Die vier Jahreszeiten

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Frühling

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Ilse

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Ich war ein Kind von fünfzehn Jahren,
Ein reines unschuldsvolles Kind,
Als ich zum erstenmal erfahren,
Wie süß der Liebe Freuden sind.

Er nahm mich um den Leib und lachte
Und flüsterte: O welch ein Glück!
Und dabei bog er sachte, sachte
Den Kopf mir auf das Pfühl zurück.

Seit jenem Tag lieb’ ich sie alle,
Des Lebens schönster Lenz ist mein;
Und wenn ich keinem mehr gefalle,
Dann will ich gern begraben sein.

Franziska

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Franziska, mein reizender Falter,
Hätt’st du nicht zu eng für dein Alter
Den keimenden Busen geschnürt,
Dann klafften wohl nicht die Gewänder,
Sobald ich nur eben die Bänder
Mit harmlosem Finger berührt.

Nun wehr auch nicht meinem Entzücken,
Als erster die Küsse zu pflücken
Der zarten, jungfräulichen Haut.
Mich blendet die schneeige Weiße,
Solang’ ich das Fleisch nicht, das heiße,
Mit bebenden Lippen betaut.

Denn gleich wie die Knospe der Blume
Nichts ahnt von der Pracht und dem Ruhme
Der Rose am üppigen Strauch,
So seh’ ich bescheiden erst schwellen
Die keuschen, die kindlichen Wellen,
Umweht von berauschendem Hauch.

O! glaub mir, die Monde entfliehen,
Die Rosen verwelken, verblühen
Und fallen dem Winter zum Raub.
Es kommen und gehen die Jahre,
Man legt deinen Leib auf die Bahre
Und alles wird Moder und Staub.

Frühling

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Willkommen, schöne Schäferin
In deinem leichten Kleide,
Mit deinem leichten frohen Sinn,
Willkommen auf der Weide.

Sieh, wie so klar mein Bächlein fließt,
Zu tränken deine Herde!
Komm setz dich, wenn du müde bist,
Zu mir auf die grüne Erde.

Und trübt sich der Sonne goldiger Schein,
Und fällt ein kühlender Regen,
Dann ist mein Mantel nicht zu klein,
Wollen beide darunter uns legen.

Der blinde Knabe

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O ihr Tage meiner Kindheit,
Nun dahin auf immerdar,
Da die Seele noch in Blindheit,
Noch voll Licht das Auge war:
Meine Blicke ließ ich schweifen
Jedem frei ins Angesicht;
Glauben galt mir für Begreifen
Und Gedanken kannt’ ich nicht.

Ich begann jedoch zu sinnen
Und zu grübeln hin und her,
Und in meiner Seele drinnen
Schwoll ein wildempörtes Meer.
Meine Blicke senkt’ ich nieder,
Schaute tief in mich hinein
Und erhob sie nimmer wieder
Zu dem goldnen Sonnenschein.

Mußt’ ich doch die Welt verachten,
Die mir Gottes Garten schien,
Denn die Guten läßt er schmachten,
Und die Bösen preisen ihn.
Freude, Lust und Ruh’ vergehen
O, wie wohl war einst dem Kind!
Meine Seele hat gesehen,
Meine Augen wurden blind!

Sommer

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Konfession

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Freudig schwör’ ich es mit jedem Schwure
Vor der Allmacht, die mich züchtigen kann:
Wie viel lieber wär’ ich eine Hure
Als an Ruhm und Glück der reichste Mann!

Welt, in mir ging dir ein Weib verloren,
Abgeklärt und jeder Hemmung bar.
Wer war für den Liebesmarkt geboren
So wie ich dafür geboren war?

Lebt’ ich nicht der Liebe treu ergeben
Wie es andre ihrem Handwerk sind?
Liebt’ ich nur ein einzig Mal im Leben
Irgendein bestimmtes Menschenkind?

Lieben? – Nein, das bringt kein Glück auf Erden.
Lieben bringt Entwürdigung und Neid.
Heiß und oft und stark geliebt zu werden,
Das heißt Leben, das ist Seligkeit!

Oder sollte Schamgefühl mich hindern,
Wenn sich erste Jugendkraft verliert,
Jeden noch so seltnen Schmerz zu lindern,
Den verwegne Phantasie gebiert?

Schamgefühl? – Ich hab es oft empfunden;
Schamgefühl nach mancher edlen Tat;
Schamgefühl vor Klagen und vor Wunden;
Scham, wenn endlich sich Belohnung naht.

Aber Schamgefühl des Körpers wegen,
Der mit Wonnen überreich begabt?
Solch ein Undank hat mir ferngelegen,
Seit mich einst der erste Kuß gelabt!

Und ein Leib, vom Scheitel bis zur Sohle
Allerwärts als Hochgenuß begehrt…
Welchem reinern, köstlichern Idole
Nachzustreben, ist dies Dasein wert?

Wenn der Knie leiseste Bewegung
Krafterzeugend wirkt wie Feuersglut,
Und die Kraft, aus wonniger Erregung,
Sich zu überbieten, nicht mehr ruht;

Immer unverwüstlicher und süßer,
Immer klarer im Genuß geschaut,
Daß es statt vor Ohnmacht dem Genießer
Nur vor seiner Riesenstärke graut…

Welt, wenn ich von solchem Zauber träume,
Dann zerstiebt zu nichts, was ich getan;
Dann preis’ ich das Dasein und ich bäume
Zu den Sternen mich vor Größenwahn! – – –

Unrecht wär’s, wollt’ ich der Welt verhehlen,
Was mein Innerstes so wild entflammt,
Denn vom Beifall vieler braver Seelen
Frag’ ich mich umsonst, woraus er stammt.

Der Taler

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Blitzt der Taler im Sonnenschein,
Blitzt dem Kind in die Augen hinein,
Über die Wangen rollen die Tränen.
Mutter zieht gar ein ernst Gesicht:
Vor dem Taler, Schatz, fürchte dich nicht;
Nach dem Taler sollst du dich sehnen.

Sieh, mein Herzblatt, auf Gottes Welt
Für uns Menschen gibt’s nichts ohne Geld,
Hätt’ ich dich, Herzblatt, auch nicht bekommen.
Bist noch so unschuldig, noch so klein,
Willst doch täglich gefüttert sein,
Hast es mir selbst aus der Tasche genommen.

Darfst nicht weinen, bist all mein Glück;
Gibst mir’s tausendfältig zurück.
Sich, die goldene Sonne dort oben,
Brennt sie dir gleich deine Guckaugen wund,
Nährt und behütet den Erdenrund,
Daß alle Kreaturen sie loben.

Nach der Sonne in goldiger Pracht
Haben die Menschen ihr Geld gemacht;
Ohne das Geld muß man elend sterben.
Sonne ist Glück und Glück ist Geld;
Wem es nicht schon in die Wiege fällt,
Der muß es mühevoll sich erwerben.

Sieh, mein Herzblatt, den grünen Wald,
Drin der Vögel Gezwitscher erschallt;
Wie das so lieblich ist anzuschauen!
Hast du kein Geld für das morgige Brot,
Dir sind all die Vögelein tot,
Und der Wald ist ein schrecklich Grauen!

Geld ist Schönheit! Mit recht viel Geld
Nimmst du den Mann, der dir wohlgefällt,
Keinen Häßlichen, keinen Alten.
Sieh, der Reichen Hände, wie weiß!
Wissen nichts von Frost und von Schweiß;
Haben keine Schwielen noch Falten.

Bei uns Armen ist Eins mal schön,
Aber nur im Vorübergehn;
Morgen schon ist zerrupft sein Gefieder.
Oder die Schönheit wird ihm zu Geld;
Kommt es hinauf in die große Welt,
Steigt es nicht leicht mehr zu uns hernieder.

Kind, hab acht auf wahren Gewinn:
Geld ist Freiheit, ist Edelsinn,
Menschenwürde und Seelenfrieden.
Alles kehrt sich zum goldenen Licht,
Warum sollen wir Menschen es nicht?
Dir, mein Kind, sei das Glück beschieden.

Mein Käthchen

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Mein Käthchen fordert zum Lohne
Von mir ein Liebesgedicht.
Ich sage: Mein Käthchen verschone
Mich damit, ich kann das nicht.

Ob überhaupt ich dich liebe,
Das weiß ich nicht so genau.
Zwar sagst du ganz richtig, das bliebe
Gleichgültig; doch, Käthchen, schau:

Wenn ich die Liebe bedichte,
Bedicht’ ich sie immer vorher,
Denn wenn vorbei die Geschichte,
Wird mir das Dichten zu schwer.

Morgenstimmung

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Leise schleich’ ich wie auf Eiern
Mich aus Liebchens Paradies,
Wo ich hinter dichten Schleiern
Meine besten Kräfte ließ.

Traurig spiegelt sich der bleiche
Mond in meinem alten Frack;
Ach die Wirkung bleibt die gleiche,
Wie das Kind auch heißen mag.

Wilhelmine, Karoline,
‘s ist gesprungen wie gehupft,
Nur daß hier die Unschuldsmiene,
Dort dich die Routine rupft.

Sommer 1898

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Ich, der alte Ahasver,
Habe große Eile,
Zu verscheuchen wünscht’ ich sehr
Ewig lange Weile:
Lenke wieder meine Bahn,
Endlos mir beschieden,
Nach dem alten Kanaan,
Das ich lang gemieden.

Mir ist in der Ferne die Kunde geworden,
Es käme gezogen ein Herrscher von Norden,
Da setzt es vielleicht auch für mich einen Orden.

Rückwärts schweift mein Auge matt,
Reuevoll umdustert,
Nach der alten Judenstadt,
Drin ich einst geschustert,
Derart, daß mich heute noch
Gottes Welt verachtet,
Weil ich nicht den Braten roch,
Eh’ das Lamm geschlachtet!

Wär’ jener gekommen, wie Dieser kommt heute,
Mit stolzem Gepränge und großem Geleite,
Ich wäre moralisch gegangen nicht Pleite!

Jener ritt die Eselin,
Dieser den Trakehner,
Ehr’ und Glück trägt Dieser hin
Und sein Leben jener.
Durch der Rede reiches Wort
Einzig sind die Beiden,
Und ihr Ziehn von Ort zu Ort
Nicht zu unterscheiden.

Was aber hilft tief mir im Busen die Reue!
Versagt’ ich denn jemals dem Herrscher die Treue?! –
Am Ende ereilt mich mein Unglück aufs neue!

Kam doch auch zu jener Zeit
Unter Kriegerscharen
In verbrämtem Purpurkleid
Einer angefahren! – –
Wenn der Andre nun auch jetzt
Beim Erlöserwerke
Sich vor meine Türe setzt,
Ohne daß ich’s merke?!

Von ihm stand kein Wort in der Zeitung geschrieben.
Ich hätt’ ihn ja sonst von der Bank nicht vertrieben!
Und darin ist alles beim alten geblieben. –

Ja, wir Menschen stolpern blind
Durch des Lebens Enge.
Oft ist leer wie Schall und Wind
Größtes Festgepränge.
Irrt man ehrfurchtsvollen Blicks,
Ehr’ und Macht zu suchen,
Kommt der Mächt’ge hinterrücks,
Einen zu verfluchen! –

Es wechseln nicht nur an der Börse die Größen! –
Nichts bleibt uns, inmitten von Püffen und Stößen,
Als ununterbrochen das Haupt zu entblößen.

Brigitte B.

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Ein junges Mädchen kam nach Baden,
Brigitte B. war sie genannt,
Fand Stellung dort in einem Laden,
Wo sie gut angeschrieben stand.

Die Dame, schon ein wenig älter,
War dem Geschäfte zugetan,
Der Herr ein höherer Angestellter
Der königlichen Eisenbahn.

Die Dame sagt’ nun eines Tages,
Wie man zu Nacht gegessen hat:
Nimm dies Paket, mein Kind, und trag es
Zu der Baronin vor der Stadt.

Auf diesem Wege traf Brigitte
Jedoch ein Individium,
Das hat an sie nur eine Bitte,
Wenn nicht, dann bringe er sich um.

Brigitte, völlig unerfahren,
Gab sich ihm mehr aus Mitleid hin.
Drauf ging er fort mit ihren Waren
Und ließ sie in der Lage drin.

Sie konnt’ es anfangs gar nicht fassen,
Dann lief sie heulend und gestand,
Daß sie sich hat verführen lassen,
Was die Madam begreiflich fand.

Daß aber dabei die Turnüre
Für die Baronin vor der Stadt
Gestohlen worden sei, das schnüre
Das Herz ihr ab, sie hab’ sie satt.

Brigitte warf sich vor ihr nieder,
Sie sei gewiß nicht mehr so dumm;
Den Abend aber schlief sie wieder
Bei ihrem Individium.

Und als die Herrschaft dann um Pfingsten
Ausflog mit dem Gesangverein,
Lud sie ihn ohne die geringsten
Bedenken abends zu sich ein.

Sofort ließ er sich alles zeigen,
Den Schreibtisch und den Kassenschrank,

Brigitte, als sie nun gesehen,
Was ihr Geliebter angericht’,
Entwich auf unhörbaren Zehen
Dem Ehepaar aus dem Gesicht.

Vorgestern hat man sie gefangen,
Es läßt sich nicht erzählen, wo;
Dem Jüngling, der die Tat begangen,
Dem ging es gestern ebenso.