Gedichte

 

Adolf Friedrich von Schack

 

 

 

 

Inhalt:

Adolf Friedrich Graf von Schack – Biografie und Bibliografie

 

Gedichte

 

1. Liebesgedichte und Lieder

 

Wenn du hinweggegangen

Du willst, daß ich in Worte füge

Das erste Liebeswort

In ihrem Arm

Genügen in der Liebe

Wenn unter duft'gen Blütenzweigen

Träume mit den leichten Schwingen

Dein Haupt an meine Brust gelegt

Hoffen und wieder verzagen

Morgenständchen

Heimatgefühl

Mainacht

Trennung

Lob des Leidens

Frühlingstag

Nachklang

Der Brief

Einst und jetzt

Lieder der Trauer

Bekannte Sterne

Herbstgefühl

Aus der Heimat

Im Walde

Im Grase

Nur Mut

Der Augenblick

Die Zeichen

Neues Leben

Süßes Geheimnis

Enthülltes Geheimnis

Winternacht

Heimkehr

Morgenlied

Sonett

Wunsch

Maiwonne

An Sie

Das Geheimnis

Vorgefühl

Ständchen

An Adele

Wahre Schönheit

 

2. Aus allen Zonen

 

An den Abendstern

Allein mit der Natur

In den Alpen

Morgen auf den Alpen

Die Jungfrau

An eine Alpenrose

Epistel

Lugano

In der Brianza

Sommernacht

Barcarole

Notturno

Auf Capri

La Cava

Meerfahrt

Aus Sicilien

Am Grabe Conradins

La Zisa bei Palermo

Bei Athen

Das Marmorbild

Im Theater des Dionysos

Der Tempel von Aegina

Rast bei Milet

Mittagsruhe bei Magnesia

Reede von Rhodos

India

Auf dem Nil

Orientalisch

Jaffa

Die Tempel von Theben

Das unbekannte Grab

Abschied

Auf dem Pik von Teneriffa

Lieder aus Granada

Inesilla

Serenade

Aus der Sierra Nevada

 

3. Romanzen und Balladen

 

Stesichoros

Evadne

Die Athener in Syrakus

Die Pythia

Himilkon

Metella

Der Triumphator

Die seligen Inseln

Göttersturz

Normannenvermächtnis

Ragnars Tod

St. Amarus

Das Bahrrecht

Die Königstochter

Mahmud der Gasnevide

Erwin von Steinbach

Malcolms Mörder

Walther von Immenstadt

Herr Jobst

Das verschlossene Thor

Colombo

Die beiden Prinzen

Antonio de Leyva

Die Hexenjagd

Zurbaran

Der Strohhalm

Der Teufeltanz

Der Steuermann

Dembinski

Drei Hexen

Der Kadett

Der Husar von Auerstädt

 

4. Vermischte Gedichte

 

An Mendelssohn

Am Meere

Die erste Schwalbe

Abendempfindung

Abenddämmerung

In der Nacht

An den Schlaf

Gewitternacht

Sei mir gegrüßt!

Herbsttag

Herbstfeier in Rüdesheim

Die Schwalbe

Am Kamin

Neujahrsnacht

Auf einen Granatenzweig

Der Pokal

Grüß mir den Strand, o Freund!

Lebenswonnen

Ode

Drei Dichter

Auerbachs Keller

An den Genius

Wiedersehen

An die Hausgeister

Der Jubelgreis

An F.L.

Der Blinde

Der kleine Franz

Der Tod der Nachtigall

An G.T.

Der ewige Wanderer

Burg Rodenstein

Letzte Zeilen

Rückkehr der Muse

 

Lotosblätter

 

1. Vermischte Gedichte

 

Vor einem Fenster

Totenklage

An Elisabeth v. K.

Macht der Liebe

Am Strande

An die Prinzessin E.

Luftgebilde

Die Schwäne

Im Sturm

Herbstwonne

Die Ahnenbilder

Morgentraum

Weihe des Schmerzes

Im Garten zu B.

Das Waldthal

Abendgang

Mitternacht

Im März

Der Grieche im Norden

Das Zauberschloß

Am Fuß der Alpen

Gebet des Künstlers

Ewige Jugend

Nach dem Gewitter

An den Kuckuck

Nachruf

An den Morgenstern

Bei Musik

Unsterbliches Glück

An meinem Geburtstage

An meinem Geburtstage

Der längste Tag

Die längste Nacht

Am Mittelmeer

In der Krankheit

Novemberabend

Der Seeadler

Karls des Fünften letzte Stunde

Aller-Seelen-Nacht

 

2. Verwehte Blätter - Erstes Buch

 

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3. Aus fremden Ländern

 

Dolores

Verbrannte Briefe

Ines

Johannisnacht

König Holger

Am Guadalquivir

In Granada

Auf dem Libanon

Bei Troja

Homer

In Delphi

Morgen in Athen

Am Parnaß

Frühling in Griechenland

In den Apenninen

Aurelia

1.

2.

In der Villa

Fontana Trevi

Venezia

Die Glocken des Campanile

Auf dem Turm des Seraskiers

 

4. Verwehte Blätter - Zweites Buch

 

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5. Kampf und Sieg

 

Am Grabe Friedrichs des Zweiten

Die Kaisergruft in Speyer

Die Hohenstaufenkrone

Die schwarze Schar

Die Bildsäule Karls des Großen

Die deutsche Mutter

Siegesfeier in Straßburg

Wiedersehen von Deutschland

Italien

Beim Siegeseinzug in Berlin

Aller-Seelen-Tag 1871

An die Franzosen

Zum neuen Jahr

 

 

 

 

Gedichte, A. von Schack

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

 

ISBN: 9783849639082

 

Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

 

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Adolf Friedrich Graf von Schack – Biografie und Bibliografie

 

Dichter und Literarhistoriker, geb. 2. Aug. 1815 in Schwerin, gest. 14. April 1894 in Rom, studierte Rechtswissenschaft, daneben neuere Literatur, war seit 1838 eine Zeitlang beim Kammergericht in Berlin beschäftigt und bereiste sodann Italien, Sizilien, Ägypten, Syrien, die Türkei, Griechenland und Spanien. Nach seiner Rückkehr trat er in mecklenburgische Dienste, begleitete den Großherzog als Kammerherr und Legationsrat auf dessen Reisen nach Italien und Konstantinopel und ward demnächst Attaché bei der Bundestagsgesandtschaft. Nach einer abermaligen Reise nach Italien und dem Orient ging er als Geschäftsträger nach Berlin, wo er auch das schon früher begonnene Studium der orientalischen Sprachen, namentlich des Sanskrits, des Arabischen und Persischen, fortsetzte. Nach dem Tode seines Vaters (1852) nahm er als Geheimer Legationsrat seine Entlassung aus dem Staatsdienst, ging zunächst auf seine Güter in Mecklenburg und reiste dann nach Spanien, um sich hier Forschungen über die Geschichte und Kultur der spanischen Araber zu widmen. Seit 1855 hatte er seinen Wohnsitz in München, wo er seine bedeutende, 1894 durch Vermächtnis in den Besitz des deutschen Kaisers übergegangene Gemäldegalerie (s. Tafel »Münchener Bauten II«, Fig. 1), besonders von Werken neuerer Meister (Genelli, Feuerbach, Schwind, Böcklin, Lenbach u.a.), dem Publikum bereitwillig öffnete (vgl. seine Schrift »Meine Gemäldesammlung«, 7. Aufl., Stuttg. 1894). 1876 wurde S. vom deutschen Kaiser in den Grafenstand erhoben. Die Reihe seiner historischen Werke eröffnete er mit der »Geschichte der dramatischen Literatur und Kunst in Spanien« (Berl. 1845–46, 3 Bde.; 2. Ausg., Frankf. 1854; Nachträge, das. 1855); es folgten: »Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sizilien« (Berl. 1865, 2 Bde.; 2. Aufl. 1877; ins Spanische übersetzt von Juan de Balera, 3. Aufl., Madr. 1881); »Geschichte der Normannen in Sizilien« (Stuttg. 1889, 2 Bde.); »Joseph Mazzini und die italienische Einheit« (das. 1891); daneben treffliche Übersetzungen, als: »Spanisches Theater« (Frankf. 1845, 2 Bde.); »Heldensagen des Firdusi« (Berl. 1851), und »Firdusi. Epische Dichtungen aus dem Persischen« (das. 1853, 2 Bde.; beide Werke in 2. vermehrter Aufl. u. d. T.: »Firdusi. Heldensagen in deutscher Nachbildung«, das. 1865); »Strophen des Omar Chijam« (das. 1878, Stuttg. 1902); »Stimmen vom Ganges«, indische Sagen (Berl. 1857, 2. Aufl. 1877), und »Romanzero der Spanier und Portugiesen« (mit Geibel, das. 1860). Später folgten: »Orient und Occident« (Bd. 1: Dschamis Roman »Medschnun und Leila«; Bd. 2: Almeida Garrets Gedicht »Camoens«; Bd. 3: Kalidasas »Raghuvansa«, Stuttg. 1890), die »Anthologie abendländischer und morgenländischer Dichtungen« (das. 1892, 2 Bde.) und »Die englischen Dramatiker vor, neben und nach Shakespeare« (das. 1893). Seit den ersten 1860er Jahren begann S. auch mit eignen poetischen Schöpfungen hervorzutreten. Außer seinen »Gedichten« (Berl. 1867; 6. Aufl., Stuttg. 1888) sowie den farbigen und lebendigen »Episoden« (Berl. 1869; 3. Aufl., Stuttg. 1875) erschienen: »Durch alle Wetter«, Roman in Versen (Berl. 1870; 3. Aufl., Stuttg. 1875); »Lothar«, Gedicht in zehn Gesängen (Berl. 1872; 2. Aufl., Stuttg. 1874); »Der Kaiserbote«, »Cancan«, zwei politische Lustspiele (Leipz. 1873; 2. Aufl., Stuttg. 1876); »Die Pisaner«, Trauerspiel (Berl. 1872; 2. Aufl., Stuttg. 1876); »Nächte des Orients oder die Weltalter«, Dichtung (Stuttg. 1874, 6. Aufl. 1897); »Ebenbürtig«, Roman in Versen (1876); »Weihgesänge« (1878, 2. Aufl. 1879); »Heliodor«, dramatisches Gedicht (1878); die Tragödien »Timandra« und »Atlantis« (beide 1880); »Die Plejaden«, epische Dichtung (1881, 4. Aufl. 1883; Stuttg. 1903); »Lotosblätter«, neue Gedichte (1882); »Gaston«, Tragödie (1883); »Tag- und Nachtstücke« (1884); »Memnon. Eine Mythe« (1885); »Walpurga«, »Der Johanniter«, zwei Trauerspiele (1887); »Aus zwei Welten«, Erzählungen (1887); »Lustspiele« (1891); »Iris«, Erzählungen und Dichtungen (1891); »Weltmorgen«, Gedicht (1891); »Sirius«, ein Mysterium (1892); »Das Jahr Eintausend«, dramatisch es Gedicht (1892); »Episteln und Elegien« (1894). Vermischte Schriften und Aufsätze enthalten die Bände: »Pandora« (Stuttg. 1890), »Mosaik« (das. 1891) und »Perspektiven« (das. 1894, 2 Bde.). S. bekundet sich in diesen Werken als ein Dichter von geläutertem Geschmack, warmem Gefühl und geistigem Universalismus, doch blieb er Nachahmer und war ein größerer Gelehrter als Dichter. In seinem Roman »Hermann Ifinger« hat ihn Wilbrandt satirisch porträtiert. Seine Autobiographie veröffentlichte er u. d. T.: »Ein halbes Jahrhundert. Erinnerungen und Aufzeichnungen« (Stuttg. 1887, 3 Bde.; 3. Aufl. 1894). Seine »Gesammelten Werke« erschienen in 10 Bänden (3. Aufl., Stuttg. 1897–1899), »Nachgelassene Dichtungen« gab G. Winkler heraus (das. 1896). Vgl. die literarischen Skizzen von F. W. Rogge (Berl. 1883), E. Zabel (das. 1885), Brenning (Brem. 1885), Manssen (a. d. Holländ., Stuttg. 1888) und Leo Berg in »Zwischen zwei Jahrhunderten« (Frankf. 1896).

 

 

 

Gedichte

 

 

1. Liebesgedichte und Lieder

 

 

Wenn du hinweggegangen

 

Wenn du hinweggegangen,

Glaub' ich lange dich noch zu sehn;

Um die Schläfe und um die Wangen

Deinen Atem mir fühl' ich wehn.

 

Wenn von deinen Reden

Längst der Ton dem Ohre verklang,

Hört die entzückte Seele jeden

Laut, den du gesprochen, noch lang.

 

In der Stille der Nächte,

Wenn voll Bangen das Herz mir schlägt,

Fühl' ich, wie leise sich deine Rechte

Auf die Stirne, die Brust mir legt.

 

Arme, die weich mich umranken,

Wiegen mich ein; ich atme kaum;

Deine Worte, deine Gedanken

Klingen und duften um mich im Traum.

 

 

Du willst, daß ich in Worte füge

 

Du willst, daß ich in Worte füge,

Was flüchtig ist wie Windeswehn,

Und meiner Seele Atemzüge,

Die leisen, kannst du nicht verstehn?

 

Doch glaub! die Wonne wie die Klage,

Die nur in Geistertönen lallt,

Bleibt eine unverstandne Sage,

Wenn ihr das Herz nicht wiederhallt.

 

Ihr Sinn ist hin, ihr Laut verklungen,

Sobald die Lippe sie erst nennt:

Nicht eignet sich für Menschenzungen,

Was nur der Himmel weiß und kennt.

 

 

Das erste Liebeswort

 

Das war der süßeste der Laute!

Sie sprach's, das erste Liebeswort;

Im Herzen nun trag' ich das traute,

Tiefselige Geheimnis fort.

 

Allein wo berg' ich meine Wonne,

Daß ich sie wohl behüten mag?

Dein Licht verhülle, läst'ge Sonne!

Verstumme, lärmbewegter Tag!

 

Weltfern sei meines Glückes Fülle

Begraben, wo sie nichts verrät

Und nur durch Nacht und heil'ge Stille

Des süßen Wortes Nachhall weht.

 

 

In ihrem Arm

 

O laß mich ruhen in deinem Arm

Und tief in die Augen dir schaun!

Das löst mir vom Herzen den nagenden Harm,

Und herab in die Seele fühl' ich es warm

Wie aus dem Himmel mir taun.

 

Reich her, reich her den göttlichen Trank,

Der von den Lippen dir quillt!

Ich dürste und schmachte matt und krank;

Erst wenn ich an deinen Busen sank,

Wird all mein Sehnen gestillt!

 

O mehr noch! Was schüttelst du lächelnd dein Haupt?

In Küssen gieb mir das Glück,

Das flüchtige, das mir die Welt geraubt,

Und den alten Glauben, den ich geglaubt,

Und der Kindheit Frieden zurück!

 

 

Genügen in der Liebe

 

Einst war in allen ihren Räumen

Die Erde mir kaum weit genug;

Kein Land, kein Meer, wohin in Träumen

Mich nicht der Seele Flügel trug.

 

Auf Höhn, zuerst bestrahlt vom Morgen,

In Tiefen, die kein Senkblei mißt,

Wähnt' ich den großen Schatz verborgen,

Der einzig wert des Suchens ist.

 

Doch jetzt: o mehr, als was ich ehe

Gesucht am fernsten Meeressaum,

Fand ich bei dir in trauter Nähe;

Noch fass' ich alles, alles kaum.

 

Und, ganz das Glück nun zu genießen,

Das mir der schönste Tag geschenkt,

Möcht' ich der Welt mich rings verschließen,

In deinen Anblick nur versenkt.

 

 

Wenn unter duft'gen Blütenzweigen

 

Wenn unter duft'gen Blütenzweigen

Wir ruhen, Haupt an Haupt gelehnt,

Wie süß der Küsse Wechseltausch!

Welch Flüstern in der Liebe Rausch!

Wie spricht, so oft die Lippen schweigen,

Das Auge, das von Wonne thränt!

 

Die Locke hier mußt du mir lassen

Für jene Zeit, wo fern du bist,

Daß an dem Pfand sich mein Gedanke

Aufrichte, wenn ich zweifelnd schwanke

Und nicht mehr glauben kann, nicht fassen,

Daß mein solch Glück gewesen ist!

 

 

Träume mit den leichten Schwingen

 

Träume mit den leichten Schwingen

Flattern zwischen ihr und mir,

Schweben auf und schweben nieder,

Tragen kaum geborne Lieder

Flügelschnell ihr hin und bringen

Mir ein Lächeln heim von ihr;

 

Pflücken Blüten auf den Auen,

Schön, wie sie der Frühling giebt,

Streuen auf ihr Ruhekissen

Maienglocken und Narzissen,

Die in Düften ihr vertrauen,

Daß mein Herz sie einzig liebt.

 

Ihre Lippen regt sie leise,

Wie sie solche Gaben sieht;

In dem Flüstern, in dem Lallen

Hör' ich meinen Namen schallen,

Und wir reden wechselweise,

Bis der Schlummer von mir flieht.

 

Dann im Dunklen aufgerichtet,

Schau' ich, daß ich einsam bin –

Ach, im Traum nur mocht' ich wagen,

Was ich fühle, ihr zu sagen,

Und das Lied, für sie gedichtet,

Stirbt auf meiner Lippe hin.

 

 

Dein Haupt an meine Brust gelegt

 

Dein Haupt an meine Brust gelegt,

Schließe die Augen zum Schlummer!

Die Wonne, damit das Herz sie erträgt,

Muß ruhen, gleich dem Kummer!

 

Nur matt, wie über Wellen das Bild

Von zitterndem Laub und Gestäude,

Gleite durch deinen Traum und mild

Die Erinnrung vergangner Freude!

 

Wenn du Erquickung geschlürft hast still

Aus des Schlafs sanft quellenden Bronnen,

Mit meinen Küssen dann, Mädchen, will

Ich dich wecken zu neuen Wonnen.

 

 

Hoffen und wieder verzagen

 

Hoffen und wieder verzagen,

Harrend lauschen vor ihrem Balkon,

Ob nicht, vom Winde getragen,

Zu mir dringe von ihr ein Ton,

Also reihen seit Monden schon

Tage sich mir zu Tagen.

 

Spät, wenn stumm und stummer

Nacht sich lagert im öden Revier,

Senken zu kurzem Schlummer

Sich ermüdet die Wimpern mir;

Wieder empor aus Träumen von ihr

Fahr' ich zu neuem Kummer.

 

Aber, o Himmel, ich flehe:

Raube mir nicht mein einziges Gut,

Dies beglückende Wehe,

Das ich genährt mit des Herzens Blut!

Hoch und höher laß lodern die Glut,

Drin ich selig vergehe!

 

 

Morgenständchen

 

Erwache, meine Rose!

Was birgst du das Angesicht?

Schon zittert die Mimose

Entgegen dem kommenden Licht.

 

Hoch, höher am Rande der Hügel

Aufsteigt der fröhliche Tag;

Vergoldet blitzen die Flügel

Der Lerche bei jedem Schlag.

 

Die Veilchen, die Lilien trinken,

Während ins strahlende Blau

Die letzten Sterne versinken,

Den perlenden Morgentau.

 

Ihr Atem, rings ergossen,

Erfüllt die Frühlingsluft;

Doch ehe dein Kelch erschlossen,

Fehlt ihr der süßeste Duft.

 

 

Heimatgefühl

 

Wir schritten durch des Abends Schweigen;

Ein Wetter war fernhin verrollt;

Durchs feuchte Laub von Zweig zu Zweigen

Glitt sanft der Sonne letztes Gold.

 

Da von den Ländern dir, den fernen,

Erzählt' ich, wo ich dein gedacht.

Von Rast am Rande der Eisternen

In Syriens blauer Sommernacht,

 

Von Aegeus' Meer, wie längs der Küsten

Mich schaukelte der schwanke Kahn,

Und halb zerbrochne Marmorbüsten

Aus Tempelnischen niedersahn.

 

Und hoch dein Auge sah ich leuchten;

Du heischtest mehr noch, doch ich schwieg,

Indessen wallend in der feuchten

Spätluft der Wiesen Nebel stieg.

 

Warum mich in die Ferne träumen?

Dacht' ich, mein Haupt an deins gelehnt:

Nach dir und unsern Lindenbäumen

Wie oft hab' ich mich dort gesehnt!

 

Mainacht

 

An deiner Seite so gerne

Durchträum' ich die Frühlingsnacht;

Treu halten die heiligen Sterne

Vor deinem Fenster die Wacht,

Indes wir in Armen uns hangen,

In Seele die Seele versinkt

Und Mund von Mund in langen

Zügen den Atem trinkt.

 

Aus Wipfeln, drin Vögel brüten,

Wirft sanft der duftende Mai

Seine Knospen und Blüten

Herab auf uns selige zwei,

Und durch die Fensterbogen

Nachtwandelnd weht der Wind

Deine Locken in Wogen

Ueber mein Haupt gelind.

 

Wir zittern, wir erblassen

Vor Liebe, und jedem quillt

Im wonnethränennassen

Auge des andern Bild.

Ach! steigt schon im Osten der rote

Schimmer des Morgens empor?

Nein, durch den Himmel lohte

Ein nächtliches Meteor.

 

Tausend Geheimnisse müssen

Wir noch einander vertraun,

Und tausend Küsse noch küssen,

Eh' der Morgen beginnt zu graun.

Was scheuchst du mit deinem Gesange,

O Schwalbe, so frühe die Nacht?

Schweig, schweig! Und haltet noch lange,

Ihr heiligen Sterne, die Wacht!

 

 

Trennung

 

Noch einen mir, der Kraft mir leihe!

Gieb, Weib, bevor ich scheiden muß,

Für Leben mir und Tod die Weihe

In einem langen, heil'gen Kuß!

 

Laß brennend ihn von deinem Munde

Mir bis ins Herz des Herzens glühn,

Und duftend glänze diese Stunde

Gleich Rosen, die auf Gräbern blühn!

 

Um unsre selig-süßen Schmerzen

Soll sie, und um des Abschieds Qual,

Aufflammen halb wie Hochzeitskerzen

Und halb wie Leichenfackelstrahl;

 

Und fern noch in der Trennung Wehe

Mir leuchte sie, wenn ich verirrt

Am Rand des jähen Abgrunds stehe

Und alles um mich finster wird.

 

 

Lob des Leidens

 

O schmäht des Lebens Leiden nicht!

Seht ihr die Blätter, wenn sie sterben,

Sich in des Herbstes goldnem Licht

Nicht reicher als im Frühling färben?

Was gleicht der Blüte des Vergehns

Im Hauche des Oktoberwehns?

 

Krystallner als die klarste Flut

Erglänzt des Auges Thränenquelle,

 

Tief dunkler flammt die Abendglut

Als hoch am Tag die Sonnenhelle,

Und keiner küßt so heißen Kuß,

Als wer für ewig scheiden muß.

 

 

Frühlingstag

 

Als winterlich umnachtet,

Erstarrt die Erde lag,

Wie hab' ich nicht geschmachtet

Nach dir, o Frühlingstag!

 

Ich dachte: Wenn im linden

Lenzhauch der Himmel blaut,

Dann wird mein Kummer schwinden,

So wie die Flocke taut.

 

Nun bist du da, Erflehter,

Mit Duft und Farb' und Klang!

Hoch aus dem blauen Aether

Ertönt der Lerche Sang!

 

Es lächeln deine Kinder,

Die Blüten, froh erwacht;

Doch trauernd, wie ein Blinder,

Steh' ich vor all der Pracht.

 

 

Nachklang

 

Nie ward ich, dir zu lauschen, müde,

Ich fühlte, wie in jedem Klang

Von deinem Mund ein heil'ger Friede

In meiner Seele Tiefen drang.

 

Nur deine Stimme unter allen

Erscholl so rein, als einte sie,

Was andre nur gebrochen lallen,

Zur wundvollen Harmonie

 

Nun sie verstummt zu ew'gem Schweigen,

Tönt mir wie Mißlaut jedes Wort,

Und wüst und wüster braust der Reigen

Des wilden Lebens um mich fort.

 

Nur selten hallt im Weltgedränge

Durch all der Stimmen wirren Chor

Ihr Echo noch, wie Harfenklänge

Im Winde sterbend, an mein Ohr.

 

 

Der Brief

 

Nichts ist mir von dir geblieben

Als der Brief, den du geschrieben,

Meines Lebens höchstes Gut;

Mag das Auge mir erblinden,

Tröstung kann ich einzig finden,

Wenn es auf dem Blatte ruht.

 

Dann erstehn mir sel'ge Stunden

Mit den Wonnen, die geschwunden,

Wieder aus der Totengruft;

Und um meine wehmuttrunkne

Seele hauchen lang versunkne

Lenze ihren Blütenduft.

 

Ueber mir im Abendwinde

Rauscht das Wipfellaub der Linde

So wie ehmals wiederum,

Als wir Arm in Arm gelegen

Und nur mit des Herzens Schlägen

Zwiesprach hielten, wonnestumm.

 

Und dann ist mir, auf dem Blatte

Ruhe neben mir dein Schatte

In dem blassen Dämmerlicht;

O, an ihm im langen, langen

Kusse soll mein Mund noch hangen,

Wenn im Tod mein Auge bricht.

 

 

Einst und jetzt

 

Nur eine von jenen Nächten,

Nur eine gebt mir zurück!

Wie klopfte mein Herz beim sinkenden Tag

Entgegen dem winkenden Glück!

Sobald Orion, der leuchtende, glomm

Am Saum der Cypressenschlucht,

Glitt leicht auf plätschernden Wellen

Mein Boot in die Uferbucht.

 

Hernieder streckte der Oelbaum

Die Aeste mir über die Flut;

Aufflatterte scheu bei meinem Nahn

Der Hänfling von seiner Brut,

Und rasch von Zweigen zu Zweigen empor

Klomm ich im dunkelnden Grün,

Bis wo der Balkon hellblinkend

Durchs Blätterdickicht schien.

 

Ein Licht, am Gitter flimmernd,

Ein rauschendes Nachtgewand,

Und eine winkende Hand,

Von Locken umwallt eine weiße Gestalt,

Und ein Augenpaar, so tief, so klar –

O, als ich es leuchten sah,

Bleich schien mit allen Sternen

Des Südens Himmel mir da.

 

Doch weh! was wollen die Bilder

Aus Tagen, die längst entflohn?

Verwelkt die Blüten des Frühlings nun,

Behäuft mit Schnee der Balkon!

Der Winter schüttelt vor meiner Thür

Die eisigen Locken im Wind

Und deutet höhnend auf Wonnen,

Die lange begraben sind.

 

 

Lieder der Trauer

 

1.

 

Wer bist du aus dem Reich der Schatten,

Der mit mir wallt durch grüne Matten

Und ihre Blüten welken heißt?

Der in dem Morgenglanz, dem roten,

Mich anstarrt mit dem Blick der Toten

Und mit den Sternen mich umkreist?

 

Im Lied, das teure Lippen singen,

Tönt mir das Rauschen deiner Schwingen,

Dein Flüstern hör' ich für und für;

Nachts legst du dich zu mir aufs Bette,

Und flieh' ich von der Lagerstätte,

So schleichst du mit mir durch die Thür.

 

Im Wald auf menschenleeren Wegen,

Verhüllter, trittst du mir entgegen

Und schreckst mich von der Ruhebank;

Im Freundekreis, beim Freudenmahle

Ziehst du vom Munde mir die Schale

Und tropfst mir Wermut in den Trank.

 

Mit Dünsten, wie mit gift'gem Taue,

Füllst du das Himmelsdach, das blaue,

Du mir den Lenz mit Leichenduft.

Und wenn ich nun zum Grabe wanke,

Sprich, finstrer Schatten, sprich, Gedanke,

Wie bann' ich dich von meiner Gruft?

 

 

2.

 

Noch hängen um des toten Tages Bahre

Die Wolkenfalten wie ein Trauerflor,

Doch mählich schwebt die Nacht, die heilig-klare,

Der Tag der Träumenden, empor.

 

Auf Meer und Erde senkt sie stille Feier

Und dämpft den letzten Ton, der sich noch regt;

Es wehn und wallen ihre Sternenschleier,

Von Himmelslüften sanft bewegt.

 

Nun klopft ein jedes Herz mit leiserm Schlage,

Der Jammer wird jetzt regungslos und mild,

Und still zur Andacht wandelt sich die Klage,

Noch eh' sie aus der Seele quillt.

 

Du aber, Ruheloser, dem sich bange

In Hoffnung und in Gram das Herz verzehrt,

Der ewig sucht mit ungestilltem Drange,

Was ihm die Erde nie gewährt:

 

Flieh du die Sommernacht, die sternbesäte,

Flieh, bis das tiefste Dunkel dich begräbt,

Damit kein Mißlaut sei in dem Gebete,

Das auf des Weltalls Lippen schwebt.

 

3.

 

Von dunklem Schleier umsponnen

Ist mir das Tageslicht;

Wohl steigen neue Sonnen –

Ich seh' sie nicht.

 

Mir schweift der Blick hinüber

In Weiten, dämmerfern;

Vom Himmel blinkt ein trüber

Einsamer Stern.

 

Ein Mädchen, bleich von Wangen,

Winkt mir von drüben zu:

»Ich bin vorangegangen;

Was zögerst du?«

 

 

4.

 

Dem Herzen ähnlich, wenn es lang

Umsonst nach einer Thräne rang,

Die seine Qual entbinde,

Sprengt nun die Erde, die erstarrt

Von Reif und Frost gebunden ward,

Die eis'ge Winterrinde.

 

Durch Wald und Feld, um Berg und See

Sprießt wuchernd auf ihr altes Weh

Und grünt in Zweig und Ranken

Und dunkelt in dem Himmelsblau

Und zittert in den Tropfen Tau,

Die an den Gräsern schwanken.

 

Nun, Gram um sie, die ich verlor,

Erstarrter, brich auch du hervor,

Um mit dem Strom zu fluten!

Im Blitz der Wolke sollst du glühn

Und mit den Nachtviolen blühn

Und in den Rosen bluten.

 

 

5.

 

Das singt und flötet in den Zweigen

Und zirpt und schmettert auf der Flur;

Zum Himmel mit den Lerchen steigen

Die Freudenrufe der Natur.

 

Ein Sausen geht, wie Jubelchöre,

Von Ast zu Ast, von Baum zu Baum;

Die düstre Tanne selbst, die Föhre

Erweckt es aus dem Wintertraum.

 

Hinunter jauchzt in alle Schluchten

Der stürzenden Gewässer Schwall;

Froh tönt am See von Bucht zu Buchten

Des Wogenschlages Wiederhall.

 

Doch Trost giebt mir der Stimmen keine

In all dem Jubel und Gesang,

Denn stumm für immer ist die eine,

Die süßer mir als alle klang.

 

 

6.

 

Schmerz, der keinen Namen kennt,

Aber allempfunden

Durch das Herz der Wesen brennt

In Myriaden Wunden;

 

Mächt'ger, welchem unbewußt

Schon die zarten Kleinen,

Saugend an der Mutter Brust,

Ihre Thränen weinen;

 

Den der Tag, der junge, haucht

In den Morgenwinden,

Und in den zurückgetaucht

Seine Strahlen schwinden;

 

Der in jedem Glockenschlag,

Wie mit eh'rnem Hammer,

Du das Herz, das schon zerbrach,

Brichst durch neuen Jammer:

 

O, wird ewig deine Macht,

Wird sie ewig währen

Und noch in der Grabesnacht

Unsern Schlummer stören?

 

7.

 

Nimm, Herr, von meiner Brust die Klammer,

Die auf ihr lastet, schwer wie Erz!

Allein kein Truggebild verhehle

Den blut'gen Riß in meiner Seele;

Nicht Tröstung such' ich in meinem Jammer;

Ich flehe nur um tiefern Schmerz.

 

Was soll die Täuschung mir, die kurze?

Was mir ein öder, armer Trost?

Nein, reiß mir tiefer auf die Wunden,

Damit mein Gram, der Haft entbunden

Hinflute gleich dem Wassersturze,

Der von dem Felsen niedertost!

 

 

8.

 

Auf den Feldern dumpfe Schwüle

Und verhüllter Sonnenbrand;

Durstend schmettert die Cikade,

Langsam nur mit trägem Rade

Wirft die wasserarme Mühle

Einzle Tropfen an den Strand.

 

Wetterschwere Lüfte brüten

Ueberm regungslosen See;

Tiefre Klagelaute schallen

Aus der Brust der Nachtigallen,

In den Kelchen, in den Blüten

Duftet ein geheimes Weh.

 

Fiebernd schmachtet, schlummertrunken,

Aber schlaflos doch, die Flur;

Unstet zucken Flammenblitze

Um der Wetterstangen Spitze;

In ihr finstres Selbst versunken

Liegt die träumende Natur.

 

Komm, Gewittersturm, entlade

Den verhaltnen Erdenschmerz;

Deinem Donner, deinem Regen

Lechzt, was Leben hat, entgegen;

Durstend schmettert die Cikade,

Aber durst'ger ist mein Herz!

 

 

9.

 

Die letzten Strahlen verglimmen,

Vom Heerrauch dunkelt das Moor,

Mir tönen bekannte Stimmen

Im Winde der Nacht ans Ohr.

 

Blasse, nebelnde Schatten

Kommen und schwinden zurück

Und schauen mich an mit dem matten,

Dem todesstarren Blick.

 

Sie sprechen von alten Tagen,

Von alter Lieb' und Lust

Und sinken mit Weinen und Klagen

Mir an die klopfende Brust.

 

Still, Herz; du hoffst vergebens,

Daß der Tod es zurück dir giebt,

Was in dämmernder Frühe des Lebens

Du einst gehabt und geliebt.

 

 

10.

 

Ihr sagt: »Um Freuden, die erstarben,

Warum dies jahrelange Leid?

Jedwede Wunde muß vernarben,

Und jeden Kummer stillt die Zeit.«

 

Nein! Scheucht, wenn ihr vermögt, den euern;

Doch treu bewahr' ich meinen Gram,

Der stets mir frisch das Bild der Teuern

Erhält, wie da ich Abschied nahm.

 

Süß ist die Trauer im Gemüte,

Die von vergangnen Wonnen spricht:

O raubt die Düfte nicht der Blüte,

Dem Herzen seinen Kummer nicht!

 

Mag ewig bluten meine Wunde,

Wenn, von dem Schmerze neu belebt,

Nur die Erinnrung jeder Stunde,

In der sie mein war, mich umschwebt.

 

 

Bekannte Sterne

 

Da steigen sie strahlend empor aufs neue,

Die altbekannten Sterne, Licht an Licht,

Und grüßen aus der nächtlich-dunklen Bläue

Nach mir mit Freundesangesicht.

 

Du dort, der leuchtend durch die Pappelreihen

Vor meines Vaters Haus mir schien, Arktur,

Dem ich, mein Leben hohem Ziel zu weihen,

In kühnem Seelendrange schwur;

 

Orion du, bei dessen keuschem Strahle

Zuerst an der Geliebten Brust ich sank

Und von den Lippen ihr zum erstenmale

Den warmen Lebensodem trank;

 

Und du, die halbgehüllt in Nebelschleier

Du dort gezogen kommst, so wie du kamst,

Als du, o Vega, Trägerin der Leier,

Des Jünglings erstes Lied vernahmst:

 

Ja, alle seid ihr es, geliebte Bilder,

An denen zitternd oft mein Auge hing,

Bevor des Himmels mildes Licht in wilder

Gewitternacht mir unterging.

 

Die Wonnen saht ihr, welche mein einst waren;

Saht, wie ich litt und kämpfte und verlor –

Ihr aber zogt seitdem, ihr immerklaren,

Die ew'gen Bahnen wie zuvor.

 

Noch strahlt im Glanze, den ihr damals hattet,

Ihr Nacht für Nacht am Dach, das droben blaut;

Doch in dem Grame, der mein Aug' umschattet,

Hab' ich euch lange nicht geschaut.

 

 

Herbstgefühl

 

Wie wenn im frost'gen Luftzug tödlich

Des Sommers letzte Blüte krankt,

Und hie und da nur, gelb und rötlich,

Ein einzles Blatt im Windhauch schwankt:

 

So schauert über meinem Leben

Ein nächtlich trüber, kalter Tag;

Warum noch vor dem Tode beben,

O Herz, mit deinem ew'gen Schlag?

 

Sieh rings entblättert das Gestäude!

Was spielst du, wie der Wind am Strauch,

Noch mit der letzten, welken Freude?

Gieb dich zur Ruh! Bald stirbt sie auch.

 

 

Aus der Heimat

 

1.

 

Laß still die Thräne rinnen

Auf deinen Heimatherd!

Genesest du nicht innen,

Was ist das Außen wert?

 

Vergebens in die Weite

Späht hoffend dein Gesicht;

Dein düsteres Geleite,

Die Trauer, läßt dich nicht.

 

Ob Länder auch und Meere

Die Ferne dir enthüllt:

In deiner Brust die Leere

Wird nimmer ausgefüllt.

 

Durch alle Zonen flüchte,

Durchschweife jede Flur:

Du siehst verdorrte Früchte

Und welke Blüten nur.

 

Ein Nebeldunst, ein gelber,

Umhüllt das Himmelszelt,

Und finster, wie du selber,

Ist um dich her die Welt.

 

 

2.

 

Wie öd' und ausgestorben alles!

Und dennoch tönt aus jedem Gang

Ein Flüstern mir, ein leises Regen,

Das mich mit Schauer füllt, entgegen;

Ein Echo gleitet matten Schalles

Geheimnisvoll die Wand entlang.

 

Oft flieht mein Schlaf in nächt'gen Stunden,

Wenn im Kamin das Heimchen zirpt;

Die Wanduhr, die seit Jahren stumme,

Beginnt von neuem ihr Gesumme,

Als ob sie zählte die Sekunden

Am Bett des Kranken, eh' er stirbt.

 

Dann rauscht es in den Vorhangfalten;

Auf allen Treppen wird es laut;

Ich höre Rufe, wehgebrochen,

Und an den Thüren schallt ein Pochen,

Ein Schimmer gleitet durch die Spalten,

Vor welchem meiner Seele graut.

 

Bewegen seh' ich sich die Klinken

Von Händedrücken, mir bekannt;

Ich öffne, und im matten Lichte

Schaun mit gebleichtem Angesichte

Mich Schattenbilder an und winken

Zurück mir mit der weißen Hand.

 

Hinweg! hinweg! Von allen Seiten

Starrt Schrecken hier auf mich herab!

In diesem Haus erstarb das Leben;

Doch irrend noch zur Nachtzeit schweben

Die Geister der vergangnen Zeiten

Um meiner Jugendfreuden Grab.

 

 

3.

 

Wald, der oftmals mein Gelächter

In der Freunde Kreis vernahm,

Zeuge meiner frohen Träume!

Düster schütteln deine Bäume

Nun ihr Haupt, wie Totenwächter,

Ueber mir und meinem Gram!

 

Lust'ge Bücher, einst gelesen

In der alten muntern Zeit,

Wag' ich nun, euch aufzuschlagen;

Ach! nur von vergangnen Tagen,

Nur von dem, was ich gewesen,

Sprecht ihr mir in dumpfem Leid!

 

Saal, wo wir uns einst versammelt,

Oede stehst du nun und leer!

Nie mehr fliegt in heitrer Stunde

Das Gespräch von Mund zu Munde,

Und nur eine Stimme stammelt

Schluchzend: Nimmer-, nimmermehr!

 

 

4.

 

Ein kalter, grauer Nebel hing

In Falten nieder auf das Thal,

Als wieder ich zum erstenmal

Den Weg zur Waldkapelle ging.

 

Ich suchte den bekannten Pfad,

Den, wenn die Glocke feiervoll

Zum Frühgebete rufend scholl,

Der Knabe Tag für Tag betrat.

 

Doch nun war seine Spur verwischt,

Von Nesseln ward mein Fuß gehemmt;

Die Erde selber schien mir fremd,

Mit vieler Herbste Laub gemischt.

 

Dem Wandrer gleich, der unbekannt

An unwirtbaren Küsten irrt,

So stand ich zweifelnd und verwirrt,

Ein Fremdling in dem eignen Land.

 

Stets matter glomm das Tageslicht,

Verloren scholl ein Glockenklang;

Ich irrte viel, ich suchte lang,

Doch die Kapelle fand ich nicht.

 

5.

 

Hier ist es, wo ich als Kind gestreift

Und die Beere gepflückt, die am Abhang reift;

Still war's, wie jetzt im Laube;

Fernher nur hört' ich durch Rankengeflecht

Die Schläge der Axt und den pickenden Specht

Und das Girren der wilden Taube.

 

O Träume, schön wie Märchen der Feen,

Umschwebten mich dort, wenn beim Abendwehn

Ich ruht' am Felsenhange;

Und vor mir lag, wie im Traum ich's sah,

Voll goldener Schlösser das Leben da –

So lange das her, so lange!

 

Aus der Welt da draußen nun kehr' ich zurück;

Wie Märchen alles dahin: das Glück

Und Hoffen und Lieb' und Glaube!

Im Walde lieg' ich, wie einst ich lag,

Und höre von ferne der Aexte Schlag

Und das Girren der wilden Taube.

 

 

6.

 

Sie sind es, ja! im Wasserfall

Vernehm' ich ihrer Stimmen Schall

Und in den Murmelquellen;

Sie rufen mich im Abendwind,

Mich ihnen, so wie einst als Kind,

Beim Mondlicht zu gesellen.

 

So fern, ihr Geister, jene Zeit,

Als ich in Waldeseinsamkeit

Euch meine Brüder nannte,

Und euer Blick, so sanft, so mild,

Wie Schein, der aus den Sternen quillt,

Das Herz an euch mir bannte!

 

Als wir umhergeschweift am See,

Wo auf dem Lager sich das Reh,

Von Waldlust träumend, regte,

Indes der nächt'ge Schmetterling,

Der an der Weißdornblüte hing,

Die Schwingen sanft bewegte!

 

O nie ward in der Menschenwelt,

Die ihrer Schwüre keinen hält,

So wie bei euch mir Friede!

Nehmt neu mich auf in euern Kreis,

Und küßt den Lebenstraum mir leis

Hinweg vom Augenlide!

 

 

Im Walde

 

Da lieg' ich wie einst im Tannenwald

Auf dem Lager von Moos und Blättern;

Der Wipfel mir überm Haupte schallt

Von des Eichhorns mutigem Klettern.

 

In den Winden, wie sie von Ort zu Ort

Den Schatten der Aeste jagen,

Tönt mir im flüsternden Laub manch Wort,

Wie ein Ruf aus verschollenen Tagen.

 

Und ich fühl' in der Seele tief, o tief,

Ein Atemholen, ein Regen,

Als wollte die Jugend, die längst entschlief,

Erwachend die Wimpern bewegen.

 

Sie richten sich auf, sie steigen empor,

Die Geister, lange begraben,

Und raunen mir süße Laute ins Ohr;

Sie wollen mich wieder haben.

 

Fort! fort! Ihr findet den Alten nicht mehr,

Der einst hier lag in den Tannen!

Ein Windstoß braust durch die Wipfel daher

Und trägt die Stimmen von dannen.

 

Im Grase

 

Um mich schwärmender Bienen Gesumm;

Fernher Singen von Schnittern;

Sommerlüfte, die heiß ringsum

Ueber der Wiese zittern!

 

Hoch aus dunkelndem Himmelsblau,

Drin die Wolken verschwimmen,

Quillt es und rinnt hernieder wie Tau,

Säuselt wie liebe Stimmen,

 

Gaukelt und lacht mir hinweg das Leid,

Hebt die Erdengewichte,

Bis die Seele, gelöst, befreit,

Schwärmt in dem himmlischen Lichte.

 

 

Nur Mut

 

Laß das Zagen! Trage mutig

Deine Sorgen, deine Qual!

Sei die Wunde noch so blutig,

Heilen wird sie doch einmal.

 

Unter tiefer Eisesdecke

Träumt die junge Knospe schon,

Daß der Frühling sie erwecke

Mit der Lieder holdem Ton.

 

Nur empor den Blick gewendet,

Und durch düstres Wolkengrau

Bricht zuletzt, daß es dich blendet,

Glorreich noch des Himmels Blau!

 

Aber auch die trüben Stunden

Und die Thränen, die du weinst,

Glaub, wie Freuden, die entschwunden,

Süß erscheinen sie dir einst.

 

Und mit Wehmut, halb nur heiter,

Scheidest du für immerdar

Von dem Leiden, dem Begleiter,

Der so lange treu dir war.

 

Der Augenblick

 

Nun Nacht um mich! Entschwunden im Flug

Der leuchtende Augenblick,

Der Seligkeit im Schoße mir trug,

Nie, nie mehr kehrt er zurück.

 

Durch dunkelnde Wolken plötzlich quoll

Aus innerstem Himmel ein Schein;

Ich starrte entzückt und wonnevoll

In die strahlende Glorie hinein.

 

Sie, sie stand vor mir, doch sah ich sie kaum,

So war sie von Glanz umwallt;

Hernieder beugte vom Wolkensaum

Zu mir sich die Engelgestalt.

 

Mich hätt' ein Wort zum Gotte gemacht,

Wenn ich haschte den Augenblick;

Doch er rauschte vorüber, mit ihm in Nacht

Schwand alles wieder zurück.

 

Nun send' ich ihm nach das gestammelte Wort,

Verlorener, der ich bin!

Die Tage rollen, die Jahre fort,

Doch er ist dahin, dahin!

 

Die Zeichen

 

O Mädchen, durch all dein Lachen und Singen

Vernehm' ich ein leises Seufzen oft;

Hoch klopft dir das Herz, als wollt' es zerspringen,

Von dem, was es fürchtet und träumt und hofft.

 

Wie Wolken über die blühenden Matten,

Wie über wogende Saaten der Wind,

So ziehen rastlos Gedankenschatten

Ueber dein lächelndes Antlitz, Kind!

 

Die Lippen im wachenden Traume bewegst du,

Es ist, als pflögst du mit Geistern Gespräch;

Dann plötzlich die Augen zu Boden schlägst du,

Und hocherrötend eilst du hinweg.

 

Wohl hab' ich die Zeichen erkannt; verhehle,

Thörichtes Mädchen, es länger nicht!

Dir flackert im Hauche der Liebe die Seele,

Wie im Odem der Nacht ein Licht.

 

 

Neues Leben

 

Heil, goldener Morgen! Erschließ mir das Thor

Des neuen Lebenstages!

Noch nie begrüßt' ich dein Licht zuvor

So freudigen Herzenschlages.

 

Wir haben geatmet Mund an Mund,

Uns Aug' in Auge gespiegelt,

Indessen die Lippen den großen Bund

Im heiligen Kuß besiegelt.

 

Mein darf ich, mein für Leben und Tod,

Für hier und drüben sie heißen;

Und ob die ganze Welt uns bedroht,

Wer will auseinander uns reißen?

 

Nun komme, was will, von Kampf und Leid;

Stark bin ich in Lieb' und Glauben;

Ich trag' im Herzen die Seligkeit;

Kein Gott mehr kann sie mir rauben.

 

 

Süßes Geheimnis

 

Glaub nicht, daß ich dem lauten Tage

Verrate, was du mir vertraust,

Wenn mir vorbei mit flücht'gem Schritte

Du wandelst in der Deinen Mitte

Und mit dem Blick, halb kühn, halb zage,

Verheißend mir ins Antlitz schaust.

 

Berauscht vom Zauber deiner Nähe

Dann seh' ich lang dir staunend nach,

Und mählich erst, indem ich sinne,

Werd' ich des eignen Glückes inne,

Wenn ich die Rede ganz verstehe,

Die stumme, die dein Auge sprach.

 

Die Abendschatten werden trüber,

Längst in die Ferne schwandest du;

Und, wie den Tropfen Tau die Blume

Birgt in des Kelches Heiligtume,

Schließt meine Seele still sich über

Dem duftenden Geheimnis zu.

 

 

Enthülltes Geheimnis

 

Von meinem Auge sank es wie ein Schleier,

Da ich zuerst dich fand. Mir war,

Als würd' im Tempel mir bei heil'ger Feier

Ein göttliches Geheimnis klar.

 

Und in die Seele kam mir tiefes Schweigen;

Mit Staunen, wie zum erstenmal,

Sah ich die hocherhabne Sonne steigen,

Des Mondes milden Dämmerstrahl.

 

Erst nun ist alles, alles mir erschlossen,

Die Stimmen all von Wald und Flur

Versteh' ich nun, das Welken und das Sprossen

Der ewig waltenden Natur.

 

Und was der Weisen Lehren nicht gelungen,

Nur durch der Liebe Zaubermacht,

Die feur'ger redet, als mit Engelzungen,

Hast du es, fast noch Kind, vollbracht.

 

 

Winternacht

 

Mit Regen und Sturmgebrause

Sei mir willkommen, Dezembermond,

Und führ mich den Weg zum traulichen Hause,

Wo meine geliebte Herrin wohnt!

 

Nie hab' ich die Blüte des Maien,

Den blauenden Himmel, den blitzenden Tau

So fröhlich gegrüßt wie heute dein Schneien,

Dein Nebelgebräu und Wolkengrau.

 

Denn durch das Flockengetriebe,

Schöner, als je der Lenz gelacht,

Leuchtet und blüht der Frühling der Liebe

Mir heimlich nun in der Winternacht.

 

 

Heimkehr

 

Leiser schwanken die Aeste;

Der Kahn fliegt uferwärts;

Heim kehrt die Taube zum Neste;

Zu dir kehrt heim mein Herz.

 

Genug am schimmernden Tage,

Wenn rings das Leben lärmt,

Mit irrem Flügelschlage

Ist es ins Weite geschwärmt.

 

Doch nun die Sonne geschieden