganze Gesellschaft meditiert darüber, wie man auch in der zweiten Lebenshälfte seine Auslastung und seine Aufgaben findet, nur die Lehrerschaft will sich diesem Trend entziehen. Sie gibt vor, steigender Schüler- und Stundenzahl einfach nicht mehr gewachsen zu sein! Presseorakel munkeln gar von einem hohen Krankenstand unter den betagten Lehrern. Lächerlich. Wo Arbeit doch jung und vital hält!
Da die Lehrer durch ihre kurzsichtige Stellenpolitik seit Jahren die generationsmäßige Durchmischung der Schulen verhindert haben, sollten sie endlich mal dazu angehalten werden, ihrem Alterungsprozess einen Riegel vorzuschieben. Es gibt exzellente Transplantations- und Operationstechniken! Weg mit Tränensäcken, Sorgenfalten und Kummerspeck! Weg mit Stützstrümpfen und Bruchbändern! Melissengeist, Ginseng und Frischzellenkuren für alle Kollegien! Niemand muss heutzutage alt aussehen! Die Lehrer sollten einfach nur bereit sein, sich dem gesellschaftlichen Trend anzupassen. Girlie ist Mode, nicht Omi. Waschbrettbauch zählt, nicht Altersweisheit. Dafür muss man natürlich flexibel sein und etwas guten Willen zeigen. Aber der geht Lehrerinnen und Lehrern eben völlig ab!
Unsere Anstalt ist groß: Fünfzehnhundert Schülerinnen und Schüler und hundertdreißig Exemplare pädagogischen Inventars – die fünfköpfige Schulleitung und den im Stillen regierenden Hausmeister nicht mitgerechnet. Es gibt in dem Gebäude mindestens zehn Lehrerzimmer. Zwei davon habe ich bis heute nicht entdecken können. Die Suche nach einer Vertretungsgruppe gestaltet sich oft zu einem zeitaufwändigen Parcours durch Hallen, Treppenkerne und Gänge. Manchmal so lang, dass die Schüler bedauerlicherweise schon verschwunden sind, wenn man ihren Klassenraum endlich gefunden hat. Falls der Schulleiter einen Kollegen sprechen will, kann man unmöglich verlangen, dass er mühsam dessen Stundenplan inspiziert und dann einen Boten aussendet. Dazu haben wir glücklicherweise einen Schullautsprecher, der Verlautbarungen der Oberen durchs Gelände trägt – Sporthallen, Kellergrüfte und Freigehege mit eingeschlossen.
Wenn ein Schüler etwas ausgefressen hat, schallt es unheilverkündend durch den Bau: »Der Schüler Kester-Jason aus der 7b sofort zu mir!« Bisweilen werden auch ganze Klassen zum Schulleiter bestellt, was den Rest der Schule zum Grübeln veranlasst, welcher Missetat sich die wohl schuldig gemacht haben. Kollegen, die ihren Vertretungsunterricht wahrnehmen sollen, werden harsch zum Einsatzort geschickt. Zwar gibt es in jedem Lehrerzimmer ein Telefon, aber der Griff zum Lautsprechermikro erspart das lästige Suchen im Verzeichnis. Und falls sich ein Kollege auf der Toilette versteckt halten sollte, erreicht ihn die Ansage mit der Vertretungsbotschaft auch dort.
Schülerinnen, die sich den Schulleiter geneigt halten, dürfen auch mal einer Freundin öffentlich zum Geburtstag gratulieren. Über den Schullautsprecher gibt die Oberstufenleiterin bekannt, welcher Kurs länger auf sie warten muss oder nach Hause gehen kann. Der Leiter des Sportbereichs liest umständlich vor, welche dreißig Kinder sich in zehn Minuten zum Waldlauf versammeln. So etwas könnte er natürlich auch rechtzeitig schriftlich bekannt geben, aber das ist zeitraubend.
So ein Schullautsprecher ist nicht nur praktisch, sondern auch sehr stimmungsvoll. In der Adventszeit trägt der Schulleiter morgens dem Kollegium besinnliche Sprüche vor: »Nutze die Zeit, spare die Kraft, steh fest im Leid, sei tugendhaft!« – »Wer schaffen will, muss fröhlich sein, dann läuft die Arbeit von allein!« – »Der Mensch ist nicht auf der Welt, um glücklich zu sein, sondern um seine Pflicht zu tun!«
Im günstigen Fall kommen diese Ansagen in den Pausen, aber mindestens fünfundachtzig Prozent davon werden in der besten Unterrichtszeit gesendet, was ernsthaftes pädagogisches Bemühen ad absurdum führt. Mit viel Mühe hat man die wilde zehnte Klasse zur Ruhe gebracht und formuliert bedeutungsvoll seinen Arbeitsauftrag, da flötet es aus dem Lautsprecher: »Kollege Balkan-Sprengel, bitte mal in mein Büro.«
Die Oberstufenleiterin ruft den smarten Junglehrer. Die Schüler grinsen und tuscheln. Der Lehrer legt zum Zeichen des Schweigens seinen Finger auf den Mund, die Schüler konzentrieren sich. Zweiter Versuch: »Also, zuerst lest ihr bitte auf Seite …«
Der Lautsprecher unterbricht erneut: »Entschuldigung, die Schüler, die noch Essensmarken für diese Woche kaufen wollen, können das bis zwölf Uhr im Sekretariat erledigen.« Der Lehrer runzelt ärgerlich die Stirn, kommt zwei Sätze weiter, da knackt es wieder im Sender: »Wegen einer Lesung hat die Schülerbücherei heute geschlossen.«
Endlich sind alle Unterrichtsanweisungen formuliert, die Schüler lesen brav in ihren Büchern, da erhebt sich die Stimme des Schulleiters. Er hat fürs Sportfest eine Cheerleader-Lehrerin und einen Karton Pompons an Land ziehen können und bittet alle Interessierten umgehend zu sich.
Es geht übrigens auch ohne Lautsprecher. Das zeigt sich, wenn Abiturklausuren und Staatsexamen stattfinden. Da klingelt es nicht, und es röhrt auch niemand böse über den Lautsprecher: »Frau Frydrych, sofort zum Schulleiter!«, um mich für einen despektierlichen Zeitungsartikel zur Rede zu stellen.
Gut, dass ich gelernt habe, erst mal meinen Mund zu halten, wenn mich etwas erstaunt. Aber bevor ich diesen Grad der Erleuchtung erreicht habe, bin ich durch manche Fettnäpfchen marschiert. »Sebastian, dein Hemd guckt aus der Hose«, flüstere ich dem Knaben zu, der an der Tafel grübelt, wie man »interessant« schreibt. Sein Hosenboden hängt in Kniehöhe, unter dem dunklen Pullover zipfelt ein grauweißes Unterhemd hervor. Sebastian sieht mich mitleidig an. Oje, das mit dem Hemd ist kein in morgendlicher Hektik entstandenes Missgeschick, sondern raffiniertes Styling, stundenlang vor dem Spiegel arrangiert.
Wie oft habe ich Schüler und Schülerinnen in meiner Fürsorgepflicht darauf hingewiesen, dass ihre Schnürsenkel offen sind oder ihr eines Hosenbein hochgekrempelt ist und das andere nicht. Es hätte mir doch auffallen müssen, dass die halbe Schule die Schuhe nicht mehr zubindet und im Sport nur noch ein Bein freilegt. Jetzt warte ich immer erst ab, ob irgendwelche obskuren Erscheinungen zur neuen Mode gehören, bevor ich eine dezente Anmerkung loslasse. Die Tinte am Mundwinkel könnte der letzte Schrei sein. Die schief zugeknöpfte Bluse oder die weißen BH-Träger, die unter einem schwarzen Top hervorkriechen, trägt man jetzt bestimmt so.
Ich sitze als Lehrerin an der Quelle. Ich kann in Ruhe die neuesten Trends studieren, bevor sie Megatrends werden. Während mich an einem Montag Brians Pudelmütze im Unterricht noch befremdet, tragen am nächsten Tag schon fünf Jungen solche Skimützen. Vor einiger Zeit waren formlose Stoffhütchen en vogue. Ich weiß noch, wie wir als Kinder immer gekichert haben, wenn der Nachbar so einen Deckel als Sonnenschutz tragen musste. Und nun setzen meine Schüler diese Teile freiwillig auf.
Als die ersten Nasenstecker auftauchten, musste ich schwer gegen den Drang ankämpfen, Mascha aus der achten Klasse zu fragen, ob man mit so einem Ding noch in der Nase bohren kann. Richtig, ich vermochte meinen Drang nicht zu bezähmen, und Mascha erklärte mir nachsichtig, dass man den Nasenstecker im Bedarfsfall einfach rausschraubt. Von Laura, dem ersten schulinternen Piercing-Opfer, ließ ich mir immer wieder schaudernd die silberne Eidechse zeigen, die mitten auf ihrer Zunge saß. Ich kann es bis heute nicht fassen, dass man sich in dieser empfindlichen Körperregion ein Loch bohren lässt.
Mittlerweile ist es ganz normal und fast schon wieder out, dass Schüler Ringe in Augenbrauen und Nasenflügeln tragen. Oder kleine Glöckchen an der Unterlippe, die beim Sprechen leise klingeln. Wo sie sonst noch Metall in den Körper gestanzt haben, möchte ich lieber nicht wissen. Im Computerraum zeigen mir Schüler im Internet manchmal hübsche Bilder, was man seinem Körper noch so antun kann: gespaltene Zungen, angespitzte Zähne, Kugellager unter der Haut, Brand- und Ritzmuster. Body-Modification heißt das, wenn einen der eigene Leib langweilt. Aber da scheinen die meisten der Schülereltern dann doch lieber das Taschengeld zu kürzen.
Stoisch schweige ich, auch wenn ich bisweilen das Gefühl habe, nette Kinder verunstalten sich mit fingerdickem, nuttigem Make-up, mit riesigen Armeestiefeln zum Sommerkleid, mit abgefressenen orangefarbenen Haaren und zerrissenen Hosen im Müllsackformat. Mit seltsamen Haarnetzen, die einen Nackenschutz wie in der Fremdenlegion haben.
Ja, ich weiß, es geht nicht darum, was ich schön finde. Im Gegenteil. Jugendmode soll die Erwachsenen verstören und schockieren, man will sich von den spießigen Alten abgrenzen. Aber müssen die Mädchen deshalb gefügig die Weibchenrolle aus Medien und Werbung übernehmen und halb nackt in der Schule erscheinen, nur mit einem dekorativen BH über den Jeans? Müssen die Schüler an winterlichen Wandertagen schlottern und frieren, nur weil sie unbedingt die Turnschuhe und Designer-T-Shirts vom Sommer weiter tragen wollen?
Ob meine früheren Lehrer auch so tapfer geschluckt haben, als ich das erste Mal in Hosen aufkreuzte? In schwarzen Hüfthosen mit riesigem rotem Stretchgürtel! Damals für Mädchen etwas ungewöhnlich. Wir trugen in der Regel Dior-Röcke mit Gehschlitz. Und was hat die distinguierte Deutsch-Oberstudienrätin gedacht, als ich in meiner Schockfarbenbluse »Die Kraniche des Ibikus« aufsagte? In Lila, Orange, Quietschgelb und Giftgrün gekleidet, mit weiß geschminkten Lippen?
Übrigens sind meine Schüler längst nicht so tolerant wie ich. Wenn ich meine flotten Cowboystiefel mit den Fransen und Perlen anziehe, grinsen sie oder ziehen angeekelte Gesichter. Trage ich meine flauschigen Leopardenleggins, fragen sie mich, ob ich dafür etwa Geld bezahlt hätte. Sie nennen mich »Tiger-Lili«, weil von meinen T-Shirts große Raubkatzen herunterknurren. Wahrscheinlich wollen die lieben Kleinen, dass ich im grauen Jersey-Kostüm durch die Schule schreite – aber nicht mit mir. Ich setze meine eigenen Trends!
Seit dem großen PISA-Schock (Schock = Zustand heftiger Verwirrung und innerer Unruhe, in dem man Unzusammenhängendes stammelt und nicht ganz bei sich ist) haben alle Zeitungen Sonderseiten über das deutsche Schulelend. Hier darf sich jeder auslassen: Journalisten, die ihre Traumatisierung durch das Lesen mit verteilten Rollen im Deutschunterricht beklagen. Schüler, die darüber schimpfen, dass kleinkarierte Unterrichtsbeamte zu eng am Lehrplan kleben. Bildungspolitiker, die sich empören, dass Lehrpläne nicht eingehalten werden. Eltern, die lasche Kuschelpädagogen kritisieren, weil sie den IQ der Sprösslinge nicht schnurstracks in die Sphären der Hochbegabung treiben. Andere Eltern möchten ihren Nachwuchs vor fordernden Hardlinern behüten, die schon in der vierten Klasse mit den Zahlen von eins bis zehn arbeiten. Gescheiterte Ex-Pädagogen outen in schnell gestrickten Bekenntnisbüchern ihre Kollegen als labile, mittelmäßige Versager mit Lebensangst.
Saturierte Schulbeamte entwickeln gute Ideen, wie man preiswert Schule reformieren kann: Das Referendariat wird verlängert, aber dafür nur noch halb bezahlt. Außerdem wird die Unterrichtsverpflichtung der Berufsanfänger einfach vervierfacht. Junge ideenreiche Lehrer werden die Schulen retten. Und unter solchen Bedingungen ihre Aufgabe voller Elan anpacken. Warum nicht? Lehrbeauftragte an den Unis arbeiten ja auch oft ohne Entlohnung. Man muss nur wollen!
Dasselbe gilt für die Erzieherinnen, die endlich etwas mehr leisten müssen, als nur Kleinkinder an- und auszuziehen. Sie sollen gefälligst mit ihnen Deutsch als Zweitsprache lernen und kleine naturwissenschaftliche Experimente durchführen. Damit ihnen das gelingt, wird die Gruppengröße erhöht: zum Beispiel von sechzehn auf einunddreißig Kinder. Zwar bedauern Zeitschriftenreportagen hormonbehandelte Eltern, die sich mit ihren Mehrlingsgeburten abquälen und es kaum bewältigen, sie zu füttern und zu topfen. Aber eine hoch dotierte Erzieherin müsste es spielend schaffen, viermal so viele Kinder zu versorgen und zu bilden!
Warum sind eigentlich alle so von PISA schockiert? Ist das Schuldrama nicht schon lange bekannt? Wir wissen doch seit Jahren aus der Presse, wie der bundesdeutsche Schüler Tag für Tag aufgeschlossen und hoch motiviert die Schule betritt. Frei von Unlust, Aggressionen, häuslichen Querelen, seelischen Nöten und schulfernen Prägungen. Er lechzt geradezu nach Bildung. Er möchte die Welt entdecken, mindestens zwei Fremdsprachen lernen und ganz viel wissen. Genau wie seine Eltern, die sich allabendlich wonnevoll fortbilden. Vor dem Abendessen mal eben eine Sonatine geigen, einen Bildungsroman goutieren, ein Aquarell malen und im Kreis der Lieben eine wertvolle Tiersendung oder ein Kulturmagazin ansehen – falls sie nicht lieber miteinander ein brennendes gesellschaftspolitisches Thema ausdiskutieren.
Der so positiv eingestellte Jugendliche stößt nun jeden Schultag auf spinnwebverhangene Altlehrer, die ihn ödem Frontalunterricht unterwerfen, stundenlang monologisieren und ihre veralteten Weisheiten mit Kreide an die Tafel malen. Das dürfen die Schüler dann sauber abschreiben und auswendig lernen.
Ja, so ist Schule. Wenn man es den Journalisten glaubt. Aber die recherchieren in der Regel gründlich und würden niemals freudig erregt irgendwelche Vorurteile aus Bismarcks Zeiten präsentieren. Zum Glück finden sie aber auch einzelne Schulen, die man der Nation als Vorbild präsentieren kann. Dort werden muntere und lebendige Kinder nicht von pädagogischen Trauerklößen ausgebremst und zu Tode gelangweilt. Natürlich gibt es dort keinerlei Frontalunterricht. Frontalunterricht ist schließlich das wesentliche Merkmal einer schlechten Schule. Projektunterricht aber ist gut. Immer. Dort arbeiten Schüler gern zusammen, schlagen fasziniert in Büchern nach, basteln Plakate und erklären sich gegenseitig konzentriert ihre Arbeitsergebnisse. Der Klassenbeste darf die Ergebnisse überprüfen und sichern. Alle machen mit, keiner guckt gelangweilt aus dem Fenster.
Begeistert berichten die Journalisten von den wunderbaren Projektthemen in den Vorzeigeschulen: Wir bauen einen Lehmofen und kochen altrömisch. Wir rühren ägyptische Naturkosmetik an. Wir lernen ein halbes Jahr lang alles rund ums Wasser, schreiben kreative Wassergedichte, lesen den »Schimmelreiter« (der irgendwo am Wasser sein Unwesen treibt), kochen, filtrieren und mikroskopieren das köstliche Nass, komponieren Wassermusik und wandern rund um den Dödelsee.
In der übrigen Zeit sitzen die Kinder am Computer. Das neue Allheilmittel gegen sämtliche Bildungs- und Erziehungsprobleme. Mühelos saugen sie Wissen aus dem Internet, wissen es zu sortieren, zu sichten und zu präsentieren. Sie mindmappen, clustern und brainstormen um die Wette. Sie beamen, booten und chatten.
Der journalistische Gast ist hingerissen. So muss Schule sein. Sie muss rund um die Uhr Spaß machen. Wissen soll sich mühelos erwerben lassen. Der Lehrer hält sich bescheiden im Hintergrund. Was kann er den Schülern heutzutage schon mehr als ein Moderator sein? Er soll sich gefälligst fortbilden (»Wie fessele ich 33 Kinder gleichzeitig?«) und nicht immer nur über dieses Märchen nachsinnen, das da heißt: »Des Kaisers neue Kleider«.
Fortbilden? Wozu das denn? Ich habe doch ein solides Referendariat in einem südlichen Bundesland durchlitten, pardon, absolviert! Eine solch gestrenge Zucht reicht für fünfzig Dienstjahre. Deswegen brauche ich auch keine pädagogischen Fachzeitschriften und Kongresse. Meine alten Arbeitsblätter, die sich vor zwanzig Jahren bewährt haben, benutze ich natürlich heute noch. In Deutsch lese ich »Effi Briest« und den »Zerbrochenen Krug«, egal, was für Schüler erwartungsvoll vor mir sitzen. Ab und zu klaue ich einem jüngeren Kollegen einen Übungsbogen zur Rechtschreibung, da sind immer so hübsche Bilder zum Ausmalen und Ausschneiden drauf.
Leider erwischt mich der Schulleiter eines Tages nach Dienstschluss, als ich gegen elf Uhr ins Strandbad fahren will. Er fuchtelt vorwurfsvoll mit einer Zeitung rum. Darin steht, das deutsche Schulsystem kranke vor allem daran, dass sich verkalkte Lehrkräfte nicht fortbilden wollen. Bisher haben mich Fortbildungskurse wirklich nur peripher interessiert. Ich dachte, sie seien für frustrierte Hausmänner, Studienversager oder Quereinsteiger. Aber doch nicht für mich, die Perle der Gattung »Lehrer«. Ich weiß schließlich alles (besser).
Mein Schulleiter sagt: »Nächstes Wochenende findet das Seminar ›Methodenvielfalt und Sozialkompetenz‹ statt. Die Schulrätin wünscht ausdrücklich, dass ein Vertreter unserer Anstalt daran teilnimmt.«
Ich empfehle freundlich den Kollegen Wutzler und die Kollegin Külpmann. Aus sicherer Quelle weiß ich, dass sie an diesem Wochenende in ein sächsisches Romantikhotel fahren. Allerdings ohne ihren jeweiligen Ehepartner. Doch der Schulleiter knurrt nur: »Es wird Zeit, dass Sie sich mal freiwillig zu einer Fortbildung melden!« und schwenkt bedeutungsvoll die Ergebnisse meiner letzten Deutschklausur. Schweren Herzens verzichte ich auf den geplanten Opernbesuch, die Weinverkostung und den Segeltörn und mache mich auf den Weg zur Heimvolkshochschule Unterdüren.
Am Vollwertbüfett stoße ich auf Heerscharen knabbernder Kolleginnen und Kollegen. Der eiserne Wille zur Innovation funkelt in ihren Augen. Unser Kursleiter – »Ich bin der Jochen« – empfängt uns mit Frohsinn und Namensschildern, die wir uns anstecken müssen. Er lässt uns Paarformationen bilden. Da ich nicht gleich lossprinte, muss ich mich mit einem faden Werner, Oberstudienrat aus Wanne-Eickel, paaren. Der knackige Referendar mit dem Pferdeschwanz, der mir eher zugesagt hätte, geht derweil hilflos in einem Haufen verklärt blickender Lehrerinnen unter, bevor ihn Kursleiter Jochen einer mütterlichen Montessori-Pädagogin zuführen kann.
Die Partner sollen sich zum Kennenlernen zehn Minuten lang in die Augen sehen und danach einander den Rücken warm trommeln. Zögernd schlage ich auf Werners Fettpolster ein, während er in sein Trommeln all die Frustrationen legt, die sich bei ihm nach den vielen feindseligen Publikationen über Lehrer angestaut haben. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche, aufkommende Rachegedanken zu verdrängen. Meine Freunde segeln gerade auf dem Berliner Wannsee.
Ich hingegen muss in einem Stuhlkreis Platz nehmen, die Hände auf den Bauch legen und in mich hineinhören. Außer dem Grummeln durch die ungewohnten Vollkornbrötchen und Rohkostwürfel höre ich nichts. Die anderen Teilnehmer hören jedoch ganz viel und tragen es bedeutsam vor: ihre momentane Befindlichkeit und ihre Erwartungen an den Kurs. »Genau das erhoffe ich mir auch!«, schließe ich mich schnell den Worten meiner Vorrednerin an, die sich mehr Selbstkompetenz und Teamfähigkeit wünscht.
PISA