Digitale Originalausgabe
Benedict Cumberbatch wird herausgegeben vom Rohde Verlag
Rohde Verlag, Auf der Heide 43, 53757 Sankt Augustin
Verleger & Redaktion: Markus Rohde
Autoren: Christian Humberg & Christian Lukas
Lektorat: Ingo Piess
Covermotiv: Steve Vas
Covergestaltung: Sebastian Lorenz
Copyright © 2013 by Rohde Verlag
ISBN 978-3-95662-101-7
www.helden-in-serie.de
www.rohde-verlag.de
1. Vorwort: Elementar, mein lieber Benedict
2. Theater im Blut
Frühe Jahre, frühe Bühnen
3. Ein Jahr unter Mönchen und eine Bühne in London
Benedict Cumberbatchs Ausbildung zum Schauspieler
4. Benedict Cumberbatch und die Frauen
Eine Langzeitbeziehung und manche Affären
6. Im Prince’s Trust in bester Gesellschaft
Benedict Cumberbatchs soziales Engagement
7. Backstageluft und Rampenlicht
Benedict Cumberbatchs Aufstieg zum Theaterstar
8. Das Fernsehen und seine großen Erzählungen
Benedict Cumberbatchs TV-Arbeiten – chronologisch erzählt
8.1 Sherlock
Die Genies hinter dem Genius
8.2 Der Buchhändler mit dem Faible für Holmes
Michael Ross ist Deutschlands Experte Nummer 1
9. Große Klappe
Benedict Cumberbatch erobert die Leinwand
10. Die Audio-Arbeiten
Ein sanfter Bariton streichelt die Ohren
Anhang
Benedict Timothy Carlton Cumberbatch – ein Name, wie er britischer (und sperriger?) kaum klingen könnte. Ein Name, wie ihn weltweit Kinogänger, TV-Serienfans und Theaterfreunde sehr gut kennen. Der 1976 in England geborene Schauspieler ist spätestens mit J. J. Abrams’ „Star Trek Into Darkness“ in der A-Riege der internationalen Superstars seines Berufsstandes angekommen. Kaum jemandem gelingt der inhaltliche Spagat zwischen literarischem Anspruch und publikumsträchtigem Eskapismus so gut wie ihm, kaum jemand kann selbst in problematischen Produktionen noch so gut den interessanten Kern einer Rolle herausarbeiten. Die Zahl der Film- und Theaterkritiken, die Buch und Inszenierung bemängeln, aber Cumberbatchs Leistung loben, scheint Legion.
Doch wer ist der Mann hinter dem Namen und dem Ruf? Wie schafft es ein in der Öffentlichkeit so reserviert wirkender Bühnenkünstler aus der Welt von Shakespeare und Ibsen hinaus in den Olymp des internationalen Geektums, auf die Besetzungslisten von Steven Spielberg, Peter Jackson und anderen? Was ist das Geheimnis von „Sherlock“ Cumberbatchs Charme?
Dieses Buch will sich an Antworten auf diese und viele weitere Fragen versuchen und das Mysterium hinter dem Image ergründen. Eine ausführliche Biographie, eine umfangreiche, kritische Werkbetrachtung und informative Ausflüge in die Hintergründe seines vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Schaffens zeichnen ein Bild Cumberbatchs, wie es detaillierter im deutschen Buchmarkt wohl noch nie gezeigt wurde.
Die Welt schaut Cumberbatch. Schauen Sie mit!
Christian Lukas & Christian Humberg
im Oktober 2013
Wenn du berühmt wirst, kommt es nicht länger auf das Wie an, auch nicht auf das Wann. Sondern darauf, dass du lernst, damit umzugehen – und zwar sehr, sehr schnell. Mache dir dann bitte unbedingt bewusst, dass das Leben kurz ist. Beschütze deine Lieben. Beschütze dich. Sei kein Narziss, der sich nicht von seinem Spiegelbild löst – mach einfach weiter.
Durch den Ruhm werden mir wunderschöne Projekte angeboten; wer bin ich also, mich über seine Schattenseiten zu beklagen? Alles ist relativ. Jegliches Jammern wäre Jammern auf hohem Niveau. Natürlich wird die Privatsphäre zu einer Insel, die Tag für Tag mehr im Meer versinkt. Das ist unvermeidlich, aber man lernt, damit umzugehen.
– Benedict Cumberbatch zum Thema Ruhm
3. September 2010, früher Morgen. Ein Pulk an Pressevertretern steht sich im Foyer einer Pflegeeinrichtung für Krebspatienten die Beine in den Bauch. Maggie’s Centre heißt die Einrichtung, und Filialen wie die hier im Londoner Charing Cross Hospital finden sich verstreut in ganz Großbritannien. Dennoch ist diese etwas Besonderes für die Pressevertreter – zumindest heute.
Und das liegt an ihm. „Als jemand, der hier geboren und aufgewachsen ist“, sagt Schauspieler Benedict Timothy Carlton Cumberbatch, „fühle ich mich London stark verbunden und bin begeistert, selbst jetzt noch neue, faszinierende Bauten, Straßen und versteckte Winkel dieser herausragenden Stadt zu entdecken.“
Cumberbatch trägt Jeans, ein T-Shirt und ein modisches Jackett – ein lässiger, entspannter Look. Der Anlass seines Kommens mag ein ernster sein, doch der Auftritt selbst ist ein Heimspiel. Vielleicht engagiert er sich ja genau deshalb für dieses Maggie’s Center.
Home, sweet Holmes
Denn Cumberbatch stammt von hier. Hammersmith ist „sein“ Viertel der Themsenmetropole; im dortigen Queen Charlotte’s and Chelsea Hospital, einem der ältesten Entbindungsheime des ganzen Landes, erblickte der Schauspieler am Montag, den 19. Juli 1976 das Licht der Welt. Oder war es Bühnenlicht?
Cumberbatchs Eltern sind den Brettern, die die Welt bedeuten, jedenfalls äußerst zugetan. Sein Vater Timothy Cumberbatch ist bekannter Theater-, Film- und Fernsehschauspieler (nennt sich im Berufsleben allerdings Timothy Carlton, auf Anraten seines Agenten) und war in Seifenopern und Sitcoms ebenso zu sehen wie in großen Bühnendramen. Benedicts Mutter Wanda Ventham, die aus früherer Ehe noch die Tochter Tracy Tabernacle mit in die Familie bringt, agiert ebenfalls vor der Kamera, hauptsächlich allerdings im Fernsehen. Mit diesen Vorbildern scheint Benedicts Lebensweg fast schon vorgezeichnet, oder?
Jedenfalls: Hammersmith. Schon hundert Jahre vor Benedicts Geburt beschrieb The National Gazetteer of Great Britain and Ireland den Ort als „einen der am dichtesten bevölkerten westlichen Auswüchse der Metropole“ London. Daran hat sich bis 1976 wenig geändert, wenngleich Hammersmith sich zunehmend von seinen auch im Namen erkennbar scheinenden industriellen Wurzeln – nachzuempfinden unter anderem in Charles Dickens’ „Große Erwartungen“ – verabschiedet. Inzwischen regieren Handel, Service und Dienstleistung, weichen alte Fabriken modernen Bürobauten, und diese stehen dem malerischen Themsenufer, an das sich Hammersmith schmiegt, auch weitaus besser zu Gesicht. Auf der King Street geht man in diesem Viertel shoppen und auf Kneipentour, im Lyric Theatre erlebt man Kultur (und das der Theaterleiter im September 2010 ausgerechnet Sean Holmes heißt, ist bestimmt reiner Zufall), und in den hiesigen Niederlassungen von global agierenden Konzernen wie Coca Cola oder Disney findet man Arbeit. Hammersmith, im Gazetteer noch als Dorf bezeichnet, wird Mitte der 1970er immer lebendiger.
Dennoch verbringt der junge Benedict Cumberbatch nicht viele Nachmittage spielend in dieser Nachbarschaft. Seine Familie lässt sich einige Kilometer entfernt im Royal Borough of Kensington and Chelsea (RKC) nieder, einem bereits zur Londoner Innenstadt zählenden Bezirk. Notting Hill, Earls Court und Kensington sind nur einige der Viertel des RKCs, das Kaufhaus Harrod’s, die Royal Albert Hall und der Hyde Park zählen zu seinen touristischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten.
Doch auch hier wird Benedict nicht oft sein. Wanda und Timothy geben ihren Spross schon früh in die Obhut der traditionsreichen, 1919 gegründeten Brambletye School, einer Lehranstalt kirchlichen Hintergrunds, die sowohl Tagesbetreuung wie auch Internatsvorzüge bietet. Benedict wird, so scheint es, genau zur richtigen Zeit ein „Brambletyean“, wie sich die Schüler der Einrichtung nennen. Ein Jahr vor seiner Geburt wechselte die Brambletye School nämlich den Betreiber, und in den späten 70ern und während der 80er Jahre profitiert das Haus von zahlreichen baulichen wie fachlichen Neuerungen und Weiterentwicklungen – vom eigenen Schwimmbad zur körperlichen Ertüchtigung bis hin zum Wissenschaftslabor.
Nur eins ist die Brambletye nicht: zuhause. Die Grafschaft West Sussex, in der die Schule liegt, grenzt nicht gerade an Londons Stadtgebiet. Wechselt Benedict deshalb später auf die im Norden der Metropole befindliche Harrow School?
In schlechter Gesellschaft ist er dort jedenfalls nicht. Zu den Alumni seiner neuen Lehranstalt zählen nicht weniger als sieben britische Premierminister, darunter auch Winston Churchill. Das mag ein Trost sein, der hilft, sich in die traditionelle Schuluniform zu zwängen. Benedict wohnt im Gebäude The Park, einem altehrwürdigen Wohnheim mit eigenen Küchen, einer Bibliothek und Krankenstation – ein Hogwarts deluxe, wie auch Benedicts späterer TV-Kollege Martin Freeman urteilen wird.
Die Schulgebühren, die für einen Aufenthalt an der Harrow anfallen, sind beachtlich. Timothy und Wanda finden finanzielle Unterstützung in dem Kunststipendium, das ihrem Sohn den Besuch dieser Schule erst so richtig ermöglicht. Auch Benedicts Großmutter beteiligt sich an den Kosten. „Ich bin schon privilegiert aufgewachsen“, erinnert sich der Mime Jahre später im Gespräch mit der BBC. „Allerdings nur bedingt. Zwei Drittel meiner Schulgebühren kamen von meiner Großmutter. Ich selbst war eigentlich ein ziemliches Mittelklassekind und fand mich [in der Schule] plötzlich von Lord Rothschilds Sohn und Prinz Husseins Sohn umgeben. Wohin ich auch sah, fand ich Prinzen und Adel.“
Und er fand die Kunst. Eigentlich, so erzählt Benedict es später, unternahmen seine Eltern alles in ihrer Macht stehende, den Jungen von einer Karriere in ihrer Branche abzuhalten. Sie kannten die Fallstricke dieses Berufes, wussten von der Flüchtigkeit des Ruhms und der finanziellen Absicherung. Benedict sollte es wohl „einmal besser haben“ als sie, ist man ihnen zu unterstellen versucht – und Benedicts Erfolge als Erwachsener bestätigen ja auch, dass diese vermutete Hoffnung wahr wurde. An der Harrow zeigt sich Benedict Cumberbatch jedenfalls schon als Freund der schönen Künste. Er malt wahnsinnig gern – hauptsächlich mit Öl –, und auch wenn er in The Park von alten Mauern und streng akademischer Denkweise umgeben ist, entdeckt er genau hier sein eigenes Bühnentalent.
Auf die Bühne
„Sie hat mich geerdet“, sagt der Schauspieler später über seine alte Schule. Obwohl er es bedauert, während seiner Pubertät weit und breit keine Mädchen in den Klassenzimmern zu finden („Es ist schon Mist, an einer reinen Jungsschule groß zu werden“, gesteht er 2010 dem britischen Guardian), fühlt er sich schnell an der Harrow School wohl: „Ich liebte diesen Ort einfach.“
Kein Wunder, dass er so spricht. In seinen Internatsjahren verfiel der junge Kunstinteressierte – endgültig? – seiner größten Leidenschaft: der Schauspielerei.
Dabei schlug sein Herz durchaus auch für den trockeneren Lehrstoff. Cumberbatch, so weiß die britische Presse, ergab sich dem Internatsleben mit Haut und Haaren, genoss es, spielte sogar im Rugby-Team und versuchte sich dank des immensen sportlichen Angebots der Schule auch als Gleitschirmflieger und im Klettern. Doch die Bühne tat es ihm ganz besonders an.
Unter der Führung und Förderung seines Lehrers Martin Tyrell (Englisch und Drama) lernt er in jungen Jahren Stücke, Rollen und Autoren kennen. Insbesondere die Werke Terence Rattigans, eines der wichtigsten britischen Dramatiker des 20. Jahrhunderts und ehemaligen Harrow-Schülers, haben es Benedict angetan. So sehr, dass er im Jahr 2011 – nach seinem internationalen Durchbruch zum Superstar – für die BBC sogar eine einstündige Dokumentation dreht, für die er ausgerechnet in den altehrwürdigen Hallen der Harrow School dem Erbe Terence Rattigans nachforscht. Die „The Rattigan Enigma by Benedict Cumberbatch“ betitelte Doku wurde inzwischen oft wiederholt, zuletzt im März 2013.
Doch zurück zu Martin Tyrell. Der Lehrer, dem der junge Benedict an der Harrow School begegnet, ist ein Mann, dem gleich mehrere später sehr erfolgreiche Schauspieler ein Loblied singen. Laurence Fox, Star der in Deutschland vom ZDF ausgestrahlten Krimiserie „Lewis“, besuchte als Jugendlicher beispielsweise ebenfalls die Harrow und bezeichnet Tyrell bis in die Gegenwart als „den besten Schülerschauspieler, dem ich je begegnet bin.“ Das Internatsleben habe er nie genossen, so Fox, doch in Tyrell und der gemeinsamen Leidenschaft für die Bühne habe er damals einen Grund gefunden, es zu ertragen. Bis heute, so die britische Presse, lädt Fox seinen alten Mentor zu den Premieren seiner Theaterstücke ein.
Auch Benedict Cumberbatch gerät auf der Harrow School also an diesen Mr Tyrell, und das Lob beruht – wie im Falle von Laurence Fox – offenbar auf Gegenseitigkeit. Martin Tyrell wird 2011 in den britischen Gazetten jedenfalls mit der Aussage zitiert, der junge Benedict Cumberbatch sei der talentierteste Schüler gewesen, mit dem er je arbeiten durfte. Unter Tyrells Führung spielt Benedict an der Harrow seine erste „große“ Inszenierung: Nach kleineren Auftritten im Schultheater – etwa als Anne in dem Musikstück „Half a Sixpence“ – erlebt der Sohn von Timothy Carlton und Wanda Ventham im zarten Alter von dreizehn Jahren sein erstes namhaftes Bühnenengagement an der Harrow, als Elfenkönigin Titania in William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“. Ob an diesem Abend die ersten Cumberbitches, wie sich die zumeist weiblichen Fans des späteren Superstars nennen, entstehen, ist nicht überliefert.
Kein anderer Weg
Diese Nacht – und, so dürfen wir vermuten – viele weitere im Bühnenlicht sind Schuld. Einmal vom Theaterfieber gepackt, schießt der junge Benedict die Warnungen der berufserfahrenen Eltern nämlich in den Wind und verschreibt sich ein für alle Mal der Schauspielerei. Er will Rollen verkörpern, Charakteren Leben einhauchen und, getragen von Kollegenensembles, alles geben. Selbst Timothy und Wanda, die das Fieber, das ihren Sohn ergriffen hat, ja teilen und aus eigener Erfahrung kennen, geben irgendwann nach und Benedicts Berufswunsch ihren Segen – eine Entscheidung, die sein gesamtes weiteres Leben bestimmen wird.
Auch die Frauenrollen ist er bald los. Nach der Anne und der Titania kommt der Stimmbruch. Benedict wird so schnell keine Röcke mehr auf der Bühne tragen. (Diese störten ihn als Jugendlicher allerdings ohnehin nicht, wie er in Interviews später gesteht: Da er parallel zum Theater auch Rugby spielte, lief er bei seinen Mitschülern nie Gefahr, für weibisch gehalten zu werden.)
Und so kommen die Mitschüler und Besucher der von der Harrow inszenierten Produktionen jahrelang in den unwissentlichen Genuss, der künstlerischen Genese eines späteren Weltstars beizuwohnen. In den Stücken, die er in seiner Internatszeit spielt, kundschaftet Benedict Cumberbatch erstmals die Grenzen und Möglichkeiten dessen aus, für das er brennt. Er experimentiert, soweit es ihm Autor und Regie erlauben, analysiert dramatische und humoristische Figuren, fühlt sich in die ihm übertragenen Charaktere ein. Das fachliche Wissen, das er auf den Bühnenbrettern seiner elitären Schule erlangt, erweist sich später als unschätzbar wertvoll.
Nach seinem Schulabschluss stehen zwei Dinge für ihn felsenfest. Zum einen muss er die Zeit des Vornehm-Elitären, die die Harrow mit ihren alten Mauern verkörpert („posh“, wie der Engländer das nennt und damit weit mehr als eine Eigenschaft meint), endlich hinter sich lassen: „Ich war in Gefahr, mit über die Schultern gelegtem Kaschmir-Pullover herumzulaufen“, erinnert er sich Jahre später im Guardian. Zum anderen will er „etwas mehr Risiko, etwas anderes, etwas Egalitäreres.“
Den Ausweg aus dem „posh“, den er gegen Ende seiner Schulzeit sucht, findet Benedict in seinem Freundeskreis – einem, wie er sagt, „gesund ungesunden“ Haufen unterschiedlichster Personen. Und zu seiner eigenen Überraschung ausgerechnet in einem Angebot der Harrow School.
Letzte Weichen
Zwischen dem Schulabschluss und dem Beginn seiner Studienzeit will Benedict ein Sabbatjahr einlegen und eine Seite der Welt erfahren, die ihm die altehrwürdigen Mauern der Harrow und der britisch-steife familiäre Hintergrund nicht bieten können. Auf der Harrow erfährt er von einem Programm, das interessierte Absolventen als Englischlehrer nach Tibet verfrachtet. Benedict meldet sich sofort an. „Ich wusste, dass ich schnell handeln musste“, gesteht er später dem Fernsehen. Die Plätze für den Tibet-Einsatz sind rar und heiß begehrt – und der Einsatz unbezahlt. Um sich Tibet zu finanzieren, jobbt der junge Benedict vor seiner Reise monatelang als Kellner und Verkäufer. Mit dem Lohn in der Tasche, besteigt er dann den Flieger. Sein Ziel: ein tibetanisches Kloster.
Die Unterbringung ist wenig luxuriös und neben der Verpflegung das Einzige, was das Kloster seinen Aushilfslehrern stellt, aber das war zu erwarten. Benedict, der schon an der Harrow als sehr aktiver und sportlich interessierter Schüler aufgefallen ist, nimmt jedenfalls (fast) alles begeistert auf, was ihm die Zeit in der Fremde bietet. Bei einem Ausflug nach Nepal zeltet er unter freiem Himmel, und bei einer Himalaja-Expedition überanstrengt er sich dermaßen – man munkelt von Höhenangst und Halluzinationen, Benedict selbst bezeichnet den Ausflug rückblickend als „mitleiderregend“ –, dass sich Wasser in seiner Lunge bildet und ihm ein mitreisender Arzt dringend den Abstieg empfiehlt.
Zurück in der britischen Heimat kommt es zum letzten Interventionsversuch des Elternhauses. Timothy und Wanda, noch immer um die finanzielle Zukunft ihres Sprösslings besorgt, legen Benedict nahe, die Schauspielerei ein Hobby bleiben zu lassen und sich in Oxford oder an einer ähnlich prestigeträchtigen Universität für Jura einzuschreiben. „Sie hatten Angst, ich würde das [die Schauspielerei] ihretwegen machen“, erinnert er sich später und gesteht, tatsächlich kurz mit der Juristenkarriere geliebäugelt zu haben. „Aber durch sie kannte ich ja die positiven und die negativen Seiten dieses Berufes. Ich wusste, dass es keine sichere Arbeit war.“
Benedict bleibt bei seinem Entschluss, auch gegen die Vorbehalte des Elternhauses. Und schon bald begreifen auch Timothy Carlton und Wanda Ventham, dass dies der richtige Entschluss für ihn ist.
Aktion und Reaktion
Anfang September 2010 ist aus dem „kleinen Gentleman“, den die teuren Internate erzeugten, und dem globetrottenden Adrenalinjunkie, als der sich Benedict von dem kleinen Gentleman erholte, ein international bekannter Superstar geworden. Der Mann, der hier vor dem Maggie’s Center steht und sein Heimspiel hat, braucht niemandem mehr vorgestellt zu werden. Der Termin, so merkt man, verbindet alles, was ihn auszeichnet. Im Rahmen eines Night Hikes, eines nächtlichen Marsches, soll Geld für die Einrichtung gesammelt werden, und der sportbegeisterte Schauspieler ist sichtlich dankbar, seinen Ruhm dieser guten Sache widmen zu dürfen. „Es ist etwas Besonderes, Wandern, Architektur und Philantrophie in einem Event vereinen zu können“, sagt er der Presse, „und ich freue mich, derjenige zu sein, diesem Ereignis den Startschuss zu geben.“
Es wird gelingen. Schließlich ist das hier Hammersmith – und dort begannen, das weiß Benedict Timothy Carlton Cumberbatch, schon ganz andere Erfolgsgeschichten.
Wenn man sich mit der Biografie Benedict Cumberbatchs auseinandersetzt, ist diese an sich recht ausführlich dokumentiert – zumindest für einen Schauspieler, der erst seit einem vergleichsweise kurzem Zeitraum im Fokus des öffentlichen Interesses steht. Auf der einen Seite ist dies sicher einem guten Marketing zu verdanken. Vom ersten „Sherlock“-Film an stand Benedict Cumberbatch im Mittelpunkt eines öffentlichen Interesses – und er hat sich seither absolut professionell verhalten, hat eine Reihe von Interviews gegeben und inszeniert sich selbst als zurückhaltender, intellektueller, aber auch charmanter Schauspieler, nicht als Star. Das ist wichtig. Cumberbatch lehnt in der Öffentlichkeit jede Form von Star-Kult ab. Das macht ihn sympathisch.
Natürlich ist das auch eine Inszenierung. Benedict Cumberbatch ist ein Vollprofi. Im besten Sinne des Wortes. Er hat bereits eine erste Schauspielkarriere hinter sich, in welcher er nicht im Rampenlicht des öffentlichen Interesses stand, sondern – im besten Sinne des Wortes – als Schauspieler gearbeitet hat. Allerdings verfügt er auch über einen familiären Background, der sich sicher prägend auf ihn ausgewirkt hat. Seine Eltern mögen in seinem Alter keine Stars in der ersten Reihe gewesen sein, sie standen jedoch sehr gut in Arbeit und Brot, spielten viele verschiedene Rollen – und wussten sich zu verkaufen. Sich verkaufen zu können, das ist ein Aspekt, den viele Schauspieler unterschätzen. Viele talentierte Darsteller hangeln sich von Job zu Job, ohne jemals auf einen grünen Zweig zu kommen, andere Schauspieler indes, deren Talent eher übersichtlich ausfällt, stehen jedoch im Rampenlicht, treffen sich mit Top-Models und kassieren fette Schecks für eher dürftige Arbeiten. Warum? Weil sie sich als Produkt vermarkten. Sie wissen, wie sie sich in der Öffentlichkeit zu geben haben, wie sie die Öffentlichkeit manipulieren können, wie sie sich ins Gespräch bringen.
Es gibt eine schöne Anekdote, die der britische Autor Neil Simpson in seiner unautorisierten Cumberbatch-Biografie Behind the Scenes