Marlitt Wendt

 

Vertrauen statt Dominanz

 

Wege zu einer neuen Pferdeethik

 

 

 

 

 





Impressum

Copyright © 2010 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Gestaltung und Satz der Originalausgabe: Ravenstein + Partner, Verden

Coverfoto: Christiane Slawik

Fotos im Innenteil: Christiane Slawik

Lektorat: Anneke Bosse Druck:

E-Book: Satzweiss.com Print Web Software GmbH

 

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

 

ISBN 978-3-8404-1002-4

 

eISBN 978-3-84046-019-7

 

www.cadmos.de

Inhalt

Reiter, nun sag, wie hältst Du es mit der Dominanz?

Das Pferd - mehr als ein Herdentier

Woher kommt das Pferd, wohin geht es?

Die Basis der Hauspferderassen

Das Pferd als Individuum

Herden-, Steppen- und Fluchttier: ein unvollständiges Modell

Pferd ist nicht gleich Pferd

Die Patchworkfamilie

Formen des Zusammenlebens

Jungs unter sich - die Junggesellengruppe

Allianzen von Hengsten

Schritt für Schritt ins Erwachsenenleben

Paare - das stärkste Band der Pferdefamilie

Ausflug in die Welt der Verhaltensbiologie

Das Spiel des Lebens

Die „Verwandten-Selektion“

Kontakte zu anderen Individuen und Herden

Blut ist dicker als Wasser?

Rang und Namen

Komplexe Rangordnungsverhältnisse

Definition der Rangordnung

Rangordnungen bei Stress und in menschlicher Obhut

Situative Kontextabhängigkeit

Wie oben, so unten

Das Freundschaftskonzept

Panta rhei - Alles fließt

Kommunikation verstehen

Pferde unter sich

Macho Hengst?

Begrüßungsrituale unter Pferden

Markierungsstrategien der Hengste

Beschwichtigungssignale

Fellkraulen für die Freundschaft

Pferd und Mensch im Dialog

Ressourcenmanagement

Freundschaftliche Koexistenz

Mythos Dominanz

Der Mensch – ein würdiges Alphatier?

Dominanztraining versus Lerntheorien

Gewöhnung oder Habituation

Sensibilisierung

Prägung und Sozialisierung

Nachahmung oder soziale Anregung

Klassische Konditionierung

Operante Konditionierung

Zuckerbrot und noch mehr Peitsche?

Belohnungslernen

Der Wechsel vom Dominanztraining zum Belohnungslernen

Risiken und Nebenwirkungen

Prägungstraining

Round-Pen-Training

Horsemanship-Methoden

Was bedeutet „erlernte Hilflosigkeit"?

Gewaltfrei - oder etwa doch nicht?

Wie wir selbst behandelt werden wollen

Blumige Worte

Dominanztraining

Alles „natural"

Stichwort Körpersprache

Das Spiel

Pferdegerecht

Einfach Pferd sein dürfen

Pferdegerechtes Training

Pferd und Mensch als Team

Kreative Freizeitbeschäftigungen

Belohnungslernen im Pferdetraining

Diagnose: Dominanzproblem?

Umweltfaktor: der dominante Mensch

Häufige Probleme und Lösungsansätze

Aggressionsverhalten

Ungehorsam

Ängste

Freundschaft statt Dominanz

Freunde fürs Leben

Das unsichtbare Band

Anhang

Tipps zum Weiterlesen

Kontakt zur Autorin

Stichwortverzeichnis

A

B

C

D

E

F

G

H

I

J

K

L

M

N

O

P

R

S

T

U

V

W

Z

Reiter, nun sag, wie hältst Du es mit der Dominanz?

In den vergangenen Jahren scheint es zu einer Art Gretchenfrage geworden zu sein: In aller Reiter Munde sind die Begriffe Dominanz, Dominanzproblem, Rangordnung und Dominanztraining. Ganze Ausbildungsmethoden stützen sich auf diese Begriffe und deren Erklärungsmodelle. Doch müssen wir Menschen wirklich immer dominant im Umgang mit Pferden sein? Sind Dominanz und Rangordnung tatsächlich im Leben der Pferde von so entscheidender Bedeutung, wie uns überall weisgemacht werden soll? Und schadet das Dominanztraining in vielen Fällen nicht mehr, als dass es nützt?

Viele der von den Dominanztrainern in ihren Erklärungsmodellen verwendeten Begriffe entstammen ursprünglich der Verhaltensbiologie des Pferdes. Ungeachtet des Fortschritts innerhalb dieses Wissenschaftszweiges wurden einige Begrifflichkeiten einfach in Konzepte integriert, ohne deren wahre Hintergründe zu berücksichtigen. So ist das tatsächliche Herdenverhalten mit seiner sozialen Struktur und seiner Rangordnung nicht so übersichtlich und eindimensional, wie es jahrzehntelang gelehrt wurde. Auch stellt die Wissenschaft die Existenz einer reinen Dominanzhierarchie innerhalb der Pferdeherde und gegenüber dem Menschen inzwischen stark infrage. Die sagenumwobenen Leithengste und Leitstuten existieren in ihrer häufig dargestellten Form wohl nur im Märchen. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die unter dem Begriff „Dominanztraining“ zusammengefassten Trainingspraktiken auch tatsächlich auf dem propagierten Weg funktionieren oder ob nicht der dahinter verborgene Lernprozess ein ganz anderer ist als der einer Rangordnungsbildung. Die angebliche Gewaltfreiheit vieler Methoden ist zumindest stark anzuzweifeln.

Das wahre Herdenleben und die Beziehungen der Pferde zueinander und zum Menschen prägen andere Gesetzmäßigkeiten. Ich möchte mit diesem Buch ein wenig zur Auflösung der Verwirrung beitragen und aus verhaltensbiologischer Sicht aus dem sozialen Leben der Pferde berichten. Zudem möchte ich ihre natürlichen Verbände und ihr Beziehungsgeflecht analysieren und auch ihre Beziehung zum Menschen und seinen Trainingsmethoden betrachten. Dabei werden wir uns gemeinsam ein neues Bild vom Sozialleben der Pferde machen und für ein ethisches Miteinander alternative Wege der Ausbildung durchleuchten.

Dieses Buch soll interessierten Pferdehaltern helfen, unterschiedliche Ausbildungsmethoden auf ihre verhaltensbiologische Korrektheit und ihre Gewaltfreiheit hin zu überprüfen. Dabei hoffe ich, die Leser in die Lage versetzen zu können, sowohl auf Showveranstaltungen als auch bei der Auswahl eines Pferdetrainers positive von negativen Trainingsmethoden zu unterscheiden. Wir können somit gemeinsam einen Beitrag zum gewaltlosen Miteinander zwischen Mensch und Pferd leisten.

Marlitt Wendt, im August 2010