Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 37: Mörder oder Mönch?
Published by BEKKERpublishing, 2018.
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Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 37: Mörder und Mönch?
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Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 37: Mörder und Mönch?
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TOMOS FORREST
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ZYKLUS: DIE REBELLEN von Cornwall, Band 24
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IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author
© Titelbild: nach einem Motiv von N.C. Wyeth mit Steve Mayer, 2018
Mitwirkung: Ines Schweighöfer
Lektorat: Kerstin Peschel
Ceated by Thomas Ostwald, Alfred Bekker und Jörg Martin Munsonius
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Ein junger Priester kehrt in seine alte Heimat zurück und wird nur von seinem greisen Lehrmeister erkannt, was diesem jedoch zum Verhängnis wird. Darauf folgt ein Feldzug von unsagbar grausamer Gewalt und Rache, der seines Gleichen sucht. Der Tag seiner Abrechnung ist endlich gekommen.
Sir Morgan of Launceston, der Löwenritter, gerät auf seiner Reise an die Küste, wo er sich mit seinem Gefährten Sir Baldwin, dem Roten Jäger, treffen will, in einen Hinterhalt und wird auf eine ihm unbekannte Burg verschleppt, wo er eine Überraschung mit weitreichenden Folgen erlebt. Und auch das Leben ihres großen Widersachers Sir Struan of Rosenannon, dem Sheriff of Cornwall, ändert sich von einem Moment auf den anderen. Die Konsequenzen sind nicht einmal im Ansatz zu erahnen ...
***
Ob der Ort einst von den Römern oder von den Sachsen gegründet wurde, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Die wunderschöne Kirche jedenfalls stammte aus normannischer Zeit, und dorthin war der groß gewachsene, breitschultrige Mann unterwegs. Er verschwendete keinen Gedanken an Römer oder Sachsen, als er das kleine Dorf Pawlett, vier Meilen nördlich von Bridgwater, betrat. Zielstrebig ging er auf der Straße direkt auf die Kirche zu, und verwunderte Blicke folgten dem Hünen, der ein bodenlanges Gewand, ähnlich dem Habit der Mönche, trug und die Kapuze so über den Kopf gezogen hatte, dass nur seine langen, schwarzen Haare an den Seiten sowie der dichte, krause Bart zu sehen waren. Der Mann wirkte wie ein Riese aus einem der alten Märchen, die den Kindern in der dunklen Jahreszeit erzählt wurden, um sie davon abzuhalten, allein in den nahe gelegenen Wald zu laufen, um dort zu spielen.
Zwar wirkte sein Äußeres wie das eines Wandermönches, wozu auch der kräftige Knüppel passte, den er wie eine Lanze trug und nur gelegentlich damit heftig auf den Boden schlug. Aber spätestens ein Blick in sein Gesicht hätte diesen Eindruck Lügen gestraft. Unter dicken, schwarzen Brauen funkelte ein Augenpaar so wild und durchdringend denjenigen an, der keck genug war, einen Blick unter die Kapuze zu werfen. Tatsächlich geschah das auch nur sehr selten, aber diejenigen, die es sich trauten, bekreuzigten sich anschließend und murmelten ein Vaterunser, denn bei diesem Blick schien ihnen das Blut in den Adern zu gefrieren.
Seltsam war beim Erscheinen des Fremden auch, dass alle Hunde schwiegen, die doch sonst jeden laut und ausdauernd mit ihrem Gekläffe begleiteten. Sie waren verschwunden, als er seinen Fuß in den Ort setzte, und ließen sich während seiner Anwesenheit auch nicht mehr blicken.
Der Mann richtete sich vor dem Kirchenbau hoch auf, als wollte er seine Körpergröße mit der des Kirchturms messen. Ein paar Männer, die gerade von ihrer Feldarbeit ins Dorf zurückkehrten, die Hacken auf der Schulter, blieben staunend stehen und beobachteten den Fremden vor dem kantigen Kirchenturm, den er kritisch zu mustern schien. Erst als der Mann die Kirche betrat und sich dabei leicht bücken musste, weil die Tür viel zu niedrig war, flüsterten sie sich einige Bemerkungen über ihn zu. Doch sie zögerten nicht länger, sondern gingen mit eiligen Schritten ihren Häusern entgegen, als wollten sie die Rückkehr dieses Hünen unter keinen Umständen erleben.
Der Mann betrat den Kirchenraum und schob dabei seine Kapuze in den Nacken. Etwas Weihwasser entnahm er der Schale am Eingang und zeichnete sich mit raschen, geübten Bewegungen damit ein Kreuz auf die Stirn. Seine Augen hatten sich rasch an das herrschende Dämmerlicht gewöhnt, aber noch blieb er im Eingangsbereich stehen, atmete die vom Weihrauch getränkte Luft mehrfach wie eine lang entbehrte Köstlichkeit tief ein, dann erst schritt er zum Altar, fiel davor auf die Knie, verhielt einen Moment in dieser Position und streckte sich schließlich lang auf dem Kirchenboden aus, die Hände wie am Kreuz weit von sich gestreckt. In dieser Position verblieb er lange und schien dabei zu beten.
Ein Beobachter hätte erstaunt bemerkt, wie glücklich sein Gesicht plötzlich aussah, und die sich leise bewegenden Lippen verstärkten den Eindruck eines in sich ruhenden Menschen, der endlich in der Heimat angekommen schien. Als jedoch die Tür zur Sakristei leise klappte, veränderte sich schlagartig dieses Gesicht und nahm wieder seinen vorherigen, grimmigen Ausdruck an. Zugleich war der Hüne federnd aufgesprungen und schien seine Faust um den Wanderknüppel zu ballen. Leise Schritte näherten sich, und dann bog eine schwarz gekleidete, sehr stark gebeugte Gestalt um eine Säule, die beim Erblicken des Hünen kurz zögerte.
„Laudetur Jesus Christus – gelobt sei Jesus Christus“, kam dann der Gruß des Eintretenden in dünner, sehr brüchig klingender Stimme.
„In aeternum. Amen – In Ewigkeit. Amen“, kam es zurück.
„Was hat dich nach Pawlett geführt, mein Freund?“, erkundigte sich der alte Priester und schlurfte mühsam zum Altar hinüber, um die einzige Kerze zu entzünden. Fast war es, als wäre seit dem Eintreten des Hünen das dämmrige Licht in der Kirche noch um einige Nuancen schwächer geworden. Umständlich kramte der alte Mann nach den Feuersteinen und einem Stahl, dann schlug er mehrfach beides aneinander, ohne Erfolg.
Der Fremde nahm ihm schweigend beides aus der Hand, schlug Feuer, ließ den Funken auf etwas Zunder aus einem getrockneten Pilz fallen, den er aus seinem Habit hervorgeholt hatte, blies darauf und entzündete endlich die Kerze. Bei seinen routiniert wirkenden Bewegungen beobachtete ihn der alte Priester, und plötzlich durchzuckte ihn die Erkenntnis.
Im Licht der neu entzündeten Kerze hatte er den Blick auf das Gesicht des schwarzhaarigen Hünen gerichtet, und nun flüsterte er leise:
„Manius? Bist du das?“
Der Fremde schwieg und bemühte sich, den Priester nicht anzusehen.
„Manius, sag etwas! Nach all diesen Jahren! Wie ist es möglich? Alle haben dich hier vermisst, und es hieß, du wärst mit König Richard und den Kreuzfahrern nach Jerusalem gezogen und wolltest dort ...“
Der Fremde wandte sich langsam zu dem alten Priester, dessen magere Gestalt sich so sehr dem Boden zuneigte, dass er den Kopf schief halten musste, um zu dem Mann aufzusehen.
„Schade, Pater, dass Ihr mich erkannt habt. Ich war mir so sicher, dass sich niemand mehr an mich erinnern würde! Ich komme direkt aus Salisbury und habe den langen Weg auf mich genommen, weil ich meine Vergangenheit sehen wollte.“
Die Stimme des Fremden war fast nur ein Hauch in dem Kirchenraum, aber der alte Mann verstand sie gut.
„Manius, du bist es wirklich! Das freut mein altes Herz! Du erinnerst dich an deinen alten Lehrer Roderick, nicht wahr? Manius, ich bin so glücklich, dich noch einmal zu sehen! Komm in meine Arme, ich muss dich fühlen und hautnah spüren!“
Der Hüne schien zu zögern, wollte sich schon zum Gehen wenden, als ihm der alte Priester eine knöcherne Hand auf die Schulter legte.
„Was ist mit dir, Manius? Um der alten Zeiten willen, umarme mich und sei willkommen! Ich bin alt, aber mein Gehör ist noch sehr gut! Wenn ich auch deine Gestalt nur schemenhaft sehe, so erkenne ich doch deine Stimme! Und wie wohl mir das tut, Manius! Endlich bist zu zurückgekehrt! Zurück nach Hause!“
Der alte Priester breitete seine Arme aus, und zögernd erwiderte Manius diese Geste, spürte den alten, gebeugten und ausgemergelten Körper dicht an seinem. Einen kurzen Moment spürte er sogar durch seinen Habit das klopfende Herz des alten Priesters. Dann wanderten seine Hände an dem gebogenen Rücken hinauf bis zum Hals. Gleich darauf gab es in der eingetretenen Stille einen seltsamen, trockenen Knacklaut.
Pater Roderick sank in sich zusammen, aber Manius hielt ihn in den Armen, sodass er nicht auf den Boden rutschen konnte. Ein scheuer Blick des Hünen zum Eingang, dann nahm er den zerbrechlichen Körper des Alten auf und trug ihn behutsam in die Sakristei. Mit dem Fuß drückte er die Tür hinter sich zu und ging hinüber in die sich anschließende Behausung des Priesters.
In ihrer Nüchternheit erinnerte die Wohnung eher an eine Klosterzelle. Es gab nur ein einfaches Bett, einen kleinen Tisch und einen Schemel davor. Ein dunkles Habit hing an einem Holzhaken an der Wand, eine Tonschüssel mit Wasser stand auf dem Tisch zum Waschen.
Der Hüne legte den alten Priester so behutsam auf dessen Bett, als fürchte er, dass der Alte jeden Moment wieder erwachen würde. Einen Augenblick stand er vor ihm und betrachtete ihn mit unbewegter Miene, danach ging er hinüber zur Sakristei, drehte den großen Schlüssel in der Tür herum und kehrte in die Wohnung des Priesters zurück. Die Dämmerung hatte eingesetzt und warf ein diffuses Licht in den Raum, und die Strahlen der untergehenden Sonne malten bunte Kringel an die niedrige Zimmerdecke.
Manius ging zu dem winzigen Fenster, öffnete es und zog den Holzladen heran, um ihn von innen zu verriegeln. Danach schloss er das Fenster wieder, zog sich seinen Habit über den Kopf und begann damit, seinen kräftigen, muskulösen Oberkörper mit kreisenden Bewegungen zu waschen. Das Wasser aus der Schale ging dabei vollkommen drauf, lief an dem seltsamen Fremden herunter und bildete auf dem Fußboden kleine Lachen. Manius kümmerte sich nicht darum, nahm die auf der Bettstelle zusammengerollte Decke auf, wickelte sich hinein und legte sich vor dem Bett des Priesters auf den Fußboden.
Bereits nach sehr kurzer Zeit zeugten seine tiefen Atemzüge von seinem tiefen Schlaf. Wohl selten hatte ein Mörder friedlicher direkt neben seinem Opfer geschlafen. Erneut zeigte sein Gesicht anstelle des grimmigen Ausdruckes ein entspanntes Lächeln. Manius schien sich seiner Tat mit keinem Atemzug bewusst zu sein.
Acair schob den geleerten Teller mit einem zufriedenen Seufzer etwas von sich weg und lächelte seine Frau an. Calum lächelte zurück, dann stand sie auf und ging hinüber zur Feuerstelle.
„Etwas von dem frischen Brot, Acair?“, erkundigte sie sich und drehte sich lächelnd zu ihrem Mann um. Das Lächeln verschwand schlagartig, als ein riesiger Schatten auf sie fiel. Sie zuckte zusammen, als der Mann einen Schritt durch die Tür machte und nun unmittelbar vor dem kleinen Holztisch stehen blieb, auf dem noch die Reste ihrer Mahlzeit standen.
Der Fremde schien den gesamten Raum auszufüllen, und das lag nicht nur an seiner ungewöhnlichen Körpergröße. Etwas, das eine unglaublich starke Präsenz bildete und die anderen Menschen förmlich von ihm zurückweichen ließ, ging von ihm aus.
„Dydh da – guten Tag!“, grüßte der Fremde in cornischer Sprache und fast grollend klingendem Tonfall.
„Dydh da! Fatla genes? – Guten Tag! Wie geht es dir?“, antwortete die Frau mit kaum hörbarer Stimme.
Der Hüne zog ihren niedrigen Hocker, den sie gerade verlassen hatte, mit dem Fuß zu sich heran, lehnte seinen gewaltigen Holzknüppel gegen den Tisch und setzte sich.
„Yn poynt da, meur ras – na gut, danke schön!“, lautete die Antwort des Fremden , und die beiden Hausbewohner wagten kaum, sich zu rühren, als ihr unheimlicher Gast die irdene Schüssel mit dem Gerstenbrei zu sich heranzog, mit dem Zeigefinger hineinfuhr und ihn dann anschließend genüsslich ableckte.
„Ja, ich wünsche guten Appetit!“, ließ sich Acair schließlich vernehmen. Seine Stimme war auf seltsame Weise heiser geworden. Zögernd erhob er sich und warf seiner Frau einen Blick zu. „Du bist uns natürlich willkommen, Mönch, iss und trink so viel du willst. Wir müssen aber zu unserer Arbeit zurück. Calum, kümmerst du dich bitte noch um unsere Kuh, bevor du auf das Feld kommst? Ich denke aber, das Kalb wird nicht vor morgen geboren werden.“
Die beiden verständigten sich über Augenkontakt und gingen fast gleichzeitig los. Calum machte ein paar vorsichtige Schritte vom Herd am Tisch mit dem Fremden vorüber zur Tür, ihr Mann versuchte es gleichzeitig auf der anderen Seite. Doch kaum hatten sie den Tisch passiert, fuhren die Arme des riesigen Mönches aus und krallten sich um ihre Handgelenke. Gleichzeitig zog er die beiden Verblüfften zu sich heran.
„Ihr bleibt hier!“, sagte er leise, aber mit drohendem Unterton. „Wir sind noch nicht fertig miteinander.“
„Lass uns los, wir müssen unsere Arbeit erledigen! Du kannst hier in Ruhe essen, wir haben noch nie einen Fremden abgewiesen!“, antwortete Acair ihm trotzig.
Doch der Griff lockerte sich nicht, als der Fremde nun seine unheimlich glühenden Augen auf den Bauern richtete.
„Ihr geht heute nirgendwo mehr hin, Acair, hast du mich verstanden?“
„Du kennst meinen Namen? Wer bist du?“
Der Mönch löste den Griff um sein Handgelenk, schlug die Kapuze zurück und starrte sein Gegenüber finster an.
„Habe ich mich so verändert, Acair, in den wenigen Jahren meiner Abwesenheit? Oder blendet dich deine Schuld, und du hast alles längst vergessen und verdrängt?“
Der Mann machte unwillkürlich einen Schritt zurück und starrte den Mönch mit angstvoll aufgerissenen Augen an. Langsam kam die Erinnerung zurück. Unwillkürlich fuhr seine Hand zu dem kleinen, dünnen Messer an seinem Gürtel, das er stets bei sich trug.
„Manius? Aber ... das ist doch ... unmöglich!“, stammelte er dabei.
„Warum? Hast du geglaubt, dass mich die Sarazenen töten würden? Es ist ihnen nicht gelungen, wie du siehst!“, antwortete der Fremde mit grollender Stimme.
Kaum hatte er ausgesprochen, als Acair einen Schrei ausstieß, sein Messer zog und damit auf Manius zusprang. Dessen Reaktion kam jedoch so schnell und hart, dass Calum noch nicht einmal sagen konnte, was eigentlich genau passiert war. Jedenfalls flog ihr Mann plötzlich nach hinten, schlug mit dem Körper gegen die Rückwand ihres Hauses und rutschte daran herunter, um dann regungslos und zusammengesunken dort halb aufgerichtet liegen zu bleiben.