Murielle Rousseau
Die Cafés von Paris
Mit Fotografien von Marie Preaud
Insel Verlag
Die Cafés von Paris
Für Amandine und Joël
»Café, un garçon s’il vous plaît!«
Jean-Paul Sartre
»Paris ist immer eine gute Idee.«
Audrey Hepburn
Was wäre Paris ohne seine Cafés? Dem einfachen kleinen, direkt um die Ecke, mit der großen Kaffeemaschine auf dem Tresen, den karierten Papiertischdecken und den klassischen dunklen Bistrostühlen? Dem legendären aus den Stadtführern, in dem Historisches geschah, Literatur geschrieben wurde, wo Musik auf Kabarett, Kunst auf Kulinarisches traf? Im 17. Jahrhundert begann die Geschichte der Pariser Cafés – seitdem ist die Stadt ohne sie nicht mehr denkbar. Auch für mich als gebürtige Pariserin gehören sie zu meiner Heimatstadt einfach dazu.
Café de Flore, Café Charbon, Le Procope, Café de Foy, Café de la Paix, Les Deux Magots, Café Marly im Louvre, Café des Deux Moulins im Montmartre oder die Brasserie Lipp: Berühmte Pariser Cafés wecken Nostalgie bei jedem Pariser, bei jedem Besucher – sind sie doch untrennbar mit der Geschichte der Stadt verbunden und immer noch integraler Bestandteil des heutigen Pariser Lebens. Denn dem in ganz Frankreich zu bedauernden Bistrosterben konnten sie erfolgreich trotzen: Jedes Jahr verliert die Grande Nation, in der es heute 35.000 Cafés gibt, gut 1000 von ihnen – und seit der Pandemie werden es zunehmend mehr. Aber vor allem Paris und die Île-de-France geben zu hoffen, denn hier entstehen vermehrt auch neue, ungewöhnliche Formen des alten bistro – dessen Bezeichnung übrigens vom russischen Wort für »schnell« stammen soll, nach dem russische Soldaten zur Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon »bystro, bystro!« riefen, wenn sie flott bedient werden wollten, womit die heutigen Bistros für ihren Überlebenskampf inmitten von Burger-Restaurants und Coffeeshops zumindest etymologisch die besten Voraussetzungen mitbringen. Für das Café gibt es übrigens viele Namen, vom troquet zum bistroquet, Zola sagte l’assomoir, Seeleute le rade oder le bouchon und Balzac schrieb vom cabaret.
Ob Café, Bistro, Bar oder Brasserie – sie empfangen heute wie gestern Träumer und Verzweifelte, Verliebte und Einsame, Durchreisende und Nachbarn, Studenten, die in ihrer chambre de bonne frieren, und Freundinnen am Ende des Arbeitstages. Sie sind Orte für Rendez-vous, für Arbeitsbesprechungen, für Treffen jeder Art. Sie ersetzen das Wohnzimmer, das Büro oder die eigene Küche und leben vom menschlichen Kontakt, der hier gepflegt wird und ein informelles Beisammensein möglich macht. Die außerordentliche Schließung der Cafés während der ersten Zeit der Pandemie und ihre Wiedereröffnung ein paar Monate später hat gezeigt: Sie sind für die Menschen emotional wichtig und durch nichts zu ersetzen. In Paris gibt es Cafés und bistros für Menschen aller Herkunftsländer, Religionen oder Gesellschaftsschichten, wie etwa die bretonischen Bistros bei Montparnasse, die jüdischen Cafés und bistros im Marais-Viertel, spezialisierte, edle bistrots à vin mit einer unendlichen Weinauswahl oder auch solche, die eindeutig einer politischen Richtung zuzuordnen sind. Alphonse Allais bemerkte zu Recht, dass man gezwungen wäre, sein Café zu wechseln, wenn man seine politische Meinung ändert. In diesem Buch nehme ich Sie mit in die interessantesten Cafés meiner Stadt und erzähle Ihnen Geschichten, die hier spielen und spielten. Dabei nähere ich mich als Autorin den Cafés sowohl als Beobachterin als auch Genießerin und porträtiere sie auf ganz persönliche Art. So entsteht Café für Café, Bistro für Bistro ein ganz besonderes, ganz charmantes, ganz eigenes Bild von Paris: das Porträt einer Stadt, mit einer Kaffeetasse in der Hand, Klimpern im Ohr.
Wir Pariser bräuchten vielleicht keinen Eiffelturm und keine Sacré-Cœur, aber wir brauchen die Cafés unserer Stadt.