Tischtennis – Modernes Nachwuchstraining
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Tischtennis
Modernes Nachwuchstraining
Berndt Barth & Evelyn Simon
Meyer & Meyer Verlag
Reihe: „Modernes Nachwuchstraining“
Herausgeberin: Katrin Barth
Papier aus nachweislich umweltverträglicher Forstwirtschaft.
Garantiert nicht aus abgeholzten Urwäldern!
Tischtennis – Modernes Nachwuchstraining
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© 2015 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen
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Gesamtherstellung: Print Consult GmbH, München
ISBN 9783898998888
eISBN 9783840335952
E-Mail: verlag@m-m-sports.com
www.dersportverlag.de
Inhalt
Vorwort Sönke Geil
1 Einleitung durch die Autoren
2 Der Kindertrainer im Tischtennis
3 Kindersportbücher adäquat nutzen
4 Lehr-, Lern- und Erziehungsmethoden
4.1 Die methodischen Grundformen der Bildung
4.1.1 Die darbietende Methode
4.1.2 Die erarbeitende Methode
4.1.3 Die aufgebende Methode
4.1.4 Ideomotorisches Training
4.2 Die methodische Gestaltung der Erziehung
4.2.1 Methoden des Überzeugens
4.2.2 Methoden des Gewöhnens
4.2.3 Methoden des pädagogischen Stimulierens
5 Didaktisch-methodische Grundlagen
6 Üben und Trainieren lehren
7 Pädagogische Führung und Selbstständigkeit
7.1 Zur Effektivität des Lernprozesses
7.2 Psychische Regulation der Lerntätigkeit
8 Förderung der Zielbildung
8.1 Besonderheiten im Nachwuchstraining
8.2 Lern- und Trainingsziele
8.3 Zielbildung als Orientierungsgrundlage
9 Förderung der Motivation
9.1 Wie lässt sich Motivation fördern?
9.2 Was passiert im Kopf des Tischtennisspielers?
9.3 Motivationsfördernde Rahmenbedingungen
9.4 Besonderheiten im Kinderbereich
9.5 Weitere Aspekte der Motivation
9.6 Positive Verstärkung
10 Förderung der Selbstkontrolle und der Selbstbewertung
10.1 Kontrolle und Selbstkontrolle im Training
10.2 Kriterien der Kontrolle und Selbstkontrolle
Anhang
Der Kinderfreundlichkeits-Pass
Gemeinsam gegen Doping
Kopiervorlage Mein Sportstundenplan
Kopiervorlage Meine Jahresplanung
Kopiervorlage Technik- und Taktikbesprechung
Literatur
Bildnachweis
Vorwort
Die Zukunft des Tischtennissports liegt im Kinder- und Jugendbereich. Dabei sind wir in Deutschland auf einem guten Weg. Mit den Nachwuchsstützpunkten, den Grundschulpro- jekten und vielen Maßnahmen zur weiteren Qualifizierung von Kinder- und Jugendtrainerinnen und -trainern, Lehrerinnen, Lehrern und Betreuern haben wir ein Bündel von Maßnahmen zur optimalen Förderung der zahlreichen deutschen Tischtennistalente ergriffen.
Der Deutsche Tischtennis-Bund und die Landesverbände unterstützen dabei gerne Aktivitäten, die uns bei dem Vorhaben helfen, möglichst vielen Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle, sportliche Freizeitbeschäftigung und eine gute Ausbildung in einem Tischtennisverein zu ermöglichen. Hier werden die Voraussetzungen geschaffen, um ein Leben lang Freude und Spaß an unserer schönen Sportart zu haben und aktiv, gesund und leistungsbereit an der Gesellschaft teilzuhaben.
Nach den Kindersportbüchern Ich lerne Tischtennis und Ich trainiere Tischtennis stellt das Buch Tischtennis - Modernes Nachwuchstraining das Trainerhandeln im Kinder- und Jugendtischtennis in den Mittelpunkt. Ausgehend von grundsätzlichen pädagogisch-psychologischen Erkenntnissen, werden Lehr-, Lern- und Erziehungsmethoden, didaktische Grundlagen sowie Führungs- und Motivationsprinzipien dargestellt. Dabei stellt die Hinführung der Kinder und Jugendlichen zu einem hohen Maß an selbstständigem und selbstgesteuertem Lernen ein wesentliches Ziel des Buches dar. Die möglichst effektive Einbeziehung der beiden Kindersportbücher Ich lerne Tischtennis und Ich trainiere Tischtennis steht dabei ebenso im Vordergrund wie Beispiele zu exemplarischer Trainingsvorbereitung für die jungen Tischtennisspieler und -spielerinnen. Ich hoffe aber auch, dass die Arbeit mit den Kindersportbüchern helfen kann, den Besten von ihnen eine spätere Tischtenniskarriere zu ermöglichen und so den Kindertraum von einer Laufbahn als Profi in einem Bundesligaverein zu erfüllen, als Spielerin oder Spieler in der deutschen Nationalmannschaft oder sogar auf den Spuren von Timo Boll oder Nina Mittelham zu wandeln, die in den Kinder-Tischtennis-Büchern Interviews gegeben haben.
Dabei sind Kinder und Jugendliche auf die Hilfe und pädagogisch-methodische Führung durch Übungsleiter, Trainer und Betreuer angewiesen. Damit dies möglichst gut und qualifiziert geschieht, besuchen die Jugendtrainer Ausbildungslehrgänge für den Leistungs- und Breitensport und bilden sich regelmäßig fort. Wichtig und wertvoll sind in diesem Zusammenhang besonders Anleitungs- und Lehrmaterialien, mit denen sich Übungsleiter und Nachwuchstrainer auf die besonderen Anforderungen ihrer Zielgruppe vorbereiten können.
Der gesellschaftliche Wandel im Verständnis des Lernens weg vom Belehrtwerden hin zum selbstgesteuerten Lernen macht auch vor dem Kinder- und Jugendsport nicht halt und spielt auch im Tischtennissport eine immer größere Rolle. Mit den beiden Bänden Ich lerne Tischtennis und Ich trainiere Tischtennis werden Kinder und Jugendliche, die zentrale Zielgruppe bei der Weiterentwicklung unserer Sportart, direkt angesprochen und bei Selbstlern- und Selbsttrainingsprozessen unterstützt.
Das vorliegende Buch Tischtennis – Modernes Nachwuchstraining wendet sich indes an die vielen Trainer im Nachwuchstischtennis, um ihnen in einer bisher so noch nicht dargestellten Weise die Wechselwirkung von pädagogischer Führung durch den Tischtennistrainer und der Selbstständigkeit des Tischtennislernenden und die auf diesem Grundkonzept basierenden Lehr- und Lernmethoden zu vermitteln. Es ist in gewisser Weise als Begleitbuch zu den beiden Kindersportbüchern zu verstehen.
Tischtennis – Modernes Nachwuchstraining ist eine Anleitung für Übungsleiter und Nachwuchstrainer für erfolgreiche und moderne Tischtennisausbildung, die Selbstständigkeit zulässt, fördert und entwickelt. Die Kinder und Jugendlichen werden dann viel aktiver am Trainings- und Lernprozess teilhaben und dafür motivierter sein, als wir das bisher vielleicht für möglich gehalten haben. Ich begrüße sehr die Herausgabe der beiden Kindersportbücher und dieses Anleitungsmaterials für die vielen engagierten Trainer in Deutschland und bin überzeugt, dass diese Sportbuchreihe eine wichtige Ergänzung der deutschsprachigen Literatur zum Tischtennistraining darstellt.
Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass das vorliegende Buch bei Ihnen, liebe Trainer, als auch beim Tischtennisnachwuchs genau diejenigen Effekte bewirkt, die von den Autoren beabsichtigt sind.
Viel Erfolg dabei!
Ihr Sönke Geil
Sportdirektor„ Tischtennis Baden-Württemberg e. V.“
1 Einleitung
Man kann einen Menschen nicht trainieren, man kann ihm nur helfen, es selbst zu tun – ein Talent entwickelt sich im und durch Training – Trainieren will gelernt sein.
Es gab mehrere Gründe, dieses Buch Tischtennnis – Modernes Nachwuchstraining zu schreiben. Die wichtigsten Impulse werden vorangestellt.
ERSTENS
Während unserer eigenen sportlichen Entwicklung haben wir viele Anweisungen so ausgeführt, wie der Trainer es uns gesagt hat. Aber oft wussten wir nicht, warum wir das so machen sollten. Viele Trainer gaben nur Anweisungen. Wir aber wollten immer wissen, warum eine bestimmte Übung ausgeführt werden sollte, vor allem, wenn sie von der Wettkampfstruktur abwich, warum wir zum Beispiel Krafttraining an Krafttrainingsgeräten absolvieren sollten, obwohl wir doch Tischtennisspieler waren.
Bereits in den 1970er-Jahren waren Trainingseinheiten der Tischtennisspieler im Kraftraum eher selten. Die Verbindung zum Tischtennis und seinen spezifischen Kraft- und Schnellkraftanforderungen waren meist nicht erkennbar. Ebenso konnte die Frage nach dem Sinn und Zweck des Ausdauertrainings für Tischtennisspieler nicht umfassend beantwortet werden. Erst als aufgrund von Erkenntnissen aus der Trainingswissenschaft der Trainingsumfang ab Mitte der 1970er-Jahre drastisch erhöht wurde, erhielt das Kraft-, Schnelligkeits- und Ausdauertraining eine neue Bedeutung.
Wenn wir heute, nach eigener Erfahrung, Sportstudium, Trainertätigkeit und umfangreicherem Einblick in die Trainingswissenschaft und intensiver Beschäftigung mit der Tätigkeitstheorie der pädagogischen Psychologie, noch einmal anfangen könnten zu trainieren, würden wir selbst vieles anders machen. Und vor allem würden wir früher wissen wollen, wie effektiv und erfolgreich trainiert werden kann. Das war ein wichtiger Grund, warum wir das Tischtennistraining in seinen methodischen Wirkungen auf das Lehrverhalten für Trainer der heutigen Zeit aufbereitet haben.
Leider zeigen Untersuchungen, dass nur bei einem Viertel der Trainingseinheiten im Nachwuchsbereich die Trainer1 das Ziel des Trainings bestimmt hatten und die Sportler dann auch zu diesem Ziel führten. In mehr als der Hälfte der Trainingsstunden wurde nur das Thema des Trainings bekannt gegeben, nicht jedoch das Trainingsziel aufgezeigt, und bei einem Drittel davon wurde nicht einmal das Thema klar formuliert. Was davon bei den Kindern und Jugendlichen ankam, wissen wir nicht.
Den Kindern wird immer wieder gesagt, dass und was sie trainieren müssen, aber sehr viel seltener, wie sie trainieren sollen. Das überrascht insofern, als es als Binsenweisheit gilt, dass das „Talent“, was es auch immer sein mag, nicht ausreicht, um im Sport gut voranzukommen. Ein Talent will richtig angesprochen werden, damit es sich im und durch Training entwickelt. Das bedeutet, dass neben der dauerhaften Lust zum Training auch kindgemäß trainiert werden sollte.
Der „geborene Trainie- rer“ existiert nicht. Trainieren will gelernt sein.
Was nützen alle Bestätigungen, sie oder er sei ein großes Talent, wenn diese Talente dann wenig oder falsch trainieren, die Lust verlieren, wenn es anstrengend wird. Wir wollen mit diesem und den zwei Kinder-Tischtennis- Büchern aufzeigen, wie mit unserem Nachwuchs trainiert werden sollte, denn mit einfachem „Drauflosspielen“ würden unsere Bestrebungen nach Anleitungen für ein leistungsorientiertes und wissenschaftlich durchdachtes Nachwuchstraining im Tischtennis sicherlich nur halb so viel Erfolg versprechend sein.
Wir möchten, dass die jungen Tischtennisspieler1 genauer darüber Bescheid wissen, was sie tun und was damit beabsichtigt wird, weil sie dann dauerhafter motiviert sind. Und der Trainer wird, wenn er es erklären soll, indirekt veranlasst, sich mehr Gedanken zu machen. Es fällt vor allem älteren oder unerfahrenen Trainern oftmals schwer, jungen Spielern Handlungswissen „in ihrer Sprache“, eben kindgerecht, verständlich, zu erklären.
ZWEITENS
Die Zeit, in der Kinder trainieren wollen und können, ist nicht unbegrenzt. Schulische Anforderungen wie Ganztagsschule, begrenztes, qualifiziertes Betreuungspersonal, lange Anfahrtswege und vieles andere schränken die Gelegenheit für das aktive Sporttreiben im Verein ein. Zudem bedeutet Nachwuchstraining in der Regel Mannschafts- bzw. Gruppentraining, bei dem der Trainer nicht alles pädagogisch und trainingswissenschaftlich Notwendige adäquat erklären kann. Er benötigt auch die Selbststeuerung durch den Sportler. Es ist also zwingend, dass wir die Zeit, die zur Verfügung steht, effektiv nutzen.
Wir möchten mit diesem Buch Hinweise geben, wie die Zeit für das aktive Üben und Trainieren auf Kosten des Erklärens und Korrigierens vergrößert werden kann, ohne auf das erforderliche Wissen verzichten zu müssen.
DRITTENS
Das Erlernen einer Sportart und das Trainieren bedeutet nicht nur, „den Körper zu bewegen und Bälle zu schlagen“, sondern es ist auch ein pädagogischer Prozess. Wir möchten, dass nach Wegen gesucht wird, um die der sportlichen Tätigkeit innewohnenden Erziehungspotenziale besser auszuschöpfen und die Entwicklung jedes der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen intensiv und individuell zu fördern.
Und das ist das Ergebnis eines längerfristigen umfassenden Bildungsprozesses, bei dem man Zeit zu verlieren verstehen muss, um Zeit zu gewinnen“, wie es Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) sah.
Man kann einen Menschen nicht trainieren, man kann ihm nur helfen, es selbst zu tun.
Mit diesem Buch wollen wir den Tischtennistrainern von Kindern und Jugendlichen Anregungen geben, wie sie die neuen, speziell dafür geschriebenen Lern- und Trainingsbücher Ich lerne Tischtennis und Ich trainiere Tischtennis2 in ihre Arbeit einbeziehen können und den Kindern und Jugendlichen helfen können, Üben und Trainieren zu lernen.
Der Grundgedanke besteht darin, dass Lernen und Trainieren im Tischtennis zielgerichtete und aktive Auseinandersetzungen mit der Sportart und sich selbst sind.
Wir wollen mit diesem Buch nicht belehren. Wir hoffen aber, Anregungen zu geben, um vielleicht das eine oder andere auszuprobieren. Dieses Buch kann vom Übungsleiter oder Trainer als direkte Arbeitshilfe verwendet werden, um vor allem die Bücher aus der Kindersportbuchreihe Ich lerne Tischtennis und Ich trainiere Tischtennis effektiv für die eigene Arbeit zu nutzen. Es kann auch unabhängig davon die Übungsleiter-, Lehrerund Traineraus- und -weiterbildung ergänzen und bereichern.
Wir verzichten hier bewusst auf abstrakte Theorie und auf eine umfassende Darstellung detaillierter Sachverhalte. Dafür gibt es ausreichend Literatur, die das speziell beabsichtigt und auf die wir in der Literaturübersicht hinweisen. Wir begrenzen uns darauf, die Absichten zu erklären, die mit den Sportbüchern, die direkt für Kinder geschrieben sind, bezweckt sind und Handlungsempfehlungen zu geben, wie mit ihnen umzugehen ist. Dabei versuchen wir natürlich, die theoretischen Aussagen auf die Trainertätigkeit zu transformieren.
Lern- und Trainingsresultate kommen nicht dadurch zustande, dass auf den Lernenden „eingewirkt“ wird, sondern mehr dadurch, dass sich der Lernende und Trainierende mit seiner Sportart und mit sich selbst aktiv auseinandersetzt.
Dieses Buch ist weder „Wundertüte“ noch ein Rezeptbuch. Vieles wird bekannt sein, manches ist vielleicht auch nur anders formuliert. Fühlen Sie sich also bestätigt oder ermuntert. Wir freuen uns auch, wenn Sie etwas Neues für Ihre Tätigkeit als Trainer erfahren.
Für diese Art des Buches gibt es im Tischtennis kaum Vorbilder. Geben Sie uns also eine Rückmeldung, wenn Sie etwas vermissen und wenn Sie etwas anderes sehen möchten. Wir sind für Anregungen jederzeit offen.
Ihre Hinweise senden Sie bitte an das Lektorat des Meyer & Meyer Verlags, Von-Coels-Straße 390 in D-52080 Aachen.
Berndt Barth und Evelyn Simon
2 Der Kindertrainer im Tischtennis
Kinder sind Subjekte ihrer eigenen Entwicklung, niemals nur Objekt unserer Beeinflussung – Lerntätigkeit fördert Selbststeuerungsprozesse, als eine notwendige Voraussetzung für den Erwerb individueller Kompetenzen – Kinder lernen, ihr Anspruchsniveau selbst zu bestimmen – Anforderungsprofil an einen Kindertrainer – festgelegte Abläufe im Training oder beim Wettkampf führen zur Entwicklung stabiler Verhaltensmuster – positive Bekräftigungen ermöglichen – realistisch fordern und individuell fördern – Selbstwahrnehmung des Trainerverhaltens – Wahrnehmungsfehler vermeiden.
Kindertraining ist auf die gesamte Persönlichkeitsentwicklung der Kinder gerichtet. Deshalb sollte ein Kindertrainer immer auch die Besonderheiten des Kindertrainings im Auge haben.
Dabei gelten als wichtige Grundsätze:
Kindertraining bedeutet zuerst die Vermittlung eines langfristigen und stabilen Trainings- und Wettkampfinteresses.
Kindertraining heißt Lerntätigkeit, weil es die Selbststeuerungsprozesse fördert. Es ist kein „verkleinertes und kopiertes“ Erwachsenentraining.
Kindertraining wird planmäßig und systematisch durchgeführt und ist auf die Steigerung der Leistungsfähigkeit und der Belastbarkeit des kindlichen/jugendlichen Organismus gerichtet.
Kindertraining ist in erster Linie spielgemäßes Training. Kindgemäße Spiel-, Übungs- und Vermittlungsformen stehen im Mittelpunkt.
Kindertraining fördert durch vielseitige Trainingsmittel die ganzkörperliche und gesunde sportliche Entwicklung.
Kindertraining ist einheitlich und differenziert zu gestalten. Alle lernen alles, das Talent wird besonders gefördert.
Kindertraining wirkt sozialisierend, weil vor allem das Training in Gruppen gesellschaftliche Normen, Regeln und Verhaltensmuster übt.
Kindertraining sichert positive Erlebnisse, ist freudbetont und erlebniswirksam und verläuft in herzlicher, aufgeschlossener Atmosphäre.
Was ist speziell im Tischtennis zu beachten, wenn Kinder trainiert werden?
Die Kinder können im Tischtennistraining die Faszination des persönlichen und gemeinschaftlichen Erfolgserlebnisses spüren, den Ball rasant hin- und herspielen zu können, die Eigenschaften des Spielgeräts Ball und Schläger herausfinden und dabei gleichzeitig die koordinativen Anforderungen an ihren Körper im Raum erleben. Die „Selbststeuerung“ ihrer Bewegungen wird für sie bei den unterschiedlichsten Aufgaben (Grundstellung/Schlägerhaltung, Schlagtechniken, Beinarbeitstechniken) zur echten Herausforderung. Die Variation der Grundstellung (links- oder rechtshändigen Gegner) und Schlägerhaltung (Rh- und Vh-Griff), der Schlagtechniken (Aufschläge, Rh- und Vh-Techniken) sowie der Beinarbeitstechniken (Ausfallschritt, Umspringen, Sidejump…) sind allgemeine Anforderungen für jeden Tischtennisspieler.
Der Bewegungsdrang ist mit vielen, oft sehr ausladenden Bewegungen verbunden. Schnelle, mitunter sehr unkoordinierte Handlungen wechseln sich mit bewusster Bewegungssteuerung ab. Diese genetisch angelegten Muster sollte und darf man nicht unterbinden.
Die Kinder kommen zum Tischtennistraining, um die technischen Anforderungen des Spielens zu bewältigen, aber auch, um ihre Kräfte mit den anderen Kindern zu messen. Sie wollen die Techniken des Tischtennisspiels (z. B. Spieleröffnung – Spielaufbau – aktiv – passiv) erlernen und sie im Spiel anwenden.
Die Kinder treten gern in den Wettbewerb mit anderen. Sie wollen möglichst exakt messbare Ergebnisse im Wettstreit miteinander. Immer geht es dabei um Sieg oder Niederlage, um das Erreichen der selbst gesteckten Ziele oder vorgegebenen Normen. Nur selten sind sie mit einem Unentschieden zufrieden.
Die Kinder wollen Freude und Spaß am Tischtennis haben. Alles sollte in entspannter Atmosphäre stattfinden. Kein Stress, kein Zwang, sondern das herrliche Erlebnis des Sieges, aber auch das Erlebnis der Bitternis einer Niederlage. Erfolgserlebnisse und verarbeitete Misserfolge bringen Kinder voran.
Die Kinder brauchen sehr viel Spielerfahrung, um die unterschiedlichsten Taktiken in der Spieleröffnung, im Spielaufbau, im Aktiv- und im Passivspiel gegen verschiedene Gegner auszuprobieren. Die Erfüllung der verschiedenen taktischen Aufgaben wirkt sich positiv auf spätere Anforderungen im wettkampforientierten Breitensport, im Leistungs- oder Hochleistungstraining aus und stellt unentbehrliche Erfahrungen für die Leistungsentwicklung im Kindesalter dar.
Die Kinder sollen die unterschiedlichsten taktischen Varianten in Angriff und Abwehr mit ihren Vor- und Nachteilen erfahren und erfühlen. Sie lernen durch Versuch und Irrtum – nicht durch Drill und Anweisung von außen. Sie lernen durch Ausprobieren, Wiederholen, Nachahmen, Handeln und Vergleichen, Verwerfen und Speichern.
Es nützt wenig, Badminton zu spielen, um Tischtennis zu lernen. Beide Fähigkeiten hinterlassen individuelle Spuren im Gehirn.
Auch wenn die Volksweisheit, die sagt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, nicht mehr ganz zutrifft, so bestätigen neurowissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Gehirn in der Kindheit besonders leicht lernt. Es entscheidet sich vor allem in den ersten 15 Lebensjahren, welche Neuronen mit welchen verbunden sind. Bis etwa zu diesem Zeitpunkt entsteht der grundsätzliche Schaltplan der Nervenzellen. Dann ist die Gehirnreifung weitgehend abgeschlossen. Nahezu alle Bahnen, die der Mensch benötigt, sind zumindest grob vorgegeben. Danach werden die vorhandenen Verbindungen verstärkt, die trainiert werden. Die anderen verkümmern. Wenn keine Vorbahnungen gegeben sind, kann auch nicht verstärkt werden.
Doch diese Ansprüche können Sie, lieber Tischtennistrainer, nicht allein realisieren. Dazu brauchen Sie Ihre Tischtenniskinder. Sie sind Ihre Partner – vorausgesetzt, sie werden in den Trainingsprozess aktiv einbezogen und erhalten genügend Handlungsfreiräume, in denen sie ihre Bedürfnisse befriedigen können. Kinder verfügen über viel Anpassungsfähigkeit und -bereitschaft. Der kindliche Drang nach Selbstständigkeit und Selbsterfahrung ist scheinbar unbegrenzt. Selbstgesteuertes Lernen ist eine notwendige Voraussetzung, um individuelle Kompetenzen entwickeln zu können.
Wie Sie diese Möglichkeiten nutzen können
Ganz einfach, betrachten Sie die Kinder nicht als „Empfänger“ Ihrer Anweisungen, sondern als „Partner“ im gemeinsamen Trainingsprozess. Sagen Sie ihnen, warum, wann, welche Übung für sie notwendig ist und welches Belastungsmaß bei welchen Anforderungen besonders günstig ist.
Ist das überhaupt möglich?
Natürlich nicht bis zur letzten Konsequenz. Die für das Kindertraining vielfach geforderte altersgerechte oder altersabhängige Übungs-, Trainings- und Belastungsgestaltung berücksichtigt meist allgemeine biologische, psychologische und pädagogische Entwicklungsstufenmodelle. Sie bieten für den Trainingsprozess auf Grundlage stark verallgemeinerter Durchschnittsangaben einen allgemeinen Orientierungsrahmen zur Abschätzung der Anforderungen entsprechend dem biologischen Entwicklungsstand und dem Trainingsalter der Kinder.
Da gibt es Früh-, Normal- und Spätentwickler, Anfänger oder Kinder, die schon längere Zeit trainieren. Allein das kalendarische Alter bietet keine ausreichende Orientierung. Die Kinder eines Jahrgangs bringen ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit und das biologische Entwicklungsalter kann vom kalendarischen in dieser Alterskategorie 2-3 Jahre nach beiden Seiten abweichen.
Das 12-jährige Kind kann also biologisch wie ein 10-jähriges Kind (Spätentwickler) oder wie ein 14-jähriges Kind (Frühentwickler) sein. Dem biologisch jüngeren Kind muss man Zeit zur Entwicklung lassen und das biologisch ältere Kind sollte man nicht überschätzen. Jedes Kind ist anders.
Ganz unterschiedliche Voraussetzungen bringen die Kinder eines Jahrgangs mit.
(siehe dazu Kap. 7).