Die Raumflotte von Axarabor #25: Planet in Fesseln
Axarabor, Volume 25
Published by Uksak Sonder-Edition, 2018.
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Planet in Fesseln
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Further Reading: 30 Sternenkrieger Romane - Das 3440 Seiten Science Fiction Action Paket: Chronik der Sternenkrieger
Also By Conrad Shepherd
About the Publisher
Die Raumflotte von Axarabor - Band 25
von Conrad Shepherd
Ein brandneuer Roman des Science Fiction Altmeisters!
Der Umfang dieses Buchs entspricht 101 Taschenbuchseiten.
Zehntausend Jahre sind seit den ersten Schritten der Menschheit ins All vergangen. In vielen aufeinanderfolgenden Expansionswellen haben die Menschen den Kosmos besiedelt. Die Erde ist inzwischen nichts weiter als eine Legende. Die neue Hauptwelt der Menschheit ist Axarabor, das Zentrum eines ausgedehnten Sternenreichs und Sitz der Regierung des Gewählten Hochadmirals. Aber von vielen Siedlern und Raumfahrern vergangener Expansionswellen hat man nie wieder etwas gehört. Sie sind in der Unendlichkeit der Raumzeit verschollen. Manche errichteten eigene Zivilisationen, andere gerieten unter die Herrschaft von Aliens oder strandeten im Nichts. Die Raumflotte von Axarabor hat die Aufgabe, diese versprengten Zweige der menschlichen Zivilisation zu finden – und die Menschheit vor den tödlichen Bedrohungen zu schützen, auf die die Verschollenen gestoßen sind.
Aus einem der Waffenschächte löste sich eine Drohne mit einer superstarken Sprengladung, schlug oberhalb des Ausgangs der Kaverne in den Berg und drang auf Grund ihrer Machart tief ins Gestein ein. Als sie explodierte, löste sie einen gewaltigen Erdrutsch aus.
Tausende Tonnen von Felsgestein glitten herab und begruben Komas Reich unter sich. Der Donner der bewegten Erd- und Steinmassen rollte wie ein endzeitliches Gewitter über den Planeten und schien nicht enden zu wollen ...
Forschungsraumer PENDORA hat den Auftrag, in einem Planetensystem vor den Badlands nach dem Verbleib einer terranischen Kolonie zu forschen – und die Besatzung gerät in den Bann eines übermächtigen mechanischen Spielers ...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author /Titelbild 3000AD 123rf Steve Mayer
© Serienidee Alfred Bekker und Marten Munsonius
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Über die Wüste tanzten Staubteufel, wirbelten empor, zerfaserten in den Inversionsschichten und verloren sich im Glast des Firmaments. Es war heiß; Felsen und Sand schienen unter den Strahlen der Sonne zu verbrennen.
Nirgendwo gab es Wasser in größeren Mengen. Nirgends Schatten.
Weit und breit schien kein Leben vorhanden zu ein – und dennoch existierte es ...
Unmerklich bewegte sich die Regra. Dreiundzwanzig Teile des Organismus streckten sich, die dreiundzwanzig Pseudopodien der anderen Körperseite bogen sich um wenige Millimeter nach oben. Ein dichter Flor von graugrünen und gelblichen Härchen bedeckten die wie Tentakel wirkenden Scheinfüße. Lediglich der Körperknoten in der Mitte war schwarz. Er absorbierte die Hitze, durch deren Wirkung der Turgor, der Gefäßdruck in dieser „lebenden“ Pflanze, erhöht wurde und ihr so das „Laufen“ ermöglichte.
Vor langer Zeit war bei bestimmten Pflanzengruppen auf dieser Welt ein Evolutionsschub eingetreten. Diejenigen, die nicht verkümmerten oder ausstarben, waren mobil geworden. Sie hatten die Fähigkeit erworben, sich von der Stelle zu bewegen.
Die Regra gehörte dieser Gruppe an.
An einem Platz, der ihr gerade bis zum ersten Reifen Lebensmöglichkeiten geboten hatte, war sie aufgewachsen. Nachdem ihr Wachstum die im Boden vorhandenen Ressourcen aufgebraucht hatte, machte sie sich auf den langen, gefahrvollen Weg, um zu überleben. Zu überleben an einem Ort, von dem ihr die feinen Sinneshärchen sagten, dass er feucht, nährstoffreich und schattig war.
Er lag in Richtung des periodischen Lichtaufganges.
Warum das so war, blieb der Regra verborgen. Sie besaß weder Intelligenz noch ein genetisch verankertes Erinnerungsvermögen, sondern war nur getrieben vom nackten Hunger nach Leben und den phototropischen und hydrotropischen Reaktionen in ihr, die sie zum Wandern veranlassten.
Sie ging auf die Stelle zu, wo das Licht am Himmel verschwand, um nach der kalten Nacht wieder aufzutauchen.
Langsam streckten sich die Gliedmaßen, langsam zogen sie sich wieder zusammen. Die Pflanze wanderte nur einige Handbreit in einem Zeitintervall, über dessen Dauer sie keine Vorstellung hatte. Vielleicht verdorrte sie, bevor sie die Barriere überwunden hatte, die den ausgedehnten Wüstengürtel gegen die nördlichen Kontinente abschottete. Aber vielleicht schaffte sie es, eine der winzigen Oasen in einer der sporadischen Bodensenken zu erreichen, ehe sie letztendlich doch noch von der Sonne verbrannt wurde.
Gleich ihr waren noch andere Pflanzen auf diesem Weg. Einzelgänger wie sie, die nicht weniger ums Überleben kämpften. Es gab kaum eine intakte Flora in dieser Einöde, nur tief im Erdreich verborgene Samen, die vielleicht aufgehen würden, wenn ununterbrochen Regen fiel – und wenn es Humusboden gäbe. Beide Voraussetzungen waren zurzeit nicht gegeben. Nicht Intelligenz oder Verstand waren die Parameter, die sie zum Laufen anregten, sondern eine Art Verzweiflung der Natur, die so einige Arten der Flora das Überleben sichern wollte.
Der Sand unter den haarigen „Füßen“ der Regra glühte. Einige Büschel des Pelzes schoben sich zusammen und verhüllten die lichtempfindlichen Augenzellen, mit denen sie nicht wirklich „sehen“ konnte; ihre visuellen Rezeptoren waren lediglich auf das Erkennen von Licht und Dunkelheit begrenzt.
Sie wanderte weiter und weiter.
Ohne zu denken.
Ohne zu leiden.
Sie würde mit diesem hoffnungslosen Marsch erst aufhören, wenn alle Reaktionen in ihr zu Ende waren.
Als die Sonne auf ihrem Weg zum Zenit mehrere Handbreit über dem Horizont stand, hatte die Regra den Kamm einer gewaltigen Düne erreicht, die die Wüste von einer weit unten liegenden Landschaft trennte. Dort herrschte emsige Geschäftigkeit. Doch das konnte die Regra nicht sehen, ihre visuellen Rezeptoren konnten eine derartige Unterscheidung nicht treffen.
Die Düne senkte sich auf der windabgewandten Seite, und der Sand bewegte sich immer dann, wenn der Boden bebte oder ein Sturm aufkam, hundert Meter oder weiter bis auf die Bodenfläche des Kessels in die Tiefe, bis er gegen ein scheinbar unsichtbares Hindernis stieß und dort zur Ruhe kam.
Die Pflanze erstarrte plötzlich.
Einige Sekunden verhielt sie sich so, als sei sie eingefroren worden. Dann begann sie sich zu schütteln und wie im Fieber zu zittern. In einem sehr frühen Stadium ihres Wachstums hatte sie mit der Bodennahrung den Rost zerfallener Metallkonstruktionen aufgenommen, wie alle anderen der photosynthetisierenden Organismen der Arm- und Wurzelfüßerarten auch.
Die mikroskopisch kleinen Eisenoxydfragmente hatten sich in ihrem pflanzlichen Gewebe verteilt. Jetzt reagierten diese und richteten ihre magnetischen Pole nach der Metallmasse aus, die über ihr erschien und in der Luft verharrte.
Unter der Pflanze begann der Sand zu rutschen. Zuerst ein wenig, dann mehr und mehr. Schließlich setzte sich der Hang zur Gänze in Bewegung. Die Regra verlor jeglichen Halt und schlitterte die Düne hinunter, während der metallene Körper wie drohend noch immer über ihr hing.
Plötzlich erschütterten hohe, schnelle Schwingungen die Luft. Aus dem Talkessel erklang ein kreischendes Heulen. Etwas Metallenes erhob sich auf einer Feuersäule, strebte nach oben und brachte die Tastempfindungen der eingelagerten Partikel in der Regra gänzlich durcheinander. Das Objekt über der Regra schwebte nach links. Das zweite Objekt kam von vorn aus dem Talkessel hoch, raste schnell heran, heulte immer infernalischer – dann verschmolzen die beiden Metallkörper.
Das Resultat dieser Verschmelzung war eine riesige Explosion.
Die Regra, deren sechsundvierzig Arme wild umherruderten, wurde von der Düne gefegt, rutschte den Hang hinunter, schoss in einer aufstiebenden Wolke über den Rand des Abbruchs und fiel das letzte Stück senkrecht hinunter. Ihre Eisenkern-Zellen beruhigten sich während des Falles; beide Eisenmassen existierten nicht mehr.
An ihrer Stelle gab es jetzt einen tiefen Krater im Dünenhang. Oval, an den Rändern tiefschwarz und in der Mitte glasig geschmolzen.
Die Regra schlug schwer am Fuß der rostroten Felsen auf. Sie war unversehrt. Sie setzte ihren Weg fort, kaum dass sich ihre sechsundvierzig Arme entwirrt hatten, die stammesgeschichtlich gesehen einmal Pfahlwurzeln gewesen waren.
Ihr war entgangen, dass sich während der Explosion aus dem aufblühenden Feuerorkan ein viel, viel kleinerer Metallkörper gelöst hatte und mit wahnwitzig hoher Geschwindigkeit im Glast des sonnendurchfluteten Himmels verschwand.
Die Explosion im Holokubus verblasste. Die Projektion zeigte noch eine Weile die Datensequenzen aus dem Speicher der Blackbox, die ihren Weg vom Ausgangspunkt bis nach Talon markierten, ehe auch diese verblassten; an ihre Stelle trat das Analogon von Axarabor.
Niemand sprach.
Man wartete wohl auf eine Äußerung des Kapitäns.
Colonel Enno Rykher war groß und breitschultrig. Die hohe Stirn und die ausgeprägten Züge ließen eine gewisse ironische Überlegenheit erkennen, als amüsiere sich dieser Mann über alles, was ihm begegnete. Eine typische Eigenart der Menschen; Rykher stammte in direkter Linie von Axarabor ab. Die Falten um Mund und Nase bestätigten auf dem zweiten Blick, dass dieser Mann von den Jahren des Dienstes und der Bürde der Verantwortung als ehemaliger Kommandant in der Raumflotte von Axarabor geprägt war. Ein Dienst, der ihm neben seinem Amt als Kapitän des Forschungsraumers PENDORA auch noch die Verantwortung als Sektionsleiter über einen ausgedehnten Bereich der von Axarabor verwalteten Galaxis aufbürdete. Es war ein Amt mit vielfältigen Aufgaben und großen Visionen. Visionen, die sich vor allem damit beschäftigten, die im Raum verstreuten früheren Auswandererströme Terras zu lokalisieren und sie dem Imperium einzugliedern.
Jetzt stieß Rykher geräuschvoll den Atem aus und sah die Anwesenden der Reihe nach an. Mit ihm waren noch sechs weitere Personen im Raum – seine Crew, beziehungsweise seine Brücken-Offiziere –, die die Aufzeichnungen der Minidrohne zum ersten Mal in voller Länge gesehen hatten. Ihre Gesichter zeigten die widersprüchlichsten Gefühle.
„Wie lange ist das jetzt her?“, fragte Rykher schließlich und lehnte sich zurück.
Sie befanden sich in einem der Konferenzräume des Verwaltungsgebäudes von Talon Port. Der Raumhafen war auch Stützpunkt des Forschungskreuzers PENDORA.
Talon war die vierte Welt eines Fünf-Planeten-Systems, gelegen auf halber Strecke zwischen Axarabor und dem Rand dessen, was als Randsysteme des Reiches betrachtet wurde.
Beim Blick aus dem Panoramafenster waren die Korvetten, Leichter und Shuttles auf dem Vorfeld zu sehen. Etwas weiter draußen stand die PENDORA auf ihren Nullgravpolstern.
„Fünfzehn Stunden, seit uns die Brieftaube mit den Aufzeichnungen erreichte.“ Die Antwort kam von Tore le Blanc, dem Zweiter Offizier und Navigator. Ein Mann mit einem gebräunten Gesicht, einem kräftigen Kinn und tiefblauen Augen unter einem Schopf schwarzer Haare, die er allerdings unter seinen Uniformmütze zu verbergen wusste.
Axaraborische Nachrichtendrohnen, die im Raumfahrerjargon als „Brieftauben“ firmierten, waren nichts anderes als kleine, automatische Aufzeichnungsdrohnen, vollgepackt mit Nanomodulen und versehen jeweils mit einem extrem miniaturisierten Hypertriebwerk, das nicht größer als eine menschliche Faust war. Kein noch so effektiver Detektor eines möglichen Feindes war in der Lage, eine Brieftaube abzufangen; ihre Transitionsschocks waren vernachlässigbar gering beziehungsweise nicht vorhanden. Ihre Masse war zu klein für eine normale Erfassung und die Geschwindigkeit zu hoch für eine optische Entdeckung. Aufgrund ihrer immens hohen Beschleunigung konnte sie bereits wenige Sekunden nach ihrem Start nicht mehr entdeckt und zerstört werden. Sie waren als Notfallversicherungen an Bord eines jeden Raumschiffes der axaraborischen Flotte, ebenso in den unbemannten, vollkommen autark operierenden Aufklärungsdrohnen, die vor allem in den äußeren Raumquadranten des Imperiums zugange waren und nach den verlorenen Schäfchen der Menschheit Ausschau hielten.
„Welche Drohne haben wir verloren?“
„Eine Alpha-Eins. Nummer J5GOB-883“, ließ der Navigator verlauten. „Sie patrouillierte sehr weit draußen vor den Badlands.“
Rykher nickte und vergegenwärtigte sich wieder einmal, wie fern sie sich hier auf Talon von jeglicher Zivilisation befanden. Die Dimensionen konnten einen zum Erschauern bringen und waren rational nur schwer nachzuvollziehen.
Einem Sternenreisenden, der die Milchstraße aus einer extrem hohen Warte betrachtete, bot sich das Bild einer annähernd diskusförmigen Sternenwolke, die an den Rändern zu Spiralarme zerfaserte. Sie hatte in der Ekliptik einen Durchmesser von nahezu hunderttausend Lichtjahren und im Zentrum senkrecht zur Ebene knapp sechzehntausend Lichtjahren. Dicht gepackt mit Milliarden von Sternen, Sonnen aller Größen – kosmische Leuchtfeuer, nach denen sich jegliche Art von Raumreisen richteten. An den äußeren Rändern dünnte sich das Sternenaufkommen mehr und mehr aus, bis hin zur Ödnis der Spiralarme.
Die nächstgelegene Galaxis – Andromeda – war nur ein diffuser Lichtfleck und vorläufig unerreichbar für den Forscherdrang.
Als sich le Blanc leicht räusperte, stoppte Rykhers Gedankenflug und kehrte in die Gegenwart zurück.
„Das ist wirklich weit draußen, Major“, stimmte er seiner Nummer Zwei zu. „Ob sich je ein Forschungsschiff nach dort verirrt hat?“ Seine Augen verengten sich kurz, dann wandte er sich an alle „Und? Was denkt ihr anderen über diesen Vorfall?“
„Es könnte sich um einen kriegerischen Akt gehandelt haben“, ließ sich Major Art Jagger vernehmen. Er war Rykhers Dritter Offizier, Ortungs- und Kommunikationsspezialist. Ein breitschultriger Mann von 35 Jahren, der wesentlich jünger wirkte mit seinem blonden, welligen Kopfschmuck. Jaggers Miene war die eines kompromisslosen Pessimisten, für den ein Glas stets halb leer war.
„Jemand anderer Ansicht?“, wollte Rykher wissen.
Es war Beta Lovell, die Schiffsärztin, die leicht die Hand hob. Sie war eine vierunddreißigjährige schlanke Frau von überwältigender Selbstsicherheit – nicht schön im landläufigen Sinn, aber bemerkenswert – mit schulterlangem, schwarzem Haar. Wenn sie sprach, sagte sie kaum etwas Unüberlegtes. Impulsivität war ein Fremdwort für sie, was Rykher in manchen Situationen hin und wieder bedauerte, manchmal sogar sehr. „Könnte es sich nicht um eine Verkettung unglücklicher Umstände handeln?“, gab sie ihre Bedenken Ausdruck. „Womöglich ein technischer Defekt der Sonde, der sie aus irgendeinem Grund explodieren ließ?“
Rykhers Miene verriet mit keiner Nuance, dass er dem Gedankengang der Wissenschaftlerin nicht viel Chancen zumaß. Er setzte zu einer Entgegnung an, doch Hikowa Ashikago kam ihm zuvor.
„Aber Beta!“, entgegnete der Chefingenieur und Herr über die Maschinen der PENDORA schärfer als beabsichtigt. „Die Annahme, dass die Sonde nicht vorsätzlich vernichtet wurde, können wir getrost zu den Akten legen.“ Major Ashikago wirkte drahtig und zäh. Sein Alter war schwer zu schätzen, aber seine Dienstrolle wies ihn als Einundvierzigjährigen aus.
Beta Lovell hob leicht die Schultern. „War nur so eine Idee, Chief.“