Norbert Wickbolds Denkzettel

Norbert Wickbolds

Denkzettel

1. Auflage

Copyright © 2017 by Norbert Wickbold

Layout,Umschlaggestaltung und Illustration: Norbert Wickbold

Korrektorat: Irene Wickbold

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-7345-3543-7 (Paperback)

ISBN: 978-3-7345-3544-4 (Hardcover)

ISBN: 978-3-7345-3545-1 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Norbert Wickbolds

Denkzettel

Die dritte Staffel

Vorwort

Mit der dritten Folge meiner Denkzettel will ich mich einigen Fragen widmen, zu denen uns Wissenschaft und Religion bis heute zufriedenstellende, bzw. glaubwürdige Antworten schuldig geblieben sind. Mir geht es dabei um Antworten, die wirklich weiter helfen oder etwas richtig erklären und dabei meinen geistgen Horizont nicht beschränken oder begrenzen, sondern ihn wirklich erweitern. Ich will es wirklich wagen, die Antworten aus Wissenschaft und Religion zu hinterfragen, auch wenn ich dabei bewusst unwissenschaftlich vorgehe. Auch von Goethe bekomme ich für mein Anliegen Zustimmung:

…die Wissenschaft und die Natur!

Da seid ihr auf der richtigen Spur!

Auch wenn die offizielle Wissenschaft, wie einst die Religion, alle hier behandelten Themen zu ihren Deutungshoheitsgebieten erklärt hat, können die von ihr vorgelegten Deutungen viele Menschen oftmals wenig befriedigen. Inzwischen hat sich mancher Zeitgenosse seine eigene, zum Teil sehr exotische Privatsammlung von Deutungen zugelegt. Im Internet kursieren Begriffe wie fake-news oder, ja: alternative Fakten…Um so wichtiger erscheint mir das Hinterfragen der Ideen, die uns von oft zweifelhaften Freizeitphilosophen präsentiert werden. Ja die Medien bieten viele Antworten und oftmals auch erstaunlich wenige Antworten. Schnell sind Behauptungen in die Welt gesetzt, die keiner ersthaften Überprüfung standhalten. Wirkliche Antworten sind das nicht. Wenn wir die Antworten aus Wissenschaft und Religion hinterfragen, dann sollten wir das erst Recht bei den Ideen tun, die uns von oft zweifelhaften Freizeitphilosophen präsentiert werden.

Gerade weil ich mich durchaus nicht über Wissenschaft und Religion lustig machen will, muß ich ihre Ideen ernsthaft in Frage stellen. Wissenschaftler, die sich mit dem ganz Kleinen befassen und solche, die das ganz Große untersuchen, erweitern ihren Forscherhorizont in bisher nie dagewesener Weise. So ist es durchaus kein Wunder, dass da nicht jeder Laie mithalten kann. Und bei alledem dürfen wir selbst das Wundern nicht vergessen. Denn wir Laien dürfen uns ja durchaus noch wundern. Und zwar im positiven Sinne. Das gilt um so mehr, da die Fachleute oftmals das Staunen und jede Art von Wundern kategorisch ablehnen. Deshalb gehe ich im 8. Denkzettel der Frage nach: Geschehen noch Zeichen und Wunder?

Beim Schreiben der hier vorgelegten Denkzettel habe ich in bewusst unwissenschaftlicher Weise ganz eigene (oder sollte ich lieber sagen eigenartige?) Ideen und Gedanken zu den, von der Wissenschaft oder der Religon aufgeworfenen Fragen, entwickelt. In diesen Denkzetteln geht es munter querbeet durch Raum und Zeit, zurück zum Beginn der Welt bis in die Gegenwart und vom Allerkleinsten zum Allergrößten. Dazu werden überraschende Erkenntnisse geliefert. Etwa zu der Frage, wie der Quark in die Welt kam oder darüber, welcher bisher ungeahnte Zusammenhang zwischen den Krümmungen des Weltraums und des menschlichen Rückens herzustellen ist.

Ich habe den für den zweiten Band benutzten, etwas zu sperrig und missverständlich klingenden Begriff »Dekade« gegen das heute moderne Wort »Staffel« ausgetauscht. Diese dritte Staffel der Denkzettel thematisiert statt alternativer Fakten alternative Fiktionen, in dem Sinne, dass es zu der Art und Weise, wie die hier angesprochenen Themen betrachtet werden, in der Tat Alternativen gibt. Ob diese als Fakten oder als Fantastereien anzusehen sind, dass kann jeder Leser für sich selbst entscheiden.

Norbert Wickbold

Norbert Wickbolds Denkzettel No. 21

Dasein zwischen Hiersein und Wegsein – Sein oder Wegsein – welch eine Frage?

„Hallo! Hallooo! Ist hier jemand? Hallo, ist hier jemand?“

„Pssst, ich bin nicht da!“

„Ist hier jemand?“

„Hier ist niemand, das können Sie mir glauben.“

„Die müssen doch noch da sein!“

„Die sind alle weg.“

„Wo sind die denn? “

„Hier jedenfalls nicht!“

„Jetzt bin ich da, und keiner ist hier! Hey und Sie?“

Sind Sie noch da, oder sind Sie auch schon weg?“

„Ich sagte doch schon, dass ich nicht da bin!“

„Aber Sie sind doch noch hier, ich spreche ja gerade mit Ihnen.“

„Ja schon, aber gleich bin ich weg.“

„Wieso wollen die denn alle weg? Wieso will denn keiner mehr dasein?“

„Ach hören Sie auf, das ist doch kein Dasein! Hier dreht sich alles nur ums Dasein. Um die mühevolle Daseinsbewältigung. Um die immer schwieriger werdende Daseinsvorsorge. Um den harten, alltäglichen Daseinskampf. Und darum, für sich überhaupt erst einmal eine Daseinsberechtigung in der Gesellschaft zu erlangen. Da kann man froh sein, wenn es einem irgendwie gelingt, sein Dasein halbwegs zu fristen!“

„Dennoch haben so viele Menschen eine riesige Angst davor, eines Tages einfach nicht mehr da zu sein.“

„Das ist alles schon dagewesen.“

„Was ist schon dagewesen?“

„Na, dass plötzlich keiner mehr da war.“

„Aber jetzt ist ja auch keiner mehr da.“

„Vielleicht war da schon was!“

„Was soll denn da gewesen sein?“

„Ich glaub, wenn es noch nicht dagewesen ist, dann passiert hier bald was. Und wenn das passiert, was ich glaube, dann sollte man weit weg sein. Also, wenn das wirklich passiert, dann will ich jedenfalls nicht mehr da sein. Das können Sie mir glauben. Ich sollte sowieso schon längst weg sein.“

„Dann bin ich wohl der Einzige, der da bleibt.“

„Für Sie wäre es sicher auch besser, wenn Sie bald hier weg wären.“

„Ich bleib' jetzt so lange da, bis die wieder hier sind.“

„Meinetwegen. Ich bin dann mal weg. Tschüss!“

Weg ist er. Auf und davon. Na schön.»Ich bin dann mal weg!«, war der Titel des Buches1, das so lange auf der Bestsellerliste war, wie vorher kaum ein anderes. Schon komisch, je mehr der weg war, um so mehr war er dann doch da, stellvertretend durch sein Buch. Das wäre eigentlich auch mal ein interessanter Titel: »Ich bin dann mal da!« Aber dann interessiert sich wahrscheinlich keiner dafür. Wie viele Leute sind da, und niemand nimmt Notiz davon. Und wenn man weg ist, trauern sie darum, dass man nicht mehr da ist. Die sollten Einem das vorher schon gesagt haben, was ihnen meist erst bei der Verabschiedung oder der Beerdigung einfällt. Jetzt fällt mir ein, das gibt es ja schon. Das Buch heißt: »Er ist wieder da!«2 Das war sofort, als es herauskam, ein Bestseller. Wie viele Menschen waren damals froh, als »er« endlich nicht mehr da war. »Er«, der dafür verantwortlich war, dass so viele andere nicht mehr da sind. Wäre das auch ein Bestseller, wenn mein oder dein im Krieg gefallener Großvater oder Onkel wieder da wäre? Oder jemand von den vielen im Krieg Verschollenen und Vermissten? Nein, »Er«, der all die vielen, die nicht mehr da sind auf dem Gewissen hat, »seine« Wiederkehr wird gefeiert! Oder wenn »Er« nicht der wäre, sondern Kaiser Barbarossa oder Martin Luther-King oder Gandhi oder gar Jesus von Nazareth. Wäre das auch solch eine Attraktion und einen Bestseller wert? Und natürlich nicht nur »Er«, sondern auch »Sie«! Wenn »Sie« wieder da wäre! Hildegard von Bingen, Rosa Luxemburg oder Madame Curie. Oder wenn die Ur-ur-ur…-Großeltern wieder da wären und aus ihrem Leben erzählen könnten. Oder Adam und Eva könnten uns einen Bericht aus erster Hand vom Paradies geben! …

Vielleicht würden wir auf diese Weise so manche Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Aber dann gäbe es bald nichts Neues mehr. Und Martin Luther mit seinem berühmten Satz: »Hier stehe ich und kann nicht anders.« Wenn der immer noch dastehen würde? Wenn der noch so dastehen würde, wie damals! Wer steht heute noch so da? Da reden die Leute immer davon, dass man Präsenz zeigen soll. Ich steh hier ganz alleine da. Offenbar bin ich der Einzige, der hier Präsenz zeigt. Da zu sein und da zu stehen ist heute wohl nicht mehr sehr beliebt. So ist das für mich wirklich ein Stiefmütterchendasein. Da kann man sich schon etwas allein gelassen fühlen. Da glaubt man, man hätte so viele Freunde, und wenn es darauf ankommt, dann ist keiner da. Ein echter Freund ist wirklich da, wenn man ihn braucht. Und sogar auch dann, wenn er längst nicht mehr da ist. Das kann vielleicht auch ein ideeller Freund sein, wie zum Beispiel der Künstler Paul Klee. Als der da war, war ich selbst noch gar nicht da. Und hier steht ein Zitat von ihm:

»Diesseits bin ich gar nicht greifbar.« Paul Klee