Lisa Renee Jones, Peggy A. Hoffmann, Etherington, Inc.

TIFFANY SEXY, BAND 82

IMPRESSUM

TIFFANY SEXY erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2011 by Lisa Renee Jones
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Alina Lantelme

© 2011 by Peggy A. Hoffmann
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Christiane Bowien-Böll

© 2011 by Etherington
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Alina Lantelme

Fotos: Cultura/Masterfile

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXY
Band 82 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

Veröffentlicht im ePub Format im 07/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86494-654-7

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
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LISA RENEE JONES

Sinnliche Affäre über den Wolken

„Was willst du von mir, Ryan?“, fragt Sabrina. „Dich. Nur dich“, bekennt der sexy Fallschirmlehrer mit sinnlicher, tiefer Stimme. Mit seinem perfekten Körper und den harten Muskeln scheint er wie geschaffen für wilden Sex zu sein. Doch eine erotische Affäre mit diesem Mann könnte nicht nur Sabrinas Karriere, sondern auch ihr Herz in ungeahnte Gefahr bringen …

PEGGY A. HOFFMANN

Ein Lied von Lust und Liebe

Der irische Songwriter Riley Quinn hat sein Leben der Musik verschrieben. Bis er die verführerische Amerikanerin Nan trifft. Noch nie hat er eine Frau so begehrt wie sie. Sie ist seine Muse, seine Geliebte, einfach alles für ihn. Wenn er doch nur die Zeit anhalten könnte! Aber leider darf er nicht vergessen, dass Nans Aufenthalt in Irland bald vorbei ist …

ETHERINGTON

Verführ mich, geliebter Feind!

Gavin Fortune ist ein rücksichtsloser Schatztaucher − aber auch der heißeste Mann der Welt, muss Brenna zugeben. Doch du bist noch nicht so ausgehungert nach Sex, dass du dich ihm an den Hals wirfst, ermahnt sie sich. Nur wie kann sie ihn hindern, ein historisches Schiff vor der Küste ihrer Heimat zu plündern, wenn seine Nähe sie ständig vor Lust erschauern lässt?

1. KAPITEL

„Sabrina! Wo ist Sabrina?“

Als Sabrina Cameron ihren neuen Chefredakteur Frank Roberts ungeduldig ihren Namen rufen hörte, trat sie erstaunt aus einer der Damentoiletten im Bürogebäude des „Austin Herald“. Erst vor einem Monat hatte sie sich nicht nur von New York City und ihrem Vater, dem Senator, verabschiedet. Sie hatte auch bei einer renommierten Zeitung gekündigt, für die sie politische Kolumnen geschrieben und damit große öffentliche Beachtung gefunden hatte. Zu glauben, damit auch das hektische Leben hinter sich gelassen zu haben, war offensichtlich ein Trugschluss gewesen.

„Sabrina!“, rief Frank erneut, während er um die Ecke bog. Der nervöse, angespannte Mann verlangte ständig Überstunden, setzte seine Mitarbeiter unter Druck und stellte sie vor immer neue Herausforderungen. Überrascht musterte er Sabrina, die ihre langen, brünetten Haare zum ersten Mal seit ihrer Ankunft offen trug und mit einem hellblauen Westernhemd und schwarzen Jeans ungewöhnlich lässig gekleidet war. „Warum dieses Outfit?“, fragte er missbilligend. „Wo ist der Hosenanzug, den Sie heute Morgen getragen haben?“

„Ich gehe nachher zum Kyle Strawberry Festival, um über das jährliche Fest anlässlich der Erdbeerernte zu berichten.“ Sie freute sich schon auf den vergnüglichen Abend, bei dem niemand ihre politischen Ansichten analysieren und mit denen ihres Vaters vergleichen würde. Und besonders freute sie sich auf die Cowboys. Ihr gefiel es sehr, dass die Männer hier in Texas enge Jeans und Cowboystiefel wie Businessanzüge trugen. Man wusste nie, ob man einen Millionär oder einen Hilfsarbeiter auf einer Ranch vor sich hatte – und niemanden schien das zu kümmern. Das war erfrischend und sexy.

„Ziehen Sie den Hosenanzug wieder an“, riss Frank sie brüsk aus ihren Gedanken. „Stattdessen gehen Sie zu einer Pressekonferenz mit dem Bürgermeister.“

„Oh nein. Ich schreibe nicht mehr über Politik.“ Sabrina hatte sogar ein Pseudonym angenommen, um sicherzustellen, dass niemand hier sie mit ihrer Vergangenheit als politische Journalistin in Verbindung brächte. Sie brauchte ihr eigenes Leben und vor allem die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, ohne überlegen zu müssen, welchen Einfluss diese Entscheidungen auf die Karriere ihres Vaters haben könnten.

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will Sie für die Story.“

„Keine Politik“, beharrte sie. „Das war eine meiner Bedingungen, als ich den Job hier angenommen habe.“

„Ich habe Sie bisher nur zu völlig belanglosen Terminen geschickt“, fuhr Frank sie an. „Und das ist jetzt der Dank dafür. Sie müssen zu dieser Pressekonferenz gehen.“

„Wir hatten vereinbart, dass ich während der ersten sechs Monate nur über harmlose Themen schreibe, damit ich hier nicht auffalle. Ich bin von New York nach Austin gezogen, um mir ein neues Leben aufzubauen. Wegen einer Pressekonferenz mit dem Bürgermeister werde ich nicht riskieren, diesen Neuanfang zu gefährden.“

„Dann haben Sie vermutlich nicht gehört, dass einer unserer Soldaten, der mit einem Drogenkartell in Verbindung stand, gestern Nacht eine Bank ausgeraubt hat. Das hat Nachrichtenwert! Wenn Sie die Story richtig anpacken, könnten Sie im Fernsehen erwähnt oder sogar interviewt werden.“

„Ich habe davon gehört“, meinte Sabrina. „Leute machen jeden Tag dummes Zeug. Das ist traurig. Aber deshalb muss nicht ich darüber berichten. Und Sie werden mich nicht dazu benutzen, um selbst in den Medien Beachtung zu finden. Ich bin hier, um dem Druck zu entkommen, ständig im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen. Im Fernsehen zu sein, ist das Letzte, was ich will.“

„Sie kennen sich in der Welt der Politik aus.“ Frank ließ nicht locker. „Sie können herausfinden, was ich wissen will.“

„Ja, das mag so sein, aber wir haben eine Abmachung miteinander getroffen. Ich bin hergekommen und habe einen Job angenommen, der ausdrücklich nichts mit der Welt der Politik zu tun hat.“ Sie war jetzt zweiunddreißig Jahre alt. Die Zeiten, in denen ihr Vater noch jeden ihrer Schritte gutheißen musste, waren lange vorbei.

„Und wenn ich Ihnen sage, dass mir jemand aus dem Umfeld des Bürgermeisters zugeflüstert hat, dass der Bürgermeister diesen Soldaten nicht nur gekannt hat, sondern zudem versucht, die Sache unter den Teppich zu kehren?“

„Warum sollte er das tun?“, fragte Sabrina, bevor sie sich bremsen konnte.

„Weil der Bürgermeister vielleicht Dreck am Stecken hat“, antwortete Frank. „Ich weiß, wie sehr Sie Politiker hassen, die sich die Finger schmutzig machen. Vielleicht hat er auch etwas mit dem Drogenkartell zu tun. Das ist nur eine der unendlich vielen Möglichkeiten. Deshalb brauche ich eine Expertin für diese Geschichte. Habe ich jetzt Ihr Interesse geweckt?“

„Nein“, log sie. „Das haben Sie nicht.“ Sie war nicht hier, um ihr altes Leben in einem anderen Bundesstaat fortzusetzen. „Deswegen haben Sie mich nicht eingestellt. Und Sie wissen, dass mein Vater große Ambitionen hat und zum Parteivorsitzenden aufsteigen will. Über einen Skandal zu berichten, in den ein Gouverneur verwickelt ist, wäre nicht besonders passend. Besonders da es sich um einen Politiker der Oppositionspartei handelt.“

„Trotzdem übernehmen Sie die Story, Sabrina“, entgegnete Frank hartnäckig. „Hier geht es um investigativen Journalismus und um Fakten, nicht um politische Kommentare. Niemand kann Sie für die Wahrheit verurteilen.“

„Mein Job …“

„Ist zu tun, was ich Ihnen sage. Erdbeerfeste sind unter Ihrem Niveau. Ende der Diskussion.“ Seine Stimme wurde schärfer. „Die Pressekonferenz beginnt um vier Uhr. Seien Sie pünktlich!“

„In Ordnung, Frank“, stimmte sie schließlich notgedrungen zu. „Ich gehe hin. Aber ich will nicht namentlich erwähnt werden. Jemand anders muss den Artikel auf Grundlage meiner Notizen schreiben.“

„Darüber reden wir noch“, murmelte er, bevor er wegging.

Sabrina überlegte, ihm zu folgen, um die Sache sofort mit ihm zu klären. Aber die Tierärztin Jennifer Jones, die seit Kurzem eine Ratgeberrubrik mit dem Thema Haustiere betreute, lief ihr über den Weg.

„Warum hat er nach dir geschrien?“ Sie blieb vor Sabrina stehen. „Ich schwöre, dass ich mich nie an diese Redaktion gewöhnen werde. Ich muss zurück in meine Praxis. Bellende Hunde und fauchende Katzen sind viel netter als das Gebrüll und die Temperamentsausbrüche hier.“

„Kann ich mitkommen?“

„Hängt davon ab, was du zu bieten hast.“ Jennifer lächelte. „Kannst du mit Hühnern umgehen? Heute Nachmittag kommt jemand mit einem Huhn zur Untersuchung.“

„Mit einem Huhn?“ Sabrina lachte. Obwohl sie die zierliche Blondine erst seit einem Monat kannte, betrachtete sie Jennifer schon als Freundin. „Du machst Witze.“

„Mit einer Henne, um genau zu sein. Wir sind in Texas, wo die Leute ihre Hühner sehr ernst nehmen.“ Sie schmunzelte. „Bedeutet Franks Gebrüll, dass du beschäftigt bist? Oder kannst du mit mir irgendwo zu Mittag essen, bevor ich in meine Praxis verschwinde?“

„Es bedeutet, dass ich eine Margarita und Schokolade brauche. Dennoch gebe ich mich mit Mittagessen und einem Dessert zufrieden. Aber ich …“

„Fahre“, sagte Jennifer für sie. „Ich weiß.“

Sabrina runzelte die Stirn. „Ja?“

Sie nickte. „Wir haben dreimal zusammen zu Mittag gegessen, und du hast jedes Mal einen Grund gefunden, um zu fahren. Und deine Kaffeetasse muss immer bis zu einem ganz bestimmten Punkt gefüllt sein. Du bist ein Kontrollfreak.“ Als Sabrina den Mund aufmachte, um zu widersprechen, hob sie die Hand. „Ich hole meine Handtasche.“

Während Jennifer in die Redaktionsräume ging, blieb Sabrina wie angewurzelt stehen und dachte über die Worte ihrer Freundin nach. Im Gegensatz zu ihrem Vater war sie kein Kontrollfreak. Das würde sie Jennifer während des Mittagessens beweisen.

Eine Stunde später waren sie in einem gemütlichen Restaurant beim Dessert angekommen. Sie gönnten sich einen kleinen Schokoladenkuchen mit Eis. „Ich bin kein Kontrollfreak“, behauptete Sabrina nachdrücklich, nachdem sie Jennifer anvertraut hatte, wie und warum sie nach Texas gezogen war.

Ihre Freundin hob nur eine Augenbraue.

Verdammt, dieser Frau konnte sie nichts vormachen. „Gut. Ich gebe es zu. Aber zum Kontrollfreak habe ich mich notgedrungen entwickelt. Zu Hause ist jeder meiner Schritte daraufhin beleuchtet worden, was er politisch bedeuten könnte. Jetzt lebe ich woanders und frei. Aber es ist schwer für mich.“

„Hast du jemals die Sendung ‚Dog Whisperer‘ gesehen?“, fragte Jennifer nach einem Moment.

Sabrina lachte. „Ich bin ein großer Fan des Hundeflüsterers. Obwohl ich nicht einmal einen Hund habe. Es liegt an der Art, wie diese Tiere sich ihm sofort unterwerfen … Diese Art der Kontrolle ist wirklich sexy.“

Ihre Freundin legte die Kuchengabel weg. „Also in diese Richtung sollte das nicht gehen. Wir reden darüber, die Kontrolle abzugeben, nicht darüber, sie so auszuüben, dass es besonders sexy ist.“

„Oh, du meine Güte“, meinte Sabrina, als sie verstand, worauf Jennifer abzielte. „Ich bin total zwiespältig und in viel schlechterer Verfassung, als ich dachte.“

„Wir sind alle durcheinander“, versicherte Jennifer ihr. „Das nennt man menschlich.“

„Dann hattest du vielleicht die richtige Idee. Du verbringst deine Zeit mit Tieren.“ Sie runzelte die Stirn. „Oh nein, warte. Du bist verheiratet, richtig?“

„Ja, das bin ich. Und Bobby weiß zum Glück immer, wann es an der Zeit ist, zum Tier zu werden.“ Die Freundinnen lachten, bevor Jennifer fortfuhr: „Ich wollte darauf hinaus, dass Cesar den Zuschauern im ‚Dog Whisperer‘ zeigt, wie er aggressive Hunde so erzieht, dass sie ihre Unterwerfung akzeptieren. Die Hunde erkennen, dass sie durch weniger aggressives Verhalten bekommen, was sie wollen – in diesem Fall ein Lob“, erklärte sie. „Ich denke, du musst lernen, dass du nicht immer alles kontrollieren kannst. Dann wirst du merken, dass die Welt deshalb nicht untergeht.“ Ihre Augen leuchteten auf. „Und ich weiß auch schon, wie du das tun kannst. Mit Fallschirmspringen. Das ist perfekt.“

Sabrina starrte sie völlig entgeistert an. „Bist du verrückt? Du willst, dass ich aus einem Flugzeug springe?“

„Bobby und zwei seiner Kameraden aus der Armee gehört das Fallschirmsportunternehmen Texas Hotzone außerhalb von Austin. Mit dem Auto bist du in dreißig Minuten dort. Deinen ersten Sprung kannst du mit Caleb, einem von Bobbys besten Freunden, absolvieren. Er ist ein netter und sanfter Mann. Du kannst ihm die Kontrolle überlassen, ohne das Gefühl zu haben, vollkommen hilflos zu sein. Und er sorgt dafür, dass du sicher und wohlauf unten ankommst.“

„Nein.“ Energisch schüttelte Sabrina den Kopf. „Ich bin nach Texas gezogen, um mein Leben zu leben und nicht, um es aufs Spiel zu setzen.“

Jennifer zuckte die Achseln. „Ich liebe das Fallschirmspringen. Aber ich bin auch kein Kontrollfreak. Vermutlich kann ich deshalb Spaß an Dingen haben, die du dir nicht einmal vorstellen kannst.“

„Oh, das war gemein. Wirklich gemein.“

„Ich weiß. Aber es funktioniert, und das weißt du.“ Ihr Handy piepte. „Verdammt, ich muss los.“ Sie nahm ihre Handtasche. „Vor nächster Woche komme ich nicht in die Redaktion.“ Eilig warf sie eine Visitenkarte auf den Tisch. „Hier ist die Adresse von Texas Hotzone. Wir treffen uns dort am Samstag um kurz vor zwei Uhr. Damit bleiben dir drei Tage, um dir eine Ausrede einfallen zu lassen. Aber vergiss nicht: Du bist von New York nach Texas gezogen, um dein Leben zu ändern. Also ändere es.“ Sie stand auf. „Du schaffst das. Wollen wir wetten?“

Gedankenverloren sah Sabrina ihrer Freundin nach. Sie hatte ihr altes Leben hinter sich gelassen. Und wofür? Um weiterhin in der Welt ihres Vaters gefangen zu sein? Sie seufzte leise. Wem wollte sie etwas vormachen? Natürlich wollte sie nicht über Erdbeerfeste schreiben. Frank hatte recht. Über Fakten zu berichten, war etwas anderes, als eine politische Kolumne zu schreiben. Und sie hatte vor Jahren als investigative Journalistin ihre Karriere begonnen. Sie wollte zu dieser Pressekonferenz gehen und die Story schreiben. Sie wollte sich ihre Freunde selbst aussuchen. Und sich für einen Mann entscheiden können, der aufregend war, statt auf Nummer sicher zu gehen.

Verdammt, sie wollte in der Lage sein, sich einen One-Night-Stand zu gönnen, wenn sie Lust darauf hatte, ohne sich Gedanken wegen der Klatschpresse machen zu müssen. Aber bisher hatte sie so etwas nie gewagt. Ein Moment lang gab sie sich ihrer Fantasie hin und stellte sich einen Mann mit einem perfekten Körper und harten Muskeln vor, der wie geschaffen war für wilden Sex.

Sabrina seufzte wieder, verdrängte die Bilder in ihrem Kopf und entschied, jeden weiteren Bissen ihres halb aufgegessenen Desserts in vollen Zügen zu genießen. Denn der Schokoladenkuchen verschaffte ihr vermutlich das lustvollste Erlebnis, das sie in nächster Zeit erwartete. Vielleicht sollte sie doch zum Fallschirmspringen gehen. Zumindest riskierte sie mit einem Sprung aus einem Flugzeug keinen Skandal …

Am Samstagnachmittag spazierte Ryan „Cowboy“ Walker zur Empfangstheke des Hotzone, um seine Eintragungen ins Flugbuch zu vervollständigen. Heute war er zeitig zur Arbeit gekommen, da er zum ersten Mal seit der großen Eröffnung früher Feierabend zu machen plante. Nach Dienstschluss wollte er mit einem Immobilienmakler Häuser besichtigen. Er hatte lange gebraucht, um sich voll und ganz für ein Leben als Zivilist zu entscheiden. Dazu gehörte für ihn ein eigenes Heim. Auch wenn ihm dieser Gedanke weit mehr beunruhigte als jeder Einsatz, in dem er gekämpft hatte. Denn bislang war die Armee der einzige Ort gewesen, den er jemals als Zuhause empfunden hatte.

Erst vor einem Monat hatte er die Armee verlassen und mit zwei ehemaligen Kameraden des Sondereinsatzkommandos Crazy Aces das Hotzone übernommen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er davon ausgegangen war, lebenslang Soldat zu bleiben. Aber Soldaten befolgten Befehle, ohne sie zu hinterfragen – und das konnte er nicht länger. Denn er hatte herausgefunden, dass die Dienststelle, die in diesem Fall das Sagen gehabt hatte, moralisch nicht integer gewesen war. Nichts war so gewesen, wie es den Anschein gehabt hatte. Deshalb war er jetzt hier und machte sich auf die Suche nach einem Haus. Auch wenn er sich wie eine Wildkatze fühlte, die domestiziert werden sollte.

Ryan schlug das Flugbuch zu. Am Montag absolvierten die neuen Rekruten der Special Forces ein Training bei ihm. Dabei würde er ihnen so viel Angst und Schrecken einjagen, dass ihnen hinterher bei ihren Einsätzen jeder Fallschirmsprung wie ein Kinderspiel vorkäme. Gerade als er sich auf den Weg zur Tür machte, fiel sein Blick auf eine Frau, die vom Parkplatz aus auf das Gebäude zukam. Sie war so sexy, dass er wie angewurzelt stehen blieb und einen leisen Pfiff ausstieß.

Sofort vergaß er jeden Gedanken an die Haussuche. Gebannt und mit wachsendem Interesse betrachtete er die Brünette, die sehr selbstsicher wirkte, als sie auf ihn zuging. Oh ja. Diese Frau gefiel ihm. Er konnte es kaum erwarten, sie kennenzulernen. Das Blut pulsierte ihm in den Adern wie schon lange nicht mehr. Sein umfangreiches Arbeitspensum hatte ihm keine Zeit für Verabredungen oder andere Vergnügen gelassen. Diese Trockenperiode würde nun ein Ende haben, entschied er in diesem Moment. Denn allein der Anblick der Frau törnte ihn an. Ihre schwarzen Jeans und das schwarze, eng geschnittene T-Shirt verhüllten ihre Kurven und Rundungen perfekt.

Als sie die Tür aufmachte, flatterten ihre seidigen Haare im Wind, bevor sie ihr über die schmalen Schultern und die Brüste fielen. Ryan wollte diese Haare auf seinem Gesicht und seinem Bauch spüren. Er wollte diese Frau. Sie betrat das spärlich eingerichtete Büro, schob die Sonnenbrille auf den Kopf und sah ihn mit ihren hellgrünen Augen an. Es knisterte sofort zwischen ihnen. Die Luft schien förmlich zu brennen. Im Zimmer war es so still, dass es beinahe unheimlich war.

„Hallo.“

Ihre melodische Stimme elektrisierte ihn. Er ließ den Blick über ihre vollen Brüste wandern, bevor er ihr auf den Mund sah. Sie hatte eine sehr sinnliche Unterlippe. Er wollte sie schmecken. Jeden Zentimeter von ihr. Mit den Fingern tippte er an die Krempe seines Cowboyhuts, während er sie mit unverhohlenem Interesse und Verlangen musterte.

Nach einem weiteren Moment der atemlosen Stille fügte sie hinzu: „Ich bin hier, um Caleb zu treffen.“

Ryan hatte Mühe, den Fluch zu unterdrücken, der ihm auf der Zunge lag. Sie war wegen Caleb hier. Seinem Geschäftspartner, Exkameraden bei den Aces und Freund. Also war sie für ihn tabu. Er presste die Lippen aufeinander, als eine völlig ungewohnte Besitzgier in ihm aufstieg. Einem Kameraden bei den Aces hatte er noch nie irgendetwas streitig gemacht. Die Aces waren wie eine Familie. Aber Caleb sollte seinen Besitzanspruch auf diese Frau besser schnell geltend machen. Denn Ryan wollte sie sehr. Und was Ryan Walker wollte, das nahm er sich.

Er ließ die brünette Schönheit keine Sekunde lang aus den Augen. Denn er hatte nicht vor, sie sich entgehen zu lassen. Und er wollte weit mehr von ihr als nur ihren Namen und ihre Telefonnummer. Doch dann wurde sie von Jennifer abgefangen.

„Sabrina!“ Jennifer lief an ihm vorbei. „Wir waren um kurz vor zwei Uhr verabredet. Du bist spät dran. Ich dachte, du kommst nicht mehr.“

„Du meinst, du hast mich für einen Feigling gehalten“, erwiderte Sabrina und lachte. Ihr sexy Lachen klang rauchig und versetzte Ryan einen zusätzlichen Kick.

Jennifer, die jetzt mit dem Rücken zu ihm stand, stemmte die Hände in die Hüften und versperrte ihm die Sicht. „Wir wissen beide, was deine Verspätung bedeutet. Du hättest fast einen Rückzieher gemacht, nicht wahr?“ Als sie ein Stück nach rechts trat, konnte er sehen, dass Sabrina errötete.

„Okay, fast hätte ich gekniffen“, gab sie zu.

„So etwas hatte ich mir schon gedacht. Und insgeheim hast du gehofft, dass es jetzt zu spät zum Fallschirmspringen ist. Nun, der Plan ist aufgegangen. Caleb ist den ganzen Nachmittag über ausgebucht.“

Ryan stützte sich mit dem Ellbogen auf die Theke. Zur Hölle mit der Haussuche. „Sie kann mit mir hinaufkommen“, sagte er betont lässig, um ihr zu signalisieren, wie sehr sie ihn auf Touren brachte.

Sabrina warf einen Blick um Jennifer herum. Ihre grünen Augen funkelten wie Kristalle, als sie ausgiebig seinen Körper musterte, bevor sie ihm ins Gesicht sah. „Und wer sind Sie?“

„Eine bessere Wahl als Caleb“, versicherte er ihr.

„Nicht für Sabrina“, entgegnete Jennifer und drehte ihm erneut den Rücken zu. „Ryan ist ein heißblütiger Abenteurer. Mit ihm willst du nicht springen, glaub mir. Du willst Caleb.“

Doch nachdem Sabrina Ryan gesehen hatte, war sie sicher, dass sie ihn wollte. Allerdings hatte sie auch das Gefühl, dass ein heißblütiges Abenteuer mit ihm ein Vergnügen wäre, das sie bei Weitem überforderte. Aus einem Flugzeug zu springen war schon tollkühn und beängstigend genug. Ein attraktiver Cowboy mit einem muskulösen Körper, samtig braunen Augen und einem Schlafzimmerblick würde sie wahrscheinlich vollkommen aus dem Konzept bringen, befürchtete sie. „Ich kann auf Caleb warten. Ich habe keine Eile und kann auch gern nächstes Wochenende wiederkommen.“

Ryan verzog den Mund langsam zu einem Lächeln. „Ich schone Sie. Versprochen.“

Versprochen. Sagt die Katze zur Maus, dachte Sabrina zynisch. Dennoch konnte sie nicht anders, als sich vorzustellen, wie er die Hüften an ihren Po presste, während sie mit dem Fallschirm in der Luft schwebten. Oh ja, er war gefährlich. Auf jede erdenkliche Weise.

„Nein, Ryan“, mischte sich Jennifer alarmiert ein und wandte sich Sabrina zu. „Caleb ist ruhig und überlegt. Er wird dein Fels in der Brandung sein, falls du Angst bekommst.“

„Ich bin ebenfalls ruhig und überlegt“, sagte Ryan.

Jennifer warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Es gibt einen Grund dafür, warum du mit den erfahrenen Springern trainierst, und den kennst du.“

„Ja. Weil ich sie lehre, dass es nicht langweilig sein muss, wenn man ruhig und überlegt handelt. Ich bringe sie lieber an ihre Grenzen und zeige ihnen, wie sie diese Grenzen ein Stück weit überwinden können, als ihnen zu wenig abzuverlangen.“

Seine Worte stimmten Sabrina nachdenklich. Sie war ihr Leben lang vernünftig und rational gewesen. Noch nie hatte sie es ausprobiert, wagemutig zu sein und über ihre Grenzen hinauszugehen. Ryan war nicht nur der Mann, den sie wollte. Er war der Mann, den sie brauchte. „Ich springe mit Ryan.“

„Sabrina …“, begann Jennifer zu protestieren.

Sie berührte ihre Freundin am Arm. „Das ist in Ordnung“, sagte sie leise. „Wirklich. Sonst gehe ich dieses Risiko vielleicht nie ein. Und die Idee ist gut.“

„Bist du sicher?“

„Ob ich sicher bin, aus einem Flugzeug springen zu wollen?“, fragte Sabrina ungläubig. „Natürlich nicht. Aber ich kann mich nicht noch einmal stundenlang dazu durchringen, das zu tun. Entweder jetzt oder nie.“

Jennifer schien widersprechen zu wollen, doch dann ergriff sie die Hand ihrer Freundin. „Hier entlang.“

Ryan stand im Weg. Als Sabrina an ihm vorbeiging, war sie nur Zentimeter von ihm entfernt. Bei näherer Betrachtung wirkte er noch heißer. Sie nahm seine langen, muskulösen Oberschenkel unter der Jeans in Augenschein, mit denen er zweifellos in naher Zukunft ihre Oberschenkel umklammerte. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Als sie den Blick nach oben wandern ließ und in seine braunen Augen sah, die im Gegensatz zu seinem Körper samtweich wirkten, wurde sie von einem erregenden Prickeln erfasst. Sie hatte in der Tat Lust auf ein erotisches Abenteuer. Obwohl sie Angst hatte, konnte sie nicht ignorieren, dass sie sich seit Jahren zum ersten Mal wirklich lebendig fühlte. Sie tat etwas, wovon sie noch vor ein paar Monaten nie gewagt hätte zu träumen. Sie änderte ihr Leben und öffnete sich neuen Erfahrungen.

Leider führte der Weg dazu – zumindest für den Moment – weg von Ryan und in einen Raum mit sechs Metallklapptischen, der aussah wie ein Klassenzimmer.

Jennifer legte ihr eine Reihe von Papieren vor, mit denen die Haftpflicht geregelt wurde. „In Ordnung.“ Sie setzte sich neben Sabrina. „Hier bitte die letzte Unterschrift.“ Sie deutete auf das Formular, zog es dann aber weg. „Oder lass es. Du kannst deine Meinung immer noch ändern.“

Sabrina griff nach dem Papier und seufzte. „Das war doch deine Idee. Hast du das vergessen?“

„Es war meine Idee, dich mit Caleb springen zu lassen. Nicht mit Ryan. Ja, er ist einer der Teilhaber des Hotzone. Aber das ist nicht der Punkt.“

„Sondern?“

„Ich habe dich zum Fallschirmspringen gedrängt und will nicht, dass deine Befürchtungen sich bestätigen. Es soll dir Spaß machen und wirklich dabei helfen, einmal loszulassen. Caleb ist vorsichtig, geduldig und weiß, wann du an deine Grenzen stößt. Ryan dagegen kennt keine Grenzen. Er wird dich antreiben und herausfordern. Besonders wenn er weiß, warum du das tust.“

„Ich kann mit Ryan umgehen. Und, um ehrlich zu sein, habe ich meine Gründe, mir ihn auszusuchen.“

„Jennifer“, erklang eine tiefe, weiche Männerstimme hinter ihnen. „Ein Anruf für dich.“

Sabrina wandte sich zur Tür um, wo Ryan in all seiner männlichen Pracht stand und sie ansah.

„Viel Glück, Süße“, meinte Jennifer. „Du willst ihn. Er gehört ganz dir.“ Bevor sie hinausging, blieb sie noch kurz vor Ryan stehen, der inzwischen eingetreten war. „Benimm dich“, ermahnte sie ihn.

„Ich werde ein Engel sein.“ Wie zum Schwur hob er eine Hand. Dann machte er einen Schritt auf Sabrina zu und lehnte sich gegen den Tisch. „Besteht irgendeine Hoffnung, dass mein heißer Körper der Grund dafür ist, dass Sie mich ausgewählt haben?“ Seine Augen blitzten übermütig.

Sie war selten um eine Antwort verlegen. Schließlich war sie die Tochter eines Politikers. „Ja. Wenn Sie außer Form wären und bei jedem Atemzug keuchten, würde ich nicht darauf brennen, mit Ihnen aus einem Flugzeug zu springen.“

„Ich hatte den Eindruck, dass Sie ohnehin nicht darauf brennen, mit irgendjemandem aus einem Flugzeug zu springen.“

„Ich bin sicher, dass es einer Menge Leute so geht, wenn sie all diese Haftpflichtformulare unterschreiben.“

„Nur diejenigen, die zum Fallschirmspringen überredet wurden“, neckte Ryan sie. „Aber diese Leute kommen normalerweise in Begleitung einer Freundin oder ihres Partners, also demjenigen, dem zuliebe sie an ihre Grenzen gehen. Wem wollen Sie gefallen, Sabrina?“

Sie reckte das Kinn. „Mir.“ Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit.

„Indem Sie sich dazu zwingen, etwas zu tun, das Ihnen Angst macht?“

„Eher zu etwas, das ich normalerweise nicht tun würde.“ Sie wollte ihm nicht mehr verraten, als sie musste. Ihre Beweggründe waren ihre Privatangelegenheit.

Ryan gab sich mit ihrer ausweichenden Antwort nicht zufrieden. „Ich brauche mehr Informationen, wenn ich Sie ins Flugzeug mitnehmen soll.“

„Warum?“

„Weil ich dort oben für Sie verantwortlich bin“, antwortete er. „Haben Sie Höhenangst?“

„Nein.“

„Angst vorm Fliegen?“

„Nein.“

„Vor dem Fall?“

„Nein.“

Er betrachtete Sabrina. „Vorm Sterben?“

Sie dachte einen Moment lang nach. „Nein. Wenn es erst einmal vorbei ist, ist es vorbei. Ich denke, dass ich das akzeptiert habe. Stellen Sie jedem diese Fragen, bevor Sie mit ihm springen?“

„Nein. Aber Caleb.“

„Ich habe nicht nach Caleb verlangt, sondern mich für Sie entschieden.“

„Warum?“

Also gut, meinetwegen, dachte sie. Wenn er es unbedingt wissen muss, soll er es erfahren. „Weil ich zu kontrolliert bin und mich damit konfrontieren will, an meine zu eng gesteckten Grenzen zu gehen.“

Ryan wirkte einen Augenblick lang überrascht, bevor er sie sehr interessiert musterte. „Sie denken wirklich, dass Sie mit mir fertigwerden können, Sabrina?“

Sie hatte höllische Angst vor ihm. Aber er war auch ungeheuer aufregend und setzte sie völlig unter Strom. Aber er bedeutete auch eine neue Herausforderung, und genau das war es ja, was sie wollte. „Ich kann mit Ihnen fertigwerden, Cowboy“, meinte sie, obwohl sie sich dessen nicht so sicher war. „Die Frage ist: Können Sie mit mir fertigwerden?“

Er lächelte. „Wenn ich es nicht kann, werde ich es mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen – und mit großem Vergnügen.“

„Ich bin bereit, wenn Sie es sind.“

Ryan sah sie unverwandt an. „Sie müssen eine Entscheidung treffen.“

„Und die wäre?“

„Statt eines Tandemsprungs können Sie vorher auch ein paar Trainingsstunden nehmen und anschließend allein springen. Dann haben Sie alles unter Kontrolle, was Ihnen wichtig zu sein scheint.“

„Aus einem Flugzeug zu springen, ohne jemanden neben mir zu haben, der mir hilft, hört sich für mich nicht nach alles unter Kontrolle haben an“, meinte Sabrina. Tatsächlich fühlte sich ihre Kehle auf einmal wie zusammengeschnürt an. „Ich dachte, ich könnte mit Ihnen springen?“ Sie stand auf.

„Keine Bange“, sagte Ryan weich. „Natürlich können Sie mit mir springen. Aber vielleicht sollten wir stattdessen einfach zusammen ein Bier trinken gehen, damit Sie ein bisschen mehr Zeit haben, noch einmal gründlich darüber nachzudenken.“

Plötzlich realisierte sie, wie albern sie wirken musste. Meine Güte. Wie war sie nur zu diesem Angsthasen geworden, der Panik davor hatte, etwas zu tun, das Millionen andere Leute taten, ohne mit der Wimper zu zucken? „Nein.“ Sabrina wusste, dass sie kneifen würde, wenn sie Zeit hätte, darüber nachzudenken. „Lassen Sie uns gehen. Ich will springen.“

Er hielt ihr die Hand hin. „Ich sorge dafür, dass Sie jede Minute genießen.“

2. KAPITEL

Sicher, langweilig und ohne jedes Risiko. So hatte Sabrina sich ihr bisheriges Leben eingerichtet. Nach demselben Muster hatte sie ihre Männer ausgesucht. Sie sehnte sich nach Aufregung. Sie sehnte sich danach, ihre Angst zu überwinden, frei atmen zu können und das Leben in vollen Zügen auszukosten. Sie starrte auf Ryans Hand, mit der er sie dazu einlud, ein Wagnis einzugehen, das so viel mehr beinhaltete als einen Fallschirmsprung. Das Verlangen, ihn zu berühren, war so stark, dass ihre Haut zu kribbeln begann. Die sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen war überwältigend.

„Okay, Sabrina.“ Jennifer kam ins Zimmer. „Ich habe Neuigkeiten, die dich entweder total frustrieren oder dir den Tag retten.“

Sabrina ignorierte Ryans ausgestreckte Hand und drehte sich zu ihrer Freundin um. „Neuigkeiten?“

Jennifer trat zu ihnen und sah argwöhnisch zwischen Sabrina und Ryan hin und her. „Was ist?“

„Nichts“, sagte sie schnell. „Nur Papierkram. Ich habe alle Formulare ausgefüllt und unterschrieben.“

„Nichts außer Papierkram“, meinte Ryan trocken und setzte sich neben Sabrina. „Welche Neuigkeiten?“

„Marco Montey hatte gestern offenbar viel Spaß und kommt heute Nachmittag wieder. Angeblich hatte er den größten Kick seit Jahren. Also kannst du heute nicht mit Sabrina springen. Um das einmal festzuhalten: Dass du sogar den bekannten Draufgänger Montey beim Fallschirmspringen völlig unter Adrenalin gesetzt hast, ist ein perfektes Beispiel dafür, warum ich Sabrina vor dir bewahren will.“ Sie wandte sich ihrer Freundin zu. „Tut mir leid, Süße. Ich weiß, dass es dich viel gekostet hat, heute herzukommen. Umso mehr bedauere ich, dass ich dich jetzt einfach wieder wegschicken muss. Aber vielleicht ist es am besten so.“

Sabrina bezweifelte, dass Jennifer wirklich klar war, welche Ängste sie seit Tagen ausgestanden und wie sehr sie mit sich gerungen hatte. Und jetzt sollte es am besten sein, nicht zu springen? Davon war sie ganz und gar nicht überzeugt. Es sollte nicht umsonst gewesen sein, dass sie sich so verrückt gemacht hatte. Sie seufzte. Eigentlich sollte sie erleichtert sein. Stattdessen bemerkte sie zu ihrer Überraschung, dass sie enttäuscht war.

Ryan räusperte sich. „Bleiben Sie bis Sonnenuntergang hier. Dann nehme ich Sie mit hinauf.“ In seinen Augen spiegelte sich eher Mitgefühl als Herausforderung wider. „Falls Sie es möglicherweise nur einmal in Ihrem Leben wagen, einen Fallschirmsprung zu machen, sind die Abendstunden der richtige Zeitpunkt dafür. Den Sonnenuntergang auf diese Weise mitzuerleben ist wirklich spektakulär.“

Sie blinzelte verunsichert und kämpfte gegen den Drang an, über die Bartstoppeln auf seinem markanten Kinn zu streichen. Der Mann liebte das Fallschirmspringen. Im Gegensatz zu ihr lebte er sein Leben mit vollem Einsatz. Sie wünschte, sie könnte genauso mutig und spontan sein. Aber in Wahrheit war sie ihm nicht gewachsen. Sabrina schluckte das Bedauern herunter, das nichts mit dem Fallschirmspringen, sondern nur mit Ryan zu tun hatte. „Es ist besser, ich passe. Denn hier zu sitzen und darauf zu warten, bis ich an der Reihe bin, aus einem Flugzeug zu springen – und möglicherweise zu sterben –, macht jegliche Vorfreude auf jegliche ‚spektakuläre‘ Erlebnisse zunichte.“

Seine Mundwinkel zuckten. „Sie sterben nicht. Versprochen.“

„Das können Sie nicht versprechen, und das wissen Sie.“ Als er widersprechen wollte, hob sie eine Hand. Sie konnte seinen männlich-herben Duft wahrnehmen und geriet in Versuchung, ihre Entscheidung zu revidieren. Deshalb fügte sie eilig hinzu: „Ich mag es, wenn Versprechen ohne jede Einschränkung gelten. Fakt ist, dass Leute beim Fallschirmspringen sterben.“

„Leute sterben beim Überqueren der Straße“, konterte er.

„Selten.“

„Öfter als beim Fallschirmspringen.“

„Aber nur, weil viel mehr Leute Straßen überqueren. Ich habe mir die Statistiken angesehen. Es ist erst Juni, und allein in diesem Jahr sind fünfundzwanzig Leute bei Fallschirmsportunfällen gestorben. Ich habe bereits den ganzen Morgen damit verbracht, mich zu fragen, ob ich Nummer sechsundzwanzig sein werde. Ich habe keine Lust, diese Überlegung fortzusetzen, während ich hier stundenlang warten muss“, meinte Sabrina.

„Dann überlassen Sie es mir, mir Gedanken darum zu machen“, sagte Ryan. „Das ist mein Job.“

Sie schnaubte. „Mit anderen Worten: Keiner von uns macht sich Gedanken.“

„Was soll an diesem Plan schlecht sein?“ Er machte ein amüsiertes Gesicht. Und wirkte sehr sexy dabei.

„Leute, die sich sorgen, werden vorsichtig.“ Sabrina hatte sich ihr ganzes Leben lang Sorgen gemacht, um Probleme zu umgehen.

„Leute, die sich sorgen, werden nervös. Dann machen sie Fehler. Training und Erfahrung machen die möglichen Gefahren bewusst, was gleichbedeutend mit Sicherheit ist.“

„Es reicht, Ryan“, mischte sich Jennifer ein. „Es wäre Irrsinn, sie warten zu lassen. Montey besitzt eine Unmenge Geld und hat – laut Bobby – nichts dagegen, es auszugeben. Vielleicht bleibt er den ganzen Abend über hier.“

„Redest du von dem Marco Montey? Dem Rennfahrer?“, erkundigte sich Sabrina.

„Ja. Er hat an der University of Texas studiert und Familie hier. Wenn man der Klatschpresse Glauben schenken darf, kann er nicht einen Tag verbringen, ohne das Schicksal herauszufordern.“

„Kann ich Montey treffen?“, fragte Sabrina. „Oder noch besser: ihn interviewen?“ Trotz Ryans Gegenwart und dem Bedürfnis, ihre Privatsphäre zu schützen, fuhr sie fort: „Ich interessiere mich schon länger für den Rennsport. Also habe ich Ahnung davon und würde euch nicht in Verlegenheit bringen. Außerdem ist Montey bekannt dafür, Journalisten absolut nichts über sein Leben oder seine Karrierepläne zu erzählen. Im Moment hat er einen Disput mit seinem Sponsor Can Cola, weil er vor laufender Kamera Red Coca Cola getrunken hat. Wenn ich diese Geschichte exklusiv bekomme, kann ich Frank beweisen, dass ich fesselnde Stories abliefern kann, auch wenn die nichts mit meinem Vater und Politik zu tun haben. Du weißt, wie viel mir das bedeutet. Bitte.“ Sie sah erst Jennifer und dann Ryan an. „Dieses Interview wäre wirklich sehr wichtig für mich.“

„Ich weiß nicht.“ Jennifer zögerte. „Ryan? Kann sie Montey interviewen? Kannst du ihn dazu überreden, mit ihr zu sprechen?“

Sabrina richtete ihren Blick auf Ryan, der neben ihr saß. Bis sie mit ihren Knien seine streifte, war ihr nicht bewusst gewesen, wie nah sie sich waren. Ihr wurde heiß. „Ich …“ Sie wich ein Stück zurück. „Entschuldigung.“

„Wegzurennen, wenn Sie etwas von mir wollen, ist nicht gerade die beste Strategie“, zog er sie freundlich auf.

„Ryan“, schimpfte Jennifer. „Benimm dich!“

„Gutes Benehmen wird vollkommen überschätzt“, sagte er, ohne Sabrina aus den Augen zu lassen. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wenn ich Ihnen ein Interview beschaffe, gehen Sie mit mir aus.“

Sabrina bekam Herzklopfen. Ein Interview mit Montey und ein Date mit diesem wilden Cowboy. Der Artikel über Montey würde ihr dabei helfen, das neue Leben, das sie sich wünschte, zu führen. Aber zu Ryans Bedingung? Plötzlich hatte sie ein Bild vor Augen, das sie nur mühsam wieder abschütteln konnte: Sie war an ein Bett festgebunden, während der nackte Ryan sie bis zur Ekstase verwöhnte. Wo, zum Teufel, war das hergekommen? Warum machte er sie so scharf? Verzweifelt versuchte sie, sich auf das Interview zu konzentrieren, auf das sie ihre neue Karriere aufbauen wollte. „Schließt diese Verabredung einen Sprung aus einem Flugzeug ein?“

„Oh, du meine Güte, Sabrina, das kannst du doch nicht ernsthaft in Erwägung ziehen?“, rief Jennifer fassungslos. „Ich gehe nach vorn und lasse euch allein, damit ihr das unter euch ausmachen könnt.“ Sie verließ das Zimmer.

„Nur wenn Sie das wollen“, beantwortete Ryan Sabrinas Frage, als ob Jennifer nie etwas gesagt hätte. Er beugte sich zu ihr. „Um das klarzustellen: Mir ist es lieber, wenn Sie unser erstes Date mit Vergnügen und nicht mit Angst in Verbindung bringen. Haben wir einen Deal?“

Eine Abmachung würde sie womöglich im Teufels Küche bringen. „In Ordnung“, sagte sie dennoch schließlich. „Wir haben einen Deal.“ Sie wollte dieses Interview. Sie wollte Ryan. Zum ersten Mal in ihrem Leben verleugnete sie ihre Wünsche nicht, nur um auf der sicheren Seite zu sein, sondern hieß Abenteuer und Gefahr willkommen.

„Ich habe Ihre Unterlagen mit Ihrer Adresse und Telefonnummer“, erklärte er zufrieden. „Sie hören von mir.“ Er erhob sich.

„Was?“ Plötzlich war Sabrina verunsichert. „Wie? Wann bekomme ich mein Interview?“

Ryan schnappte sich die Formulare. „Wenn ich komme, um Sie zu unserem Date abzuholen.“ Damit schlenderte er zur Tür.

„Warten Sie! Oder besser gesagt: Soll ich hier warten? Jetzt?“

Er blieb an der Tür stehen. „Nicht nötig. Ich weiß, wo ich Sie finden kann!“ Er zwinkerte ihr zu. „Und das ist ein Versprechen, das ohne jede Einschränkung gilt.“ Er verschwand in den Flur.

Sabrina ballte die Hände und wollte ihm schon folgen. Doch dann beschloss sie, den Dingen freien Lauf zu lassen.

Sabrina hatte vor, mit Marco ein sehr ausführliches und persönliches Interview zu führen. Mit Verlautbarungen, wie sie der Bürgermeister auf der Pressekonferenz von sich gegeben hatte, würde sie sich nicht abspeisen lassen. Der Bürgermeister hatte behauptet, dass dieser Soldat, der zum Bankräuber geworden war, wie so viele andere Exsoldaten auch mit einer posttraumatischen Belastungsstörung aus dem Einsatz zurückgekommen sei. Doch in diesem Fall hatte diese Geschichte Sabrina nicht überzeugt. Zudem hatte Frank ihr ein Familienfoto des Soldaten gemailt, auf dem der Mann, seine Ehefrau und die beiden Kinder sehr glücklich wirkten.

Laut der Kontaktperson ihres Chefredakteurs hatte die Ehefrau des Soldaten den Bürgermeister nach Feierabend in seinem Büro aufgesucht. Ihr Name war auf der Besucherliste aufgeführt, jedoch nachträglich gelöscht worden. Es lag in Sabrinas Natur, sich für andere Menschen einzusetzen. Die Vorstellung, dass die Ehefrau vielleicht ihre Hilfe brauchte, ließ ihr keine Ruhe. Also hatte sie ein bisschen recherchiert, aber Frank nichts davon erzählt. Und in der Zwischenzeit wollte sie unbedingt dieses Interview mit Marco Montey führen, das die Fans des Rennsports begeistern würde und ihr Talent als Journalistin demonstrieren sollte.

Genau deswegen lag ihr Handy auf dem Rand der fantastischen Badewanne aus Marmor. Wegen dieser Badewanne hatte sie sich dazu entschieden, eine Wohnung mit Kaufoption zu mieten. Allerdings würde sie sich die Wohnung niemals leisten können, ginge es mit ihrer Karriere bergab. Darüber machte sie sich ernsthafte Sorgen. Sie befürchtete, dass sie vielleicht bald ihre schöne Wohnung mit den Holzdielen und den hohen Decken gegen ein enges New Yorker Apartment mit Dusche würde eintauschen müssen. Denn genau das würde passieren, wenn sie wieder über Politik berichtete, wie Frank es gern hätte. Dann könnte sie genauso gut gleich nach New York ziehen, wo sie einen hervorragenden Ruf als Journalistin genoss und jede Menge Geld mit ihrer Arbeit verdienen konnte. Aber sie wollte nicht nach New York, sie wollte hier in Austin bleiben.

Auch weil sie Ryan über den Weg gelaufen war. Er ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Besonders jetzt in der Badewanne. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, stellte sie sich vor, dass ihm das Wasser über seinen nackten, muskulösen Körper rinnen und sie es ihm von der Haut lecken würde. Verdammt. Schon wieder! Ungeduldig warf sie einen Blick auf das Display ihres Handys. Es war neun Uhr abends. Die Chance, so spät noch gute Nachrichten zu erhalten, war gering. Sie widerstand dem Drang, Jennifer anzurufen, um nach dem Interview zu fragen. Sie war ein wenig enttäuscht, weil sie noch nichts deswegen gehört hatte. Und dann war da noch der Deal, den sie mit Ryan hatte. Diese Abmachung lieferte ihr die Entschuldigung dafür, sich gegen alle Vorsicht und Vernunft auf diesen Mann einzulassen. Es war Ryan, der ihr das Interview mit Marco ermöglichen konnte. Es war Ryan, der ihr so viel mehr …

„Mehr als du bewältigen kannst“, murmelte Sabrina, stieg aus der Badewanne und griff nach einem flauschigen weißen Handtuch, das sie im Schlussverkauf bei Macy’s erstanden hatte. Im Schlussverkauf in New York hätte es doppelt so viel gekostet. An die durchweg günstigeren Preise hier könnte sie sich gewöhnen. Sie mochte Austin, das modern war und eine spannende Musik- und Filmszene zu bieten hatte, ohne dass man das Gedränge New Yorks in Kauf nehmen musste. Sie schlang sich das Handtuch um, ging zum Waschbecken und sah in den Spiegel. Ihre Haare hatte sie nachlässig hochgesteckt. Sie sah aus wie ein Wrack und fühlte sich auch so. Sie kam sich kein bisschen sexy vor. Obwohl sie ständig an Sex dachte.

„Du gehst nicht mit Ryan Walker ins Bett. Niemals“, sagte sie streng zu ihrem Spiegelbild. Sie seufzte und holte die Tube mit der neuen Schlammmaske aus dem Schrank. Die Verkäuferin hatte sie davon überzeugt, dass diese Maske ihre Haut frisch und rosig erscheinen lassen würde. „Kein Sex mit Ryan“, wiederholte sie laut nachdrücklich. „Also hör auf, daran zu denken.“ Entschlossen verteilte sie die grüne, klebrige Masse, die eine Stunde lang einwirken sollte, auf ihrem Gesicht.

Gerade als sie das Handtuch gegen ihren silberfarbenen, knielangen Morgenmantel aus Seide getauscht und sich auf den Weg in ihr Wohnzimmer gemacht hatte, hörte sie ein Klopfen an der Wohnungstür. Sie runzelte die Stirn und blieb zögernd vor der Tür stehen. Natürlich wollte sie nicht, dass jemand sie mit diesem Zeug auf dem Gesicht sah. Andererseits … Vielleicht war es ja etwas Wichtiges! „Wer ist da?“, rief sie schließlich.

„Ihr Jumpmaster, Sweetheart. Öffnen Sie die Tür.“

Als sie die tiefe, verführerische Stimme hörte, setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Adrenalin schoss ihr ins Blut.

„Sie schulden mir eine Verabredung. Ich bin hier, um Sie abzuholen.“

„Sie schulden mir ein Interview“, entgegnete Sabrina. Das konnte doch nicht wahr sein! „Sie können hier nicht einfach unangemeldet auftauchen.“

„Nicht einmal, wenn ich Ihnen sage, dass Marco unten im Auto auf uns wartet? Wir sollen ihn auf der Fahrt zum Flughafen begleiten.“

Marco war hier? Ohne nachzudenken, riss sie die Tür auf. „Er ist hier? Sie haben mir das Interview verschafft?“ Erst in diesem Moment realisierte sie, was sie getan hatte. Der Prachtkerl Ryan lehnte lässig mit dem Arm am Türrahmen. Offensichtlich amüsierte es ihn, dass sie nur einen knappen Morgenmantel trug und ihr Gesicht mit einer grünen, klebrigen Masse bedeckt war. In ihren erotischen Fantasien hatte sie sich vorgestellt, wie sie sich mit ihm in unkontrollierter Leidenschaft in den Laken wälzte. Aber so, wie sie sich ihm gerade präsentierte, würde daraus wohl nie etwas werden – und das war auch das einzig Richtige. Sie machte die Augen zu. Nicht ohne vorher zu bemerken, dass ihm die zerzausten, sandbraunen Haare in die Stirn fielen. Seinen Cowboyhut hatte er offensichtlich zu Hause gelassen. „Ich schließe jetzt die Tür, und Sie tun bitte so, als wäre das nie passiert.“

„Ich fürchte, das kann ich nicht.“ Ryan nutzte den kurzen Moment aus, um sie schnell ein Stück zurückzudrängen, bevor er über die Türschwelle trat und mit dem Fuß die Tür hinter sich zustieß. Und weil er auch nur ein Mann war, zog er den Seidenstoff ihres Morgenmantels über den Ansatz ihrer vollen Brüste. „Nicht, wenn du mich mit so viel nackter Haut reizt. Der Ausschnitt war ziemlich tief.“

Eilig griff Sabrina nach dem Stoff und berührte dabei seine Hände. Fast panisch sah sie ihn an. „Ich … Das läuft absolut nicht gut.“