So meistern Sie Ihre neuen Aufgaben
Das sind Ihre Rechte
Was kommt jetzt auf Sie zu?
IMPRESSUM
Neu im Betriebsrat. Und jetzt?
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7460-6964-7
Autor:
Christian Betz
Herausgeberin:
AG_Betriebsrat und Recht
(AG = Arbeitsgemeinschaft und Netzwerk von Betriebsräten)
Auf der Breite 5
87439 Kempten im Allgäu
vertreten durch die Inhaberin:
Monika Betz
Alle Rechte liegen bei der AG_Betriebsrat und Recht
Kein Teil dieses Buches (Ausnahme: Gesetzestexte) darf in irgendeiner Form (digital oder analog) ohne schriftliche Genehmigung der Herausgeberin reproduziert, weiterverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Die W.A.F. hat die Rechte am Text erworben.
Herzlichen Glückwunsch!
Die Betriebsratswahlen sind vorbei uns Sie haben ein Mandat Ihrer Kolleginnen und Kollegen erhalten, deren Interessen wahrzunehmen. Nun gilt es, dass in Sie gesetzte Vertrauen in der täglichen Betriebsratsarbeit umzusetzen.
Als Mitglied des Betriebsrats werden Sie ab sofort in viele betriebliche Entscheidungen mit einbezogen werden müssen. Sie können die Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaubsgrundsätze oder die Bezahlung entscheidend mitgestalten.
Sie können selbst aktiv werden und bestimmen bei allen personellen Maßnahmen von der Einstellung über die Versetzung bis hin zur Kündigung mit.
Darüber hinaus muss Sie Ihr Arbeitgeber über alle finanziellen Hintergründe im Betrieb anhand von Unterlagen informieren. Das wird sicher spannend.
Allerdings, das will ich aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung nicht verschweigen, ist dieses interessante Ehrenamt auch mit einigem Aufwand verbunden. Dazu gehören eigenes Engagement, Mut und der Besuch von Seminaren, in denen Sie auf die kommenden Aufgaben vorbereitet und die Rechte und Pflichten eines Betriebsrats kennenlernen werden.
Wichtig ist es in meinen Augen auch, dass ein Betriebsrat sich selbst Aufgaben stellt und „nicht einfach vor sich hinwurstelt“.
Gerade wenn ein Betriebsrat das erste Mal gewählt oder wenn ein bisher inaktiver Betriebsrat abgewählt wurde, kommen viele Aufgaben auf den neuen Betriebsrat zu, da alle Arbeitsbedingungen neu ausgehandelt und schriftlich vereinbart werden müssen. Bisherige mündliche und schriftliche Anweisungen verlieren mit der Wahl ihre Gültigkeit!
Hier empfiehlt sich ein spezielles Seminar für den ganzen Betriebsrat, in dem eine „To-Do-Liste“ erstellt wird. Diese Liste soll dann im Laufe der Amtszeit „abgearbeitet“ werden.
Ob ein solches Seminar betriebsintern mit externen Referenten oder über eine Bildungsträger oder die Gewerkschaft organisiert wird, ist Geschmackssache.
Betriebsräte sollen nicht nur reagieren, sondern agieren. Taktik und Strategien für Betriebsräte – wie komme ich zum Ziel?
Das muss erlernt werden!
Ich wünsche Ihnen für diese verantwortungsvolle Tätigkeit stets eine glückliche Hand und den Mut zu Entscheidungen zum Wohle Ihrer Kolleginnen und Kollegen. Gut, dass es Euch gibt!
Christian Betz
Herzlichen Glückwunsch!
Was will und darf der Betriebsrat?
In vielen Betrieben, in denen es noch keinen Betriebsrat gibt, kommt irgendwann der Tag, an dem Teile der Belegschaft unzufrieden sind und über die Wahl eines Betriebsrates diskutieren.
Die Auslöser für die Forderung nach einem Betriebsrat sind oft Gründe, die eigentlich mit der Tätigkeit und den Möglichkeiten eines Betriebsrats gar nichts zu tun haben: Der Arbeitgeber streicht Weihnachts- oder Urlaubsgeld, die Zulagen für Schicht- oder Nachtarbeit werden gekürzt oder gestrichen oder die Einkommen der Beschäftigten wurden über einen längeren Zeitraum nicht mehr erhöht. Nun macht sich Unmut in der Belegschaft breit. Kleine Gruppen von Arbeitskollegen diskutieren in der Kantine über die unbefriedigende Situation und beschließen: „Ein Betriebsrat muss her!“
Dabei werden in der Praxis oft die eigentlichen Aufgaben eines Betriebsrats verkannt. Es ist keine Aufgabe des Betriebsrats, die materiellen Arbeitsbedingungen zu schaffen, zu verhandeln oder zu verändern. Er kann also nicht mit dem Arbeitgeber über die Einkommen oder Entgeltzuschläge oder über Urlaubs- oder Weihnachtsgeld verhandeln. Das ist ausschließlich eine Sache der Gewerkschaften. Der Unterschied zu diesen zeigt sich nicht zuletzt darin, dass der Betriebsrat bei Arbeitskämpfen wie bei Streiks oder Warnstreiks neutral sein muss.
Bevor man sich in einem Betriebsrat engagiert und beschließt, sich in einer Wahl als Kandidat zur Verfügung zu stellen, sollte man sich darüber im Klaren sein, was die Aufgaben eines Betriebsrats sind bzw. was man selbst erreichen will.
Die Hauptaufgabe eines Betriebsrates ist es, seine Wähler vor unternehmerischer Willkür zu schützen und Ungerechtigkeiten zu verhindern. Dazu hat der Betriebsrat gesetzliche Beteiligungsrechte. Die wichtigsten sind das Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrecht. Mehr Details über diese wichtigen Rechte finden Sie im Kapitel „Mitwirkung oder Mitbestimmung? Kleine Unterschiede mit großer Wirkung“.
Zudem ist es Aufgabe des Betriebsrats, die Arbeitsbedingungen seiner Arbeitskollegen zu verbessern und rechtlich abzusichern. Dies geschieht durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu bestimmten Themen und durch den Abschluss von entsprechenden Verträgen, den so genannten Betriebsvereinbarungen. Dabei geht es um so wichtige Themen wie die Betriebsordnung, die Arbeitszeit oder um allgemeine Urlaubsgrundsätze.
Darüber hinaus soll der Betriebsrat bei Beschwerden von Arbeitnehmern helfen. Auch dazu gibt ihm das Betriebsverfassungsgesetz Möglichkeiten.
Achtung! Das Betriebsverfassungsgesetz ist das wichtigste Gesetz, das Sie als Betriebsrat kennen müssen. Hier finden Sie unter anderem Vorschriften über die Aufgaben der Arbeitnehmervertretung, über die Rechte des Betriebsrats sowie über die Zusammenarbeit im Gremium und mit dem Arbeitgeber. Gerade am Anfang Ihrer Betriebsratstätigkeit ist es sehr sinnvoll, sich das Gesetz und dessen Regelungen genauer anzusehen. Auch die ersten Weiterbildungen werden sich um das Betriebsverfassungsrecht drehen.
Auch bei personellen Entscheidungen ist der Betriebsrat zu beteiligen – er ist involviert bei der Einstellung über die Versetzung bis hin zur Kündigung von Arbeitnehmern. Werden solche „personellen Maßnahmen“ ohne Mitbestimmung des Betriebsrats durchgeführt, sind sie rechtlich unwirksam, d.h. sie müssen nicht ausgeführt oder beachtet werden.
Der Betriebsrat will rechtzeitig in die Personalplanung eingeschaltet werden, er muss also bei personellen oder strukturellen Änderungen, die das Personal betreffen, beteiligt werden. Immer und ohne Ausnahmen. Ebenso notwendig ist seine rechtzeitige Beteiligung bei wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens, also bei Fusionen oder bei der Ausgliederung von Betriebsteilen. Das nennt man „wirtschaftliche Mitbestimmung“.
Eine weitere Aufgabe des Betriebsrates ist, darüber zu wachen, dass Arbeitsgesetze, Betriebsvereinbarungen und Unfallverhütungsvorschriften eingehalten werden. Er hat hier Kontrollrechte.
Zudem muss der Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertreten. Er ist ein Vermittler zwischen dem Arbeitgeber und seinen Wählern. Im Rahmen dieser Interessenvertretung kann sich ein Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber ruhig „weiter aus dem Fenster lehnen“ als seine Kolleginnen und Kollegen, da er wegen seiner Funktion einen besonderen Kündigungsschutz genießt.
Eine weitere typische Aufgabe eines Betriebsrats ist, darüber zu wachen, dass ältere und ausländische Arbeitnehmer, Schwerbehinderte, Teilzeitbeschäftigte und Minijobber nicht benachteiligt werden. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn diese Arbeitnehmer von betrieblichen Fortbildungsmaßnahmen oder von tariflichen Leistungen ausgenommen werden.
Immer mehr in den Fokus der Betriebsratsarbeit rücken Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber zur besseren Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben. Betriebsräte können sich hier zum Beispiel für den Abschluss von modernen Arbeitszeitmodellen oder die Einführung eines Betriebskindergartens einsetzen.
In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber alle Entscheidungen, die seine Arbeitnehmer anbelangen, alleine treffen. Man spricht hier vom Direktionsrecht des Arbeitgebers. Ist erst einmal ein Betriebsrat gewählt, ist dieses Recht eingeschränkt. Es gibt dann nahezu keine Entscheidung mehr, in die der Betriebsrat nicht eingeschaltet werden muss. Zum einen muss der Arbeitgeber die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten, etwa bei der Einstellung, bei Versetzungen oder bei der Anordnung von Überstunden. Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Betriebsrats vorliegen haben, bevor_(!!!) er eine solche Maßnahme vollzieht oder anordnet.
Zum anderen gibt es so genannte Mitwirkungsrechte, zum Beispiel bei Kündigungen. Hier ist der Arbeitgeber verpflichtet, vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat anzuhören, die Kündigungsgründe zu nennen und einen etwaigen Widerspruch des Betriebsrats zur Kündigung abzuwarten.
Daneben gibt es das Recht auf Information, Beratung und Anhörung.
Gerade für neu gewählte Betriebsräte gilt es, diese Rechte durchzusetzen, da es kaum Arbeitgeber gibt, die begeistert sind, dass sie jetzt bei allen Entscheidungen „ihren“ Betriebsrat einschalten müssen. Um zu ihrem Recht zu kommen, gibt das Betriebsverfassungsgesetz den Betriebsräten verschiedene Instrumente an die Hand, die Sie später noch kennenlernen. Flankiert werden Mitbestimmungsrechte durch ein Initiativrecht. Der Betriebsrat kann mit diesem Recht den Arbeitgeber zwingen, über bestimmte Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Der Betriebsrat muss nicht warten, bis der Arbeitgeber einen Antrag stellt, vielmehr kann der Betriebsrat von sich aus tätig (initiativ) werden.
Dabei geht es in erster Linie um folgende Dinge:
Die Arbeitszeit und deren Lage, zum Beispiel
Die Fragen der Ordnung des Betriebs, zum Beispiel:
Die Mitbestimmung bei personellen Maßnahmen wie bei
Die wirtschaftliche Mitbestimmung bei
Ein Mandat als Betriebsrat ist ein Ehrenamt. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Betriebsrat tun und lassen kann, was ihm gefällt. Es gibt Rechte und Pflichten für Betriebsratsmitglieder, die im Betriebsverfassungsgesetz geregelt sind.
Gut zu wissen ist, dass aufgrund der ehrenamtlichen Tätigkeit keine Haftungs- oder Regressrisiken bestehen. Ein Betriebsrat sollte zwar immer auf der Basis des BetrVG arbeiten und möglichst keine (groben) Fehler machen. Wenn es aber trotzdem passiert, drohen einem Betriebsrat keine finanziellen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen.
Die Arbeit im Betriebsrat kann mitunter ganz schön aufwendig sein, je nachdem, wie engagiert das Gremium ist oder welche Fälle zugunsten der Kollegen und Kolleginnen zu regeln sind. Es gibt zahlreiche Aufgaben, die auf Sie als Betriebsrat zukommen können. Achtung, die folgende Liste ist nicht abschließend. Aufgaben eines Betriebsrats können sein:
Keine der oben genannten Aufgaben kann allein nur vom Betriebsratsvorsitzenden gestemmt werden. Er ist dabei auf die Hilfe der „ganz normalen“ Mitglieder angewiesen.
Aufgrund ihrer Funktion können Betriebsräte in Streitigkeiten oder Auseinandersetzungen mit ihrem Arbeitgeber verwickelt werden. Besonders gefährdet sind Betriebsräte in Klein- oder Mittelbetrieben, in denen so mancher Chef eine Auseinandersetzung in der Sache sehr persönlich nimmt. Und schmollt. Oder droht.
Der Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder
Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber für Betriebsräte einen besonderen Kündigungsschutz geschaffen. Er gilt ab dem Tag ihrer Kandidatur bis weit über das Ende der jeweiligen Amtszeit. Im Kündigungsschutzgesetz ist ausgeführt, dass bei Mitgliedern des Betriebsrats ordentliche (= fristgemäße) Kündigungen ausgeschlossen sind. Ebenso sind Betriebsräte vor Änderungskündigungen geschützt. Und wenn wegen Betriebsstilllegungen die gesamte Belegschaft gekündigt wird, ist der Betriebsrat der letzte, der geht und das Licht ausschaltet.
Und damit sich die Wellen wieder glätten können, gilt der Kündigungsschutz über das Ende der Amtszeit hinweg für ein Jahr weiter. Dies wird natürlich nur dann wichtig, wenn der Betriebsrat nicht mehr für dieses Amt kandidiert hat oder nicht mehr gewählt worden ist.
Der Bildungsurlaub für Betriebsratsmitglieder
Da es nicht in allen Bundesländern Bildungsurlaubsgesetze gibt, wurde im Betriebsverfassungsgesetz ein Anspruch auf Fortbildungen für Betriebsräte festgeschrieben. Auf dieser Basis können Betriebsräte verschiedene Schulungen besuchen, die sie für ihr Ehrenamt qualifizieren. Und dies sogar, ohne ihren teuer verdienten Jahresurlaub dafür zu opfern. Und das jeweilige Entgelt muss der Arbeitgeber genauso weiterbezahlen, wie er auch die Kosten für den Lehrgang nebst Anreise und Unterkunft übernehmen muss. Der Besuch von Betriebsräteseminaren ist nicht durch den Arbeitgeber genehmigungspflichtig. Seminare für neu gewählte Betriebsräte führt der Autor selbst seit vielen Jahren durch.
Informationen gibt es unter www.betriebsratundrecht.de
Empfehlenswert ist auch das breite Seminarangebot der W.A.F.
Informationen gibt es unter www.waf-seminar.de
Die Freistellung für die Betriebsratsarbeit
In Betrieben mit vielen Mitarbeitern und großen Betriebsräten gibt es die Möglichkeit, einzelne Betriebsratsmitglieder vollkommen von ihrer Arbeit freistellen zu lassen. Wie viele Mitglieder freigestellt werden können, hängt von der Betriebsgröße ab. Solche Freistellungen können auch gesplittet werden, wenn sich zum Beispiel zwei Betriebsratsmitglieder durch jeweils eine Halbtagsfreistellung eine ganze Freistellung teilen.
In Betrieben ab 200 Arbeitnehmern gibt es einen freigestellten Betriebsrat. Danach staffelt das BetrVG: Je nach Größe des Betriebs kann es bis zu 12 freigestellte Betriebsräte geben. Für die Höchstzahl von 12 müssen allerdings über 9.000 Arbeitnehmer beschäftigt sein.
Neben diesen freigestellten Betriebsräten muss jedes Betriebsratsmitglied „vorübergehend“ von der Arbeit freigestellt werden, um die oben genannten Aufgaben als Betriebsrat wahrnehmen zu können.
Diese Freistellung muss sich der Betriebsrat nicht von seinem direkten Vorgesetzten genehmigen lassen. Er muss sich nur formell abmelden, ohne dass er sein Fernbleiben begründet. Sollte ein Vorgesetzter hier Probleme machen, muss er sich warm anziehen, denn das wäre eine klassische Behinderung der Betriebsratsarbeit – und damit strafbar.
Nachteile dürfen nicht sein
Die eine oder andere „dumme“ Bemerkung von Vorgesetzten, nach dem Motto: „Wir müssen weiter schuften und der Herr Betriebsrat geht schön zum Kaffeetrinken“, gibt es immer wieder mal in Betrieben. Das sollte man sich nicht gefallen lassen. Hier muss der Betriebsratsvorsitzende ein ernstes Wort mit dem Arbeitgeber (nicht mit dem betroffenen Vorgesetzten) führen. Gesetzlich verboten ist, dass Betriebsräte wegen ihres Ehrenamtes benachteiligt werden. Eine solche Benachteiligung könnte zum Beispiel sein, dass Beförderungen nicht vollzogen werden, die ohne Betriebsratsamt zu erwarten gewesen wären. Oder wenn sich Betriebsräte nicht in ihrer ursprünglichen Tätigkeit weiterbilden dürfen.
Im Betriebsverfassungsgesetz ist ausdrücklich festgeschrieben, dass Betriebsrat und Geschäftsführung zum Wohle der Belegschaft „vertrauensvoll zusammenarbeiten müssen“. Dies ist in der Praxis nicht immer ganz einfach. Während der Unternehmer die Gewinnmaximierung im Auge hat, steht für den Betriebsrat das Wohl der Arbeitnehmer an erster Stelle. Konflikte sind hier oft vorprogrammiert.
Arbeitnehmer, die in Dauerkonfrontation mit dem Arbeitgeber leben, können dies auf Dauer nicht aushalten. Dabei ist in der Praxis festzustellen, dass sich ab einem gewissen Zeitpunkt große Teile der Arbeitnehmer – aus Angst um den Arbeitsplatz – mit dem Arbeitgeber solidarisieren, so dass am Ende der Auseinandersetzung der Betriebsrat zwischen allen Stühlen sitzt.
Aus diesem Grund ist es für Betriebsräte enorm wichtig, immer sachlich zu bleiben. Eine persönliche Konfrontation hilft nicht, Sachprobleme zu lösen. Das BetrVG gibt dem Betriebsrat viele rechtliche Möglichkeiten, zu seinem Recht zu kommen. Diese Möglichkeiten muss ein cleverer Betriebsrat kennen, um entscheiden zu können, welcher Weg im konkreten Fall der richtige ist.
Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob wegen einer Auseinandersetzung zum Beispiel um Überstunden ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren eingeleitet oder eine Einigungsstelle angerufen wird. Ein kluger Betriebsrat wählt nicht gleich die härteste Maßnahme bei Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen. Er nutzt ein System, in dem die Maßnahmen schrittweise aufeinander aufbauen:
„Lieber Chef, bei der Anordnung von Überstunden (oder bei der Einstellung von Herrn Meier) haben Sie wohl vergessen, den Betriebsrat zu beteiligen. Bitte achten Sie in Zukunft darauf, dass das nicht mehr passiert“.
Sollte dieses Schreiben auch nichts bewirken, müssen dem Chef Konsequenzen für den Fall angedroht werden, wenn weiter gegen Mitbestimmungsrechte verstoßen wird. Ab diesem Stadium sollte sich der Betriebsrat externen Rat einholen.
Achtung! Jetzt ist der Zeitpunkt zu entscheiden, ob der Betriebsrat beim nächsten Verstoß tatsächlich den Weg zum Arbeitsgericht gehen will. Es macht keinen Sinn, dem Arbeitgeber ein Ordnungswidrigkeits- oder Beschlussverfahren (siehe Kapitel „Wenn der Arbeitgeber nicht so will wie wir“) anzudrohen und dieses letztlich dann nicht einzuleiten. Wer mit einer Maßnahme droht, muss sie im Ernstfall auch folgen lassen, weil er sonst „sein Gesicht verliert“.
Wenn der Arbeitgeber gar nicht einsehen will, dass er sich an das BetrVG zu halten hat, bleibt nur noch der Weg nach außen. Im Rahmen eines Arbeitsgerichts- oder Ordnungswidrigkeitsverfahrens wird der Arbeitgeber gezwungen, (zur Vermeidung einer Geld- oder Haftstrafe) nicht mehr gegen seine gesetzlichen Verpflichtungen zu verstoßen.
Neu gewählte Betriebsräte sind auf die Unterstützung von außen angewiesen. Sie benötigen Begleitung, Schulung und Hilfe bei den Sitzungsvorbereitungen und der Durchführung von Sitzungen. Betriebsräte, die schon länger im Amt sind, können meistens schon von „alleine laufen“. Sie brauchen externe Unterstützung nur bei der Bewältigung schwieriger Verhandlungen oder bei der Lösung von großen Problemen, so zum Beispiel bei der Verhandlung von neuen Arbeitszeitmodellen oder im Abschluss von Sozialplan oder Interessenausgleich bei schweren wirtschaftlichen Problemen des Arbeitgebers.
Solche Hilfestellungen können die Betriebsräte durch die Verpflichtung von externen Sachverständigen (siehe Kapitel „Wissen und Know-how für clevere Betriebsratsarbeit“) erhalten. Das ist aber mit Kosten verbunden. Als Dienstleistung verrichten diese Aufgabe jedoch auch die Vertreter von Gewerkschaften. Damit dieser Weg wählbar ist, muss es sich „um eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft“ handeln, das heißt, die Gewerkschaft muss mindestens ein Mitglied im Betrieb haben.
Gewerkschaftssekretäre dürfen dann – nach Beschlussfassung im Betriebsrat – an Betriebsratssitzungen und an Betriebsversammlungen teilnehmen. Sie haben dort auch ein Rederecht.
Achtung! Der Betriebsrat muss aber eines unbedingt beachten: Bei Arbeitskämpfen wie Streiks oder Warnstreiks, die durch die Gewerkschaft ausgerufen wurden, muss der Betriebsrat neutral sein. Er darf die Belegschaft nicht aufrufen, dem Streik zu folgen. Das wäre eine grobe Amtspflichtverletzung. Wenn es einzelne Betriebsratsmitglieder trotzdem tun, sollten sie ihre Ansprache mit den Worten: „Ich spreche mit dir von Kollege zu Kollege und nicht als Betriebsrat.“ eröffnen.
Wie Betriebsräte entscheiden
Die Wahl ist vorbei und die erste Sitzung steht vor der Tür. „Was kommt jetzt auf mich zu?“ werden viele Neulinge denken. Wie funktioniert das mit der Wahl des Vorsitzenden? Wie förmlich ist so eine Sitzung? Muss ich mich bei meinem Chef abmelden?
Direkt nach der Wahl geht es los. Der Wahlvorstand lädt die gewählten Betriebsräte innerhalb einer Woche nach dem Wahltag zur so genannten „konstituierenden Sitzung“. Das passiert mit einem Einladungsschreiben nebst einer Tagesordnung an die gewählten Betriebsratsmitglieder. Die restlichen Mitglieder des Wahlvorstandes, die nicht in den Betriebsrat gewählt wurden, haben auf dieser Sitzung kein Teilnahmerecht. Ab diesem Tag sind diese Wahlvorstandsmitglieder für sechs Monate so gut wie unkündbar.
Diese erste Betriebsratssitzung ist sehr wichtig:
In ihr werden der Betriebsratsvorsitzende und dessen Abwesenheitsvertreter gewählt.
Der Vorsitzende des Wahlvorstandes eröffnet die erste Betriebsratssitzung. Als erstes veranlasst er, dass ein so genannter Wahlleiter aus Kreisen des Betriebsrats gewählt wird. Dies kann per Handzeichen geschehen. Beantragt ein Betriebsratsmitglied die Durchführung einer geheimen Wahl, muss mit Stimmzetteln geheim gewählt werden.
Sobald der Wahlleiter gewählt ist, endet das offizielle Amt des Wahlvorstandsvorsitzenden und damit auch dessen Teilnahmerecht: Er muss die Sitzung verlassen. Etwas anderes ist es natürlich, wenn der Vorsitzende des Wahlvorstandes selbst für den Betriebsrat kandidiert hat und gewählt wurde. Dann bleibt er natürlich in der Sitzung, aber nicht mehr als Wahlvorstand, sondern als ordentlicher Betriebsrat.
Jetzt muss das Führungsgremium bestimmt werden. Die Wahl eines Vorsitzenden und dessen Abwesenheitsvertreter ist Pflicht. Findet sich kein Betriebsratsvorsitzender, so ist der Betriebsrat „nicht funktionsfähig“, kann nicht arbeiten und der Arbeitgeber kann weiter allein nach „Direktionsrecht“ entscheiden. So etwas kommt aber in der Praxis so gut wie nie vor.
Genaue Wahlvorschriften für die Wahl des Vorsitzenden gibt es im Gesetz nicht. Wahlberechtigt sind alle Betriebsratsmitglieder.
Gewählt ist als Betriebsratsvorsitzender, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Gibt es zwei Kandidaten, die gleich viele Stimmen haben, muss ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden. Gibt es dann immer noch eine Stimmengleichheit, muss das Los entscheiden.
Der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter müssen in getrennten Wahlgängen gewählt werden.
Achtung! Das Amt des Betriebsratsvorsitzenden ist kein Amt auf Dauer. Mit einer einfachen Mehrheit können der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter jederzeit abgewählt werden. Für eine solche Abwahl braucht der Betriebsrat keinen Grund.
Gibt es Betriebsräte, die vollkommen von der Arbeit freigestellt sind (in Betrieben ab 200 Arbeitnehmern), so fällt diese Freistellung nicht automatisch auf den Betriebsratsvorsitzenden. Freistellen könnte sich auch ein anderes Betriebsratsmitglied lassen.
Diese Aufgaben hat der Betriebsratsvorsitzende
Was unterscheidet nun den Betriebsratsvorsitzenden von den anderen Betriebsratsmitgliedern? Ist er der „Chef“ vom Betriebsrat, der alles bestimmen kann? Nein!
Der Betriebsrat arbeitet grundsätzlich als Gremium, das gemeinsam entscheidet. Der Vorsitzende ist der erste Ansprechpartner des Betriebsrats. Ihm sind im Betriebsverfassungsgesetz bestimmte Aufgaben zugewiesen:
Der Betriebsratsvorsitzende als „Briefkasten“
Allein der Betriebsratsvorsitzende (bei Verhinderung sein Stellvertreter) ist berechtigt, Erklärungen für den Betriebsrat entgegenzunehmen und an sein Gremium weiterzuleiten. Wenn der Arbeitgeber beim Betriebsrat eine Kündigung oder Versetzung beantragt oder Überstunden anweisen will, dann muss er diese Anträge an den Vorsitzenden geben. Nur dieser ist für den Betriebsrat empfangsberechtigt.
Deshalb ist es mehr als empfehlenswert, weitere Stellvertreter zu wählen und diese dem Arbeitgeber mitzuteilen. Dann kann es nicht vorkommen, dass der Vorsitzende und sein Stellvertreter nicht im Haus sind und der Arbeitgeber keinen Ansprechpartner mehr hat.