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Originalausgabe 2018
1. Auflage Januar 2018
© Sternbald – alle Rechte vorbehalten
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7460-2662-6
Das vorliegende Werk gibt ausschließlich die Meinung des Verfassers wider. Sämtliche Abbildungen sind frei zugänglichen Quellen entnommen, bzw. befinden sich im Archiv des Autors. Ein anderweitiges Copyright besteht nicht.
Aussagen zu medizinischen und physiologischen Sachverhalten stellen von Seiten des Autors kein objektiv gesichertes Expertenwissen dar. Sie entsprechen jedoch durchwegs der alternativ heilkundigen Auffassung der Neuen Medizin nach Dr. Ryke Geerd Hamer. Zur Klärung ernsthafter Erkrankungen bei Mensch und Tier ist stets die Rücksprache mit ordinierten Ärzten, Heilpraktikern und Therapeuten angezeigt. Selbst-Therapie geschieht immer unter dem persönlichen Risiko der betreffenden Person.
Haustiere befinden sich in der verantwortungsvollen Obhut des Halters. Die Haltung von Tieren unterliegt dem Tierschutz-Recht. Die dauerhafte Haltung von Wildtieren ist verboten. Tierquälerei ist strafbar! Darunter fällt auch der Tatbestand der Vernachlässigung (bzgl. Hygiene, Nahrung)
„Immer wenn man ein Tier genau betrachtet,
hat man das Gefühl, etwas in ihm
macht sich über einen lustig“
Elias Canetti
Unseren ‚Charakter-Schweinchen’,
Emmi, Susi, Paulchen, Flocki
Thea, Malchen, Fluse
Und Leni
Zur Erinnerung
Nun also - noch ein weiteres Meerschweinchen-Buch!
Aber wer da glaubt, über diese vielgeliebten Haustiere sei schon alles, in hunderterlei Einzelfach-Disziplinen der farb- und formreichen Arten verästelt, ausgesagt, der mag sich irren.
Erstens..., weil für den wahren Meerie-Liebhaber grundsätzlich niemals Alles zum Thema gesagt sein könnte (so etwas erlaube sich einmal jemand gegenüber den aufrichtigen Anhängern eines Sport-Clubs zu behaupten!).
Und Zweitens..., ist noch gar nicht ausgemachte Sache, ob die Kulturgeschichte der Meerschweinchen sobald zu einem Ende geschrieben sein wird. Aus der farbenfrohen und formenreichen Entwicklung der Zuchterfolge bis zur Gegenwart, läßt sich das künftige Potential noch kaum erahnen.
Innerhalb der eingeschworenen Gemeinde der Meerschweinchen-Kundigen hat sich längst die durchaus ernst zu nehmende wissenschaftliche Disziplin der „Caviae-istik“ auf den Weg der Kanonisierung des bislang bekannten, und der Erforschung noch unbekannten Wissens über die Tiere gemacht.
(Meerschweinchen= lat. Cavia; im Englischen guinea pig [sprich: <ginni pig>], nach der altenglischen Guinee-Münze bezeichnet, also „das Schweinchen, das eine Guinee kostete“)
Und wie für fast alle akademischen Disziplinen eröffnen sich auch hier entsprechend ökonomische Potentiale.
Droht der Erkenntnis-Trieb von den Ertragserwartungen überwältigt zu werden, erstarrt die ursprüngliche Liebe ihrem Gegenstand gegenüber zum Kalkül, in dem nur noch die Kriterien der Maximierung und Rekorde vorherrschen.
Keines der klassischen Werke über Meerschweinchen soll durch dieses Buch in seiner Bedeutung gemindert werden. Aber es ist die Hoffnung des Verfassers, daß das vorliegende Werk als eine Ergänzung um einige interessante Aspekte des Lebens der Meerschweinchen eine freundlich interessierte Aufnahme finden möge.
Neben vielen bekannt liebenswerten Charakter-Eigenschaften der Meerschweinchen, werden sich im Folgenden aber auch weniger bekannte und bislang unverstandene Verhaltensweisen im sozialen Verband, zu dem im weiteren Sinne auch der Mensch gehört, beschrieben finden. Zuweilen lauern auch unheimliche Abgründe unter der Oberfläche ihrer vermeintlichen „Gemütlichkeit“. Manche schicksalhaften Wendungen offenbaren sich im Lebenslauf des einzelnen Meerschweinchens als tragische Führung in seinem Leben, die ihren Ausdruck im jeweiligen Krankheits-Geschehen findet. Einige prägende Konflikt-Ereignisse erweisen sich als bestimmend für das ganze weiter folgende Leben, und schließlich auch für den einstigen Tod
Wir wollen insbesondere die vielseitigen ‚Bedrohungen’ durch Krankheiten, im Zusammenhang mit konfliktiven Lebenslagen, im Lichte der Neuen Medizin, betrachten. Vielfach erweisen sich gerade solche mit ‚krankhaft’ bezeichneten Zustände, als Ereignisse in der Durchgangsphase eines Heilungsgeschehens, die als biologische Anpassung an die konfliktiven Lebensumstände verstanden werden können.
Welchen möglichen Konflikten sind Meerschweinchen im Zusammenleben mit ihresgleichen und dem Menschen ausgesetzt, und welchen zugrundeliegenden biologischen Naturgesetzen folgt das Anpassungsverhalten des Organismus? Mit dem Wagnis eines psychosomatischen Ansatzes wollen wir versuchen zu verstehen, worin die enge Beziehung zwischen den Ebenen Gehirn, Psyche und Organ besteht. Es ist überraschend, dabei zu entdecken, wie nahe Meerschweinchen in ihren Konflikten in ihrer Biographie nicht zuletzt dem Menschen stehen.
Eines sei gleich einmal vorweg bemerkt! Meerschweinchen sind nicht ‚süß’! Ihre kleine gedrungene Gestalt, mit einem zum gesamten Körper verhältnismäßig großem Kopf, die wachen Knopfaugen bei einem zuweilen überrascht wirkenden Ausdruck des Gesichtes, erwecken beim Betrachter unmittelbar den Eindruck von drolliger Putzigkeit und herzlicher Gutmütigkeit. Obwohl Vieles im Alltagsverhalten Ihrer häuslichen Meerschweinchen auf einen grundsätzlich gemütvollen Charakter der Tiere schließen läßt, sind sie dennoch nichts weniger als durchwegs selbstlos und friedfertig im Verkehr mit ihresgleichen, oder gar wehrlos gegenüber der Zudringlichkeit von Anderen, auch der des Menschen. Wir werden in der folgenden Darstellung noch einige Beobachtungen zu schildern haben, wie Meerschweinchen unter sozialem Streß leiden und wie sie darauf reagieren. Ebenso, wie sie mit Kränkungen und Zurücksetzung umgehen, und nicht zuletzt auch wie sie Krankheit und dem Tod begegnen. Sie werden, wie auch der Verfasser dieses Meerschweinchen-Breviers selbst, anerkennen müssen, daß wir in unseren ‚possierlichen’ Haustieren durchaus ernstzunehmende Persönlichkeiten als Gegenüber besitzen, die es verstehen ihren Ansprüchen so wie auch ihrer Würde Ausdruck zu geben.
Bei Ihren Überlegungen, es mit Meerschweinchen als Hausgenossen zu versuchen, werden sie vermutlich zuvor Vergleiche mit den Charakteren anderer Nagetiere anstellen wollen. Sie werden feststellen, daß etwa Mäuse äußerst lebhafte und flüchtige Wesen sind, und sich daher weniger als beschauliche Hausgenossen eignen. Wer von der hohen Intelligenz von Ratten fasziniert ist, wird, oberflächlich, betrachtet von den Meerschweinchen wohl enttäuscht werden. Aber wie gesagt, nur oberflächlich betrachtet, denn ebenso wie bei Menschenkindern befindet sich im mannigfaltigen Raum der Intelligenz, die eigentlich allen Säugetieren gemein ist, jeweils in spezifischer Weise eine Anzahl von Kriterien zur Gradmessung unterschiedlicher Arten von Intelligenz. Vom ausgezeichneten Erinnerungsvermögen über differenzierte Mustererkennung, sowie situationsabhängiger Reizverarbeitung und Anpassung von Verhalten, bis hin zum geschickten Gebrauch von ‚Werkzeugen’ und gestalterischer Kreativität, können wir sämtliche höhere Fähigkeiten bei unseren Nager beobachten, wenn wir die Geduld und das Auge unserer Beobachtung dafür schärfen. Nicht zuletzt werden wir es auch mit schlauer List und Tücke zu tun haben, die wir ihnen aber, nach guter Freundesart, gerne nachsehen. (effizientes Werkzeug unter der Kontrolle ihrer sublimen Manipulation ist der menschliche Halter in Person – und die ihnen eigene Gestaltungskraft läßt das Meerschweinchen bereits in seiner Erscheinung zum Kunstwerk werden)
Wem die Haltung von Chinchillas zu platzaufwendig dünkt, und Degus zu sprunghaft sind, für Den könnte eine Entscheidung für ein Leben mit Meerschweinchen die richtige sein. Aber bedenken sie bei Allem: häusliche Kleintiere sind kein Spielzeug! Wenn die Tiere auch auf direktem Wege die Herzen von Kindern zu erobern vermögen, werden sie rasch feststellen, daß sie es mit eigenwilligen Wesen zu tun haben, und angesichts ihrer Ansprüche bald lernen eine realistische Beziehung zu den Tieren aufzubauen, die auf ‚gegenseitigen’ Respekt und Rücksichtnahme aufgebaut ist. Denn, ja, auch Meerschweinchen können in ihrem Verhalten Rücksichtnahme in Bezug auf die Personen ihres regelmäßigen Umganges erlernen – Respekt für Respekt.
Qualzucht: Meerschweinchen-Haltung in drangvoller Enge auf dem Frischfleisch-Markt ist in Südamerika noch gängige Praxis
Im Gegensatz zu Chinchillas und Degus, oder Ratten, sind Meerschweinchen keine ausgeprägten ‚Klettermaxen’. Sie benötigen daher kein in allen drei Dimensionen weit ausgreifendes Gehege. Dennoch sollten sie beachten, daß drangvolle Enge, zumal von mehreren Tieren, die Nager in andauernd hohem Streß halten, und ein langweilig gestalteter Lebensraum zu einer Verarmung der Wahrnehmungsfähigkeit und Beweglichkeit der Tiere führt. Für ein Meerschweinchen ist die Fläche von einem Quadratmeter interessant gestalteter ebenerdiger Gehege-Umgebung ein absolutes Minimum. Wenn man bedenkt, daß es nicht zu empfehlen ist, ein einzelnes Tier in seinem Käfig ganz alleine zu lassen, dann ist der Gesamtbedarf an Auslauffläche vor der Anschaffung von Tieren zuvor besonders gut zu überlegen. Ihre künftigen Mitbewohner sollten nicht um Rückzugorte, Unterschlupf und Futterstellen konkurrieren müssen (sie werden es dennoch tun, auch wenn die Ausweichmöglichkeiten noch so großzügig gestaltet sind).
Ausdruck von Wohlbefinden oder gähnende Langeweile; Einen tieferen Einblick in ihr Innersten gewähren die Tiere eigentlich nur dem Gegenüber, das ihr rückhaltloses Vertrauen besitzt, ansonsten zeigen sie sich eher sphinxhaft verschlossen. Das veitstanzartig ausgelassene „Popcornen“ führen jüngere Meerschweinchen ebenfalls nur in einer Umgebung auf, die sie bereits als ihr eigenes Revier anerkannt haben (Abb. u.)
Wiewohl Meerschweinchen an sich gesellige Tiere sind, die besonders in ihrer Kindheit und Jugend gerne miteinander spielen und rangeln, und dabei viel Sozialverhalten aneinander lernen können, ist es für ein älteres Tier, vielleicht sogar eine Erholung, nicht ständig zu einer wachsamen Reviersicherung gezwungen zu sein. Bedenken Sie, daß unweigerlich auch einmal der Zeitpunkt kommen wird von dem an ein Tier schicksalhaft alleine zurückbleiben muß, wenn über die Jahre die familiäre Gruppe kleiner geworden ist. Man sollte überhaupt die Überlegungen für ein Zusammenleben mit Tieren stets auch vom Ende her betrachten, wenn man solche Gedanken auch gerne in eine weitere Zukunft verlagern möchte. Für die Lebensgemeinschaft mit Ihren tierischen Freunden sollten Sie sich einige Jahre gewähren, in denen nicht nur Sie das Leben der Tiere, sondern diese ganz gewiß auch Ihr eigenes intensiv prägen werden. Lassen Sie sich daher ganz bewußt darauf ein, denn aus Ihrer Freundschaft erstehen ganz bestimmte Verbindlichkeiten.
Entfernt verwandt mit unseren Meerschweinchen: das Wasserschweín erreicht die Größe eines mittleren Hundes
Wie unsere häuslichen Meerschweinchen einst zu ihrem Namen gekommen waren, liegt im Dunkeln der Vergangenheit. Immerhin sind die Tierchen, deren Vorfahren in Südamerika noch heute in der Wildform beheimatet sind, schon mehrere hundert Jahre in Europa bekannt. Jedoch gibt es bei uns keine Artverwandte für sie, mit denen sie verglichen werden könnten. Meerschweinchen sind weder Caniden (Hundeartigen) noch Felidae (Katzenartige), sie gehören auch nicht zur Familie der Ursi (Bären), obwohl die Haltung ihrer gedrungen Körper ohne Schwanzfortsatz zuweilen an kleine Bärchen erinnern mag. Verglichen mit den vegetarisch lebenden Nagern, existiert keine hierzulande bekannte Art, ob Eichhörnchen oder Spitzmaus ohne Schwänzchen - Selbst der Maulwurf besitzt eines. Es handelt sich offenkundig um eine eigene Spezies (Rodenten), die entwicklungsgeschichtlich auf eine beeindruckend lange Herkunftslinie zurückblicken kann – auf der sie allerdings im Laufe der Zeit wohl den Schwanzansatz verloren haben muß..
Als die Meerschweinchen einst von den spanischen und portugiesischen Seefahrern im 17. Jhrd. nach Europa gebracht wurden, gab es die Tiere, die übers Meer kamen, und wie kleine Schweinchen pfeifen können (jeder kennt wohl den Ausdruck, „ich glaub’ mein Schwein pfeift“) aber noch nicht in der reichen Varietät ihrer Formen und Farben, wie wir sie heute kennen.
Gefäß, Schmuckstück, oder Kultgegenstand? Fund aus der Inka-Zeit (ca. 1500)
Vor der Entdeckung des Meerschweinchens für Europa war es bereits seit über zweitausend Jahren bei den Völkern in der Herkunftsregion kultiviert worden. Es wurde in den indianischen Kulturen als rituelles Opfertier gehalten, und gehört bis heute auch zum regulären Speiseplan. Noch also fern von jedwedem ästhetischen Anspruch an das Haus- und Nutztier Meerschweinchen, war aber erst in Europa daran gedacht worden, es zu einem gefällig putzigen, hof- und salonfähigen Hausgenossen zu gestalten. Tatsächlich vergessen wir in unserer vielfach auch ‚närrischen’ Tierliebe, daß Meerschweinchen auch bei uns einem geschäftsmässigen Nutzen-Kalkül unterworfen werden, als Labor-Versuchstiere und lukrative Handelsware. Der ästhetische Aspekt war also auch bei uns noch lange nicht die Hauptsache.
Abb.: vermutlich die früheste künstlerische Darstellung von Meerschweinchen in Europa : Bildnis der Kinder einer Aristokratenfamilie des elisabethanischen Zeitalters (16. Jhrd. /Nationalgalerie London) Tatsächlich ist in einem Haus aus der Tudor-Zeit, ein Meerschweinchen-Skelett gefunden worden, das auf das Jahr 1575 datiert werden konnte
Genrebilder v. George Morland – 1789 (li), und 1792 (re, o.); James Ward – 1843 (re, u.)
Selbst in Bilderbüchern unserer Großeltern wird noch eine recht eingeschränkte Zahl von Erscheinungstypen gezeigt. Shelties, Curlies u.a. erscheinen in ihrer Haarpracht genau genommen erst in ziemlich jüngster Zeit. Das Potential der Varianz von Fellfarben und Haarstruktur, das sich mit jeder Generation von Meerschweinchen noch zu erweitern scheint ist verblüffend. Das macht die Beschäftigung mit diesen auch anderweitig interessanten Tieren niemals langweilig.
Bei der Suche nach Artverwandten stößt man auf das Wasserschwein, das aber, von seiner Größe eines Hundes einmal ganz abgesehen, und einem Gewicht bis zu 50 kg, durchaus überstimmende Merkmale in seinem Körperbau mit den Meerschweinchen besitzt. Weitere Verwandte sind der Mara, oder Pampas-Hase. Sie erscheinen in schlichter brauner Glattbehaarung, und ihre Körpergröße gestattet ihnen wahrscheinlich eine größere Gelassenheit gegenüber etwaigen natürlichen Feinden.
Eine Erklärung für die phantasievolle Variation von Farben der Behaarung könnte in dem größeren Anpassungsdruck bei der natürlichen Auslese liegen, die wie stets für die Sammlung von Potential der Gestaltung in der Naturanlage sorgt, und die der Züchter gezielt hervorzutreiben versteht.
Er schafft dabei durchaus nichts Neues, was nicht als pure Möglichkeit schon in der Genetik der Tiere selbst als Tendenz zur Veränderlichkeit angelegt ist. Daß Meerschweinchen sich als Haustiere des Menschen einer ganz besonderen Beliebtheit erfreuen, könnte auch mit einem uns ähnlichen Potential der Varianz ihrer Erscheinung („ob blond, ob braun..“, glatt oder gelockt) zu erklären sein.
Prämierte Meerschweinchen im Jahre 1906 (Abb. li.) und 1910 (Abb. re.)
Mensch und Tier empfinden in ihrem wechselseitigen Bezug aufeinander eine unerklärliche Anziehung, die ihren Grund in den geheimnisvollen Untiefen des Willensgrundes der, in ihrer Erscheinung mannigfaltigen, Schöpfung selbst besitzt.
Es sei daran erinnert, zu welcher weitreichenden Loyalität Hunde, sogar Wölfe, gegenüber dem Menschen in der Lage sind; zu welcher Empathie Elefanten und Delphine fähig sind; immerhin sogar von Raubtieren ist dies mitunter bezeugt; es gibt Freundschaften mit Raben und Falken – von Hunden mit Dohlen, von Katzen mit Sittichen, und unzählige Beispiele mehr - von Hai, Viper und Tarantel wollen wir an dieser Stelle einmal absehen...
Stets war der Orthodoxie eine enge freundschaftliche Beziehung zwischen Mensch und Tier suspekt; sie stand gar unter dem Verdacht der Teufelei. Man denke nur einmal an den fatalen Vorwurf der Begleitung durch einen Famulus in der Gestalt eines Tieres– dem das berühmte Klischee von der Hexe mit ihrer Katze entsprach, und für den der Pudel in Goethes Faust das berühmteste Beispiel gibt
Auf dem Wege der Selbstbewußtwerdung des gesamten Kosmos, ist die Hervorbringung eines reflektierenden subjektiven Bewußtseins offenbar eine immanent bestimmte Notwendigkeit. Der Mensch besitzt hier kein Alleinstellungsmerkmal auf unserem Planeten. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß das bewußte Leben sogar ein grundlegendes Prinzip im gesamten Kosmos ist.
Mit der Steigerung zum bislang höchsten Grade von Selbstbewußtsein, im Menschen, neigt sich das erkennende Subjekt wieder seiner Mitschöpfung zu, als wenn in der Aneignung der objektiven Welt zur einverleibten Vorstellung, die Entwicklungstendenz sich wieder ad radicis vollziehen wollte. Das Geschöpf sucht seinen Schöpfer in der Anerkennung seiner Mitgeschöpfe.
Der grundlegende Wille zur Macht, zur Bemächtigung über die Welt, muß sich zuletzt von der groben Überwältigung und Einverleibung schließlich zur höchsten Potenz der sublimen ‚Mitsorge’ aufschwingen. Das potentiell Zerstörerische dieses Willens in der Natur wäre auf dieser Ebene dann vollständig zum Wohl-Wollen sublimiert.
Wer wollte kategorisch ausschließen, daß die Tiere dem Menschen darin nicht zu folgen imstande wären - wenn man ihnen, und uns, noch die Zeit dazu läßt.
Ein breites Band der entwicklungsgeschichtlichen Variation spannt sich vom Wildmeerschweinchen (Abb. re.) bis zum Friseur-Modell für die aktuelle Prämierung
Gut ausgearbeiteter ‚Entscheidungsbaum’; einer von zahlreichen Versuchen, eine strukturierte Übersicht über den unüberschaubaren Variantenreichtum des Kultur-Meerschweinchens zu erhalten
Unter Meerschweinchen-‚Liebhabern’ kommen Gespräche rasch auf Zuchtauswahl und Prämierung auf Schönheitswettbewerben. Für die wahrhaftigen Freunde stellt sich dabei auch immer die ernste Frage nach den in der Konkurrenz notwendig zurückbleibenden Tieren, besonders bei Mehrfachwürfen. Beim Heraustreiben hochspezieller Eigenschaften bei den Tieren, was nur allzu oft durch Inzucht zu erreichen ist, bezahlen die Tiere meistens einen hohen Preis. Starke Anfälligkeit für Leiden aller Art, physische und psychische Labilität sind keine Seltenheit.
Die meisten Krankheiten bei unseren Haustieren sind überdies reine Zivilisationserkrankungen. Die hochgezüchteten Wesen können kaum mehr einen Zug am offenen Fenster vertragen, ohne einen Schnupfen zu bekommen, Verhaltensänderungen und industriell verändertes Futter lassen den Tieren kaum mehr die Gelegenheit, sich im Austausch mit einer ‚rauhen’ Umwelt zu kräftigen und zu festigen an Körper und Charakter.
Das Cuy-Riesenmeerschweinchen (hier im Vergleich zu einer altergemäßen mittleren Normalgröße) kann bis zu 4 kg(!), und damit knapp doppelt so schwer werden, und hat dafür einen hohen Preis zu zahlen – es wird zumeist keine 3-4 Jahre alt
Ja, und was geschieht eigentlich mit denjenigen Exemplaren, die bei der Auswahl für vorzügliche Haltung und Zucht, wegen ihres unscheinbaren Äußeren, oder schwierigen, oft von großer Nervosität gekennzeichneten, Wesens, in dunklen Winkeln im Handel, oder im Haus unbeachtet ihr Leben fristen müssen? Es gibt Tierfreunde, die gerade solchen ‚Verlierern’ des Leistungsbetriebes der Zucht eine Chance als häuslich private Freunde geben. Die tragische Geschichte von Tieren mit Anfälligkeiten für Augenkrankheiten, Verdauungsleiden oder Tumorbildung ist noch nicht geschrieben worden.
Zucht ohne Grenzen: das Nackt-Meerschweinchen (Skinny; Abb. li.) wurde mit der Ausprägung seines Merkmals zu einer eigenen Art gezwungen; Abb. re.: Zwischenstufe auf dem Weg zum Fellverlust
Die großen Verlierer sind aber die männlichen Meerschweinchen (Böckchen), wenn sie auch für einige Momente ihres Lebens im begehrten Mittelpunkt stehen mögen. Ihr Schicksal ist die baldmögliche Kastration, die in einem Alter von einigen Monaten bereits mit Komplikationen verbunden sein kann, aber in jedem Fall mit Leiden. Männchen können naturgemäß schon nach wenigen Wochen ihres Alters nicht mehr unschuldig selbst mit ihren eigenen direkten weiblichen Anverwandten zusammenbleiben..! In Gruppen leben Männchen zumeist auch nur im Streß der ständigen Aufrechterhaltung einer strengen Hierarchie, in der auch das Senior-Tier nicht vor der Zurücksetzung dauerhaft bewahrt bleibt, und durch ein jüngeres Tier dominiert werden kann. Tiere, die nach einer längeren Periode des Stresses durch reales ‚Mobbing’, letztlich aus der Gruppe herausgenommen werden müssen, erleben zumeist erst in der Heilungsphase, nach Lösung des sozialen Konfliktes, dann entsprechend deutliche Symptome verschiedener Erkrankungen (z.B. Tumorbildung, Augenerkrankungen)
Fight - Flight - or Freeze
Aus unserem eigenen abstrakten Bezug zur Natur, bzw. bei der Beobachtung von Vorgängen in der Natur, der wir uns durch Zivilisation enthoben glauben, mögen wir schließen, daß für Meerschweinchen das sog. ‚wilde’ Umfeld, ungleich konfliktiver gewesen sein muß, als die künstliche Komfort-Umgebung in der Obhut des Menschen. Ein Blick auf die Zuchtbedingungen, die Haltung einer Umgebung technischer Geräusche und künstlichem Licht, häufige Transporte, und enge Lebensräume, genügt, um den Kampf ums Dasein in der freien Natur möglicherweise in einen milderen Licht zu betrachten.
Für die Tiere in der freien Wildbahn gibt es weitaus weniger Zwänge, denen es schicksalhaft ausgesetzt ist, als Situationen, denen gegenüber es in den überwiegenden Fällen gewachsen ist, oder denen es sich notfalls rasch dauerhaft entziehen kann. Blitzschnell ist das Gegenüber taxiert, ob sich ein Kampf zur Behauptung des Reviers lohnt (Fight), im Zweifel steht meist die Flucht in einen großzügigen Raum von Alternativen offen. Wild-Schweinchen wählen sich ihre Gesellschaft, sie kämen nicht auf die Idee, sich einem Zwang zu beugen, dem sie sich nicht bequem auch entziehen können. Für den Fall, daß es nun aber gar nicht anders geht, und die Bedrohung in Gestalt des spähenden Jägers läßt sich nicht abschütteln, dann fallen die Tiere in einen stummen Totstellreflex, der sie häufig aus dem Blickfeld des auf Bewegung fixierten Feindes rückt.
Das Satin-Meerschweinchen verdankt den seidigen Schimmer seines Fells einer Mangelzüchtung. Die Haarstruktur ist hohlnadelartig, ähnlich wie bei Eisbären. Dadurch ergibt sich ein Lichtleiter-Effekt, der für den Eindruck des Glanzes sorgt. Rassetypisch ist für das Satin der programmierte Calcium-Mangel, der frühzeitig zu Osteolysen, bzw. –porosen führt
Nie käme aber ein Tier auf die Idee, eine konfliktive Situation so lange auszuhalten, bis die starken Symptome einer Lösung langlaufender Konflikte zu chronischen Beschwerden führen. Es ist erst der Mensch, und seine ihm anverwandelten Haustiere, die sich ihren Lebensumständen unter Umständen so lange ausliefern, bis chronische Überforderung, endloser Streß, und dauerhaft quälender ‚Revierärger’ zu ernsten Erkrankungen führen. Meistens stellen sich die schmerzhaften Symptome erst nach der Lösung der Konfliktlage ein, und entsprechen mit ihrer Dauerhaftigkeit und Intensität dann in etwa der Länge des vormalig aktiv laufenden Konfliktes. Zuckerkrankheit (Diabetes), Schäden am Bewegungsapparat, den Sinnesorganen, und Störungen im Sozialverhalten gehören recht eigentlich zu den Schattenseiten der Zucht, sowohl was den Menschen in seiner Zivilisation selbst anbelangt, als auch in der Existenz seiner Haustiere, die beide nunmehr in schicksalhafter wechselseitiger Abhängigkeit miteinander verbunden sind.
*
Eine grobe Palette der Rassenvielfalt, ohne ernsthaften Anspruch auf Vollständigkeit (viele Grundtypen erscheinen noch in verwirrender Vielfalt von hochspezialisierten Einzelmerkmalen)
Angora
Crested-Schildpatt *
Curly-Abesssin
Glatthaar
Lunkarya
Merino
Mohair
Peruaner
Rex
Ridgeback
Rosette
Schweizer Teddy *
Sheltie
Somali
Texel
* Hinweis: von einzelnen Rassen gibt es selbstverständlich eine nahezu unübersichtliche Zahl von Sub-Varianten mit ihren jeweilig speziellen Merkmalen: z.B. CH- u. US-Teddy, oder definierbar über die Farbwerte von Haarschöpfen (Crested), bis hin zur Pigmentierung ihrer Näschen
auf dem Weg zum Schachbrettmuster: gewiß wird in Zukunft nichts unversucht gelassen werden, neben den spezifischen Fellvarianten, auch ganz bewußt willkürlich zugeordnete Schattierungen hervorzubringen
Wer sich mit dem Gedanken einer regelrechten Zucht trägt, sollte sich darüber im Klaren sein, daß wegen der ausgewählten Paarungen und gezielte Trennungen und Zusammenführungen, ein erheblicher Platzbedarf besteht. Zudem wird man konfrontiert mit einer größeren Zahl von Jungtieren, für die sich unter Umständen eine Weiterzucht nicht ‚lohnt’. Denn so hart es klingt, ganz unweigerlich gelangt man bei der Arbeit mit Meerschweinchen n dieser Form zu den Kategorien des Nutzens und der ‚Verwertbarkeit’. Die sollte der private Halter zunächst reiflich bedenken, und in seinen Überlegungen seine etwaigen ethischen Bedenken nicht hintenanstellen. Die Erwartungen an eine wirtschaftliche Einträglichkeit durch den privaten Handel mit den Tieren, wird sich wohl für die meisten Züchter im kleineren Rahmen nicht erfüllen. Stattdessen wächst die Verantwortung für das Leben und die Gesundheit der Tiere, ebenso wie für ihr weiteres Schicksal, wenn die häuslichen und familiären Kapazitäten begrenzt sind, und sie weggegeben werden müssen. Beantworten Sie für sich ehrlich die Fragen danach, wie sie mit den Tieren verfahren werden, die sich nicht für eine Weiterzucht eignen; bei denen sich durch eine Sackgassen-Zucht u.U. körperliche Defizite häufen.
Die Etagen-Mietwohnung ist für eine Meerschweinchen-Zucht der denkbar ungeeignetste Ort. Die beste Voraussetzung ist ein größeres Anwesen mit Naturgarten-Anlagen mit Kompost und Lagerflächen. Wer sich, immer im Bewußtsein seiner Verantwortung, für die Zucht von Meerschweinchen mit bestimmten Merkmale, bzw. Charakterzügen entschieden hat, oder wahlweise für die vornehme Arbeit, z.B. gewisse erbliche Krankheitsformen, und Verhaltenslabilitäten, über die Generationen hinweg ‚auszumerzen’, sollte sich zunächst mit den biologischen Gesetzen der Vererbungslehre auseinandersetzen. Professionelle Züchter greifen bereits auf unterschiedliche Konzepte und Verfahren zurück. Letztlich ist ihnen allen gemeinsam, daß sie auf die, nach wie vor unschlagbaren Regeln des Ordensbruder Gregor Mendel zurück zu führen sind.
Schon aufgrund der Vielzahl von äußerlichen Einzelmerkmalen der Erscheinungsformen (Phänotypen) gerät für den Laien das Vorhaben einer gezielten Zucht selbst nach penibler Vorauswahl der Paarungen meistens schon nach der ersten Generation in die heillose Unübersichtlichkeit einer reichen Palette zutage tretender Rezessiv-Merkmale, die zuvor in den vorangegangenen Generationen als verborgene Anlage vorgelegen haben mußten. Den genetisch rezessiven Merkmalen, die gerne mal eine Generation in Unsichtbarkeit überspringen, sind die genetisch dominanten Merkmale meistens hartnäckig in gehäufter Zahl unter den Geschwistern vertreten. Um hier den Überblick nicht zu verlieren, und besonders die Linie mit den verborgenen Rezessiv-Merkmalen nicht abreißen zu lassen, ist es von Nutzen, eine Stamm-Tafel oder Herkunfts-Tabelle der vorkommenden Tiere zu erstellen, worin zugleich die Merkmale bezeichnet sind (sichtbare und nichtsichtbare).
Anhand den Lehrtabellen zu den Mendel’schen Regeln der Vererbung ist zunächst die theoretische Gesetzgebung der Weitergabe am Beispiel reinrassiger Merkmale ersichtlich. In der Praxis zeigt sich jedoch, daß schon in der ersten Tochtergeneration etwa aus einer Paarung von Glatthaarschweinchen verblüffenderweise plötzlich Rosetten auftauchen in einer scheinbar regellosen Erscheinung unterschiedlicher neuer, eigentlich älterer, Farbmuster. Das liegt daran, daß unter handelsgängigen Schweinchen, selbst wenn sie über einige Generationen hinweg als reinrassig vermittelt werden, dennoch in ihrer genetischen Vergangenheit ebensolche bunten Rosetten vorgekommen sein müssen. Darin liegt auch das Geheimnis der Rückzüchtung vermeintlich verloren gegangener Merkmale. Hierzu wird man vorzugsweise wiederum die überraschenden Zufallstreffer gezielt kombinieren, um für künftige Generationen bestimmte Merkmale zu sichern. Gleichfalls erfolgt das Vorgehen zur Hervorhebung rezessiver Merkmale, die normalerweise von Generation zu Generation von den Dominanten überspielt werden.
In Schautafeln, die das Beispiel einer Paarung von reinrassigen Meerschweinchen, als Elternpaar P1 (=Parental), mit jeweils einem dominanten Merkmal bei dem einen Tier, und einem wenn auch reinen, doch rezessiven Merkmal bei dem Anderen, findet sich in mustergültiger Weise die sogenannte Uniformitätsregel (1. Mendel’sche Regel) bestätigt.
Die erste Tochter-Generation F1 (=Filial) weist prinzipiell das Erscheinungsbild der genetisch dominanten Elterneigenschaften auf; die rezessiven Merkmale scheinen erst einmal vordergründig verschwunden. Sie werden bei der zweiten Tochtergeneration F2 wieder auftauchen, neben einer Reihe von Mischformen, die die Spaltungsregel (2. Mendel’sche Regel) bestätigen – in der Theorie. In der Nomenklatur der tabellarischen Tafelordnung erhalten sämtliche beobachtete Merkmal-Kriterien üblicherweise Buchstaben-Kennungen,
z.B. für ein vollständig (dominant) schwarzes Meerschweinchen mit (rezessiv) langen Haaren und einem (rezessiv) weißen Meerschweinchen mit (dominant) kurzen Haaren: A= Haarfarbe schwarz; B= Haare kurz; a= Haarfarbe weiß; b= Haarlänge lang/ (groß= dominant; klein= rezessiv). Die Paarung (P1) wird dann mit AAbb x aaBB notiert (Jedes Gen existiert in zwei sogenannten „Allelen“).
Abb.: hier liegt nun ganz offenkundig die lehrbuchmäßige Bestätigung der Uniformitätsregel bei der 1. Tochtergeneration in praxi vor
Bei der ersten Tochtergeneration (F1) werden gemäß der Uniformitätsregel zunächst durchgängig schwarze Schweinchen mit kurzen(!) Haaren auftreten, als Ergebnis der Kombination der dominanten Merkmale: AaBb. Jedes Individuum trägt von nun an das verborgene genetische Potential sämtlicher Kombinationen in sich, ohne die in der ersten Generation bereits zu zeigen.
Für die folgende Tochtergeneration (F2) aus der Paarung von Gliedern aus F1: AaBb x AaBb, gilt dann folgende Notation in Form eines Kombinationsquadrates aus den jeweiligen Paarungen der Keimzellen (AB, Ab, ab, aB)
x | AB | Ab | ab | aB |
AB | AABB | AABb | AaBb | AaBB |
Ab | AABb | AAbb | Aabb | AaBb |
ab | aABb | Aabb | aabb | aaBB |
aB | AaBB | aABb | aaBb | aaBB |
Man erhält somit innerhalb von 16 Phänotypien ein Verhältnis von 9 : 3 : 3 : 1, für das Auftreten von AB : Ab : aB : ab.
In der Relation stehen also statistisch neun Schweinchen mit kurzen schwarzen Haaren genau einem (!) Schweinchen mit weißem Langhaar gegenüber. Vor dem Hintergrund dieser statistischen Differenz sollte doch einmal über das Schicksal und die Bestimmung des ‚Überschusses’ an Schweinchen bei der Zucht nachgedacht werden. Eine Alternative läge in einer ‚freundlichen’ Zucht und Haltung, gerade von phänotypisch unauffälligen Meerschweinchen, bzw. eine Rückbesinnung auf die Basisarten, von denen aus einmal der Entwicklungsgang der überspitzten Spezialisierung seinen Ausgang genommen hat.
Jede folgende Generation, die aus jeweils ausgewähltem einem Pärchen der vorangegangenen Tochtergeneration stammt, könnte ebenfalls wieder innerhalb einer 22x22-Kombinationstabelle ermittelt werden
In weiteren Generationen ist jedoch mit ‚Neuschöpfungen’, bislang noch nicht vorkommender Merkmale zu rechnen, gemäß der sogenannten Novitäten-Regel (3. Mendel’sche Regel). Im obigen Beispiel würden demnach Schweinchen in schwarzweißer Kuhflecken-Optik auftreten. Aber eigentlich handelt es sich nicht wirklich um Neuheiten aus dem Nichts, sondern um das Wecken der Potentiale im Rahmen der Kombinatorik und Permutation der naturgegebenen Ressourcen. Wegen der Überlagerung jeweils kollidierender Dominanz-Merkmale derselben Kategorie, kann somit aus der Mischung der bekannten Dominanten A und B => C als Novität folgen. Im weiteren Zuchtverlauf wird dann mit dem entsprechenden Parameter C (=Kuhflecken) in der oben geschilderten Weise operiert.
Auch wer schon längere Erfahrung mit der Zucht von Meerschweinchen besitzt, dürfte doch immer wieder überrascht werden, wie wenig vorhersehbar die Variationen der Erscheinungsformen sind. Die Illustrationen der Lehr-Schautafeln können nur jeweils eine eingeschränkte, idealisierte Tatsache illustrieren.
Zunächst können wir festhalten: Bei einer Paarung eines dominanten Merkmals mit einem rezessiven Merkmal überwiegt zunächst die Dominante. Bei einer Paarung zweier gleichwertig dominanter Merkmale tritt die gleichverteilte Scheckigkeit auf. Bei einer Paarung von zwar gut erkennbaren, aber beiderseitig rezessiven Merkmalen, darf man schon überrascht sein, was in der Tochtergenerationen aus den vor-vorangegangenen Elterngenerationen zutage treten wird. Tatsächlich weist das reale Meerschweinchen nicht nur ein dom./ rez. Merkmal auf, sondern deren eine Vielzahl, sodaß jede Tochtergeneration einer Lotterie gleichkommt. Um dabei methodisch vorzugehen, sollte zunächst über viele Monate, wenn nicht Jahre, eine akribische Dokumentation jeglicher Merkmale sämtlicher Tiere unternommen werden.
Es ist hierfür eine differenziere Listung von rassischen Grundtypen mit ihrem typischen Körperbau, der Haarstruktur (glatt oder gelockt), der Haarlänge (partiell oder am ganzen Körper), der Fellfarben und – zeichnungen (Streifen, Sprenkel und Insellagen) erforderlich, und nicht zuletzt die Unterscheidung bestimmter ‚Frisuren’ (Rosetten-Wirbel, Pony, Scheitel). Alles in Allem handelt es sich in der Praxis um ein stochastisches Experiment mit einem Dutzend Parametern, und mit sehr geringen gesicherten Ergebniswahrscheinlichkeiten.
Für die Betrachtung von lediglich zwei Parametern, wie im obigen Beispiel gezeigt erhält man ein zwei-dimensionales Feld (a x b) für die Darstellung möglicher Kombinationen (in diesem Falle 22 x 22= 16). Entsprechend würde die Untersuchung auf drei Grundparameter bereits die Konstruktion eines Würfels mit den Kanten a x b x c erfordern (mit 729 möglichen Kombinationen!). Ab vier Parametern (a, b, c, d) ist eine anschauliche geometrische Darstellung (eines vier- und mehrdimensionalen Hypercubus) kaum mehr möglich, ganz zu schweigen von der Potenzierung der Anzahl möglicher Kombinationen. Wer, außer ein ausgewiesener Mathematiker, wollte hier noch einen strukturellen Überblick bewahren, und noch allen Ernstes behaupten, etwa zielführende Versuche vorherbestimmen können.
Stellt sich aber glücklich doch ein gewünschtes phänotypisches Ereignis ein, wird man sich rasch hierauf zu spezialisieren wünschen. Die ersten Entwürfe werden wohl aber zumeist ‚Blindwürfe’ aufs Geratewohl sein. Erst mit der selektiven Paarung bei den nächsten Generationen erweist sich, ob die Bevorzugung bestimmter Merkmale noch erreicht werden kann, oder ob sie, für eine lange Zeit, verloren gegangen sind ...
Bei der Zucht von Meerschweinchen handelt es sich offenkundig um eine selektive Inzucht, die zur Einschränkung der Variationsbreiten, und zur Fokussierung bestimmter Merkmale allerdings erforderlich ist. Die Gefahr der Häufung von degenerativen Merkmalen ist bei tatsächlich reinrassigen Tieren durchaus gegeben, besteht jedoch kaum bei denjenigen Meerschweinchen, die nicht gerade in einem ausgesucht elitär puristischen Club der Ausschließlichkeit gehandelt werden. Es kann die Regel gelten: Je reichhaltiger der genetische Mischpool gestaltet ist, desto geringer die Gefahr einer Sackgasse der Überzüchtung, die euphemistisch Veredelung genannt wird. Gerade auf diesem Wege ereignen sich recht eigentlich die regelrechten Qual- und Mangelzüchtungen. Und, es muß an dieser Stelle gesagt werden, nicht selten werden gerade Deformierungen und Behinderungen, Entartungen der Erscheinung und des Verhalten, als Exklusivmerkmale leider gesucht und besonders geschätzt...
Ein Inzest-Tabu kennen die Tiere nicht, denn sie befinden sich noch im Zustand einer ‚paradiesischen Unschuld’, sie haben noch nicht den Apfel vom Baume der Erkenntnis gekostet, und wissen daher nicht, wie ihnen geschieht – und welche Last der Verantwortung auf dem Züchter lastet, der formend Hand anlegt an den Potentialen der Natur. Schon die Statistik des Vorkommens unerwünschter Merkmale bei fortgesetztem Gang der Generationen ist überwältigend, gegenüber der Ausbeute der zielführenden Merkmale, das zeigen die Mendel’schen Tabellen. Das bedeutet, daß der größte Teil der Zuchtexemplare quasi als ‚Ausschuss’ günstigenfalls in den Ramsch-Handel gebracht werden, wenn nicht Schlimmeres mit ihnen geschieht. Wir wollen diesem Faktum einmal schonungslos aufrichtig begegnen.
Ungesicherter Daseinswert: „Werde ich als Individualität gewürdigt, oder bin ich lediglich ein Züchter-Erfolg – und was wird aus mir, wenn nicht ?“
Zunächst sollten Sie ihre persönlichen Ressourcen prüfen. Wichtiger fast als ausreichender Platz, ist ausreichende Zeit für Aufmerksamkeit gegenüber den Tieren. Ihr sozialer Anspruch erstreckt sich nämlich über die eigene Gruppe hinaus in ihrer existenziellen Abhängigkeit auch auf den hingebungsvollen menschlichen Bezug.
Sie sollten in aufrichtiger Weise gut die folgenden Überlegungen anstellen:
Wenn Sie diese Fragen aufrichtig Bejahen können, dann sind Meerschweinchen die richtigen Haustiere für Sie, sie wären bei Ihnen in wirklich guten Händen!
Zunächst ist wohl davon auszugehen, daß wohl kaum irgend welche Vorbehalte grundsätzlicher Natur gegenüber ein Leben mit Haustieren bei Ihnen Zuhause bestehen. Naturgemäß lieben besonders die Kinder Tiere in ihrer Umgebung, ohne sich nähere Gedanken über eine eventuelle Mitverantwortlichkeit für sie zu machen. Vielleicht haben Sie bereits Haustiere, und denken über eine weitere Belebung Ihres Zuhauses nach.
Diana Spencer (1970), die spätere Prinzessin von Wales, mit ihrem nunmehr prominenten kleinen Freund
Kinder sollen zuerst erfahren, daß Tiere zwar Spielgefährten sein können, aber keine Spielzeuge sind. Ganz besonders Meerschweinchen erfordern eine gewisse Sensibilität im Umgang im maßvollen Mittel zwischen Verwöhnung und Vernachlässigung. Beides muß noch nicht einmal mutwillig veranlaßt sein, und kann sich unter den besten Vorsätzen in der Betreuung der Tiere unbemerkt einschleichen.
Der dauerhafte Platz für Ihre Meerschweinchen sollte ein lichter, nicht gerade sonnenverbrannter, ruhiger Ort in einem Wohnraum sein. Das Raumklima braucht eigentlich kein anderes zu sein, als dasjenige, bei dem Sie sich selbst wohlfühlen. Die Variation von Temperatur und Luftfeuchtigkeit darf sich im gemäßigten Rahmen unserer Breiten ereignen. Allerdings kann während der kalten Jahreszeit eine trockene Heizungsluft, im Zusammenwirken mit zugigem Stoßlüften, bei unseren Schweinchen für regelrechte ‚Stinke-Konflikte’ sorgen, die mit Schnupfen und Atemnot zur Heilung kommen. Während wir Menschen uns in dieser Beziehung naturheilkundlich oder pharmazeutisch zu helfen wissen, gibt es für Meerschweinchen im Grunde keinen Weg der Linderung ihrer Beschwerden, als den der ihnen eigenen stoischen Gelassenheit bis zum Abklingen der Symptome. Wenn Sie ihm helfen wollen, mischen Sie bei Rachenentzündungen entzündungshemmende Kräuter, wie Salbei oder Thymian, falls sie angenommen werden, unter das Futter. Die Gabe von Medikamenten aus ihrer eigenen Hausapotheke, ohne vorherige Rücksprache mit dem Tierarzt, verbietet sich selbstredend.
Gleich am Beispiel eines veritablen „Stinke-Konfliktes“ läßt sich die grundsätzliche Zweiphasigkeit im Durchgang eines Krankheitsverlaufes bis zum Abschluß der Heilungsphase illustrieren:
Es handelt sich, nicht nur für die Tiere, um einen Konflikt der gestörten ‚Witterungsaufnahme’. Dies kann durch eine extrem niedrige Luftfeuchtigkeit bedingt sein (die absolute Feuchte der Luft beenflußt deren Funktion als Lösung und Träger der chemischen Geruchs-Komponenten; eine niedrige relative Luftfeuchte übt den Reiz auf der Nasenschleimhaut durch Austrocknung aus). Aber auch unangenehme Fremdgerüche und chemische Substanzen bedingen den Stinke-Konflikt.
Nach der Setzung eines solchen Konfliktes beginnt die Phase der Konflikt-Aktivität (ca-Phase), während der in der Nasen- und Nebenhöhlen-Schleimhaut ein zunächst schleichender Gewebeabbau stattfindet (Hypo-Sensibilisierung). Der biologische Sinn liegt in der Erweiterung des Luftvolumens und der Durchgangs-Vergrößerung der Atemwegsoberfläche, um die Witterung wieder besser aufnehmen zu können.
Mit der Lösung des Konfliktes tritt der Prozess in die Heilungsphase (pcl-Phase), während der es zum Wiederaufbau von Schleimhaut-Gewebe kommt (Heilungsschwellung). Erst in dieser Phase treten die eigentlichen Schnupfenbeschwerden auf (Hypersensibilisierung).
Das Gehege sollte sich also nicht gerade direkt bei einem Heizkörper befinden, oder unter einem Fenster, das häufig offen steht. Denken Sie bei dem Stellplatz auch an die Erfordernis der Hygiene. Sie müssen alle Stellen des Geheges ohne Anstrengung gut erreichen können, wenn die Haltung Ihnen auch für die folgenden Jahre Vergnügen bereiten soll. Auch ist zu bedenken, daß der Umsatz von Heu und Streu eine recht staubige Angelegenheit ist. Es legt sich ganz unvermeidlich auch eine gewisse Staubschicht über die Dinge im Raum. Zimmerpflanzen sind eindeutig günstig für das Raumklima, nur nicht direkt in der für die Tiere erreichbaren Umgebung, denn die meisten Zimmerpflanzen sind für sie giftig, zudem legt sich auch über das Blattwerk mit der Zeit ebenfalls Staub, daher lieben Pflanzen den Standort neben den Meerschweinchen auch nicht besonders. Es versteht sich von selbst: wo Meerschweinchen sich in einem Wohnraum frei bewegen, dürfen auf keinen Fall offen verlegte Stromkabel liegen, denn sie sind für Nagetiere eine tödlich gefährliche Verlockung.
Bevor sie den Meerschweinchen eine Erkundung der weiteren Umgebung ihres Geheges in der Wohnung, oder gar in ihrem Garten, gewähren, sollten die Tiere zunächst ihr angestammtes Revier im Gehege voll als ihr Kernrevier akzeptiert haben, sowie ihre Rollenverteilung im neuen Sozialverband gefunden haben. Zu ihrem Revier gehören im weiteren Sinne auch die Personen, die als Betreuer im regelmäßigen Kontakt zu ihnen stehen. Wenn die Meerschweinchen soweit Vertrauen zu Ihnen gefaßt haben, daß sie das Futter auch direkt von Ihrer Hand nehmen, und sie bei Ihrer Berührung nicht gleich die Flucht ergreifen, sind sie soweit, daß sie von Ihrem Arm und Schoß aus auch einen größeren Kreis der räumlichen Umgebung erkunden dürfen. Denken Sie daran, daß es aus hygienischen Gründen ungünstig ist, im Meerschweinchen-Zimmer anspruchsvollen Teppichbelag auszulegen, ebenso sollten Meerschweinchen sich nicht durch das Dickicht eines Langflors schlagen müssen, der sie zudem animiert, die Fasern zu knabbern und zu schlucken.
Der Boden darf hingegen auch nicht gerade spiegelglatt sein, da Meerschweinchen darauf gang-unsicher sind, und sich leicht in Panik etwa Gelenke ‚verknacksen’ können (denken Sie an die Unsicherheit, die Sie selbst beim Gang auf dem Eis empfinden). Ein günstiger und pflegeleichter Bodenbelag für die Spielfläche außerhalb des Geheges ist PVC oder Linoleum.
Garten wäre OK, Balkon ist eher weniger geeignet. Im Bild finden sich gleich mehrere Fehler: 1) niemals dösen, während sich ein Kamerad sich schon neugierig anschickt, über die Schulter hinwegzustehlen; bei dieser Fallhöhe ist eine ernste Verletzung ziemlich sicher; 2) die Lücken zwischen den Boden-Planken könnten sich als tückische Falle für die hineingeratenen Pfoten erweisen (ein Tier in Panik kann sich die Beingelenke verrenken); 3) das Balkongeländer bietet keinerlei Randschutz – Insgesamt ein absolutes No Go!
Es ist während der wärmeren Jahreszeiten durchaus möglich, Meerschweinchen auch für längere Zeit draußen im Freien zu halten. Allerdings sollten die Tiere bereits früh an die wechselvollen Gegebenheiten gewöhnt werden. Älteren Tiere, die ihr Leben hauptsächlich innerhalb der Wohnung verbracht haben, sollte ein dauernder Aufenthalt bei Tag und Nacht im Freien allerdings besser nicht mehr zugemutet werden.
Die Einfriedung eines Freigeheges muß umsichtig vorgenommen werden:
Das umlaufende Gatter soll entsprechend engmaschig sein, und zwar nicht nur wegen der Fluchtgefahr, sondern auch als Schutz vor unliebsamen tierischen Eindringlingen (z.B. Mäuse, Ratten, Marder, Eichhörnchen, kleine Vögel, und Reptilien).
Vorsicht! Eine mißverständliche Geste genügt, damit die Stimmung ins Bedrohliche kippen kann (auch wenn sich die beiden vermeintlich gut kennen)
Eine Abdeckung aus Drahtgewebe sorgt für einen sicheren Luftraum (z.B. vor Raubvögeln, einspringenden Katzen und Hunden)
Meerschweinchen machen sich für gewöhnlich nicht die Mühe, sich durch das Erdreich unter das Gatter hindurch zu graben. Ein sandiger Untergrund bietet dabei schon weniger Widerstände, so daß das Gatter gut am Boden abschließen soll, wenn nicht sogar etwas in den Boden eingetrieben.
Bei einer ausgedehnten Outdoor-Haltung ist bei den Tieren besonders auf Anzeichen von Parasiten zu achten. Würmer können den Darm besiedeln, und gelangen auch in den Kot, wo sie entdeckt werden können. Das Fell kann Milben und Haarlinge bergen, worauf vermehrtes Kratzen hinweisen kann. Leider wird bei unterlassener
Felluntersuchung und -Pflege oft erst sehr spät, bei inselartigem Haarausfall und Hautekzemen, auf Parasitenbefall geschlossen.
Wenn bei Ihnen die Meerschweinchen nicht „unten durch“ sein sollen, achten Sie auf einen ordentlichen Bodenabschluß bei der Freigehege-Einfasssung. Achtung! Verletzungsgefahr bei vorstehenden Drahtenden