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Buch

Sex ist erst so richtig gut, wenn beide Partner sich gleichberechtigt fühlen und gemeinsam zum Orgasmus kommen. Doch nur über Penetration zum Höhepunkt zu gelangen, klappt nicht immer und ist auch nur halb so schön. Ein reizvoller und für viele unentdeckter Weg zu tollem Sex ist der klitorale Orgasmus bei Frauen. Die Psychologin und Sexualwissenschaftlerin Dr. Laurie Mintz hat sich in Forschung und Therapie damit beschäftigt und entschlüsselt in diesem Buch alles, was man darüber wissen muss: was der Körper braucht, welche Techniken funktionieren und wie es alleine und zu zweit Spaß macht.

Autorin

Prof. Dr. Laurie Mintz ist Psychologin und Sexualwissenschaftlerin und lehrt an der University of Florida. Zusätzlich führt sie seit 25 Jahren eine Privatpraxis und therapiert Menschen bei Problemen mit ihrer Sexualität. Sie lebt mit ihrer Familie in Florida, USA.

Dr. Laurie Mintz

Richtig kommen

Aufregende Wege zum klitoralen Orgasmus

Aus dem amerikanischen Englisch
von Bettina Spangler

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Becoming cliterate« bei HarperOne, New York, USA.

Alle Ratschläge in diesem Buch wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.

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1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Oktober 2018

Copyright © 2017 der Originalausgabe: Laurie Mintz. All rights reserved.

Published by arrangement with HarperOne, an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe: Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Uno Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: Getty Images/Florence Delta

Redaktion: Carla Felgentreff

Illustrationen: Kelsi E. Quicksall

Satz und Layout: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

JE · Herstellung: IH

ISBN 978-3-641-22754-8
V001

www.goldmann-verlag.de

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Dieses Buch widme ich all jenen Frauen und Männern, die glauben, dass es ohne Gleichheit keine Qualität geben kann – auch beim Sex. Und all jenen, die bereit sind, etwas zu verändern, damit der gleichberechtigte Orgasmus endlich Realität wird.

Inhalt

Einleitung

Guten Tag, ich wünsche Ihnen einen angenehmen Orgasmus!

TEIL 1

Kulturelle Hintergründe des Orgasmusproblems

1. Lustdifferenzen: Lügen über Sex

2. Reden über Sex: eine Neudefinition

3. Der lange Weg heraus aus dem Schattendasein: die Klitoris im Lauf der Geschichte

TEIL 2

Darf ich vorstellen? Die Klitoris

4. Ein Blick unter die Haube

TEIL 3

Jetzt kommen Sie!

5. Training fürs Geschlechtsorgan im Kopf

6. Selbst ist die Frau

7. Gleichberechtigter Orgasmus

8. Das andere K: Wege der Kommunikation

TEIL 4

Augenblick, da kommt noch mehr

9. Man lernt nie aus: lebenslange Weiterbildung in Sachen Sex

10. Verbreitet die frohe Kunde!

TEIL 5

Meister des Handwerks – auch ohne eigene Klitoris

11. Der Klitoris-Grundkurs für ihn

Anhang

Intimpflege und Beckenbodentraining

Weiterführende Informationen und Quellen

Danksagung

Literaturverzeichnis

Register

Einleitung

Guten Tag, ich wünsche Ihnen einen angenehmen Orgasmus!

Überwältigend, umwerfend, unvergesslich – bestimmt kennen auch Sie Leute, die ihn erlebt haben, den Wahnsinnsorgasmus, der einen schier um den Verstand bringt. Oder Sie kennen ihn aus (Porno-)Film und Fernsehen. Sie selbst kommen dagegen selten oder nie in den Genuss, der allen anderen vergönnt zu sein scheint, und deshalb fühlen Sie sich betrogen und machen sich Gedanken, mit Ihnen könnte etwas nicht stimmen. Oder Sie erleben die Wellen der Lust, können aber nicht mit letzter Gewissheit sagen, ob sie nicht noch besser sein könnten. Möglicherweise sind Sie ja nur einen Schritt vom vollkommenen Glück entfernt?

Dann lassen Sie sich gratulieren! Sie haben genau das richtige Buch erwischt. Lesen Sie es bitte bis zum Ende durch, denn im Laufe der Lektüre werden Sie sie finden, die fehlenden Puzzleteile des ewigen Orgasmusrätsels. Dann können Sie sicher sein, dass Sie den weltbesten Orgasmus erleben, der Gipfel vom Glück ist erreicht, eine Steigerung wird es nicht mehr geben. Es wird einfach sagenhaft sein!

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wie ich dies im Brustton der Überzeugung behaupten kann. Als Antwort darauf will ich mich kurz vorstellen. Ich bin in den besten Jahren, arbeite als Psychologin und habe im Laufe meiner beruflichen Karriere mit Hunderten von Klientinnen gearbeitet. Jedes Jahr unterrichte ich etwa 150 Studentinnen und Studenten an der Universität von Florida im Fach Sexualwissenschaft. Meine Schüler sagen mir oft, ich würde sie an die Mutter in Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich erinnern, die ist ebenfalls Sexualtherapeutin – möglicherweise liegt das daran, dass ich wie Barbra Streisand eine große Nase und lockige Haare habe. Und ich erzähle gerne Geschichten aus meinem Privatleben sowie aus der beruflichen Praxis. Außerdem bezeichnen meine Studenten mich gern als ein klein wenig verschroben, weil ich Sachen sage wie: »Ich hatte schon Orgasmen, da wart ihr noch gar nicht auf der Welt!« Hinzu kommt – und deshalb kann ich mit Fug und Recht behaupten, mit diesem Buch sei Ihnen der Orgasmus garantiert –, dass meine Studentinnen mir immer wieder versichern, wie sehr meine Tipps ihnen persönlich geholfen haben. Hier nur ein beispielhaftes Zitat aus den Kursbewertungsbogen, die ich zu Ende eines jeden Semesters verteile: »Ich danke Ihnen für das, was Sie mir in Ihrem Kurs beigebracht haben. Endlich komme ich regelmäßig in den Genuss eines Orgasmus!«

Die Erfahrungen meiner Schülerinnen, ihr Frust und ihre Erfolge sind der Grund, weshalb ich dieses Buch geschrieben habe. Meine Kurse haben mir Folgendes vor Augen geführt: Gut die Hälfte der Frauen zwischen 18 und 35 kommt mit dem Partner nur sehr schwer zum Orgasmus. Frauen, die dieses Problem haben, suchen die Ursache meist bei sich selbst. Doch meiner Meinung nach deutet dieser hohe Prozentsatz darauf hin, dass wir es hier mit einem kulturellen Problem zu tun haben. Basierend auf meinen Gesprächen mit Studentinnen und Klientinnen bin ich überzeugt, dass ich der Ursache auf die Schliche gekommen bin (es liegt nicht an Ihnen!), und zum Glück weiß ich auch genau, was wir dagegen tun können.

Wir brauchen eine Kombination aus Kulturanalyse (um zu verstehen, warum so viele Frauen mit dem Thema zu kämpfen haben) und grundlegenden praktischen Fertigkeiten (um einzelnen Frauen – wie Ihnen – zum Orgasmus zu verhelfen). Beides liefert dieses Buch.

In Teil 1: Kulturelle Hintergründe des Orgasmusproblems lege ich umfassend dar, welches Bild sich im größeren sozialen Kontext ergibt, wenn es um die Frage geht: Warum haben so viele junge Frauen Schwierigkeiten, mit dem Partner zum Orgasmus zu kommen? Im darauffolgenden Abschnitt Darf ich vorstellen? Die Klitoris versorge ich Sie mit den grundlegenden Informationen zum wichtigsten weiblichen Geschlechtsorgan. In Teil 3: Jetzt kommen Sie! erlernen Sie die richtige Einstellung sowie die entscheidenden Handgriffe, damit auch Sie zum Orgasmus gelangen. In Teil 4: Augenblick, da kommt noch mehr erhalten Sie weiterführende Informationen zur weiblichen Sexualität und sollen darüber hinaus dazu ermuntert werden, das Erlernte auch mit anderen Frauen zu teilen, die möglicherweise ebenfalls ihre liebe Not mit dem Orgasmus haben. Im abschließenden Teil: Meister des Handwerks – auch ohne eigene Klitoris soll es darum gehen, dieses Wissen auch mit den männlichen Mitgliedern der Bevölkerung zu teilen – ein Abschnitt, den Sie gerne an Freunde, Bekannte und Partner weitergeben dürfen. Damit halten diese das essenzielle Wissen über den weiblichen Orgasmus in den Händen. Ein Geschenk, von dem Sie selbst auf lange Sicht profitieren dürften!

Ich hoffe sehr, dass Sie sich während des Lesens fühlen wie eine gut umsorgte Klientin meiner privaten Praxis oder eine geschätzte Studentin meines Kurses. Ich habe Ihnen ja bereits gestanden, dass man mich gerne als verschroben bezeichnet, aber ich kann mit Stolz berichten, dass man mich gleichzeitig als einfühlsam und leidenschaftlich beschreibt. Meine Studentinnen und Studenten wissen genau, dass ich ernsthaft um ihr Wohlergehen besorgt bin, und ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihnen etwas beibringen kann, das ihr Sexleben positiv beeinflusst. Die Frauen unter ihnen wissen außerdem, dass ich mir für sie nur eines wünsche: dass sie in den Genuss dieses einzigartigen und wunderbaren Gefühls kommen, das ihnen so lange verwehrt war. Und genau das wünsche ich mir auch für Sie! Ich hoffe, dass Sie während der Lektüre – und während Sie sich an die Erfüllung Ihrer Lust herantasten – das Gefühl haben, gut beraten, gut unterhalten und gut aufgehoben zu sein. In diesem Sinne, lassen Sie uns loslegen!

TEIL 1

Kulturelle Hintergründe des Orgasmusproblems

1. Lustdifferenzen: Lügen über Sex

»Mmm, du fühlst dich so gut an. Wie findest du das, Baby?«

Ähm, nicht dein Ernst, denken Sie.

»Oh, ja, toll!«, antworten Sie. Doch in Wirklichkeit verdrehen Sie genervt die Augen, weil er das hinter Ihnen zum Glück nicht sehen kann. Sie können gar nicht erwarten, dass es endlich vorbei ist.

Er grunzt begeistert und keucht heftig. Sie spüren genau, dass er gleich kommt, deswegen fangen Sie ebenfalls an zu hecheln und zu stöhnen.

»Ja! Fester! Tiefer!«, schreien Sie, um ihn auf der Zielgeraden zum Orgasmus anzufeuern.

Endlich ist er fertig und fragt: »Und, bist du auch gekommen?«

»Ja, es war wunderbar«, flunkern Sie.

Kennen Sie das? Bedauerlicherweise geht es dem Großteil der Frauen so. Folgendes ist das Problem: Es bestehen große Unterschiede, was die Lustbefriedigung von Mann und Frau betrifft. Männer kommen viel öfter. Und obwohl das auch auf Sex im Allgemeinen zutrifft, gilt es ganz besonders für Gelegenheitssex. Woran das liegt, fragen Sie sich? Ich werde es Ihnen verraten.

Wie die Lösung aussehen müsste? Auch das sage ich Ihnen:

Orgasmusprobleme sind Realität!

Vermutlich haben Sie es schon am eigenen Leib erfahren. Da war die eine oder andere Gelegenheit, wo Ihr Liebhaber – sei es jemand, den Sie auf Tinder kennengelernt haben, Ihr fester Partner, Ihr Verlobter oder Ihr Ehemann – gekommen ist, aber Sie hatten entweder gar keinen Höhepunkt, oder er war nur vorgetäuscht. Was Sie vielleicht nicht wissen, ist, dass es vielen Ihrer Geschlechtsgenossinnen nicht anders geht. Sie ahnen nicht, wie allgegenwärtig dieses Problem tatsächlich ist:

In einer jüngeren Studie mit Tausenden von Teilnehmern gaben nur 64 Prozent der weiblichen Testpersonen an, beim letzten Sex einen Orgasmus erlebt zu haben. Bei den Männern waren es dagegen ganze 91 Prozent.

Eine andere Befragung von mehr als zweitausend heterosexuellen Frauen ergab Folgendes:

57 Prozent sagten, sie hätten immer oder fast immer einen Orgasmus, wenn sie mit dem Partner Sex haben, wohingegen 95 Prozent angaben, ihr Partner käme recht zuverlässig zum Orgasmus.

Als wäre das noch nicht schlimm genug, sieht die Lage beim flüchtigen Sex noch dramatischer aus. Im Rahmen einer anonymen Umfrage wollte ich von meinen Studentinnen und Studenten wissen, wie sie »Abschlepp«-Abenteuer mit Geschlechtsverkehr oder Oralsex (Hauptsache, es führt zum Orgasmus) erleben. Das Ergebnis sah folgendermaßen aus:

55 Prozent der Männer (im Vergleich zu vier Prozent der Frauen) gaben an, in der Regel schon beim ersten Sex zum Orgasmus zu kommen.

Diese Zahlen belegen ganz deutlich, dass Sie nicht alleine dastehen. Vielmehr deuten die Orgasmusschwierigkeiten auf ein größeres kulturelles Problem hin.

Erklärungsansätze

Was genau ist eigentlich das Problem? Meiner Meinung nach tun wir zu viel von dem, was wir ganz lapidar »Ficken« nennen, und geben zu wenig auf andere sexuelle Aktivitäten. Der Grund, weshalb ein so massiver Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht, ist der, dass wir der männlichen Lieblingsroute zum Orgasmus (dem Geschlechtsakt) einen viel zu hohen Stellenwert einräumen und die für Frauen zuverlässigste Methode (die Klitorisstimulation) sträflich vernachlässigen. Unsere kulturell bedingte Überbetonung des Akts, bei dem der Penis in die Vagina gesteckt wird, sorgt dafür, dass Frauen orgasmustechnisch oft in die Röhre gucken.

Es sticht schnell ins Auge, wie sehr der Geschlechtsakt im Brennpunkt steht – hierzu muss man sich nur einen x-beliebigen Film mit Sexszene ansehen. Um einen meiner männlichen Studenten zu zitieren: »In den Pornos, die ich mir ansehe, ist es immer das heftige Pumpen des Mannes, das die Ladys total scharfmacht.« Und zum Ausgleich ein Zitat von einer meiner Studentinnen: »Im Mainstream-Film und in Pornos sieht man Frauen immer nur beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus kommen.«

Beziehungsprobleme = Orgasmusprobleme?

Manchmal haben Frauen Schwierigkeiten, zum Höhepunkt zu kommen, weil es Differenzen in der Beziehung gibt. Wenn man sich eigentlich vom Partner trennen möchte, ihm nicht mehr vertraut oder sich nicht länger zu ihm hingezogen fühlt, rückt das ersehnte Ziel in weite Ferne.

Zwar kann dieses Buch Ihnen bestimmte Tricks an die Hand geben, damit Sie Ihren Körper besser kennenlernen und die nötige Stimulation bekommen, doch vermag es keine Beziehungsprobleme zu lösen.

In diesem Fall kann eine Paartherapie hilfreich sein. Im zweiten Teil des Anhangs finden Sie Tipps, wie man den passenden Paartherapeuten findet. Die Kommunikationsfähigkeiten aus Kapitel 8 könnten ebenfalls weiterhelfen. Versuchen Sie in jedem Fall mit Ihrem Partner zu reden!

Kein Wunder, dass mir die Frauen ständig damit in den Ohren liegen, sie würden auch gern so zum Orgasmus kommen! Ich habe sogar schon des Öfteren von Frauen gehört, sie wären überzeugt, für die Beziehung sei dies am besten. Und so ist die mit Abstand am häufigsten gestellte Frage in meinen Kursen und in den Leserbriefen an die Cosmopolitan die folgende: »Wie komme ich beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus?«

In Frauenmagazinen wird sie gerne beantwortet, indem man spezielle Positionen empfiehlt (»Versuchen Sie es doch mal in der Reiterstellung!«). Das verschlimmert das Ganze aus meiner Sicht, weil es uns in dem Glauben lässt, jede Frau könne beim Geschlechtsakt zum Orgasmus kommen, sie müsse es nur richtig angehen. Aber das stimmt nicht. Leider wissen das nur wenige Frauen (und auch Männer). Deshalb gelangen zahlreiche Frauen zu der Überzeugung, etwas stimme nicht mit ihnen, und täuschen wie die Frau in der eingangs beschriebenen Szene einen Orgasmus vor.

Wenn man Studentinnen an der Universität zu Forschungszwecken befragt, weshalb sie den Höhepunkt vortäuschen, sagen sie meistens, dass sie nicht als abnormal erscheinen möchten. Viele wollen auch die Gefühle des Partners nicht verletzen. Wir täuschen den Höhepunkt also vor, weil wir glauben, ein Penis sollte uns Lust bereiten. Unser Partner dagegen soll denken, sein Penis habe genau diese Macht. Aber so ist es nicht! Kein Penis ist allmächtig.

Das ist noch nicht alles

Die Vorstellung, Frauen sollten durch Penetration zum Orgasmus kommen, ist eine der größten Lügen, die in Sachen Sex überhaupt im Umlauf sind. Sie ist hauptverantwortlich für die Lustdifferenzen zwischen den Geschlechtern. Doch es gibt weitere Gründe. Zahlreiche kulturelle Annahmen laufen der weiblichen Orgasmusfähigkeit zuwider. Eine kleine Auswahl:

Widersprüchliche Gefühle in Sachen Sex, der Zwang, dem Partner zu gefallen und ihn zu befriedigen, statt auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, und mangelnde Kommunikation helfen allesamt bei der Erklärung, weshalb die Lustdifferenzen beim ersten Gelegenheitssex am größten sind. Je öfter man Sex mit dem gleichen Partner hat, sei es zwanglos oder in einer Beziehung, desto kleiner wird die Kluft. Es braucht seine Zeit, bis man den Körper des anderen kennenlernt. Je vertrauter man miteinander ist, desto selbstbewusster wird man; man tut sich leichter zu sagen, was man wirklich braucht, wenn man sich gut kennt und vertraut. Trotzdem sind Probleme wie sich des eigenen Körpers zu schämen oder die Unfähigkeit, die eigenen Bedürfnisse zu äußern, auch in Beziehungen präsent und stehen dem weiblichen Orgasmus im Weg.

Sexuelle Traumata und Orgasmusprobleme

Manchmal haben Frauen aus ganz persönlichen Gründen Schwierigkeiten, zum Orgasmus zu kommen. Leider werden immer noch viele zu Opfern sexueller Übergriffe, sei es in Form von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder Missbrauch während der Kindheit.

Wer zu diesem Personenkreis zählt, wird ernstlich Hilfe benötigen, um mit seiner Sexualität wieder selbstbestimmt umgehen zu lernen. Ein Buch, das ich Ihnen im Falle des Falles hierzu wärmstens ans Herz legen möchte, ist Sexual Healing. Ein sexuelles Trauma überwinden von Wendy Maltz. Auch eine Therapie kann unter Umständen angeraten sein. Im zweiten Teil des Anhangs finden Sie Tipps, wie Sie den passenden Therapeuten finden.

Kennen Sie eines dieser Probleme? Haben Sie sich beim Sex schon mal Ihres Körpers geschämt, haben vielleicht den Bauch eingezogen oder versucht eine Position einzunehmen, bei der ein Körperteil, das Sie nicht so attraktiv finden, gut versteckt war? Hatten Sie je das Bedürfnis, Ihrem Partner zu sagen, was Sie sich wünschen, wussten aber nicht, wie Sie es ihm beibringen sollten? Ich verspreche Ihnen, all diese Punkte werden wir auf den folgenden Seiten zusammen in Angriff nehmen! Wenn Sie bereits Orgasmen erleben, noch dazu recht befriedigende, können die Informationen in diesem Buch Ihnen helfen, die Latte ein Stück höher zu hängen und Ihre sexuelle Ausdrucksfähigkeit sowie Ihr Lustempfinden zu steigern. Und wenn Sie noch nie in den Genuss gekommen sind oder nur gelegentlich zum Höhepunkt gelangen, wird mein Buch dafür sorgen, dass Sie von nun an Orgasmen erleben, sei es beim One-Night-Stand, beim zwanglosen Sex mit einem Freund oder beim Sex in einer festen Beziehung. Ganz gleich, von wo aus Sie Ihre Orgasmusreise starten, Sie werden unterwegs die passenden Lösungsansätze finden, damit Sie garantiert die besten Höhepunkte erleben. Und gleichzeitig werden Sie zu einem Teil der kulturellen Revolution, die sich dem Ziel verschrieben hat, die größte Lüge in Sachen Sex aus der Welt zu schaffen – ein für alle Mal!

Wir schließen die Kluft

Da der Fokus in unserer Kultur so stark auf dem Geschlechtsakt liegt und dies als der Hauptgrund für die weiblichen Orgasmusprobleme gelten kann, sollte die Lösung darin bestehen, dass wir eines endlich verstehen: Die überwältigende Mehrheit der Frauen kommt nicht durch Penetration allein zum Orgasmus. Dazu ist zusätzlich eine Stimulation der Klitoris nötig – oder man versucht es gleich nur damit.

Vielleicht fragen Sie sich, wie diese »überwältigende Mehrheit« tatsächlich aussieht. Frauenzeitschriften werfen in diesem Zusammenhang meist mit statistischen Zahlen um sich. Dann ist die Rede davon, dass nur 25 bis 30 Prozent der Frauen beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus kommen. Doch wie ein Wissenschaftler anmerkt, der sich mit den Studien beschäftigt hat, welche derlei statistische Zahlen liefern, gibt es da ein entscheidendes Problem: Der Großteil dieser Untersuchungen unterscheidet nicht zwischen Frauen, die allein durch Penetration zum Orgasmus kommen, und solchen, die dafür sorgen, dass ihre Klitoris beim Geschlechtsverkehr gleichzeitig stimuliert wird (zum Beispiel, indem sie sie mit der Hand oder mit einem Vibrator berühren). Interessanterweise stellte man im Rahmen von zwei jüngeren Studien fest, dass bei Berücksichtigung dieser Unterscheidung das Ergebnis anders aussieht: Dann stellt sich heraus, dass lediglich 15 Prozent allein durch Penetration zum Orgasmus kommen. Und die Zahlen sind noch düsterer, wenn ich meine Studentinnen befrage, wie sie denn am zuverlässigsten auf ihre Kosten kommen. Nach anonymen Umfragen, die ich über mehrere Jahre hinweg in meinen Kursen durchgeführt habe, komme ich zu dem folgenden Ergebnis:

Noch interessanter wird es, wenn man sich ausschließlich die Frauen ansieht, die überhaupt zum Orgasmus kommen. Dann ergibt sich folgendes Bild:

95 Prozent der Frauen brauchen klitorale Stimulation, um zum Orgasmus zu kommen.

Die Klitoris ist also offenbar der Schlüssel zum weiblichen Orgasmus. Wir müssen in unserer Kultur daher ein Bewusstsein für die Existenz dieses Organs schaffen. Vor allem möchte ich, dass Sie sie bei Ihren eigenen sexuellen Begegnungen in den Mittelpunkt rücken.

Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen erkläre, worauf meine langjährige innige Beziehung zur Klitoris zurückgeht. Sie wissen bereits, dass ich eine Frau in den mittleren Jahren bin. Meine sexuelle Reife habe ich also in einer Zeit erlebt, als die Klitoris noch ziemlich im Rampenlicht stand (in den 70er- und 80er-Jahren). Eines der Highlights aus dieser klitoriszentrierten Zeit war für mich, als ich einmal mit drei Freundinnen von der Uni zum Essen aus war und vier Männer uns anmachten. Wir waren zwar alle heterosexuell, aber um die Typen auf höfliche Weise loszuwerden, erklärten wir ihnen, sie würden nur ihre Zeit verschwenden, weil wir zwei lesbische Paare seien. Sie machten allesamt recht verdutzte Mienen, und einer rief (mit ziemlich süßem Akzent, wie ich zugeben muss): »Aber der Geschlechtsverkehr ist doch das Beste überhaupt, oder nicht?« Ohne uns vorher abgesprochen zu haben, gaben wir lautstark und absolut einhellig die folgende Antwort: »Nein!« Dreißig Jahre später lachen wir immer noch über diesen Vorfall, wenn wir uns treffen.

Was mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet, ist die Tatsache, dass den meisten Millennials das Wissen über die Rolle der Klitoris abhandengekommen zu sein scheint. Die meisten jungen Frauen halten sich selbst für nicht normal, wenn sie beim Geschlechtsakt nicht zum Orgasmus kommen. Im Gegenzug fühlen sich viele der Männer, die ich unterrichte, unter Druck gesetzt; sie haben das Gefühl, ihre Partnerinnen, ob nun feste Freundin oder Gelegenheitsbekanntschaft, mit dem Penis zum Höhepunkt bringen zu müssen. In meiner Praxis und meinen Kursen ernte ich immer Erstaunen, wenn ich die Wahrheit verkünde: In der Vagina (und damit meine ich den innenliegenden Bereich der weiblichen Geschlechtsorgane, mehr dazu in Kapitel 4) finden sich nur sehr wenige berührungssensible Nervenenden. Stattdessen liegt der Großteil der Nervenenden, die eine Frau zum Erreichen des Orgasmus braucht, an der Außenseite. Ich wiederhole es sehr gern: Eine Penetration ist nicht nötig. Klitorale Stimulation aber schon. Und deshalb lautet das simple Geheimnis, das zum höchsten aller Genüsse führt: Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Klitoris und würdigen Sie endlich ihre Existenz!

Der Hauptgrund, weshalb Frauen beim Sex mit anderen Frauen sowie allein statt mit dem Partner viel öfter zum Orgasmus gelangen, kommt nicht von ungefähr – der Fokus liegt hier auf der Klitoris! Penetration (zum Beispiel mit einem Dildo zum Anschnallen) gehört beim lesbischen Sex dagegen nicht zum Pflichtprogramm und sollte nur dann in das Liebesspiel integriert werden, wenn eine der Beteiligten der Ansicht ist, es würde ihre Erregung steigern und die Orgasmen intensivieren. Zwischen 88 und 99 Prozent der Frauen geben an, bei der Masturbation keinerlei Penetration zu brauchen – und diejenigen, die sie dennoch integrieren, tun dies so gut wie immer in Kombination mit klitoraler Stimulation. Wenn Frauen sich selbst befriedigen, konzentrieren sie sich überwiegend auf die Klitoris, indem sie sie mit Vibrator, Fingern, Kissen und anderen Hilfsmitteln stimulieren. So kommen sie in mehr als 94 Prozent der Fälle zum Orgasmus. Beim Solosex wie beim lesbischen Sex steht die Klitoris im Mittelpunkt, doch sobald es beim heterosexuellen Verkehr zur Penetration kommt, avanciert diese automatisch zum Hauptereignis, und die Klitoris erhält zwangsläufig weniger Aufmerksamkeit. Tatsächlich gilt Folgendes, ganz gleich ob bei einem One-Night-Stand oder in einer festen Beziehung oder bei allem, was in der Grauzone dazwischen liegt:

Bei sexuellen Begegnungen, bei denen es zum Geschlechtsverkehr (sprich zur Penetration durch den Penis) kommt, sind 78 Prozent der weiblichen Orgasmusprobleme darauf zurückzuführen, dass die Klitoris nicht ausreichend oder nicht richtig stimuliert wird.

Die Lösung scheint in diesem Fall auf der Hand zu liegen. Penetration und klitorale Stimulation müssen endlich gleichen Stellenwert erhalten!

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich habe nicht vor, den Spieß umzudrehen und dafür zu sorgen, dass die klitorale Stimulation über den Geschlechtsakt gestellt wird. Ich hätte nur gerne, dass beides als gleichwertig betrachtet wird. Ich bin nicht gegen den Geschlechtsverkehr, ich bin nur für einen neuen, klitorisfreundlichen Kurs! Und wenn Sie zu den wenigen Frauen gehören, die zuverlässig allein durch Penetration zum Orgasmus kommen (und meinen Kursumfragen nach müssten das ungefähr fünf Prozent sein), so ist auch daran nichts verwerflich. Ich werde Ihnen garantiert nicht verbieten, auf diese Weise zum Höhepunkt zu gelangen. Das Problem ist nur, dass sich der Großteil der Frauen gar nicht darüber im Klaren ist, wie ungewöhnlich das ist – und dass es für viele gleichsam eine biologische Unmöglichkeit darstellt! Interessanterweise haben mir auch schon einige Frauen erzählt, sie seien in dem Glauben gewesen, beim Geschlechtsverkehr jedes Mal einen Höhepunkt zu haben – schließlich habe der ihnen ein wirklich tolles Gefühl beschert. Nur um bei der Erkundung ihrer Klitoris festzustellen, dass sich ein richtiger Orgasmus ganz anders anfühlt. Die meisten Frauen empfinden den Geschlechtsverkehr als schön, doch die Penetration allein führt nur in den seltensten Fällen zum eigentlichen Ziel. Um die Kluft zwischen den Geschlechtern zu schließen und mehr Frauen zum Orgasmus zu bringen, müssen wir also der inneren Stimulation (Geschlechtsverkehr) und der äußeren Stimulation (der Klitoris) einen gleich hohen Stellenwert einräumen.

Ein Hinweis für Frauen, die Sex mit Frauen haben

Wie Sie sicher schon festgestellt haben, liegt das Hauptaugenmerk in diesem Buch darauf, mit den Mythen in Bezug auf den Geschlechtsverkehr aufzuräumen. Immerhin sind sie die Ursache für die häufigsten Orgasmusschwierigkeiten bei Frauen. Natürlich ist dieses Problem für lesbische Paare nicht ganz so relevant. Sollte dies auf Sie zutreffen, können Sie gern die Passagen überspringen, in denen es darum geht, diese Mythen ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Oder Sie lesen sie trotzdem und freuen sich darüber, dass Sie in diesem ganzen Orgasmusspiel schon eine Runde weiter sind! In jedem Fall werden Sie in diesem Buch wertvolle Informationen finden, die helfen, Ihr Orgasmuspotenzial noch weiter zu steigern. Zum Beispiel die innere Einstellung der Achtsamkeit, die ich Ihnen in Kapitel 5 beibringe, oder die Kommunikationstipps aus Kapitel 8. In Kapitel 7 finden Sie sogar konkrete Hinweise, wie Sie den Sex mit einer weiblichen Partnerin noch verbessern. Kurz gesagt: Ich hoffe aufrichtig, die Tatsache, dass ich in erster Linie mit Mythen aufräume, hält Sie nicht davon ab, dieses Buch zu lesen. Konzentrieren Sie sich einfach auf die Informationen, die Ihnen selbst am meisten zugutekommen!

Leichter gesagt als getan. Damit Penetration und klitorale Stimulation gleichberechtigten Status erhalten, reicht es nicht aus, über die eigene Klitoris Bescheid zu wissen. Ich sage aus meiner langjährigen Erfahrung als Therapeutin und basierend auf einer faszinierenden Studie: Viele Frauen, die mit ihrer Klitoris bestens vertraut sind, kommen zwar bei der Masturbation zum Orgasmus, aber nicht beim Sex mit dem Partner. Damit das auch zu zweit klappt, benötigt man zusätzliche Fertigkeiten, die über bloßes anatomisches Wissen hinausgehen. Es gehört eine gewisse positive Einstellung zum Sex dazu, Scham oder Schuldgefühle dagegen sind hinderlich. Man muss das Gefühl haben, die eigene Lust sei mindestens genauso wichtig wie die des Partners. Man muss lernen, sich zu entspannen und sich beim Sex nicht unsicher zu fühlen. Und man sollte über Sex reden können. Alles dies werden Sie auf den folgenden Seiten lernen.

Lustdifferenzen: Wahre Begebenheiten

Weil ich als Lehrerin und Beraterin in Sachen Sex tätig bin, erzählen mir viele Leute bereitwillig von ihren Problemen im Bett, selbst außerhalb der Klassenräume oder meiner Praxis. Meine Friseurin, die 27-jährige Diane, hat mir einmal anvertraut, sie habe ihren neuen Freund wirklich sehr gern, mache sich allerdings Sorgen, weil sie mit ihm nie zum Orgasmus komme. Ganz anders als bei ihrem Freund davor, zu dem sie keine so innige Beziehung hatte. Während wir uns unterhielten, erfuhr ich, dass ihr früherer Freund Schwierigkeiten hatte, seine Erektion aufrechtzuerhalten, und das »kompensierte« er, indem er sie mit Oralsex befriedigte. Ihr neuer Freund hatte keinerlei Probleme in der Hinsicht, daher stand bei ihnen der Geschlechtsakt im Mittelpunkt und nicht die Klitoris. Ich erfuhr außerdem, dass Diane wie die meisten Frauen ihre Klitoris berührte, wenn sie masturbierte – und dabei, wen überrascht es, zum Orgasmus kam. Nichtsdestotrotz konzentrierten Diane und ihr neuer Freund sich auf seinen Penis, weil sie annahmen, er würde sie beide zum Höhepunkt bringen. Mit anderen Worten, Diane wusste zwar, wie wichtig die Klitoris ist, und sie wusste auch, wie sie sich selbst zum Orgasmus bringen konnte. Doch es gelang ihr nicht, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sie sich auch beim Geschlechtsakt auf die Klitoris konzentrieren musste.

Kaum hatte sie dank unseres Gesprächs diesen Zusammenhang hergestellt (ein richtiger Aha-Moment!), wurde alles anders. Diane sprach mit ihrem Freund, und sie fingen an, vor dem eigentlichen Geschlechtsakt Oralsex zu haben. Dabei kam Diane regelmäßig zum Höhepunkt, wie sie mir später anvertraute.

Für Jasmine war es nicht ganz so einfach. Nachdem sie bei mir im Unterricht alles über die Klitoris erfahren hatte, kaufte sie sich einen speziellen Vibrator und hatte zum ersten Mal in ihrem Leben einen Orgasmus. Sie hatte allerdings schreckliche Angst, ihrem Freund Brandon davon zu erzählen. »Ich will doch nicht, dass er sich mies fühlt«, sagte sie. Brandon war nämlich den gleichen Illusionen erlegen wie Jasmine vor ihrer Erweckung – er war der festen Überzeugung, sein Penis sei unentbehrlich für ihre Lustbefriedigung. Und sie hatte dazu beigetragen, die Illusion aufrechtzuerhalten, indem sie – begleitet von lustvollen Schreien und zerwühlten Laken – Orgasmen vortäuschte, wie sie und Brandon sie in Pornofilmen gesehen hatten. Schließlich fasste Jasmine sich ein Herz und redete mit Brandon über ihre gespielten Orgasmen. Sie erzählte ihm, was sie brauchte, um wirklich zum Höhepunkt zu kommen. Die Aussprache verlief nicht ganz so glücklich. Brandon war sauer, dass Jasmine ihm all die Zeit nur etwas vorgemacht hatte – und dann meinte er noch, er wolle nicht, dass sein Penis durch einen Vibrator ersetzt werde. Sie trennten sich. Einige Monate später begegnete Jasmine zum Glück Kevin, und bei ihm traute sie sich von Anfang an zu sagen, was sie brauchte, um zu kommen. Erfreulicherweise machte Kevin ohne zu zögern mit und erklärte sich freudig bereit, sie mit Oralsex zu befriedigen oder sie beim Geschlechtsverkehr einen Vibrator benutzen zu lassen. Er wünschte sich für sie, dass sie Befriedigung empfand. Von diesem Tag an waren ihr Stöhnen und ihre Orgasmen auf echte Gefühle zurückzuführen, sie versuchte nicht länger einen Pornostar zu imitieren. (Mit Vibratoren werden wir uns übrigens in einem späteren Kapitel näher beschäftigen.)

Aus meiner beruflichen Praxis weiß ich, dass die meisten Männer eher wie Kevin sind und nicht wie Brandon: Sie wollen eine Frau befriedigen und freuen sich, wenn sie konkrete Hinweise bekommen, was sie dafür tun können. Ich habe schon Artikel gelesen, in denen behauptet wurde, Männer kümmere die weibliche Lust nicht, schon gar nicht beim Gelegenheitssex. Das mag zwar auf einige Herren zutreffen (und wenn Sie einem von dieser Sorte begegnen, nehmen Sie schleunigst die Beine in die Hand!), aber die, mit denen ich mich unterhalte, wollen ihren Partnerinnen aufrichtig Freude bereiten. Sie wissen nur nicht, wie. Weil Frauen aber derart häufig Orgasmen vortäuschen, glaubt der Großteil, es würde ohnehin bei jeder klappen.

Aber es gibt kein bestimmtes Repertoire, mit dem man jede Frau zum Orgasmus bringen kann, das ist schier unmöglich. Denn was eine Frau braucht, um zum Höhepunkt zu gelangen, variiert stark, nicht nur von Person zu Person, sondern auch von Mal zu Mal – und das sogar bei ein und demselben Partner! Manche Frauen kommen am zuverlässigsten durch Oralsex zum Orgasmus. Andere lassen sich lieber von Hand stimulieren, ohne einen Penis in der Vagina. Wieder andere kommen am besten, wenn ihre Klitoris berührt wird (sei es durch die eigene Hand, die Hand des anderen oder einen Vibrator), während gleichzeitig ein Penis (oder ein Dildo) in ihre Vagina eingeführt wird. Nicht selten braucht eine Frau eine Kombination aus allen diesen Möglichkeiten.

Darüber hinaus brauchen Frauen mit dem Partner in der Regel viel länger, um zum Orgasmus zu kommen (15 bis 45 Minuten im Vergleich zu zwei bis zehn Minuten beim Mann). Das mag unfair erscheinen, aber Fakt ist, dass komplexere Kenntnisse nötig sind, um eine Frau zum Orgasmus zu bringen. Trotzdem lernen wir nur sehr wenig darüber, wie wir am besten kommen. Stattdessen tischt man uns Lügen über den Orgasmus beim Geschlechtsverkehr auf. Kein Wunder also, dass wir oft vergebens auf diese überwältigenden Orgasmen warten, die der Penis hervorrufen soll. Auch kein Wunder, dass fast die Hälfte der 18- bis 30-jährigen Frauen Schwierigkeiten hat zu kommen!

Dies möchte ich ändern. Ich möchte nicht, dass irgendeine Frau – und schon gar nicht Sie – auf den höchsten aller Genüsse verzichten muss. Und ich bin überzeugt, dass jede Frau – auch Sie – zum Orgasmus kommen kann, wenn sie über die nötigen Informationen und Fertigkeiten verfügt.

Inzwischen sollte Ihnen bewusst sein, wie selten Frauen allein durch Geschlechtsverkehr zum Orgasmus kommen. Stattdessen ist die Klitoris der Schlüssel zum Erfolg. Um das Thema des folgenden Kapitels, in dem es um Sprache gehen soll, vorwegzunehmen: Das Wort »Klitoris« kommt aus dem Griechischen und bedeutet tatsächlich »Schlüssel«. Doch trotz ihrer zentralen Rolle für den weiblichen Orgasmus ist es nach wie vor vielen schon peinlich, dieses Wort auszusprechen. Im Folgenden werde ich aufzeigen, warum das so ist.