GFK-plus für Paare, Gruppen und Teams

Der Vier-Schritte-Kreis für Kooperationen auf Augenhöhe!

gewidmet:

Marshall Rosenberg,

und jenen, die sich gegenseitig
in den Fluss der Möglichkeiten bringen wollen.

GFK-plus

für Paare, Gruppen und Teams

Der Vier-Schritte-Kreis für Kooperationen auf Augenhöhe!

KommunikationsEntwicklung Gabriel Fritsch
Mannheim 2018

Version: 09.09.2018

Inhalt

Einleitung

Die Philosophie der Gewaltfreien Kommunikation

Was ist die Geschichte, die wir uns über Gemeinsamkeit erzählen?

Die Ausgangslage bei Partnerschaften, Gruppen und Teams

Die GFK-plus-Karten

GFK-plus: Der Vier-Schritte-Kreis zur Gemeinschaftsbildung

Die GFK-plus Basiskarte

GFK-plus: Die vier Felder im Detail

Ist das nur ein Hindernis oder schon ein Konflikt?

Notfall-Emo-Step(r), wenn die Emotionen rotieren

Die Vorbereitung für GFK-plus

Die Vorbereitungskarten für das Individuum

Vorbereitungskarten für das Individuum in seinem Systemverständnis

Die Fehler, die bei GFK-plus zu vermeiden wären

Die Positiv-Faktoren zu GFK-plus

Die besonderen Herausforderungen bei GFK-plus

GFK-plus Tools - die Toolkarten für einen machbaren Prozess

Die GFK-plus Bedarfslisten

GFK-plus-konsensieren - zu einer gemeinsamen Entscheidung finden

Der GFK-plus Diskurs - die Qualität der sachlichen Vermittlung

Systeme, ihre Strukturen und Frames

Die blinden Flecken und der Zwei-Matten-Prozess

Form und Essenz bei GFK-plus

GFK-plus und die künstliche Intelligenz

Resümee

Anlage 1: Bedarfsliste GFK-plus

Anlage 2: Bedürfnisliste GFK

Anlage 3: Teambarometer

Anlage 4: Kulturentwicklung in Bezug auf Haben und Sein

Anlage 5: Interessante Links und Ressourcen

Kontakt

Einleitung

Lange habe ich mich mit den Problemen und Entgleisungen des Miteinanders beschäftigt. Doch es war im Spätsommer 2017, als ich, während ich auf einem Schiff auf einem der wundervollen österreichischen Seen unterwegs war, einen Plan fasste: Ich wollte auf einem der großen deutschen TrainerInnentreffen für Gewaltfreie Kommunikation etwas zukunftsweisendes zum Thema Gruppen und Vernetzung anbieten.

Ideen hatte ich genug und viele Methoden und Ansätze von überall her kannte ich auch. Akribisch bereitete ich mich vor und verbrachte dann auch vier spannende Tage unter den Kolleginnen und Kollegen. Doch mir und wohl auch den meisten anderen war klar, dass das Thema damit nicht ausreichend abgehandelt war, ja noch nicht einmal wirklich begriffen hatte ich es. Doch die Witterung hatten wir aufgenommen und auch noch etwas anderes erkannt: Auch wenn die Gewaltfreie Kommunikation, wie sie uns von dem sehr geschätzten und verehrten Dr. Marshall Rosenberg beigebracht wurde, hervorragend dafür geeignet ist, um Konflikte zu lösen und zwischen unterschiedlichen Ansichten zu vermitteln, so hilft sie uns noch lange nicht, Gemeinschaften gelingend zu strukturieren. Damit schien es uns auf einmal auch völlig logisch, dass viele Partnerschaften, Gruppen- und Teambildungen nicht ausreichend gut mit den bisherigen vier Schritten der Gewaltfreien Kommunikation unterstützt waren, um rein dadurch gelingen zu können. Da musste immer noch einiges an Sympathie, an sozialer Entspanntheit und Reife dazu kommen, denn sonst wurde es schneller ungemütlich, als die Projekte erfolgreich beendet waren.

Im Nachklang des Treffens bildete sich ein kleines Experimentierteam, dem auch ich angehörte. Wir trafen uns einige Male und in den Zwischenzeiten forschte ich nach allen Seiten weiter. Schon bald hatten wir „die vier zusätzlichen Schritte der Gewaltfreien Kommunikation“ entdeckt, die sich kurz darauf zu einem Kreislauf auf vier Feldern umformten. Klar – die Konflikte werden mit den klassischen vier Schritten der GFK in einem linearen Prozess gelöst, doch das organische Miteinander braucht ein zyklisches Vorgehen, wie es die Natur ja auch z.B. in den Jahreszeiten pflegt. So kann ich jetzt dieses Buch präsentieren, als das zwischenzeitliche Ergebnis unserer Experimente und meiner Forschung. Damit sind nun auch alle, die mitmachen wollen, bei dieser spannenden Suche eingeladen, mit zu experimentieren und mit zu forschen bei dem, was wir „GFK-plus“ genannt haben.

Viel Freude und gelingende Gemeinsamkeit dabei!

Die Philosophie der Gewaltfreien Kommunikation

Marshall Rosenberg hatte einen Traum. Es war der Traum von einer Menschheit, die auf destruktive Verhaltensweisen verzichtet, weil sie entdeckt hat, dass es für jede destruktive Strategie eine weit bessere konstruktive Option gibt. Es ist der Traum von einer sehr bewusst gewählten Fürsorglichkeit, die Menschen in ihrer Menschlichkeit ankommen lässt, also bei sich selbst. Dort, wo es kein Richtig und Falsch gibt, keine moralische Schuld und keinen Grund für Scham und Beschämung, dort können sie sich aufrecht und offen begegnen und dann konstruktiv zusammen wirken. Warum auch nicht? Trotzdem ist dieser Traum bis heute ein Traum geblieben.

Heute entscheiden wir uns aus guten Gründen für schlechte Strategien. Größere Zahlen auf dem Konto von Individuen, Unternehmen und Staaten sollen es ermöglichen, ausreichend an den gemeinsam erarbeiteten Werten teilhaben zu dürfen. Wir suchen Schutz und Sicherheit. Abschottung, Waffen und Kriege sollen das gewährleisten. Unser Wunsch nach Wachstum soll befriedigt werden, wobei wir uns auf mehr und immer stärkere Reize, anstatt auf eine verfeinerte Genussfähigkeit konzentrieren. Gereiztheit, Knappheit und Gegeneinander tauchen als logische Folge überall im System auf, auch wenn natürlich nicht jeder davon betroffen ist. Wie sagte mal jemand: Zwar kann theoretisch jeder reich werden, aber nicht alle. Dafür können aber alle unglücklich werden, auch die Reichen und Abgesicherten. Wir ahnen vielleicht, was den Psychologen Rosenberg dazu gebracht hat, seinen Traum nicht in der aktuellen Systemrealität und mit den vorhandenen Lösungswegen zu suchen, zu denen auch die psychologische Betreuung derer gehört, die bei dem weltweiten Wettrennen auf der Strecke bleiben. Um seiner Utopie treu zu bleiben, hängte Rosenberg seinen Job an den Nagel und arbeitete stattdessen kurzfristig sogar als Taxifahrer. Später hat er sein Leben ganz der von ihm entwickelten Gewaltfreien Kommunikation gewidmet.

Während man destruktive Strategien gut alleine planen kann, enthebt sich eine passende konstruktive Lösung am besten aus dem kommunizierenden Feld aller Beteiligten. Die gute Lösung taucht auf, wenn Menschen auf eine bestimmte Weise miteinander vernetzt sind. Somit sind gute Lösungen nicht so individuell planbar wie destruktive oder rein funktionale Ansätze. Das heißt aber nicht, dass sie deshalb schwer zu finden sind. Die Philosophie der GFK1 behauptet, dass in jeder Situation eigentlich immer eine gute Lösung angelegt ist, wobei „gut“ bedeutet, dass diese lebensdienlich, konstruktiv und verbindend ist. Es bedeutet nicht, dass wir immer um Schmerzen und Trauer herum kommen. Schmerz und Trauer sind ja selbst lebensdienlich, konstruktiv und verbindend. Nur sind sie eben auch unangenehm, was in der Natur dieser Gefühle liegt: Sie sollen uns die Umgebung fühlbar machen und uns gleichzeitig zu einer Bewegung auffordern.2 Andererseits können wir auf die Systemspannungsgefühle von Schuld, Scham, Energielosigkeit und Depression sehr gut verzichten. Auch Neid, Hass, Ohnmacht und passive Sehnsucht liegen weniger in der Natur des Menschen an sich begründet, sondern sind stark an den heute noch dominierenden, funktionalen Systemmodus gebunden. Ein misslingendes Miteinander erzeugt ein Spannungsfeld, das den einzelnen faktisch und emotional (über-)fordert. Das Scheitern im System ist immer auch ein gemeinsames Scheitern. Deshalb werden alle individuellen Therapien und Selbstoptimierungsversuche keine grundsätzliche Änderung hervorbringen können. Ansonsten müssten wir ja bei all den Therapieangeboten vor seelischer Gesundheit nur so strotzen und unser Miteinander müsste in aller Pracht blühen. Man sieht das Gegenteil, wenn man offenen Auges durch die Straßen läuft. Nicht wir sind durch diese Maßnahmen kontinuierlich stärker geworden, sondern die Probleme, die Verwirrung und die kommerzielle Nutzung derselben. Natürlich geht es uns auch mal etwas besser, wenn wir aus den Spannungssystemen kurz heraustreten, wieder zu uns kommen und etwas von unserer eigenen Kraft zurückerlangen. Damit ist jedoch das Problem der misslingenden Gemeinsamkeit nicht gelöst. Wir leben eben in einem Systemmodus, der nicht sehr gut funktioniert und wir fühlen uns damit nicht wohl.

Einer der zentralen Begriffe der GFK ist die Empathie. Sie offenbart ein sensitives Band zwischen den Beteiligten. Wir könnten hier die Spiegelneuronen anführen, doch Empathie ist mehr als eine Neuronenaktivität: Sie ist eine ausgereifte Fähigkeit. Sie ist eine Fähigkeit, die nicht bei einer mitempfindenden Resonanz stehen bleibt. Wir entwickeln nach und nach ein Verständnis über die Natur der gelingenden Gemeinsamkeit und so wird die auf Empfindungen limitierte Empathie zu einem empathischen Verständnis. Erst damit kommt es zu der Verbindung von Herz- und Kopfqualitäten, die wir brauchen, um Entscheidungen nicht nur nach Vorteilen und Begehrlichkeiten, sondern auch nach einem allseitig erfüllenden Miteinander zu treffen. Die Empathie ist die Grundlage der speziellen Art von Erkenntnisfähigkeit, die wir für ein gelingendes Miteinander brauchen. Ohne geht es nicht.

In der gelingenden Gemeinsamkeit liegt die Bestimmung des Menschen. Das können wir deshalb so behaupten, weil Menschen so ein Miteinander nicht nur suchen, sondern weil, wenn wir es finden, sie in diesem Miteinander auch ganz bei sich selbst ankommen. Das Ziel ist also gleichzeitig unsere Bestimmung.

Wir sind nach der Philosophie der Gewaltfreien Kommunikation für die gelingende Gemeinsamkeit geschaffen und haben die nötigen Potenziale dazu in uns angelegt. Weil wir aber die Potenziale nicht ausreichend aktiviert haben und die sich daraus ergebenden Fähigkeiten nicht trainiert haben, sind unsere Anlagen etwas verkümmert. Doch das ist wie bei der Muskulatur, wenn ein Gipsverband alle Bewegungen verhindert hat. Langsam schälen wir uns heute aus dem Korsett der funktionalen Systeme, wie ein Schmetterling aus seinem Kokon hervorbricht. Was wir als Raupe konnten, hilft uns nur mehr wenig weiter, und was wir können müssen, wissen wir noch nicht so genau. Wir suchen immer noch nach dem Verständnis für ein neues, organisches Miteinander. GFK-plus soll uns hierbei wesentlich helfen. Nach etwas Training sollte alles schnell ins Lot kommen und der Schmetterling wird fliegen. Seine Schmetterlingsnatur ist nämlich stärker als seine Erfahrung als Raupe.

Die vier Schritte der klassischen GFK

1. Die objektive Situation

2. Das subjektive Gefühl

3. Das individuelle Bedürfnis

4. Die Bitten für eine gemeinsame Strategie

Oder die vier Schritte als Fragen

1. Was ist, für alle Beteiligten gültig, passiert?

2. Was empfindet ein jeder jetzt?

3. Welche Qualitäten bräuchte ein jeder?

4. Wie könnten wir alle Qualitäten – auch mit der Hilfe anderer – verwirklichen?

Eine Lebensphilosophie muss lebbar sein, damit man sie ernst nehmen kann. Marshall Rosenberg hat mit seinen vier Schritten der GFK weltweit und kulturübergreifend aufgezeigt, dass Konflikte aller Art wirklich lösbar sind, sobald wir es uns erlauben, sie entsprechend anzugehen3. Mit den vier neuen Schritten von GFK-plus wollen wir zeigen, dass man nicht nur Konflikte lösen, sondern auch Gemeinschaften bilden kann, die lebensdienlich, organisch und selbstorganisiert sind.

Wer immer den Traum von Marshall Rosenberg teilt, der ist prädestiniert für GFK und GFK-plus. Die Zeitqualität ruft uns auf, Pioniere zu sein und die Gemeinschaften der Zukunft anzustreben. Als Pioniere sollten wir uns gegenseitig unterstützen, damit wir Erfolg haben können. Dazu haben wir jetzt GFK-plus entwickelt.

1 GFK: Gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall Rosenberg

2 Siehe auch: Gabriel Fritsch: Abschied, Trennungen und Verluste – Die Emotionen der Veränderung, für Männer erklärt; Tredition 2015

3 Die klassische Gewaltfreie Kommunikation kann man in ihren Einzelheiten noch einmal genauer betrachten und für die jenen, die tiefer in das Thema einsteigen wollen, mit neuen Erkenntnissen und methodischen Details unterfüttern. Das ändert jedoch nichts an ihrer grundlegenden methodischen Stimmigkeit. Zu klassischen GFK findet man auch jede Menge Bücher im Handel.

Was ist die Geschichte, die wir uns über Gemeinsamkeit erzählen?

Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf

Wir nageln eine Zeitung in einen Bilderrahmen, und schon denkt man: „Oh, ein Bild!“ In der Schule wird das Kind zum Schulkind, in der Uniform zeigt sich der Nachbar als Feuerwehrmann. Später werden wir noch in einem eigenen Kapitel näher über Frames und Framesets sprechen, doch jetzt brauchen wir erst einmal eine Rahmengeschichte vom guten und erfüllenden Miteinander, denn diese Geschichte ist der erste Verständnisrahmen, in dem sich alles andere findet. Er entscheidet, wie wir was wozu denken.

Von Menschen, die sich streiten, hört man immer wieder: „Mit dem kann man nicht sprechen“. Unlängst hörte ich von einer Bekannten: „Diese Person ist doch verrückt.“ Was erzählen wir uns über unsere Mitmenschen? Wer sind sie für uns und wie heißt das Bühnenstück, das wir gemeinsam aufführen? Chuck Spezzano hat einmal gefragt, welchen Kinofilm wir als die Regisseure mit unserem Leben erzählen und wie spannend er ist. Würden wir ihn anderen empfehlen oder wollen nicht einmal wir ihn bis zum Ende ansehen? Viele von uns sind bereits im Kinosaal eingeschlafen und der Film unseres Lebens läuft auf Autopilot. Manche bekommen nicht einmal das Ende mit.

Der Mensch ist dem Mensch eine Giraffe.

Wenn wir GFK-plus verstehen wollen, brauchen wir zuerst eine für uns vorstellbare Geschichte vom gelingenden Miteinander. Es ist eines der tiefsten Bedürfnisse, zum Wohlergehen anderer beizutragen. Menschen können in destruktiven Systemen destruktive Verhaltensweisen lernen, doch es macht sie nicht glücklich, weil sie sich damit von ihrer eigenen Natur entfremden. Junge Soldaten kommen völlig traumatisiert und als mentale Greise aus einem kurzen Kriegseinsatz zurück. Doch niemand zerbricht, weil er jemanden zum Glück verholfen hat. Die eine Strategie liegt in der Natur des Menschen, die andere ist ihm gegensätzlich. Wir hören viel über Siege, die für keine Partei von Gewinn sind, sondern von allen teuer bezahlt werden. Wir kennen Spaß, der keine Freude macht, Rechtsprechung, die keine Fairness in sich trägt, eine Ehre ohne Würde, Bindung ohne Liebe und Dominanz ohne echte Mächtigkeit. Unsere Heldensagen handeln von den größten Verbrechen der Geschichte. In unseren Mediatheken findet sich eine reichhaltige Ansammlung spannender menschlicher Entgleisungen. Nahrung nennen wir das, was durch ein entwürdigendes Gemetzel an den Tieren entstanden ist, denen man zuerst ihr Leben geraubt hat, um sie dann anschließend auch noch abzuschlachten.4

Sind wir überhaupt in der Lage, uns wirklich eine durch und durch gute Geschichte vom menschlichen Miteinander zu erzählen, die spannend genug ist, dass wir sie erleben wollen?

Betrachten wir das, was der dominante oder funktionale Systemmodus nach ein paar Jahrhunderten von uns übrig gelassen hat, gibt das kaum Anlass zu viel Hoffnung. Wir sind nur mehr die Reste von uns selbst. Doch wenn Menschen, die durch ihre Lebenskrisen auf sich selbst zurückgeworfen wurden, in ein GFK- oder GFK-plus-Coaching kommen, sind sie schnell wieder erkennbar als die, die sie ihrer Natur nach sein können, und nicht nur als das, was eine chronische Systemkrise aus ihnen gemacht hat. Die richtige Lösung kann für ein soziales Wesen allerdings nur innerhalb einer gelingenden Gemeinsamkeit gefunden werden und nicht in einer persönlichen Heilung.

Können wir eine Geschichte erzählen, in der das Geben vor dem Nehmen kommt und das Fördern wichtiger als das Fordern erscheint? Es braucht nicht viel, um zu erkennen, dass das Bühnenstück „Unter Wölfen“, das wir momentan zelebrieren, für jeden von uns eine sehr einsam erfahrene Geschichte ist. Das Miteinander der gelingenden Gemeinsamkeit kann dagegen keine einsame Geschichte sein.

Doch wer wollte dazu Sie und mich mit dabei haben? Sind wir nicht dazu verdammt, der einsamen Geschichte zu glauben, weil die Einsamkeit und ihre verführerische Schwester, nämlich die Unabhängigkeit, feste Weltparameter sind? Wer sind wir selbst eigentlich? Was ist die Geschichte, die wir uns über uns erzählen? Und mit welcher Stimme tun wir das? Mit der Stimme unserer Eltern, unserer Lehrer, unserer verflossenen Partner? Mit der nörgelnden Stimme der Unzufriedenheit?

Für GFK-plus brauchen wir eine Geschichte von uns selbst, die aus uns selbst heraus kommt und nicht von anderen über uns erzählt wird. Selbststeuerung geht schließlich auf uns selbst zurück und nicht auf irgendwelche Meinungen über uns oder Unzufriedenheiten mit uns. Dabei ist klar, dass die Fragmente des Wortes Dan..kb…ark…eit für sich genommen kein starkes Bild machen. Doch wenn sie zusammengesetzt sind, können sie die Struktur von Wasser verändern, wie das Masaru Emoto mit seinen Wasserkristallen ja sehr eindrucksvoll aufgezeigt hat5. Auch wir machen zusammen mehr Sinn, als getrennt voneinander, jedenfalls solange unsere Gemeinsamkeit gelingt. So kommt zu einem individuellen Sinn auch noch ein größerer Sinn dazu, wie ja auch der Sinn einer menschlichen Zelle nicht den Sinn des ganzen Menschen in sich tragen und verwirklichen kann. Es ist auch nicht die Zunge des Babys, das zum ersten Mal „Mama“ sagt, sondern es ist das ganze Geschöpf in seiner kleinen Großartigkeit.

Was sind wir in einem System, wenn nicht die Quelle der Bewusstheit? Woher sollte Bewusstsein kommen, wenn nicht von uns? Vom Teppich, von der Registrierkasse oder von den Aktenschränken vielleicht? Wie sieht es mit dem Willen aus, mit der Inspiration, der Kreativität und dem Sinn? Aus welcher technischen Neuheit strömen diese Geisteskräfte in die Systeme hinein? Tatsache ist: Wir können noch so kaputt sein, doch an dieser Stelle ist jedes System von uns abhängig. Wir selbst sind die Quelle von all dem. Dazu kommen noch unser Verständnis und unsere Tatkraft, die heute ja eingekauft werden und für die wir entlohnt werden. Auch diese sind unentbehrlich. Maschinen und Technik können dem Menschen viel abnehmen, doch sie können ihn nicht ersetzen. Wenn es auf dem Mond eine Maschinenkultur gäbe, die Pudding mit 12 Geschmacksrichtungen herstellen und dann wieder vernichten („essen“) würde, wobei sich dadurch insgesamt die Zahl auf einem virtuellen Konto erhöhen würde, das Brutto-Maschinen-Mondprodukt, dann wäre das durch und durch sinnlos. Auch wenn die Maschinen versuchen würden, aus Worten Geschichten zu formen, und diese mit Robotern vor einem erlesenen Roboter-Publikum aufführen würden, machte das keinen Sinn. Erst wenn es für ein Geisteswesen einen Sinn macht, macht es Sinn. Vorher hat es keinerlei Bedeutung. Dabei ist es egal, ob der Inszenierung z.B. eine Cracknutte, ein gescheiterter Manager oder eine angesehene Literaturprofessorin beiwohnen – damit beginnt die Sache Sinn zu machen. Und wenn sich Sinn unter den Wesen verschränkt und ein Sinnfeld6 entsteht, dann wird es noch weit interessanter.

Warum erzählen wir nicht mal eine neue Geschichte über uns. Die Geschichte, wie wir den nicht zu gewinnenden, bestialischen Krieges um Komfort und Sicherheit beenden und als Veteranen alle zusammen ankommen, an dem Ort der wechselseitigen Fürsorglichkeit. Das ist der einzige Ort, der das Recht hat, Heim und Heimat genannt zu werden.

Erzählen wir eine neue Geschichte über die Gemeinsamkeit der Menschen, eine liebevolle, menschliche Geschichte. Und rufen wir die im Krieg gegen das Leben Verbliebenen zurück und laden sie ein zu unserem Spiel, das eigentlich auch ihres ist. Krieg war sowieso immer das Projekt der anderen, nie das der Soldaten. Auch jene, denen alles langweilig geworden ist und die sich in die virtuellen Welten geflüchtet haben, können wir einladen. Lasst uns miteinander tanzen. „Never walk, when you can dance“ – so lautet die Philosophie von Marshall Rosenberg. Und lasst uns auf eine Weise miteinander tanzen, die uns weiter bringt.

4 Ich empfinde insofern ein tiefempfundenes Bedauern, auch wenn ich weiß, dass allseitig zufriedenstellende Lösungen nicht einfach zu finden sind.

5 Masuro Emoto: Die Antwort des Wassers; Koha 2010

6 Womit wir wieder bei Prof. Markus Gabriels Sinnfeldern wären …