Die große Frage, die den Autor Hans Driesch beschäftigt, lautet: Ist eine gegebene rein materielle Struktur als Grundlage des Formbildungsgeschehens denkbar oder nicht? Er hält es für unmöglich, die Morphogenese der Organismen auf materielle Weise hinreichend zu erklären. Driesch fordert daher zusätzlich zu den physiko-chemischen Vorgängen einen nichtmateriellen Naturfaktor, der die geordnete Ganzheit des Organismus erzeugt, und nennt diesen „Entelechie“. In der Entelechie sieht er den entscheidenden Unterschied zwischen belebt Seelischem und Unbelebtem.
Der Herausgeber Dipl. -Math. Klaus-Dieter Sedlacek, Jahrgang 1948, studierte in Stuttgart neben Mathematik und Informatik auch Physik. Nach fünfundzwanzig Jahren Berufspraxis in der eigenen Firma widmet er sich nun seinen privaten Forschungsvorhaben und veröffentlicht die Ergebnisse in allgemein verständlicher Form. Darüber hinaus ist er der Herausgeber mehrerer Buchreihen unter anderem der Reihen 'Wissenschaftliche Bibliothek' und 'Wissen gemeinverständlich' .
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ISBN: 9783748122395
Antworten setzen Fragen voraus; bedeutsame Antworten, wenn sie möglich sind, bedeutsame Fragen. Wissenschaftlich forschen aber heißt »fragen«, wenn auch keine Person da ist, welche »antwortet«, sondern an ihrer Stelle ein Zustand oder ein Geschehnis im Reiche dessen, was in der Sprache des Alltags »Wirklichkeit« genannt wird.
Um wertvolle Antworten zu erhalten, muß der Forscher seine Fragen passend stellen: Er darf nicht in Nebensachen steckenbleiben, weil diese ihn gerade »interessieren«; er darf, anders gesagt, nicht fragen ohne »höhere Gesichtspunkte«. Er darf aber auch nicht Fragen stellen, auf welche es, nach Maßgabe des Standes unseres Wissens, sehr unwahrscheinlich ist, eine klare, wahrhaft wissensbereichernde Antwort zu erhalten.
Die zweite Form des unpassenden Fragens ist, dem ersten Anschein vielleicht entgegen, sogar weniger wert als die erste. Denn wer, wie viele »Spezialisten«, ohne höhere Gesichtspunkte fragt, der kann immerhin klare Sonderantworten erhalten, die vielleicht später für einen solchen Gesichtspunkt bedeutungsvoll werden können. Wer aber, kurz gesagt, zu hoch fragt, erhält im günstigsten Falle leere, rein formale, schematische Antworten und täuscht sich und andere, wenn er glaubt, das Wissen wahrhaft bereichert zu haben. Die großen philosophischen »Systeme« sind mit wenig Ausnahmen (Leibniz, Schopenhauer, E. v. Hartmann) bloße Begriffschemata. —
Diese Studie hofft bedeutsame und doch nicht aussichtslose Fragen gestellt zu haben.
Es geht in ihr um sehr Grundlegendes, aber doch um etwas, das deutliche Zugänge zu einer nicht ganz im Unbestimmten verbleibenden Behandlung besitzt. Anders gesagt: Es handelt sich um Untersuchungen von solider Basis aus, und zwar deshalb, weil es ganz bestimmte Tatsachen sein werden, von denen aus die Untersuchung in die Höhe schreitet.
Es sind dies Tatsachen auf dem Felde der Psychologie, insbesondere werden uns die Tatbestände, welche »Wahrnehmung« und »Erinnerung« genannt werden, beschäftigen; an dritter Stelle die Beziehungen zwischen »Ich« und (unbewußter) »Seele«.
Das seien doch alles normale« Dinge, werden manche sagen, die wohl »Paranormales« erwartet hatten.
Gewiß werden wir mit Normalem zu tun haben, sogar mit sehr Alltäglichem. Aber vielleicht bietet uns das Normale dieselben Rätsel dar, wie das, was paranormal genannt wird. Dann aber käme ja beides zusammen und würde sich vielleicht wechselseitig stützen. Wäre wirklich Dasselbe auf normalem und paranormalem Boden das letzte Rätsel, so würde zum mindesten die Zahl der Rätsel vermindert sein.
Hans Driesch
Auf dem bewußten Erleben überhaupt ruht die besondere Form des Erlebens, welche »Wissen« heißt, und auf der Besonderheit dessen, was unmittelbar erlebt wird, ruhen alle besonderen Ausgestaltungen der Wissensinhalte. Das gilt für die ursprünglichste Form des Wissens, diejenige des natürlichen Menschen, ebensowohl wie für die höchste, man könnte sagen: die bewußteste, Form des Wissens, die philosophische. Die »wissenschaftlichen« Wissensformen und Wissensinhalte stehen zwischen beiden, durch sie hindurch geht aus den niedersten Wissensgebilden das höchste hervor.
Wenn nun aber auch alle besonderen Wissensinhalte auf das, was unmittelbar erlebt wird, letzthin zurückgehen und anders wären, wäre dieses anders, so heben sich doch aus dem, was unmittelbarer Gegenstand des Erlebens ist, durch einen sehr zusammengesetzten Prozeß der sogenannten Denkarbeit1, zwei Gegenstandsgebiete heraus, welche angesehen werden »als ob« sie für sich, d. h. unabhängig von ihrem Gewußt-, ja ihrem Erlebt-sein überhaupt, bestünden.
Diese Gegenstandsgebiete heißen »Natur« und »meine Seele«. Beide zusammen bilden die »empirische Wirklichkeit«. Das Wissen um beide befaßt sich also nicht mit den unmittelbaren Erlebnisinhalten als solchen, obwohl es, wie gesagt, auf ihnen ruht.
Der »Philosoph« hat die Aufgabe, sich nicht nur mit den Wissensinhalten der Lehren von der empirischen Wirklichkeit zu befassen, sondern auch mit der logischen Bedeutung dieses Begriffs selbst und seiner beiden Unterformen, Natur und Seele. Der »Wissenschaftler« dagegen darf die hier in Frage kommenden Gebilde, also »Natur«, »Seele« und »empirische Wirklichkeit überhaupt«, hinnehmen, so wie sie nun eben für jeden Menschen, also auch für den »naiven Realisten«, bestehen und darf auf diesem Boden ohne Bedenken »forschen«.
Ja, er darf auch als nun einmal bestehend hinnehmen und forschend verarbeiten den Begriff der fremden Seele, also nicht nur »meiner«, und ebenso jenen noch seltsameren Begriff, in welchem Natur und insbesondere ihr Grundbegriff, nämlich der Begriff der »Materie« als des »im Raum befindlichen kraftbegabten Beweglichen«, mit dem Begriff des Seelischen sich verkoppelt: den Begriff des psycho-physischen Wesens, also des Organismus, insbesondere des Menschen als eines solchen Doppelwesens.
Unsere Untersuchung soll diesen »wissenschaftlichen« Standpunkt einnehmen und wird nur gelegentlich im eigentlichen Sinne »philosophisch« werden. Wir werden also meist so arbeiten, wie der Psychologe, soweit er nicht auch Philosoph ist, es tut.
Unter Problemen versteht man besondere Aufgaben, die dem wissenschaftlichen Denken angesichts eines ihm vorliegenden Sachverhaltes gestellt werden. Das Problem »lösen« heißt: den in Rede stehenden Sachverhalt aus seiner Isolierung befreien und ihn dem gesamten Inhalt des Gewußten an bestimmter Stelle einreihen.
Eine solche Lösung wird voll erreicht, wenn sich zeigen läßt, daß der zur Untersuchung stehende Sachverhalt letzthin nichts anderes ist als eine gewisse Modifikation schon bekannter Sachverhalte, ein neuer »Fall« also in einer bekannten »Klasse« von Fällen. Der Sachverhalt heißt alsdann »erklärt« — man denke an die Zurückführung des Lichtes auf elektromagnetische Schwingungen.
Im allertiefsten Sinne» verstanden« wird damit freilich der neue Sachverhalt, wenn er der empirischen Wirklichkeit angehört, ebensowenig, wie die schon bekannten Sachverhalte »verstanden« waren; jedenfalls dann nicht, wenn unter »Verstehen« gemeint ist: einsehen, daß diese Sachverhalte so sein müssen, wie sie sind, und nicht anders sein können. Solches Verstehen ist nur im Rahmen der Lehre von den reinen Bedeutungen und ihren Zusammenhängen, also im Rahmen der reinen Logik und der Mathematik, aber nie im Rahmen der Lehre von der empirischen Wirklichkeit möglich. Hier ist ein »Verstehen« höchstens in dem Sinne möglich, als man etwa von einem Weltplane reden mag, dessen Erfüllung den Sachverhalt gerade so, wie er ist, fordern würde — aber dieser »Weltplan« ist ein hypothetische Erfindung.
Lösungen eines Problems in dem geschilderten Sinne gelingen nicht immer. So läßt sich z. B. das Problem des Organischen nicht in dem Sinne lösen, daß man etwa zeigte, es handele sich hier nur um eine bestimmte Kombination der Geschehensformen, die man aus der Lehre von der anorganischen Natur schon kennt. In solchem Falle steht man angesichts des «problematischen« Sachverhalts vor dem, was Goethe ein »Urphänomen« genannt hat. Alles, was man in dieser Lage tun kann, ist, zu versuchen, das »Neue« so allgemein zu fassen, daß seine verschiedenen Aspekte als bloße Abwandlungen eines Urphänomens erscheinen, und diesem dann seinen Ordnungsplatz in der Gesamtheit des Gewußten anzuweisen.
Ob angesichts eines bestimmten Sachverhaltes eine »Lösung« in dem obengenannten Sinne gelingt, oder ob man sich mit dem Begriff des Urphänomens abfinden muß, kann nur eine vollständige Untersuchung jenes Sachverhalts zeigen.
Eine vollständige Untersuchung muß an erster Stelle den vorliegenden »problematischen« Sachverhalt selbst so scharf wie möglich erfassen und formulieren.
Dieser Sachverhalt, den wir den Grund-Sachverhalt2 nennen wollen, muß sodann in allen den Beziehungen untersucht werden, in denen er zu anderen Sachverhalten nachweislich steht oder doch möglicherweise stehen könnte. Seine realen oder möglichen Verkoppelungen mit anderen Sachverhalten werden also gesucht. Die Bedingungen für das Auftreten des Grund-Sachverhalts werden auf diese Weise ermittelt, anders gesagt: seine Abhängigkeiten.
Gerade die Ermittelung solcher Abhängigkeiten kann nun zur Einsicht in das eigentliche »Wesen« des Grund-Sachverhalts führen, indem etwa gezeigt wird, daß hier Formen der Abhängigkeit vorliegen, die auch für andere, schon bekannte Sachverhalte, verwirklicht sind. Dann wird man, wenigstens vermutungsweise, den in Frage stehenden »problematischen« Grund-Sachverhalt mit diesen anderen Sachverhalten in eine gemeinsame »Klasse« stellen dürfen.
Eine »Lösung« des Problems in dem von uns festgelegten Sinne, also im Sinne der Einreihung in eine der Gesetzlichkeit nach bekannte Klasse von Sachverhalten, braucht das noch nicht zu bedeuten. Es könnte sein, daß die Abhängigkeitsformen, die man nicht nur bei dem zur Untersuchung stehenden problematischen Grund-Sachverhalt, sondern auch bei anderen Sachverhalten gefunden hat, eben keine »Lösungen« in jenem Sinne bedeuten. Die »anderen« Sachverhalte möchten selbst »problematisch« sein.
Man hat aber doch wenigstens ein wenig — nun, sagen wir: vereinfacht. Eine solche »Vereinfachung« des Problematischen wird, so hoffen wir, unsere Untersuchung, soweit sie die »Wahrnehmung« und die »Erinnerung« betrifft, erzielen.
Mit Rücksicht auf das dritte von uns zu behandelnde Hauptproblem, das Problem »Ich und Seele« hoffen wir durch ein »vollständiges« Studium aller Verkoppelungen insofern zu einer Lösung — wenigstens einer wahrscheinlichen Lösung — zu kommen, als wir die Frage: »Wesensverschiedenheit« oder nur »Gradverschiedenheit«? einer Antwort entgegenführen zu können erwarten.
1 Hierzu Ordnungslehre, 2. Aufl. 1923, S. 146 ff.
2 Im Unterschiede vom Ur-Sachverhalt, der sich in der Formel »Ich habe bewußt Etwas« oder »Ich erlebe Etwas?« oder »cogito« (im weitesten Sinne des Wortes) erschöpft. Vgl. »Ordnungslehre« 2. Aufl. 1923, S. 18.
Die Naturlehre hat es da, wo sie, wie man wohl sagen könnte, die sich selbst überlassene Materie untersucht, also da, wo es sich um das sogenannte unbelebte Naturgeschehen handelt, zu einer großen Vollendung gebracht. Dasselbe gilt von der reinen Psychologie als der Lehre von den Gesetzen des Ablaufs der Erlebnisse des Ich, wobei besonders betont sei, daß diese Psychologie, und zwar schon die des »normalen« Seelenlebens, unbedingt genötigt ist, ein Seelisch-»Unbewußtes« einzuführen, also das Wort »seelisch« oder »psychisch« in doppeltem Sinne zu gebrauchen: erstens für das Erlebte, das »Bewußt-Psychische« in seiner Unmittelbarkeit, und zweitens für das zur Erklärung der Abfolge dieses Bewußt-Psychischen in der Zeit theoretisch Eingeführte, d. h. eben: das Unbewußt-Psychische.
Die Naturlehre vom Unbelebten und die reine Psychologie erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Man versteht das; denn beide sind in der Tat sehr reine und in sich geschlossene Lehrgebäude.
Aber diese Lehren decken nun eben doch nicht alle erfahrungsgemäß vorhandenen Tatbestände der empirischen Wirklichkeit. Es muß also auch minder »beliebte« Lehren geben — vielleicht sind sie gerade das Bedeutungsvollste an unserem Wissen um die Realität.
Es gibt nämlich einerseits Materie, welche nicht im Sinne der Physik »sich selbst überlassen ist«, und es gibt andererseits in der Abfolge der Erlebnisse des Ich Bezirke, welche nicht »rein« psychologisch verstanden werden können, auch nicht bei Heranziehung des Unbewußt-Psychischen, sondern auf Verknüpfungen des Erlebnishaften mit der Welt der Materie hinweisen.
Mit dem ersten dieser Problemkomplexe beschäftigt sich die Biologie, mit dem zweiten jene Lehre, welche üblicherweise Psycho-Physik genannt wird. Man könnte beide Lehren »Psycho-Physik« nennen, denn »Physis« als Materie und »Psyche« als Erlebnis oder doch Erlebnisartiges, nämlich Unbewußt-Psychisches, kommen in beiden Lehren zueinander, wenn auch gleichsam aus verschiedenen Richtungen. Der Biologe untersucht, wie der Physiker, stets Materie und Bewegung, um dann freilich zu finden, daß es sich da nicht um »sich selbst überlassene« Materie handeln kann: So wird er zum Physiko-Psychiker«. Der Psychologe andererseits findet Lücken in seinen mit rein Psychischem, bewußtem und unbewußtem, arbeitenden Ablauf gesetzen; er muß Anleihen bei der Lehre von der Materie machen und ist so zum »Psycho-Physiker« in engerem Sinne des Wortes geworden.
Keine »reinen«, sondern gemischte Wissenschaften sind also die beiden Lehren, in denen Physis und Psyche Zusammenkommen. Aber vielleicht sind sie gerade darum die Lehren, die uns am tiefsten in das Wesen der Welt hineinführen. Und sie gehen uns zumal darum ganz besonders an, weil wir eben Menschen sind: Die Biologie des Menschen ist Physiko-Psychik, seine Psychologie muß Psycho-Physik werden. Von jeder der beiden möglichen Seiten aus betrachtet ist »der Mensch« ein Doppelwesen.
Gewiß gibt es in der Biologie des Menschen, also im Rahmen jener Lehre, die, als »Naturwissenschaft«, ihn als »materielles System« ansieht, rein mechanische Strecken (Gelenk-Mechanik, Blutkreislauf usw.); gewiß auch kann Psychologie, als Lehre vom Ablauf der Erlebnisse, streckenweise »rein« bleiben und braucht keine Anleihen aus der Physis her. Aber diese »reinen« Strecken beider Wissenschaften sind sicherlich nicht das Ganze, das der wissenschaftlichen Erforschung vorliegt; tatsächlich sind es sogar nur kleine Strecken. Und so muß das physiko-psychische oder umgekehrt das psycho-physische Problem aufgeworfen werden.
Wir wollen es in dieser Schrift nur als psycho-physisches Problem im engeren, üblichen Sinne des Wortes behandeln, also das entsprechende biologische Problem, das wir physiko-psychisch nannten, beiseite setzen. Was darüber gesagt werden kann, ist an anderem Orte von mir dargelegt worden3.
Allem weiteren voraussenden wollen wir eine Aufzählung sämtlicher Tatbestände, die überhaupt das psycho-physische Problem im engeren üblichen Sinne des Wortes zeitigen, d. h. eine Aufzählung derjenigen empirisch ermittelten Sachverhalte, in denen, in einer zunächst noch ganz unbestimmt gelassenen
Form, eine Zuordnung von bewußtem Erlebten zu materiellem Geschehen, und zwar am Leibe des Erlebenden, besteht. Man beachte, daß hier zunächst nur das bewußte Erleben in seiner Zuordnung zum Materiellen in Frage steht. Denn das allein ist ja das unmittelbar Erfaßte; alles Reden von Seelisch-Unbewußtem ist schon Theorie, obwohl notwendige Theorie.
Die übliche Verwendung des Wortes »psycho-physisch« betrifft nun zwei Gruppen von Sachverhalten. Es geht nämlich die »Zuordnung«, von der wir redeten, bei der einen Gruppe der Tatsachen vom Erleben zur Materie, bei der anderen aber von der Materie zum Erleben. Wir können passend die erste Gruppe die zentrifugale, die zweite die zentripetale Gruppe nennen, wobei als »Zentrum« das erlebende Ich gilt.
Zentrifugale Zuordnung besteht:
Erstens bei der Willenshandlung: Auf meine bewußten Willenserlebnisse folgen zeitlich — (ich sage vorsichtigerweise nicht »kausal«) — Bewegungen meiner Gliedmaßen, welche ihrerseits zurückgehen auf die Erregung motorischer Nerven und gewisser Hirnteile. Werden meine motorischen Nerven durchschnitten, so bleiben jene Bewegungen aus.
Zweitens bei der sogenannten »psychischen Sekretion«, entdeckt von Pawlow: Erlebnisse nicht willenshafter Art, unmittelbar durch »Triebe« oder im Wege von Assoziationen hervorgerufen, haben zur Folge die Sekretion seitens der Verdauungs- und anderer Drüsen.
Drittens bei den physiologischen Folgen von Suggestionen: Blutungen, Menstruationserscheinungen, ja »Stigmata« können diese Folgen sein. Das in Frage kommende bewußte Erlebnis ist hier nicht ein »Wollen«, sondern ein Überzeugtsein, ein »Glaube«, nämlich, daß etwas geschehen wird — und es geschieht. Lassen wir die sogenannten physischen Erscheinungen im Gebiete des Parapsychischen als tatsächlich zu4, so würden auch diese, also z. B. Telekinesen, Materialisationen, wenigstens zum Teil, hierher gehören. Doch bewegen wir uns hier auf sehr unsicherem Boden.
Zentripetale Zuordnung besteht:
Erstens in Form der Wahrnehmung im weitesten Sinne des Wortes, den wir mit dem Ausdruck »Fremd-Erfassung« wiedergeben können. Um an dieser Stelle nur auf normale (also nicht paranormale) Fremd-Erfassung einzugehen, so folgt also einer »Affektion« der Sinnesorgane eine solche der Nerven und des Gehirns, und auf sie folgt das Erlebnis. Hierüber wird später sehr eingehend zu reden sein.
Zweitens in Form der Beeinflussung sogenannter »Triebe« oder »Gefühle« durch im Wege innerer Sekretion gelieferte »Hormone«. Über diese Dinge ist eigentlich nur bekannt, daß es sie gibt; mehr nicht.
Drittens in Form der Beeinflussung gewisser Bezirke unseres Erlebens durch Defekte am Gehirn. Die Erinnerung und das Wiedererkennen werden hier vornehmlich betroffen, wenn auch oft nur vorübergehend. Das ist jedenfalls eine die »Zuordnungs«-Frage betreffende Tatsache. Es wird eingehend von ihr zu reden sein. Die sehr dunklen Sachverhalte, welche eine Zuordnung von Erleben zu Materiellem mit Rücksicht auf das Innenleben überhaupt, also nicht nur die Erinnerung und das Wiedererkennen, betreffen, werden gelegentlich gestreift, werden.
Über die zentrifugale Gruppe der psycho-physischen Tatsachen ist mit Rücksicht auf die Verkoppelungsfrage nicht viel zu sagen. Wir wissen nur, daß auf das Willens-, das Überzeugungserlebnis Leibliches folgt. Wie das geschieht, wissen wir nicht; nur daß das bewußte Ich es nicht »macht«, wissen wir. Über die seltsamen regulatorischen Geschehnisse, welche bei der Ausführung von Willenshandlungen einsetzen, wenn, durch Verletzungen oder sonstige Störungen des Nervensystems, die »normale« Ausführungsart unmöglich geworden ist, wissen wir freilich eine ganze Menge; aber das gehört in die reine Biologie, wo es als Stütze des sogenannten Vitalismus von großer Bedeutung ist5.
Von uns soll nur die zentripetale Gruppe der in Rede stehenden Koppelungen behandelt werden, und zwar auch in ihrem Rahmen in breiterer Form nur jene Grundsachverhalte, welche die Namen »Wahrnehmung« und »Erinnerung« führen. Das aber soll im Sinne einer vollständigen Untersuchung in dem von uns festgelegten Sinne geschehen.
Was heißt »wahrnehmen« und »sich erinnern«? Wovon sind diese Erlebnisse in ihrem Auftreten abhängig? Gibt es etwa andere Sachverhalte, welche dieselbe Form der Abhängigkeit zeigen? Und welche?
Hätten mit Aufhellung dieser Fragen unsere »problematischen« Grundsachverhalte nicht ihre Isoliertheit ein wenig verloren?
14
3 Vgl. meine »Philosophie des Organischen« 4. Aufl. 1928.
4 Vgl. meine »Parapsychologie« 3. Aufl. 1952.
5 Vgl. »Philosophie des Organischen« 4. Aufl. 1928, und »Die Maschine und der Organismus« in »Bios« Heft 4, 1935, S. 10-28.
Alles Wissen geht aus von dem, was das Ich unmittelbar erlebt, also vom unmittelbaren »Bewußtseinsinhalt«, wie oft in recht wenig passender Form — (denn es handelt sich wahrlich nicht um eine Gefäß!) — gesagt zu werden pflegt. Denn wovon sollte es sonst ausgehen? Das »cogito« im weitesten Sinne, das »Ich erlebe etwas« ist nun einmal das unbezweifelbare Erste.
Im Rahmen dessen, was unmittelbar erlebt wird, also im Rahmen des »Etwas«, kurz gesagt, gibt es nun eine gewisse Sondergruppe, die, obwohl auch unmittelbar erlebt, doch auf »Anderes« hinweist, anderes »bedeutet«, »anzeigt«, »meint« oder wie man es nennen will; und zwar »Anderes« nicht nur in dem Sinne wie auch irgendeine abstrakte Bedeutung, etwa √2, die vor dem Ich steht, ihm gegenüber »Anderes« ist; sondern »Anderes« in viel radikalerem Sinne, nämlich in dem eines Etwas, welches »ist« oder »existiert«, auch wenn es nicht unmittelbar erlebt wird.
Ein solches Etwas heißt »Ding« oder »Veränderung« eines Dinges. Die Dinge aber sind im Rahmen der »Natur«, der empirischen Wirklichkeit im Raum.
Der Mensch des täglichen Lebens ist hinsichtlich der Natur ein »naiver Realist«; er nimmt sie so, wie sie sich ihm gibt, ohne weiteres als »wirklich«, als »an sich seiend«, obwohl auch er schon gelegentlich merkt, daß manches an seinem »Weltbild« doch wohl »subjektive« Zutat ist.
Der kritische Philosoph weiß, daß in den Begriffen »Natur«, »Ding«, »Wirklichsein« sehr schwierige Probleme vorliegen. Was bedeutet es eigentlich, daß es Dinge »gibt«? — so fragt er; und weiter: Inwiefern »sind« diese Dinge eigentlich?
Da sagt sich denn der kritische Philosoph, daß der natürliche erwachsene Mensch zwar unmittelbar »Dinge« zu erfassen glaubt, daß dieser Glaube aber nichts anderes als das Ergebnis einer langjährigen Erfahrung und Denkarbeit ist: Tatsächlich erfaßt der Mensch in unmittelbarer Form nur sinnliche Daten, die »Bilder« genannt werden können, hat aus ihnen aber in frühester Jugend mit Hilfe des ihm eingeborenen logischen Apparates »Dinge« erst sozusagen konstruiert. Diesen Prozeß hat der Erwachsene normalerweise vergessen, kann ihn aber gleichsam nachkonstruieren. Daß die Konstruktion richtig ist, zeigen die Aussagen blindgeborener Personen, die durch eine Operation sehend gemacht wurden.
Hat der Mensch nun seine »Dinge«, so wird er sie, wenn er kritisch ist, nicht ohne weiteres als seiend oder existierend im absoluten Sinne des Wortes ansehen, sondern nur so, »als ob« sie und das Geschehen an ihnen ein Sein an sich besäßen. Damit bleibt er immer noch »Logiker« und betritt den Boden des im absoluten Sinne Wirklichen, also den Boden der Metaphysik, noch nicht.
Freilich treibt ihn so etwas wie ein Instinkt dann doch dazu, trotz aller Logik und aller Subjektivität des unmittelbaren Erlebens, von einem »Wirklich-Seienden«, einem »An-sich«, wenn auch nur in hypothetischer Form, zu reden. Das, so sagt er, sei ihm zwar nur in »Erscheinungs«form gegeben; die sogenannte empirische Wirklichkeit sei eben Erscheinung der absoluten. Diese sei ihrer Beschaffenheit nach ein X, wenn auch gewisse formale Züge an ihr immerhin, wenigstens hypothetisch, auffindbar sein möchten.
Über all diese Fragen habe ich eingehend an anderem Orte geredet6. Das logische Wesen des Begriffs »Ding« insbesondere ist in einem besonderen Aufsatz7 in, wie ich glaube, verbesserter Form aufs neue von mir zergliedert worden. Hier genüge es, noch einmal zu sagen, daß der Begriff »Ding« schwierige Fragen in sich birgt und keineswegs eine ohne weiteres gegebene, gleichsam selbstverständliche Angelegenheit ist, wie das gewisse »Phänomenologen« wollen.
Für das Folgende ist nun von besonderer Bedeutung, daß nur auf dem Boden eines sogenannten »Realismus«, sei er naiv oder kritisch, der Begriff der »Wahrnehmung« einen klaren Sinn hat: Gewiß, sie ist ein »Erlebnis« — aber eben eines, über dessen Inhalt unweigerlich gesagt werden muß, daß er von »Dingen«, die als »seiend« angesehen werden, herstammt, daß er genetisch nicht dem sogenannten Innenleben angehört. Ohne den Begriff des »Existierens« hat der Begriff der Wahrnehmung gar keinen angebbaren Sinn! Auf einem streng »positivistischen« Boden, d. h. einem solchen, der nur Erlebnisse und ihre Abfolge kennt, kann er gar nicht erwachsen! Zum mindesten müssen gewisse Erlebnisinhalte, die dann eben »Wahrnehmungen« heißen, als Anzeiger von etwas anderem gelten, das sich verhält, »als ob« es ein »Sein« in sich besäße.
Es gibt, so muß also die Lehre von der Wahrnehmung sagen, es gibt im Rahmen der Erscheinungswelt »Iche« und (dem An-sich nach freilich unbekannte) »Dinge«, und die Dinge stehen zu dem Erleben der Iche in »Beziehungen«, sie werden von den Ichen »erfaßt«.
Das eigentliche Problem der Wahrnehmlichkeitslehre ist dann aber die Frage: Wie kommt es, und was heißt es, daß ich Dinge als Erscheinungsformen des Wirklichen, bewußt erfasse, daß ich insbesondere Dinge »sehe« oder vielmehr nicht eigentlich »Dinge«, sondern perspektivische Dingbilder in jeweils spezifischer Lage, die mir aber das »Ding« in seinen drei Dimensionen anzeigen (welches für den Metaphysiker selbst wieder als »Erscheinung« eines Ich gilt)?
Es sei nun also das Wahrnehmungsproblem auf realistischem Boden in Angriff genommen, wobei wir aber nicht vergessen wollen, daß unsere realistische Sprache nie die Verankerung des Erscheinenden in einem An-sich, welches ein X ist, beiseiteschieben will und nur der Kürze des Ausdrucks wegen verwendet wird. Der Satz etwa »Das Gehirn wird erregt« heißt also eigentlich: »Die als Gehirn erscheinende Seite des Wirklichen steht in der als >Erregtwerden< erscheinenden Beziehung in seinem Rahmen.«
Wir sagen: Da ist »etwas«, und da bin »ich« der Erlebende, der bewußt Ordnung Erfassende; und das Ich steht zum Etwas in Verknüpfungsbeziehung.
Wie kommt es, daß ich Dinge wahrnehme? Was geht da vor? Was ist, um mit Kant zu reden, die »Voraussetzung der Möglichkeit« dessen, was da vorgeht? Was heißt insbesondere, daß ich ein Ding »sehe«?
Iche also »sind da«, Unbewußt-Seelisches »ist da«, auch Sinnesorgane und Gehirne »sind da« — wo das »ist da« und »sind da« überall eine Verankerung im An-sich bedeutet. Aber nun weiter:
Als Metaphysiker setzen wir uns selbst ins Universum, sind wir ein Teil von ihm. Da muß nun offenbar, weil es ja doch eben das Wissen der Iche um »Anderes« am Wirklichen, wenn auch nur in Erscheinungsform, gibt, auch noch »da sein«: die Urbeziehung »gewußt werden könne« oder, kurz, Wissenspotenz, bestehend zwischen den Ichpunkten des Universums und dem jeweiligen »Anderen«, sei dieses an sich, was immer es wolle8.
Alle Ichpunkte sind, bildlich gesprochen, mit dem jeweils »Anderen« durch ein lockeres Band verknüpft. Was spannte das Band und machte so aus potentiellem Wissen aktuelles? — so habe ich vor Jahren einmal9 diese Frage, die Grundfrage auch des Wahrnehmungsproblems, gefaßt, eine Frage, bei der natürlich nicht vergessen werden darf, daß für jeden Subjektspunkt nicht nur die »Dinge«, sondern auch die anderen Subjektspunkte mit ihrem Wissensinhalt das »Andere«, also potentielle Wissensgegenstände, sind, wenn auch um diese Inhalte, soweit nicht Paranormales in Frage steht, nur in sehr vermittelter Form, nämlich durch Deutung des körperlichen »Benehmens« ihrer Träger gewußt werden kann.
Wie Wissenspotenz zu aktuellem Wissen werde, das also ist unsere Frage, die Frage des »Bandspannens«, und zwar insbesondere im Hinblick auf die normale Wahrnehmung.
Da geschieht nun, wenn wir die normale optische Wahrnehmung insbesondere betrachten, das Folgende: Ein »Ding« entwirft mittels elektromagnetischer Wellen ein (umgekehrtes) Bild auf der Netzhaut wie auf einer photographischen Platte; der Sehnerv wird erregt; seine Erregung bewirkt eine besondere materielle Konstellation im Gehirn; diese affiziert das, was biologisch Vitalfaktor oder »Entelechie« des Leibes, psychologisch »Seele« heißt, und der Affektion der Seele ist zugeordnet ein bewußtes Erleben des Ich, nämlich das Sehen des »Dinges« irgendwo da draußen in Form eines jeweils perspektivisch bestimmten Bildes.
Das ist der empirische Sachverhalt in naiv realistischer Sprache. Sprechen wir von dem Sehen eines anderen Menschen (oder Tieres), der ja als psycho-physisches Wesen für »mich«, als das erfassende Subjekt, logisch genommen durchaus ein »Objekt« ist, im letzten Grunde sogar ein sich bewegendes materielles Gebilde, dessen Benehmen analogienhaft »psychisch« gedeutet wird, so reden wir stets, wie folgt: Hier ist das »Ding«, dort der andere Mensch; er sagt aus: »Ich sehe das Ding«; legt man ihm eine dunkle Binde vor die Augen, so sagt er: »Ich sehe es nicht mehr.« Rede ich von »meinem« Sehen und dessen Stellung im Kausalgetriebe, so liegt logisch alles verwickelter. Ich pflege aber alle diese Verwickelungen als erledigt beiseite zu setzen und sehe nun eben »mich« als psycho-physische Person, also nicht als reines erfassendes Ich, ebenso als »Objekt« an, wie vordem den Anderen, nur daß jetzt das Sehen des Dinges mir ein unmittelbares Erlebnis ist.
Zwei Stellen des geschilderten Sachverhaltes sind besonders bedeutsam, aber zugleich besonders rätselhaft: zum ersten, wie denn überhaupt eine materielle Konstellation im Gehirn die »Seele«, d. h. etwas Nicht-materielles, affizieren könne; zum zweiten, was denn das Erleben dieser Affektion eigentlich bedeute.
Das erste dieser Rätsel, an anderem Ort10 eingehend von mir behandelt, geht uns hier nichts an; um so mehr das zweite.
Wahrnehmung zielt, wie wir wissen, im Unterschiede von anderen Formen des bewußten Erfassens, stets auf Dinge, d. h., kritisch gesprochen, auf solche Erlebnisdaten, welche zur Setzung des Begriffs »Ding« zwingen. Materie also in jeweils bestimmter raum-zeitlicher Ordnung wird stets im Wege der Wahrnehmung erfaßt, wenn unter dem Wort »Materie« in sehr allgemeinem Sinn ein im Raum befindliches Bewegliches verstanden wird. Was Materie »an sich« ihrem Sosein nach sei, ist dabei gleichgültig: »An sich« ist da jedenfalls ein gewisses Etwas, das in Form der Materie erscheint, und dieses eben wird erfaßt, gleichgültig ob es »an sich« etwa »geistig« sei, wie manche (ohne zureichende Gründe) wollen, oder nicht. Für das Wahrnehmungsproblem ist nur wichtig, daß hier stets Dinghaftes, Materielles, angesehen als Erscheinung einer bestimmten Seite, eines bestimmten Zuges des X, des Wirklichen, erfaßt wird, nie aber etwas, das nicht dinghaft ist. Wird Nicht-dinghaftes unmittelbar bewußt erfaßt, so kommt nicht »Wahrnehmung«, sondern eine andere Form des Erfassens in Frage, etwa dann, wenn eine bloße »Bedeutung«, etwa eine Quadratwurzel, die ja auch »Gegenstand«, »Objekt« einer Erfassung sein kann, oder wenn ein Erinnerungs-, ein Phantasiebild in Rede steht.
Ganz besonders bedeutsam ist es nun, daß das im Wahrnehmungswege erfaßte Ding dem eigenen Leib-ding gegenüber stets ein anderes im Rahmen der Realität ist, daß Wahrnehmung meist ein Etwas erfaßt, welches nicht nur ichfremd, sondern auch leib-fremd ist: Ich sehe und taste den Baum, den Tisch dort im Raum.
Gerade hier liegt nun das größte der Rätsel, die uns das Wahrnehmungsproblem darbietet: Das »Andere« im Sinne nicht nur des Ich-fremden, sondern sogar des Leib-fremden kann wahrnehmend erfaßt werden. Im Bereich dieses Anderen aber geht es zu, nicht wie »ich« will, sondern wie »es« will; und gerade die Form, in der »es« da »objektiv« zugeht, die erfasse ich in Wahrnehmungsform. Jede Form der Wahrnehmung aber kann auf Leib-fremdes gehen.
Gewiß, ich kann auch meinen eigenen Leib sehend und tastend, also wahrnehmend, erfassen. Aber das ist ein Sonderfall, der sich wohl auflösen läßt durch die Bemerkung, daß dem Auge oder dem tastenden Finger gegenüber der Rest des Leibes in seiner Dinghaftigkeit doch eben ein »Anderes« ist, ganz ebenso wie ein echt leibfremdes Ding.
Daß die Erfassung des echt Leibfremden auf alle Fälle die wesentlichste Leistung der Wahrnehmung ist, ist allein das, was uns hier angeht und weiterführt.
Unser Satz, daß in der Wahrnehmung ganz vornehmlich Leibfremdes erfaßt werde, mag zuerst auf Ablehnung stoßen. Hört man doch oft, daß beim Tasten, Riechen, Schmecken Zustände der Oberfläche des eigenen Leibes erfaßt würden. Das ist aber nicht der Fall: Auch beim Tasten kommt ganz ausdrücklich das Dasein eines bestimmten anderen Dinges, etwa eines Tisches, zum Bewußtsein; ebenso, wenn auch in unbestimmter Form, beim Hören, Riechen, Schmecken.
Beim optischen Wahrnehmen kommt nun aber noch etwas ganz besonderes Neues hinzu: Das optisch Wahrgenommene ist nicht nur leibfremd, es ist »da draußen« auf bestimmte Distanz, während sonst das leibfremde Wahrgenommene in Kontinuität mit dem Leibe des Wahrnehmenden da ist. Denn wir erfassen ja doch nicht das Netzhautbild, sondern — das »Ding«, den Baum da vor meinem Fenster.
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