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Inhaltsverzeichnis

ZUM BUCH
ZUM AUTOR
LIEFERBARE TITEL
PROLOG
EINS - Das Beil wird geschwungen
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
ZWEI - Das Beil schwebt
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
DREI - Das Beil fällt
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
MANILA
EPILOG
Copyright

ZUM AUTOR

Simon Kernick, 1966 geboren, lebt in der Nähe von London und hat zwei Kinder. Die Authentizität seiner Romane ist seiner intensiven Recherche zu verdanken. Im Laufe der Jahre hat er eine außergewöhnlich lange Liste von Kontakten zur Polizei aufgebaut. Sie umfasst erfahrene Beamte der Special Branch, der National Crime Squad (heute SOCA) und der Anti-Terror-Abteilung.

Mit Gnadenlos (Relentless) gelang ihm international der Durchbruch, mittlerweile zählt er in Großbritannien zu den erfolgreichsten Thrillerautoren und wurde für mehrere Awards nominiert. Seine Bücher sind in dreizehn Sprachen erschienen. Mehr Infos zum Autor unter www.simonkernick.com.

MANILA

Eine Woche später

»Bist du bereit?«, fragte Mike Bolt und streckte seinen Kopf in das Verhörzimmer.

»Die lassen mich gehen?«

»Glaub es oder nicht. Ja, die lassen dich gehen. Auch wenn ich jede Menge Strippen ziehen musste, das sag ich dir.«

Tina stand auf und griff sich ihre Tasche mit den letzten Habseligkeiten, die ihr von ihrer Reise nach Manila geblieben waren. »Danke, Mike, ich bin dir wirklich sehr dankbar.«

»Himmel, Tina«, sagte er und hielt ihr die Tür auf. »Du bist wirklich unfähig, irgendetwas vorschriftsgemäß zu machen, nicht? Die Art und Weise, wie du mit allem und jedem in Konflikt gerätst, hilft niemandem. Am allerwenigsten dir.«

»Ich wollte immer nur Gerechtigkeit«, entgegnete sie starrköpfig und folgte ihm durch den verlassenen Flur. Die Vorstellung, sich von Mike eine Strafpredigt wegen ihrer Fehler anhören zu müssen, war das Letzte, das sie jetzt gebrauchen konnte, obwohl sie zugeben musste, dass er in vielen Punkten recht hatte.

Mike sah sie scheel an. »Ich bin sicher, Dennis Milne hat das auch immer gesagt.«

Tina seufzte, ging aber nicht darauf ein. Sie wollte sich nicht provozieren lassen. Nicht jetzt noch. Eine ganze Woche lang hatte sie schon allen Versuchen widerstanden.

Nachdem sie von der Insel entkommen war, hatte sie es zurück zum Festland geschafft und war in den Hafen von Batangas eingelaufen, ohne von den Polizeibooten, die ihr entgegenbrausten, behelligt zu werden. Sie hatte das Boot an einem verlassenen Pier östlich des Haupthafens festgemacht und war an Land gegangen. Allerdings konnte sie nicht mehr sagen, wo sie den Toyota gelassen hatten, mit dem sie und Milne hergekommen waren. Deshalb nahm sie sich ein Taxi, das sie in eine Privatklinik brachte, wo man ihre Wunden säuberte und den tiefen Skalpellschnitt nähte, den Wise ihr verpasst hatte. Schließlich fand sie ein kleines Hotel und verbrachte den Rest der Nacht damit, die Live-Berichterstattung von der Explosion auf Verde Island zu verfolgen.

Am nächsten Morgen fand sie den Toyota, den sie zwei Tage zuvor gemietet hatte, und fuhr damit zum Flughafen, in der Hoffnung, schnellstmöglich einen Flug nach England zu bekommen. Doch als sie ihn bei Hertz abgab, weckten die Einschusslöcher und Schrammen den Verdacht der Angestellten. Ihr ähnlich ramponiertes Äußeres trug wenig dazu bei, ihn zu zerstreuen, obwohl sie eine einigermaßen plausible Geschichte über einen bewaffneten Raubüberfall parat hatte. Noch während sie das Schadensformular ausfüllte, betraten vier bewaffnete Polizisten mit gezückten Revolvern die Halle und verhafteten sie vom Fleck weg.

Als sie sie ins Hauptquartier der Nationalpolizei in Quezon City am Stadtrand von Manila verfrachteten, ahnte Tina bereits, dass die Sache nicht gut stand. Die beiden folgenden Tage verhörte man sie Tag und Nacht über ihre Rolle bei der Unterstützung des angeblich immer noch flüchtigen Mörders Dennis Milne. Tina hatte genug Erfahrung, um zu erkennen, wie wenig man gegen sie in der Hand hatte, deshalb stritt sie alle Anschuldigungen rundweg ab.

Den Hauptvorwurf allerdings – nämlich dass man ihre Tasche in dem Hotelzimmer gefunden hatte, in dem sie und Milne die Nacht miteinander verbracht hatten – konnte sie kaum entkräften. Ebenso den Vorhalt, warum sie aus dem Fenster gesprungen sei, anstatt abzuwarten und den Beamten Rede und Antwort zu stehen.

Tina behauptete stur, sie habe Milnes Identität nicht gekannt und sei aus dem Fenster gesprungen, weil sie nicht gewusst habe, dass die Männer an der Tür Polizisten waren. Niemand glaubte ihr. Trotzdem gab es nichts, was sie mit den Morden, derer Milne verdächtigt wurde, in Verbindung brachte, und da Tina unbeirrt bei ihrer Geschichte blieb, konnte die Polizei ihr wenig anhaben, zumal sie eine mehrfach ausgezeichnete britische Polizistin war, die keinerlei Vorstrafen aufwies und auch nie mit Milne zu tun gehabt hatte.

Nach mehreren Besuchen des britischen Konsuls schließlich, der sie immer wieder gedrängt hatte, mit den Behörden zu kooperieren, durfte sie schließlich ein vertrautes Gesicht begrüßen. Das von Mike Bolt. Er sei, so sagte er, im Rahmen eines neuen Abkommens zur Drogenbekämpfung in offizieller SOCA-Mission unterwegs und könne nicht versprechen, sie da rauszuholen. Aber er würde sehen, ob sich einiges machen ließe.

Und nun hatte er, wie es schien, Erfolg gehabt.

Als Tina die Entlassungspapiere unterschrieben hatte und sie in Mikes Mietwagen zum Flughafen fuhren, wandte er sich an sie und fragte kalt: »Und? Was ist wirklich passiert, Tina?«

»Hat die philippinische Polizei dich nicht informiert?«, fragte sie zurück und rieb sich vorsichtig über die frische fünf Zentimeter lange Narbe auf ihrer rechten Wange, eine Angewohnheit, die sie sich in den vergangenen fünf Tagen zugelegt hatte.

»Das haben sie. Aber sie glauben dir nicht. Ebenso wenig wie ich. Du schuldest mir etwas, Tina. Du schuldest mir die Wahrheit.«

»Ist das off the record?«

»Das hängt davon ab, wie weit du gegangen bist.«

Sie war weit gegangen, weiter als jemals zuvor. Doch Mike hatte recht. Sie schuldete ihm die Wahrheit. Und am Ende vertraute sie ihm.

Und erzählte ihre Geschichte. Alles. Selbst wie sie Wise getötet hatte. Sie hatte gehofft, wenn sie es sich von der Seele redete, würde sie sich besser fühlen, aber das Gegenteil war der Fall. Sie fühlte sich noch elender.

Als sie geendet hatte, musste Mike tief durchatmen. »Gütiger Himmel, Tina.«

»Du wolltest die Wahrheit wissen, Mike. Das ist die Wahrheit. Und? Was hast du vor? Willst du mich verhaften lassen?«

»Nein«, sagte er, wie sie es erwartet hatte. »Aber ich werde mit der amerikanischen Botschaft über die Bombe sprechen müssen und ihnen mitteilen, wer an dem Komplott beteiligt war. Und ihnen sagen, dass Dennis Milne irgendwo in all der Asche verstreut liegt. Ich werde dich außen vor lassen.«

»Ist sonst noch jemand zu Tode gekommen? Und wie schlimm ist die radioaktive Verstrahlung?«

»Die beschränkt sich auf einen kleinen Bereich der Insel und ist geringer als ursprünglich befürchtet. Aber sie haben noch keine menschlichen Überreste bergen können, und ich bin nicht sicher, ob es überhaupt etwas zu bergen gibt.«

Sie musste an Milne denken. Fragte sich, was er wohl gedacht hatte, als er auf den Knopf gedrückt hatte, und wie einsam er sich gefühlt haben musste.

»Ich habe getan, was ich für richtig hielt, Mike«, sagte sie müde.

»Und jetzt glaubst du, du kannst einfach nach England zurückkehren und deinen Dienst wieder aufnehmen. Recht und Ordnung verteidigen, so als wäre nichts passiert?«

»Ich hoffe«, erwiderte sie, aber sie war sich nicht mehr sicher, ob sie überhaupt daran glaubte. Oder ob sie überhaupt noch wollte. Ihr Leben hatte sich in den letzten Tagen dramatisch verändert, und sie konnte sich nur schwer vorstellen, jemals zur Normalität zurückzukehren.

»Hast du etwas über Bertie Schagel herausfinden können?« , fragte sie, nachdem sie eine Weile lang geschwiegen hatten. Sie hatte Mike gegenüber Schagel bereits vor zwei Tagen als den Mann identifiziert, der Wise die Bombe geliefert hatte.

Mike schüttelte den Kopf. »Der Name taucht in keiner unserer Datenbanken auf. Hast du sonst noch Hinweise, mit denen wir ihn identifizieren könnten?«

»Nein. Nur seinen Namen.« Tina fühlte sich leer. Wise war tot, aber Schagel, oder wie auch immer er heißen mochte, lief irgendwo frei herum. Es gab da also noch etwas, was sie zu Ende bringen musste. »Darf ich rauchen?«

»Muss das sein?«

»Ich fürchte, ja.«

»Von mir aus, dann rauch. Bei Licht betrachtet, dürfte das eine deiner geringeren Sünden sein.«

Tina musste zugeben, dass er damit wohl auch recht hatte.

»Du hast mich nach jemandem mit Namen Emma Pettit gefragt, die einmal in Bangkok gelebt hat. Wie passt sie ins Bild?«

»Sie war eine Zeit lang Milnes Freundin und ist die Mutter seines Kindes. Aber er musste sie verlassen und hat sein Kind nie kennengelernt. Das hat ihm wehgetan. Sehr sogar. Ich wollte …«

Sie sprach den Satz nicht zu Ende, wusste nicht mehr, was genau sie eigentlich gewollt hatte.

»Ich wollte ihr vielleicht eine Nachricht überbringen. Sie wissen lassen, dass er sich stets um sie und das Kind gesorgt hat.«

Mike wandte den Blick von der Straße und sah sie an. Zum ersten Mal lag etwas wie Mitgefühl in seinem Blick.

»Emma Pettit hat ihr Kind nie zur Welt gebracht. Sie kam vor zweieinhalb Jahren bei einem Autounfall in der Nähe ihres Elternhauses in Worcestershire ums Leben. Sie war im achten Monat schwanger.«

Die Worte trafen Tina, und ein paar Augenblicke lang konnte sie nicht antworten.

»Es tut mir leid«, sagte Mike in die Stille. »Aber wenigstens wird er es nie erfahren.«

»Nein«, erwiderte sie und kämpfte mit den Tränen. »Ich schätze nicht.«

Sie erinnerte sich an ein Sprichwort, das ihre Mutter immer benutzte: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Als er seinen ersten Mord beging, hatte Milne den Weg der Selbstzerstörung eingeschlagen. Es hatte nie einen Weg zurück gegeben, und er war gestorben, wie er gelebt hatte und wie er es verdient hatte. Das bedeutete allerdings nicht, dass die Welt fair war. Manchmal widerfuhren auch guten Menschen schlimme Dinge. Zum Beispiel Emma Pettit und ihrem ungeborenen Kind. Doch manchmal gab es Gerechtigkeit, und die, die sich versündigten, bezahlten am Ende dafür. Etwa Wise. Oder Heed. Oder Tomboy. Und Dennis Milne.

Tina selbst hatte ebenfalls gesündigt. Sie hatte das Gesetz in die eigenen Hände genommen und kaltblütig getötet.

Eines Tages würde auch sie dafür bezahlen müssen.

Bis dahin, so dachte sie, während sie aus dem Fenster in den Verkehr starrte, war es nur eine Bürde mehr, mit der sie würde leben müssen.

EPILOG

Bangkok, August

Ein Donner rollte über den schmutzig grau verhangenen Himmel. Erik Theunissen ging die Stufen seines Hauses in Bangkoks vornehmem Thong-Lo-Viertel hinunter und über die Kiesauffahrt zu seinem wartenden Jaguar, der ihn zum Flughafen Suvarnabhumi bringen sollte. Von dort wollte er mit Thai Airways nach Phnom Penh, wo – wenn seine Informationen stimmten – in einem seiner Häuser ein besonders attraktives junges Mädchen auf ihn wartete. Sie sei äußerst belastbar, hatte der Menschenhändler ihm versichert, und, solange die Bezahlung stimmte, auch zu ausgefallenen Praktiken bereit, ohne sich zu beklagen. Theunissen war dieses Privileg dreitausend Dollar wert, die Bezahlung also stimmte schon mal. Als Connaisseur, der seine sexuelle Befriedigung aus dem Zufügen von Schmerzen bezog, war er bereits jetzt erregt, wenn er an die bevorstehende Nacht dachte, die er mit dem Mädchen verbringen würde.

Überhaupt lief derzeit alles bestens. Er hatte soeben den Deal klargemacht, einem chinesischen Geschäftsmann für acht Millionen Dollar einen gestohlenen Braque zu vermitteln, wobei allein fünf Millionen als Provision in seine eigene Tasche fließen würden. Und auch der Verkauf von Motoren für unbemannte Drohnen an die iranische Armee stand kurz vor dem Abschluss und würde ihm – wenn er glatt über die Bühne ging – zehn Millionen einbringen. Theunissen war ein cleverer Zwischenhändler, ein Mann, der alles beschaffen konnte, solange der Kunde den geforderten Preis zahlte.

Nichtsdestotrotz war es eine riskante Branche, in der er sich bewegte. Vor einem halben Jahr hatte er für eine Horde islamistischer Fundamentalisten auf den Philippinen eine schmutzige Bombe besorgt, und die Geschichte war spektakulär in die Hose gegangen. Noch ehe der Deal zustande kam, war die Bombe im Haus seines Geschäftspartners explodiert, und dabei waren sowohl sein Partner als auch die Käufer ums Leben gekommen. Ohne Deal kein Geld, und so musste Theunissen die eineinhalb Millionen Dollar, die er an die Russen bezahlt hatte, abschreiben. Zudem hatte er einige schlaflose Nächte damit verbracht, darüber nachzugrübeln, ob das Missgeschick auf ihn zurückfallen und eine Bedrohung für ihn darstellen könnte. Immerhin waren die Amerikaner hochgradig daran interessiert, die Herkunft der Bombe zurückzuverfolgen, was man ihnen nicht wirklich vorwerfen konnte, wären sie doch das Ziel des Anschlags gewesen. Andererseits, beruhigte sich Theunissen, war er ein Meister im Verwischen seiner Spuren.

Sein Fahrer, ein junger dunkelhäutiger Bursche aus dem Norden, sprang sofort aus dem Wagen und riss mit einer Respekt bezeugenden Verneigung die Fondtür für ihn auf. Während Theunissen seinen mächtigen Körper auf die Rückbank zwängte, nahm er Theunissens Reisetasche und verstaute sie im Kofferraum.

Theunissens Bodyguard Hans, ein gewaltiger nordischer Hüne, saß reglos auf dem Beifahrersitz. Er machte sich nicht einmal die Mühe, sich umzudrehen und seinen Boss zu begrüßen. Typisch, dachte Theunissen. Ungehobelter Hurensohn. Aber für die fünfundsechzigtausend Dollar, die er ihm jährlich zahlte, durfte er etwas mehr Respekt erwarten.

»Wann geht unser Flieger?«, herrschte er ihn deshalb an.

Hans gab keine Antwort.

Und bewegte sich auch nicht.

»Verdammt, Hans, ich hab dich was gefragt.«

Immer noch keine Antwort.

War der Idiot etwa eingeschlafen?

Theunissen beugte sich vor und schlug ihn mit der Hand ins Genick. »Ich hab dich was gefragt, Schwachkopf.«

Doch als er das Blut sah, das aus einer silberdollargro-ßen Wunde in Hans’ Schläfe rann, blieben ihm die Worte im Hals stecken.

In diesem Augenblick öffnete der Fahrer, den er erst vor einem Monat eingestellt hatte, die Fondtür und richtete mit einem verqueren Lächeln eine Pistole auf seinen Boss.

»Allahu Akbar«, rief er. »Das ist für meine Brüder.«

Und da realisierte Theunissen, dass er einen tödlichen Fehler begangen und die Reichweite des fundamentalistischen Netzwerks unterschätzt hatte.

Er hob die Hände in einer abwehrenden Geste, aber es war zu spät.

Das Letzte, was der Mann, den man auch als Bertie Schagel kannte, hörte, war der Schuss, der in seinen Ohren explodierte.

Und dann war auch er Geschichte.

ENDE

1

Hongkong. Eine der modernen Städte des 21. Jahrhunderts, ein architektonisches Wunderwerk, das einen packt, sobald man den Flughafen verlassen hat und über die elegante, fast verkehrsfreie Autobahn gleitet, über gewaltige Brücken, die sich wie stählerne Skelette über eine blaugraue See strecken, die erfüllt ist von Dschunken und Frachtern, die in einen der großen natürlichen Häfen der Welt ein- und auslaufen. Sieben Millionen Menschen leben auf dieser winzigen bergigen Insel, und Teile davon sind noch immer vom selben subtropischen Grün überzogen, das hier bereits vor zehntausend, vielleicht sogar einer Million Jahren wuchs. Genauso birgt die Insel aber auch einen Wald aus Glas und Beton, zahllose Wolkenkratzer, die wie gegeneinander wetteifernd in den wabernden weißen Dunst ragen, der oft an den Berggipfeln klebt. Egal ob man große Städte mag oder nicht, von Hongkong wird man unweigerlich angezogen.

Ich persönlich mag große Städte nicht besonders. Ich habe fast zwanzig Jahre in London verbracht, und mein Bedarf an Metropolen ist für mehrere Leben gestillt. Heute wohne ich in der heißen, schläfrigen Stadt Luang Prabang in den Wäldern von Nord-Laos. Zwischen ihr und Hongkong liegen nur etwa tausend Kilometer Luftlinie, aber gefühlt sind es hunderttausend, und deshalb empfinde ich Luang Prabang als unendlich viel angenehmer. Dennoch stieg auch in mir ein leises Gefühl von Ehrfurcht und Bewunderung auf, je näher das Taxi mich Hongkong und meinem Bestimmungsort brachte.

Ich war erst einmal dort gewesen, vor achtzehn Monaten, damals, um einen Mann zu töten – einen penetranten, korrupten britischen Ex-Pat, der sich für unverwundbar hielt, es aber nicht war. Doch das ist eine andere Geschichte. Diesmal sollte ich den Mann treffen, der mir gelegentlich Aufträge verschaffte. Er hieß Bertie Schagel, und er war Holländer.

Also, normalerweise mag ich Holländer. Sie sind eine clevere Truppe und sprechen immer ein ausgezeichnetes Englisch, was die Kommunikation erheblich vereinfacht. Bertie Schagel sprach auch ausgezeichnet Englisch, aber er war kein netter Mensch, sondern einer der abstoßendsten Typen, denen ich je begegnet bin – und leider bin ich in meinem Leben einer ganzen Reihe davon begegnet. Ich schuldete ihm viel, und während der letzten drei Jahre hat er diese Schuld immer wieder zurückgefordert. Es war Schagel, der mich hierherbestellt hatte, um den Ex-Pat zu töten, und offenbar war dies sein wesentlicher Geschäftszweig: im Auftrag anderer Leute Personen eliminieren zu lassen. Dank der Wolfsnatur des modernen, globalisierten Kapitalismus schien an Aufträgen kein Mangel zu herrschen.

Tatsächlich wusste ich über Bertie Schagel äußerst wenig. Aus Sicherheitsgründen trafen wir uns, wenn er einen Job für mich hatte, stets an verschiedenen Orten in Südostasien, sodass ich keine Ahnung hatte, wo er lebte. Ich hatte auch keine Telefonnummer, um ihn zu kontaktieren. Er erledigte die gesamte Kommunikation per E-Mail über diverse Hotmail-Accounts und beschränkte sich, was Einzelheiten anging, immer auf das Minimum. Wenn er mich für einen Job brauchte, schrieb er mir eine Nachricht in den Entwürfe-Ordner eines Accounts, zu dem nur wir beide Zugang hatten, und teilte mir so mit, wo und wann wir uns treffen würden. Sofort nachdem ich sie gelesen hatte, löschte ich die Nachricht und schrieb meine Antwort, meist die Bestätigung des Treffens, ebenfalls in den Ordner. Auf diese Weise liefen nie Nachrichten kreuz und quer über das Netz, und unsere Korrespondenz konnte nicht von interessierten Dritten verfolgt werden. In geschäftlichen Dingen war Schagel extrem vorsichtig. Offen gestanden könnte ich Ihnen nicht einmal sagen, ob er wirklich Bertie Schagel hieß. Ich bezweifle es stark. Ich wusste nur eines mit Sicherheit, nämlich dass er absolut skrupellos war, und wenn ich hätte aufhören können, für ihn zu arbeiten, hätte ich es getan.

Doch zumindest für den Moment war ich an ihn gekettet, deshalb kam ich gelaufen, als er rief, genau wie er es erwartet hatte.

Ich sagte dem Taxifahrer, er solle mich vor dem L’Hotel absetzen, einem blitzenden Vierzig-Stockwerke-Turm in der Causeway Bay. Nachdem er davongefahren war, nahm ich meine Tasche, die ich wie befohlen mit ausreichend Kleidung für drei Tage gepackt hatte, und ging die auf beiden Seiten von monolithischen Gebäuden gesäumte Causeway Road zurück, bis ich die grüne Oase des Victoria Parks erreichte.

Inzwischen war es später Nachmittag und für einen Februartag ungewöhnlich warm und feucht. Immerhin schaffte die Sonne, die langsam hinter Kowloon versank, es noch einmal, ihren Kopf durch die Wolkendecke zu strecken. Auf einer der Rasenflächen war eine Tai-Chi-Klasse für Senioren in vollem Gange, während auf den Bänken ringsum Pärchen aller Altersklassen die Abendsonne genossen und Händchen hielten.

Ich hielt beim Gehen den Kopf gesenkt und vermied es, jemandem in die Augen zu sehen. Diese Menschen mochten wohl einheimische Chinesen sein, die mich in einer Million Jahren nicht als flüchtigen Ex-Polizisten aus England erkannt hätten, einen Mann, der seit fast einem Jahrzehnt von Interpol wegen Mordes gesucht wurde, doch ich hatte schmerzhaft lernen müssen, dass es so etwas wie übertriebene Vorsicht einfach nicht gibt. Verstohlen schaute ich mich um und spürte plötzlich einen Stich. Eifersucht. Da ich schon so lange auf der Flucht war, befand ich mich in einem Zustand immerwährender Einsamkeit, und es schmerzte mich, das gesetzte, partnerschaftliche Leben der anderen beobachten zu müssen, weil es mich ständig an das erinnerte, was ich nicht hatte.

Am Ende des Parks ging ich über die Fußgängerbrücke, die den sechsspurigen Victoria Highway überspannte, bewegte mich getreu meinen Instruktionen entlang der modernen Hafenanlage des Causeway-Bay-Hafens und wunderte mich, wie still es hier war. Schließlich kam ich an eine steinerne Treppe, die hinunter zum Wasser führte. Ein weißes Dinghi mit Außenborder, in dem ein mir unbekannter, muskulöser, westlich aussehender Mann mit T-Shirt und Sonnenbrille stand, schaukelte in der Dünung. Der Mann nickte mir beiläufig zu, wortlos stieg ich die Treppe hinunter und in das Boot, während er den Motor anwarf und ablegte.

Überall im Hafen ankerten Trauben von Booten, die teuersten nahe der Küste, während die einheimischen Dschunken in entfernte Ecken an der Hafenmauer verbannt waren. Deshalb überraschte es mich nicht, dass unsere Reise nur gute fünfzig Meter währte, ehe wir am Heck einer der elegantesten Yachten festmachten. Wenn es um seine Bequemlichkeit ging, zählte Bertie Schagel nicht zu denen, die knauserten.

Auf dem Deck erschien ein zweiter Westler, ebenfalls in T-Shirt und Sonnenbrille, ergriff das hochgeworfene Tau, während ich die Stufen hinaufging. Auf dem Fiberglas rutschte ich aus und wäre fast rücklings gestürzt, sodass er meinen Arm packen und mich festhalten musste. Ich nickte dankend und erkannte ihn wieder. Er war schon bei meiner letzten Begegnung mit Schagel in einem Singapurer Hotel dabei gewesen. Deshalb war es mir ein bisschen peinlich, für einen Augenblick meine coole Contenance verloren zu haben, auf die ich in solchen Situationen Wert lege.

Der Typ deutete zum Unterdeck, und mit einem letzten Blick auf die untergehende Sonne stieg ich durch die Tür in die klimatisierte Kühle und betrat schließlich einen schummrigen Raum, in dem ein sehr massiger Mann mit einem sehr massigen Schädel in einem riesigen ledernen Klubsessel thronte, der sich allerdings wie angegossen um seinen wabernden Fettbauch schmiegte. Bertie Schagel hatte sein dünn gewordenes graues Haar zurückgegelt, er trug einen schwarzen Anzug, darunter ein schwarzes Seidenhemd, aus dessen geöffnetem Kragen dichte drahtige Strähnen seiner Brustbehaarung hervorragten. In der einen Hand hielt er ein überdimensionales Glas mit einer alkoholischen Flüssigkeit, in der anderen eine halb gerauchte kubanische Zigarre, wodurch er wirkte wie ein früh vergreister Meat Loaf, der sich in ein Gordon-Gekko-Kostüm gezwängt hatte.

»Ah, Dennis, schön, dass Sie es geschafft haben«, sagte er mit einem aufdringlichen Grinsen, wobei er sich allerdings nicht die Mühe machte, sich aus seinem Sessel zu erheben, was wahrscheinlich auch viel zu lange gedauert hätte. »Setzen Sie sich. Kann ich Ihnen einen Drink anbieten? Oder etwas anderes?«

Normalerweise hätte mich schon die Aussicht geschreckt, weil ich Geschäft und Vergnügen strikt trenne und keinen Augenblick mehr mit Schagel verbringe als absolut nötig. Doch der Flug von Bangkok hierher hatte mich weichgekocht, deshalb sagte ich, ich würde ein Bier trinken. »Singha, wenn Sie haben.«

»Wir haben alles«, entgegnete Schagel, ehe er sich halb umdrehte und jemandem eine Anweisung gab.

Sekunden später kam ein dunkelhäutiges Thai-Girl mit blond gebleichten Haaren herein und brachte mir das Bier. Sie konnte höchstens achtzehn sein, und damit war sie mindestens dreißig Jahre jünger als Schagel. Sie trug eng sitzende Hotpants aus Jeansstoff und ein noch enger sitzendes Oberteil mit Spaghetti-Trägern, das wie eine zweite Haut an ihrem jungenhaften Körper klebte. Als sie die Flasche auf einem mitgebrachten Untersetzer auf dem Beistelltisch aus Teakholz absetzte, beugte Schagel sich vor und klatschte ihr mit einem widerlich geilen Schielen so heftig auf den Hintern, dass es schmerzhaft knallte. Das Mädchen zuckte zusammen, ließ sich ansonsten aber nichts anmerken und zog sich ohne ein Wort zu sagen oder meinem Blick zu begegnen zurück.

Es war eindeutig, dass Schagel sie zu meiner Unterhaltung demütigte. Er schien das zu genießen. Einmal, bei einem unserer anderen Treffen, hatte ich warten müssen, während er im angrenzenden Raum jemanden zusammenschrie. Ich habe nie erfahren, ob es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt hatte, weil das Opfer nicht ein Wort entgegnete. Er beendete seine Tirade mit einer hörbaren Ohrfeige, ehe er zu mir ins Zimmer kam und mich mit seinem verschlagenen, wissenden Lächeln begrüßte. Ich schätzte das als seine Art ein, mich daran zu erinnern, dass er der Boss war, die vollständige Kontrolle besaß und ich oder sonst wer nichts dagegen tun konnte.

Nur einmal hatte ich mich über einen Befehl von ihm hinweggesetzt. Ich sollte in Kuala Lumpur eine ältere russische Hausfrau töten, offenbar im Auftrag ihres Gatten, der sich nicht den Mühen einer Scheidung unterziehen wollte. Der Mann musste offenbar reichlich angepisst gewesen sein, denn er verlangte, dass man sie an einen entlegenen Ort verschleppte, sie dort vor laufender Kamera köpfte und ihm die Aufnahme aushändigte.

Ich bin immer wieder überrascht und betrübt, wie krank der Mensch sein kann. Als Schagel mich für den Job instruierte, ging mir auf, wie tief ich gesunken sein musste, um mich überhaupt auf ein solches Gespräch einzulassen. Er bot mir einhundertfünfzigtausend Dollar an, das Dreifache des üblichen Satzes … und es war klar, dass er selbst noch einmal verdammt viel mehr dafür kassierte. Doch ich lehnte rundweg ab.

Ich bin kein guter Mensch. Ich habe immer schon ohne mit der Wimper zu zucken Männer getötet, die es verdient hatten. Und ich habe wahrscheinlich auch Menschen getötet, die es nicht verdient hatten. Streichen Sie das wahrscheinlich. Ich weiß, dass ich es getan habe. Ich habe mich zum Richter, zur Jury und zum Henker in einer Person aufgeschwungen, als ich nicht das geringste Recht dazu hatte. Aber ich habe auch eine Menge schlafloser Nächte darüber verbracht. Bin mitten in der Nacht schweißgebadet und verängstigt hochgeschreckt, weil mich die Geister der Toten in meinen Träumen heimsuchten, wissend, dass sie mich bis ans Lebensende verfolgen würden und vielleicht noch darüber hinaus. Ich habe eine Moral. Ich rede mir ein, die Morde, die ich verübe, richteten sich gegen Personen, die Verbrechen begangen hatten. Die nicht unschuldig waren. Diese Frau damals hatte nichts verbrochen, deshalb habe ich sofort eine Linie gezogen, auch weil ich wusste, dass letztlich meine geistige Gesundheit davon abhängen würde.

Schagel hatte es nicht gut aufgenommen. Er hatte mich gedrängt und bedroht, behauptet, er könne mich jederzeit verhaften lassen und dafür sorgen, dass ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbrächte. Das mochte stimmen. Er wusste weitaus mehr über mich als ich über ihn. Zumal er mich mit der falschen Identität ausgestattet hatte, unter der ich gegenwärtig lebte. Und im Gegensatz zu mir hatte er mächtige Freunde. Doch ich blieb hart, und schließlich gab er auf. Er verriet mich auch nicht an die Polizei. Ich schätze, unterm Strich war ich zu nützlich für ihn. Unglücklicherweise las ich einige Wochen darauf, dass der kopflose Leichnam einer sechsundfünfzig Jahre alten russischen Staatsbürgerin am Rande von Kuala Lumpur aus dem Klang River gefischt worden war. Meine Weigerung mochte bewirkt haben, dass ich mich ein wenig besser fühlte, aber offensichtlich hatte sie ihr nichts genutzt.

Ich setzte das Bier an und nahm einen langen tiefen Schluck, genoss die Kühle und den hopfigen Geschmack. Manchmal gibt es wenig im Leben, das besser ist als ein kühles Bier.

»Nun, Mr. Schagel, was verschaffte mir Ihre Einladung?«

»Ahh, Dennis, wie immer direkt auf den Punkt. Das gefällt mir an Ihnen.«

Er lächelte sein Echsenlächeln und faltete die Hände im Schoß, wobei er vernehmlich mit den Knöcheln knackte.

»Dann will ich auch ohne Umschweife zur Sache kommen. Es geht um einen Job auf den Philippinen – ein Land, mit dem Sie vertraut sind.«

Ich nickte. Die Philippinen. Ich war seit sechs Jahren nicht mehr dort gewesen und fragte mich sofort, woher Schagel so genau wusste, dass ich das Land kannte. Ich hatte es ihm mit Sicherheit nicht gesagt, und eigentlich war niemand informiert über die drei Jahre, die ich dort nach meiner Flucht aus Großbritannien verbracht hatte. Doch für den Augenblick beließ ich es dabei. »Wer ist das Opfer?«

»Ein irischer Ex-Pat und langjähriger Resident in Manila. Sein Name ist Patrick O’Riordan.« Schagel griff hinter seinen Stuhl und förderte einen einfachen braunen Umschlag zutage, den er mir in die Hand drückte.

Ich öffnete ihn und zog das DIN-A-4-große Porträtfoto eines durchtrainiert wirkenden Mitfünfzigers mit ausgeprägten Wangenknochen heraus. Er hatte die Andeutung eines selbstsicheren Lächelns aufgesetzt und sah direkt in die Kamera, wie jemand, der mit sich und der Welt im Reinen war. Was wahrscheinlich auch zutraf. Allenfalls die auftoupierten grauen Locken wollten nicht so ganz zu seiner markanten Erscheinung passen.

»Es sollte sich um einen unkomplizierten Auftrag handeln«, fuhr Schagel fort. »Mein Kunde konnte mir glaubhaft versichern, dass Mr. O’Riordan nicht das Geringste erwartet.«

Manchmal sind die anvisierten Opfer misstrauisch und treffen Vorkehrungen für ihre Sicherheit oder installieren Überwachungsanlagen, was die Ausführung eines Auftrags erschwert. Das Gute daran aus meiner Sicht ist, dass dies in der Regel bedeutet, dass sie irgendetwas verbrochen haben. Wenn Patrick O’Riordan – wer immer er war – also nichts befürchtete, war er womöglich ein unschuldiger Mann. Entweder das oder ein Narr. So oder so irritierte es mich ein wenig, dass er gerade seinen täglichen Geschäften nachging und keine Ahnung davon hatte, dass tausend Kilometer weiter nördlich zwei Leute die Modalitäten seines Todes besprachen.

»Sein Hintergrund?«, fragte ich.

»Er ist Journalist bei der Manila Post.«

»Da muss wohl jemand mächtig was gegen seine Arbeit haben.«

Schagel lächelte. »In der Tat. Wussten Sie, dass nirgendwo auf der Welt so viele Journalisten ermordet werden wie auf den Philippinen?

»Nein«, erwiderte ich. »Das wusste ich nicht.« Es überraschte mich aber auch nicht. Meiner Erfahrung nach waren die Philippinen ein gesetzloses, korruptes Land, in dem Menschen jedweder Herkunft den Einsatz von Schusswaffen eher als erste denn als letzte Möglichkeit sahen.

»Mr. O’Riordan lebt mit seiner Frau in der Stadt. Der Kunde will nur ihn beseitigt wissen, aber falls die Frau zwischen die Fronten gerät …« Schagel zog mitleidig die Schultern hoch, bis sein gewaltiger Kopf fast darin zu versinken schien. »Dann müssen Sie sie eben auch loswerden.«

Ich verzog keine Miene während seiner beiläufig, unbeteiligt vorgetragenen Ausführungen, doch an der Art, wie er mich musterte, spürte ich, dass er auf eine Reaktion wartete. Offenbar wollte er ausloten, ob ich einer Frau wirklich zuverlässig eine Kugel in den Kopf jagen konnte, wenn sie mir in die Quere kam.

Ich fragte ihn, wie hoch das Honorar sei.

»Die Vergütung für diesen Auftrag beträgt fünfundsiebzigtausend US-Dollar, zahlbar nach Erledigung auf die übliche Art.«

Die übliche Art war die Überweisung von einer in Hongkong registrierten Briefkastenfirma auf das Nummernkonto einer panamaischen Bank, das Schagel vor drei Jahren für mich eingerichtet hatte. Von dort würde ich das Geld auf ein – ebenfalls von Schagel eingerichtetes – Konto bei einer Bank in Bangkok überweisen, von wo ich, wann immer ich Geld benötigte, Zahlungsanweisungen an eine lokale laotische Bank schicken konnte. Die Beträge waren nie groß genug, um staatliche Stellen misstrauisch zu machen, und obwohl das Ganze einige Umstände erforderte, war es sehr viel unverdächtiger, als große Bargeldsummen über die Grenzen zu transportieren.

Schagel zog großkotzig an seiner Zigarre. »In Manila wird man Ihnen eine jungfräuliche Pistole mit Schalldämpfer aushändigen. Benutzen Sie sie. Der Kunde würde es vorziehen, wenn O’Riordan bei sich zu Hause erledigt wird und Sie dann, wenn Sie mit ihm fertig sind, das Haus abfackeln.«

Ich nickte, um mein Einverständnis zu signalisieren, obwohl dies bedeutete, dass ich nun höchstwahrscheinlich auch seine Frau würde töten müssen – eine Vorstellung, die mich mit Abscheu erfüllte, allerdings einem ziemlich scheinheiligen.

»Unabdingbar bei diesem Job ist, dass er schnell ausgeführt wird. Sehr schnell. Ich habe Sie bereits auf den Cathay-Pacific-Flug heute Abend um zehn gebucht. Der Rückflug ist offen, aber der Kunde verlangt, dass die Sache bis morgen vierzehn Uhr Ortszeit erledigt wird. Deshalb fällt die Bezahlung auch höher aus als gewöhnlich.«

»Das kann ich unter keinen Umständen garantieren, Mr. Schagel. Ich lasse mich bei diesen Jobs nicht hetzen. Sie wissen das. Zu viel kann dabei schiefgehen.«

»Eben deshalb hat der Kunde sich an mich gewandt. Weil er will, dass ein Profi ihn erledigt. Jemand, der zügig und entschlossen agiert.«

Er deutete mit seiner Zigarre auf mich.

»Sie haben oft bewiesen, dass Sie ein absoluter Profi sind, Dennis. Also erledigen Sie das für mich. O’Riordan muss vor morgen vierzehn Uhr tot sein, ansonsten ist der Job gestorben, und ich stehe schlecht da.«

Ich wollte etwas entgegnen, aber er hob die Hand und bedeutete mir, dass es nichts zu diskutieren gäbe, und ich war klug genug, es bleiben zu lassen. Er deutete auf den Umschlag.

»Da liegt auch ein Handy drin. Im Adressbuch finden Sie Mr. O’Riordans Heim- und Arbeitsanschrift, außerdem eine Liste der Etablissements, die er in der Gegend öfters besucht.«

»Was, wenn er gar nicht in der Stadt ist?«, fragte ich und griff in den Umschlag, fand ein nagelneues iPhone.

»Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass er in der Stadt ist.«

Wie es schien, war Schagels Kunde über den Mann, den er loswerden wollte, überaus gut informiert. Doch das konnte mir nur recht sein. Es machte die Sache um einiges einfacher.

»Auf dem Handy ist bereits eine Nummer gespeichert. Im Notfall können Sie mich damit Tag und Nacht erreichen. Hinterlassen Sie eine Nachricht, und ich setze mich binnen einer Stunde mit Ihnen in Verbindung. Wenn Sie den Job erledigt haben, geben Sie mir Bescheid, löschen alles, was auf dem Handy gespeichert ist, und entsorgen es, sodass es niemand finden kann. Und? Haben Sie sich das Bild des Opfers eingeprägt?«

Ich nickte, steckte das Handy in die Tasche meiner Jeans und gab ihm den Umschlag mit dem Foto zurück.

In den vergangenen drei Jahren hatte ich vier Mordaufträge für Bertie Schagel ausgeführt, und er hatte stets auf dieselbe Art und Weise operiert: methodisch und gegen alle Eventualitäten abgesichert. So brachte er es immer fertig, mit unvorhergesehenen Problemen umzugehen und dennoch nichts zu hinterlassen, das ihn mit dem Verbrechen in Verbindung bringen konnte. Immerhin war er zuverlässig, und in meinem Geschäft war das Gold wert.

Ich wusste, dass ich nicht zu viele Fragen stellen durfte. Was ich auch nicht mehr tat. Nicht mehr seit der russischen Ehefrau. Lieber bildete ich mir ein, meine Opfer seien allesamt üble Kerle (wenigstens waren es ausschließlich Kerle gewesen), die ein gewaltsames Ende verdient hatten, aber die Hand dafür ins Feuer legen konnte ich nicht, zumal nicht jetzt, da ich herausgefunden hatte, dass O’Riordan Journalist war. Doch da ich schon mal einen Job abgelehnt hatte, vertraute mir Schagel nicht mehr voll. Er wollte, dass seine Leute so waren wie er. Ohne die geringste menschliche Regung. Zum Glück war ich noch nicht ganz so tief gesunken, wenngleich ich mich in den einsamen, dunklen Stunden, in denen ich über meinen Platz in der Welt nachsann, manchmal fragte, ob es nur noch eine Frage der Zeit war, bis ich auch dort anlangte.

Schagel trank sein Glas leer und bedachte mich dann mit einem Blick, der besagte, dass unser Treffen beendet war. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ein Taxi zum Flughafen besorgen.«

»Nein, schon in Ordnung. Aber da ist noch etwas, worüber ich mit Ihnen reden möchte.«

Er sah mich misstrauisch an. »Tatsächlich? Und das wäre?«

Ich hatte mich nicht unbedingt auf dieses Gespräch gefreut, doch es hatte sich seit einer Weile abgezeichnet.

»Es geht um meinen Ruhestand, wenn Sie so wollen. Ich habe inzwischen einige Aufträge für Sie erledigt, obwohl ich eigentlich von meinem anderen Geschäft leben kann, und ich würde unsere Beziehung gerne beenden. Diesen Job erledige ich noch für Sie, aber danach möchte ich, dass Schluss ist.«

Milde amüsiert musterte Schagel mich durch den Rauch seiner Zigarre, als hätte ich ihm einen halb garen Witz erzählt, und er machte sich über mich lustig. »Ich hoffe, Sie haben nicht vergessen, Dennis, was ich für Sie getan habe?«

Das hatte ich nicht. Ich schuldete ihm vieles. Wäre Bertie Schagel mir nicht zur Hilfe geeilt, würde ich den Rest meines Lebens wahrscheinlich hinter Gittern verbringen. Natürlich hatte er das aus eigennützigen Gründen getan, doch getan hatte er es.

»Nein«, sagte ich. »Aber ich schätze, wenn ich mit Job Nummer fünf durch bin, dann habe ich meine Schuld an Sie abbezahlt.«

»Es hat mich eine Stange Geld und erhebliche Anstrengungen gekostet, Sie aus der Untersuchungshaft loszueisen. Die britische Polizei fahndet nach Ihnen wegen mehrfachen Mordes. Und die ist geradezu berüchtigt für ihr langes Gedächtnis. Trotzdem ist es mir gelungen, Ihre Freiheit zu garantieren.«

Er hielt inne.

»Die Zeit wird kommen, wenn Ihre Schuld an mich abgetragen ist. Das habe ich Ihnen stets versichert. Doch im Augenblick benötige ich Sie und Ihre Dienste, und ich bezahle Sie ganz gut für die Unannehmlichkeiten, die Sie dadurch haben, nicht wahr? Obwohl Sie sich bei Gelegenheit davor gedrückt haben mitzuspielen, wie die Amerikaner sagen würden.«

Er räusperte sich.

»Wenn Sie diesen Job innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters erledigen, dann unterhalten wir uns vielleicht noch einmal. Okay? Aber sehen Sie zu, dass Sie es auch hinkriegen.«

Eins musste man Schagel lassen. Er war ein hervorragender Verkäufer, und so, wie er es hinstellte, bekam ich fast Schuldgefühle, dass ich das Thema überhaupt angesprochen hatte. Und mir blieb nichts anderes übrig, als nach seiner Pfeife zu tanzen, denn ich hatte ein Problem: Ich stand bei den falschen Leuten in der Kreide.

»Okay«, sagte ich und stand auf. Ich wusste, ich würde zu einer weiteren Reise aufbrechen, die einen weiteren hässlichen Fleck auf meinem bereits blutbefleckten Gewissen hinterlassen würde.

Doch hätte ich auch nur die leiseste Ahnung gehabt, in welches abscheuliche Herz der Finsternis mich diese Reise führen würde, wäre ich ohne zu zögern ins nächste Flugzeug nach Hause gesprungen, selbst wenn dies bedeutet hätte, dass ich den Rest meiner Tage im Gefängnis verbringen müsste.

2

Ihre Gesichter wirkten kalt und trotzig. Trotzdem wusste sie, dass sie innerlich zitterten. Immerhin waren sie fast noch Kinder – der eine war gerade achtzehn geworden, die beiden anderen waren siebzehn, und der Vorsteher der Jury hatte ihre Schuld bereits vor vierundzwanzig Stunden verkündet. Entsprechend der englischen Gesetzgebung gab es für Mord nur eine Strafe – lebenslänglich. Nun ging es eigentlich nur noch darum, dass die Richterin das Mindeststrafmaß verkündete, und alle in dem überfüllten Gerichtssaal wussten, dass sie nicht nachsichtig sein würde. Dafür waren die Umstände zu gravierend. Das Opfer, Michael Fremi, war erst sechzehn und ein vielversprechender Schüler gewesen und hätte sein herausragendes, mit Bestnoten gespicktes Mittlere-Reife-Zeugnis feiern sollen, das ihm den Weg zur Hochschulreife geebnet hätte. Bedauerlicherweise sollte Michael nie erfahren, wie gut er abgeschnitten hatte, denn eines Freitagabends im August hatten ihm die drei Angeklagten in der Nähe seines Hauses aufgelauert, als er von einem Freund zurückkehrte. Offenbar hatte er in der Woche zuvor verhindert, dass einer der drei – Karl Brayer – seinem Freund ein Handy entwendete, und dies war nun die Rache der Gang. Während der kurzen, aber extrem gewalttätigen Attacke, die nach Zeugenaussagen nur wenige Sekunden gedauert hatte, hatten die Angreifer mit drei Messern sechzehn Mal auf ihn eingestochen. Einer der Stiche war ins Herz gedrungen, ein anderer hatte die Hauptschlagader durchtrennt. Zu keinem Zeitpunkt bestanden Zweifel daran, dass sie beabsichtigt hatten, ihn zu töten.

DI Tina Boyd vom Camden Murder Investigation Team oder CMIT, wie es kurz genannt wurde, hatte an jenem Abend Dienst gehabt und war als Erste am Tatort gewesen. Eine Szene, an die sie sich besonders eindringlich erinnerte, war der Anblick von Michaels Mutter, die ihren toten Sohn in den Armen wiegte und nicht loslassen konnte. Er hatte die Augen geschlossen und einen friedlichen, fast engelhaften Ausdruck auf seinem jungen Gesicht. Und das Blut. Auch das konnte sie nicht vergessen. Er hatte so stark geblutet, dass es noch in den Rinnstein lief, als sie eintraf.

Die Mörder wurden schnell gefasst. In Fällen wie diesen war das nie ein Problem, weshalb Tina sich fragte, warum um alles in der Welt die Kids solche Verbrechen überhaupt begingen. Ihnen musste doch klar sein, dass sie festgenommen, vor Gericht gestellt und verurteilt würden. War ihr Leben tatsächlich so sinnentleert? Leider wusste Tina auch, dass die Antwort »Ja« lautete, und während sie nun aufstand, um das Urteil zu erwarten, spürte sie keine große Befriedigung, obwohl ein Schuldspruch die Bestätigung der guten Arbeit war, die ihr Team geleistet hatte.

Dann ergriff die Richterin das Wort, eine mittelalte Frau mit hochfahrendem Gesichtsausdruck, die mit Perücke und Robe schlicht lächerlich wirkte, und im Saal wurde es bleiern still.

Als die Richterin die Vorsätzlichkeit der Tat und die pure Bösartigkeit der Täter schilderte, schaltete Tina innerlich ab. Sie hatte das alles schon zu oft gehört, und jedes Mal klangen die Worte künstlich, weil alles, was die Richter sagten, vom Urteil der Jury abhing. Hätte die auf Notwehr entschieden, würde die Richterin nach Worten der Entschuldigung für die drei Angeklagten suchen und ihnen mitteilen, sie dürften den Gerichtssaal als freie Männer verlassen.

Das war einer der größten Vorbehalte, die Tina gegenüber der britischen Justiz hegte: Egal wie lückenlos die Beweiskette war, die sie und ihre Kollegen gegen die Angeklagten vorbrachten, es kam immer auf den Spruch von zwölf Angehörigen der Öffentlichkeit an, die oft über keinerlei Kenntnisse der Rechtslage verfügten.

Als die Richterin Brayers Strafmaß verkündete, erscholl im Zuschauerraum hinter Tina lauter Jubel. Er bekam siebzehn Jahre, das hieß, er wäre fünfunddreißig, wenn erstmals über seine Freilassung beraten werden würde und seine Jugend nichts mehr war als eine verblassende Erinnerung. Langsam und verächtlich drehte Brayer sich in Richtung der Jubelnden und grinste sie höhnisch an.

Dabei bemerkte er Tina. Sie war es gewesen, die ihn im Verhörzimmer des Mordes beschuldigt hatte, und als er sie jetzt sah, fuhr er sich langsam und genüsslich mit dem Zeigefinger über die Kehle, während seine Lippen das Wort »Bullenfotze« formten.

Tina lächelte ihn mit gespieltem Bedauern an, zum ersten Mal heute fühlte sie sich richtig gut. Nach allem, was sie in den vergangenen Jahren durchgestanden hatte, brauchte es mehr als einen halbstarken Burschen wie Brayer, um ihr Angst einzujagen. »Ich könnte dir Typen zeigen, die dir das Blut gefrieren lassen würden«, dachte sie, hielt seinem Blick gelassen stand und nahm befriedigt zur Kenntnis, dass er sich als Erster abwandte. Die Richterin verurteilte die beiden Mittäter zu jeweils sechzehn Jahren.

Und dann war es vorbei, grob führten die Wachen die drei, die sich nach Kräften wehrten, von der Anklagebank, während von den Zuschauerrängen ein Hagel von Beschimpfungen auf sie niederprasselte, der in Hochrufe auf die Angehörigen des Opfers überging.

Tina schüttelte ihren beiden Kollegen, die sie zur Urteilsverkündung begleitet hatten, die Hand, beugte sich dann über die Stuhlreihe hinweg nach hinten, um Michaels Mutter, Constanza Fremi, zu umarmen, die gleichzeitig weinte und zu lächeln versuchte, während sie von Wogen unterschiedlichster Emotionen überrollt wurde, die die Tragödie in ihr auslösten.

Sobald Tina auf der Straße vor dem Gerichtsgebäude war, schaltete sie ihr Handy ein und zündete sich eine Zigarette an. Ihren Kollegen – ihr neuer Boss DCI Bob Levine und ihr gelegentlicher Partner DC Dan Grier – sagte sie, sie würde ihnen gleich aufs Revier folgen, müsste aber zunächst noch nach Finchley, wo sie eine Verabredung mit einer Zeugin hatte, die eine weitere tödlich verlaufene Messerstecherei auf offener Straße beobachtet hatte. Die Zeugin hieß Gemma Hanson und war eine alleinerziehende zwanzigjährige Mutter, die offenbar von der Familie des Täters bedroht worden war und überlegte, ihre Aussage zurückzuziehen, ehe der Fall im April vor Gericht kam. Tina musste sie bestärken, bei ihrer Aussage zu bleiben, denn ohne würde die Anklage mit hoher Wahrscheinlichkeit zusammenbrechen. Die Bedrohung von Zeugen kam weitaus häufiger vor, als die meisten Leute annahmen, und die Polizei verfügte schlicht nicht über die Mittel, alle zu beschützen. Realistischerweise konnte Tina ihr nicht mehr bieten als ein paar aufmunternde Worte und das vage Versprechen, die Polizeistreifen in ihrer Straße zu verstärken.

Man hatte in ihrer Wohnung bereits einen Panikschalter installiert, doch das letzte Mal, als Gemma ihn betätigt hatte, nachdem ein Ziegelstein durch die Fensterscheibe geflogen war und die Wiege ihres Babys nur knapp verfehlt hatte, hatte es über fünfzehn Minuten gedauert, bis die zuständigen Streifenpolizisten eingetroffen waren. Tina wusste, dass ihre Aufgabe nicht einfach sein würde.

Um sich vor dem schneidenden Februarwind zu schützen, zog sie sich in einen Ladeneingang zurück, inhalierte tief und fast verzweifelt den Rauch ihrer Zigarette und genoss den flüchtigen Rausch, den das Nikotin auslöste, als es durch ihre Adern strömte. Ihr Handy zeigte nur eine neue Nachricht an, sie stammte von einem DS Rob Weale vom Essex CID, der um Rückruf bat.

Obwohl sie den Namen nicht kannte, war sie neugierig genug, die Rückruf-Taste zu drücken.

Nach dreimaligem Klingeln nahm Weale ab und stellte sich mit Namen und Rang vor, hatte einen starken, an Cockney grenzenden Essex-Akzent.

»Tina Boyd hier«, sagte sie, nahm einen letzten Zug an ihrer Zigarette und trat sie mit dem Fuß aus. »Sie haben mich angerufen.«

»Habe ich, ja. Danke, dass Sie zurückrufen. Soweit ich weiß, hatten Sie Kontakt zu einem Journalisten namens Nick Penny?«

Tina horchte auf und war sofort angespannt. »Er ist ein Bekannter von mir, ja«, erwiderte sie zurückhaltend.

»Dann habe ich schlechte Nachrichten für Sie, Ma’am.«

Sie wusste augenblicklich, was los war, zwang sich aber trotz der aufsteigenden Übelkeit in ihrem Magen, die Frage zu stellen: »Was ist passiert?«

»Er ist gestern Nacht gestorben. Sieht nach Selbstmord aus.«

»Ist es nicht. Das war Mord.«

DS Weale räusperte sich.

»Ich hab mir gedacht, dass Sie das sagen würden. Ich bin am Tatort. Wir sollten uns unterhalten.«