Bibliografische Information der deutschen Nationalbibliothek:
Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind
im Internet über www.dnb.de abrufbar
© Maria Sand
Herstellung und VerlagBoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9783749489992
Vielleicht schaffe ich es dieses Mal, für meine spontane Erinnerung an ein früheres Leben eine Form zu finden, mit der ich leben kann. Denn neben der Schwierigkeit zu beschreiben, welche Bedeutung sie für mich hat, fiel es mir auch schwer, eine ordentliche äußere Form zu finden. Ich hatte davor noch nie ein Buch geschrieben, obwohl ich ständig am Schreiben war. Es gab im Jahr 2007- damals entstand die erste Ausgabe - noch keine Möglichkeit, etwas kostenlos in Form eines richtigen Buches zu veröffentlichen. Deshalb war die es eigentlich mehr ein kopiertes Heft. Fehlerhaft war das Manuskript deshalb, weil ich - wie auch Strindberg - eine Abneigung dagegen hatte, das Geschriebene nochmals zu lesen.
Verkauft habe ich kein einziges Exemplar. An wen auch und wie? Fast niemand erfuhr von seiner Existenz. Gelesen wurde es nur von einigen wenigen Leuten, denen ich je ein Exemplar schenkte. Trotzdem fand es den Weg in eine Bibliothek, was ich erst viel später heraus fand.
Als würde eine unsichtbare Macht mich an der Hand halten und mir Schritt für Schritt den Weg zu meinem Ziel ermöglichen, taten sich jedoch mit der Zeit immer neue Möglichkeiten auf. Bücher über Strindberg erschienen. Davor hatte es kaum welche in deutscher Sprache gegeben. Mir fehlten deswegen wichtige Informationen - was sich auch erst nachträglich als ein Segen heraus stellte. Denn nachdem ich mich erinnert hatte, vergaß ich fast alles sofort wieder. Wäre die Erinnerung geblieben, hätte ich mich vielleicht in dem früheren Leben verloren. So aber musste ich es aufarbeiten. Sogar seine Stücke wurden wieder vereinzelt in Österreich aufgeführt. Selbstverlage entstanden die es erlaubten, ohne große Kosten Bücher zu veröffentlichen. Letzteres war für mich besonders wichtig, weil ich niemals einen richtigen Verlag gesucht hätte. In aller Öffentlichkeit zu erklären, ich sei in einem früheren Leben Strindberg gewesen, war nicht leicht. Jetzt ist es einfacher, weil ich unter einem Pseudonym schreiben kann. Viele Leute halten einen für verrückt, wenn man behauptet sich an ein früheres Leben zu erinnern. Auch wenn man noch so viele Beweise oder Indizien erbringen kann. Erst in den letzten Jahren wurden Erinnerungen an Präinkarnationen salonfähig. Jedem vernünftigen Menschen wäre es früher schwergefallen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Zumindest wenn man in einem eher skeptischen Umfeld lebt. Ich habe noch dazu eine ungeheure Scheu vor Öffentlichkeit, welche ich offenbar entwickelte, als ich Strindberg war. Jawohl: jetzt schreibe ich "als ich Strindberg war". Vor 12 Jahren wäre das noch nicht möglich gewesen. Auch wenn ich aufgrund meiner Erinnerung annahm, als Strindberg gelebt zu haben, gab es doch eine so starke psychische Grenze zwischen "ihm und mir", so dass ich immer von "ihm" schrieb und sprach, aber nie von Strindberg, als einer Person, mit der ich mich identisch fühle.
Gleichzeitig mit meinem ersten Buch "Präinkarnation Strindberg", veröffentlichte ich noch zwei weitere Bücher in Form von Heften. Eines davon betraf meine Traumstudie, die damals auch noch in den Kinderschuhen steckte. Hier gibt es gleich wieder eine Parallele zu Strindberg, denn er schrieb - wie ich - über seine paranormalen Träume und deren Erfüllung. Meine Träume veröffentlichte ich seit dem Jahr 2000 im Internet, unter zahlreichen Pseudonymen. Niemand sollte auf mich schließen können. Es kostete mich trotzdem große Überwindung, im Internet meine Traumstudie zu veröffentlichen.
"Ich jedoch, in meiner Scheu vor der Öffentlichkeit, schreibe stattdessen einen Aufsatz über die Sache und schicke ihn an den Temps, der ihn nach zwei Tagen bringt.", schrieb ich, als ich Strindberg war und bestätige damit sozusagen nachträglich, meine heutige Theorie: Ich habe mein früheres Leben im Prinzip - allerdings unter anderen Vorzeichen - einfach nur weiter geführt. Tief im Inneren habe ich mich nicht verändert. Im Verlauf dieses Buches hoffe ich erklären zu können, wie sich unsere früheren Leben auf das derzeitige auswirken. Es ist eigentlich gar nicht schwer zu verstehen, sondern nur schwer zu erklären.
Dieses Buch musste ich im Jahr 2007 unter meinem bürgerlichen Namen heraus bringen. Sonst wäre es zu kompliziert geworden. Ich wundere mich heute noch über meinen damaligen Mut.
An dieser Stelle lässt sich bereits erkennen was auf Sie, liebe Leserin und lieber Leser, zukommt. Mein Buch ist ein Vergleich zwischen zwei Personen die scheinbar nichts miteinander zu tun haben; nach meinem Verständnis jedoch ein und dieselbe Person sind. Mit Hilfe dieses Kunstgriffs gelingt es mir, eine Kette an Indizien zu präsentieren, anhand derer man die Logik der Seelenwanderung nachvollziehen kann. Es lässt sich nicht vermeiden, ganz persönliche Gedanken, Gefühle und Erlebnisse zu erwähnen, weil nur so ein direkter Vergleich möglich ist. Zum Glück gibt es viele autobiografische Details aus meinem, also Strindbergs, früherem Leben. Das halte ich für keinen Zufall, sondern für eine logische Konsequenz. Auf diese Weise habe ich mir selbst die Möglichkeit eröffnet, einen Beweis für die Existenz der Seelenwanderung zu erbringen. Ein Thema also, mit dem ich mich schon als Strindberg herum geschlagen habe. So erwähnt er beispielsweise, dass jemand ihn fragte ob er glaube, einst Napoleon gewesen zu sein. Was er verneinte.
Ihm ging es darum, den Menschen anhand seines eigenen Lebens die Welt zu erklären. Was ihm nicht gelungen ist und damals auch nicht gelingen konnte. Was man nicht selbst verstanden hat, kann man auch nicht erklären.
„Das also mein Leben: ein Zeichen, ein Beispiel, um anderen zur Besserung zu dienen; ein Sprichwort, um die Nichtigkeit des Ruhmes und des Gefeiert Werdens darzutun; ein Sprichwort, um die Jugend darüber aufzuklären, wie sie nicht leben soll; ein Sprichwort ich, der sich für einen Propheten hielt und, enthüllt, wie ein Prahler dasteht. Nun, der Ewige hat diesen Lügenpropheten dazu verführt, leere Worte zu machen, und der falsche Prophet fühlt sich unverantwortlich, da er nur eine ihm aufgetragene Rolle gespielt hat. Hier habt ihr, meine Brüder, ein Menschenschicksal, eins unter so vielen, und nun gebt mir zu, dass das Leben eines Menschen erscheinen kann – als ein schlechter Scherz!“
Ich führe quasi fort was er begonnen hat. In diesem meinem derzeitigen Leben sollte es nicht anders sein. Seine Worte erklären mein Leben, meine Entscheidungen und meine Gedanken. Es ist weder ein Neubeginn, noch ein zufälliges Erstehen aus dem Nichts. Man erkennt deutlich die logische Konsequenz für das derzeitige Leben, welche sich aus den Handlungen im Vorleben ergibt. Oft habe ich mich gefragt, warum ich das alles mache, was ich tue - und ich habe lange gebraucht es zu verstehen. Es bringt weder Ruhm, noch Geld, noch Sicherheit. Im Gegenteil werde ich bekämpft, angefeindet, verlacht, verspottet. Seelisch und körperlich war ich oft am Limit, mit meinen Kräften am Ende. Trotzdem mache ich immer weiter: Nicht was ich schreibe ist für mich wichtig, sondern "was ich lebe". Ich selbst bin das Werk. Damit habe ich auch noch etwas Wichtigeres verstanden: Wir sind dazu geboren, uns weiter zu entwickeln, zu wachsen - und uns selbst zu erschaffen.
Viele Werke Strindbergs waren reine Autobiografien. In dieser Hinsicht setze ich mit diesem - eigentlich wissenschaftlichen Werk - seine/meine Arbeit fort, indem ich richtig stelle, was ich damals falsch gesehen, oder nicht erkannt hatte. Dieses Buch besteht daher aus zwei Biografien - einer einzigen Person. Zwischen damals und jetzt unterscheide ich, indem ich unterstreiche, was ich zitiere.
Ich beginne mit der ersten Ausgabe aus dem Jahr 2007, als ich mich zwar für meine Präinkarnation nicht mehr genierte, aber zu ihr noch eine große Distanz verspürte. Deshalb ist diese Neuauflage eine bearbeitete Version, in welche Elemente der zweiten, stark veränderten Auflage mit einfließen.
"Ich habe dieses Buch nicht nur einmal geschrieben. Immer wieder habe ich damit begonnen, immer wieder habe ich das Geschriebene verworfen. Nachträglich wurde mir klar, dass hinter diesem Zögern und Zaudern ein tieferer Sinn verborgen lag. Zwar liegt meine visionäre Erinnerung viele Jahre zurück, was sie mir über die reine Information hinaus aber sagen wollte, wurde mir erst in den letzten Wochen bewusst.
Zwischen Wissen und Begreifen kann ein sehr großer Unterschied sein. Zu wissen, dass es Wiedergeburt gibt, hilft uns noch nicht zu begreifen, wie sie funktioniert und warum sie geschieht. Eine Erkenntnis die sich nicht mit der Erinnerung einstellte, sondern erst langsam und mühsam wachsen musste. Es war nötig ein vergangenes Leben aufzuarbeiten, sich mit ihm auszusöhnen, um das neue, derzeitige überhaupt erst in seiner ganzen Komplexität zu verstehen. Auf diese Weise lernte ich die unterbewussten Mechanismen verstehen, die unsere Zukunft formen."
Es ist kein normaler Traum, aus dem ich erwache, sondern eine andere Ebene des Denkens, angesiedelt zwischen tiefem Schlaf und höchster Bewusstheit. Ein ganzes Leben liegt vor mir, wie auf einen Punkt reduziert und doch alle Informationen enthaltend, die seine Einzigartigkeit ausmacht. Ein fast unbeschreiblicher Zustand, den nur der verstehen kann, der ihn selbst erlebt hat. Ich weiß mit untrüglicher Sicherheit - ich bin Johan August Strindberg.
Normalerweise würde ich diese Eingebung in Vergangenheitsform fassen, aber in diesem Fall gibt es keine Vergangenheit, sondern nur Gegenwart. Diese Person, von der ich bisher nicht einmal den Namen wusste, ist in mir lebendig. Diese plötzliche Erkenntnis, das unzweifelhafte Wissen, ein dunkles, furchtbares Leben gelebt zu haben, voller Probleme und Schwierigkeiten, löst eine ungeheure Angst aus. Bis ins kleinste Detail erinnere ich mich wer ich bin, was ich getan und erlebt habe. Zwar trete ich selbst in den Hintergrund, bleibe aber doch ich selbst, ohne dass es einen Bruch gibt zwischen mir und ihm. In diesem einen Augenblick, in dem die Grenzen der Zeit und der Personen aufgehoben sind, in dieser anderen Dimension reiner, körperloser Bewusstheit, verharre ich nur kurz. Die Menge an Erinnerungen scheint zu viel für mein Gehirn zu sein, denn im nächsten Augenblick verschwindet die Vision und zurück bleibt nur Erinnerung, die schal ist im Vergleich zu dem, was sich mir gerade eröffnet hat. Vielleicht wehrt sich aber auch nur mein Bewusstsein gegen die Erinnerung an ein verhasstes Leben.
Während sich eine neue Welt in mein geistiges Blickfeld drängt, die eigentlich bisher die ältere war, bricht eine alte Welt, meine eigentliche Gegenwart, zusammen. Gnade! Ich denke verzweifelt, es sei wohl besser, sich nicht an frühere Leben zu erinnern. Und in diesem Moment verschwindet das quälende Wissen aus meinem Bewusstsein.
Ich vergesse alles wieder, was gerade noch vor meinem geistigen Auge stand und zurück bleibt nur die Erschütterung, sowie die absolute Gewissheit, in diesem vorhergehenden, schrecklichen Leben ein zentrales Problem gehabt zu haben, das mit meiner damaligen Mutter zusammen hing. Der Schock sitzt tief und lässt sich nicht mehr abschütteln. Es dauert lange bis ich mich von dem Eindruck befreie, bis ich wirklich wieder ich selbst bin und nur ich selbst; Frau und Mutter zweier kleiner Kinder, verheiratet, voller innerer und äußerer Probleme, aber im Moment doch irgendwie gefestigt. Sprechen kann ich über das Erlebte nicht. Wer würde mir glauben, mich verstehen?
Obwohl ich mehrere Jahre als Buchhändlerin gearbeitet habe, war mir Strindberg vor meiner Vision kein Begriff. Ich hatte zuvor weder seine Stücke gesehen, noch etwas von ihm gelesen. Zu der Zeit, als ich die Vision hatte, war Strindberg in Österreich nicht aktuell, wie ich später feststellte.
Am Abend zuvor hatte ich im Fernsehen ein Foto von ihm gesehen und der Name Strindberg fiel. Das sagte mir gar nichts. Ich blieb total unbeeindruckt. Aber offenbar wurde dadurch eine Erinnerung geweckt, die wir normalerweise unterdrücken. Ein Flashback sozusagen.
Wie alles was mich beschäftigt und was ich erlebe, notiere ich das Erlebte in meinem Tagebuch, das ich seit Jahren führe, das ich aber zu einem späteren Zeitpunkt vernichte. Den Grund dafür werde ich später erklären, denn auch er stellt eine Parallele zu Strindbergs Leben dar. Diesen Traum, der wie schon erwähnt, kein "normaler" Traum war, sondern eine Vision, so eindrücklich, klar und überzeugend, habe ich um das Jahr 1986 herum. Das genaue Datum kann ich nicht mehr feststellen.
Das Tagebuch, in dem ich auch meine Träume notiere, führe ich, obwohl es anstrengend ist, weil die Zeit oft knapp wird, mit kleinen Kindern, die beschäftigt werden müssen. Denn ohne dieses Tagebuch hätte ich schon längst den Verstand verloren. Erst seit ich es führe, beginnen sich meine Gedanken zu ordnen. Es verschafft mir Ruhe von diesen ewig hämmernden Gedanken, die sich nie abstellen lassen und die ich oftmals sogar als fremd empfinde, weil ich ihren Ursprung nicht erkennen kann. Als würde jemand in mir denken. Nur wenn ich sie niederschreibe, verschonen sie mich; aber nur um neuen Eindringlingen Platz zu machen, die ebenfalls aus mir heraus dringen und zu Papier gebracht werden möchten. Manchmal bin ich so angeregt, dass ich gar nicht so schnell schreiben kann, wie sie sich in meinem Kopf bilden. Wenn ich dann später das Geschriebene lese, was ich nur selten tue, erscheinen sie mir wie die Produkte eines Unbekannten.
Ich schalte niemals ab, mache niemals "Urlaub" vom Nachdenken, denn meine Gedanken pochen immer in meinem Kopf, stellen Fragen, produzieren Antworten. Es sind nicht die Probleme einer Hausfrau, die mich bewegen, sondern die großen Fragen nach dem Sinn des Lebens. Ob Gott existiert, was uns zu dem macht was wir sind. Wer wir sind, woher wir kommen und wohin wir gehen. Gedanken die mich nicht bloß beschäftigen, sondern quälen.
Hier beginnt mein erster Vergleich und deshalb verwende ich absichtlich den Begriff "Gedankenmühle", um deutlich zu machen, wie ähnlich meine Art zu denken, derjenigen Strindbergs ist. Mit eigenen Worten beschrieben würde ich vielleicht eher: die Gedanken bewegen sich im Kreis" sagen. Strindberg verwendet folgende Worte für dasselbe Phänomen:
"Wenn ich in der Eisenbahn sitze, oder was immer ich tue, mein Gehirn arbeitet ununterbrochen, es mahlt und mahlt wie eine Mühle, und ich kann es nicht abstellen. Ich finde keine Ruhe, ehe ich es zu Papier gebracht habe, dann aber fängt gleich etwas Neues an, und alles bleibt beim Alten. Ich schreibe und schreibe und lese nicht einmal durch was ich geschrieben habe."
Viele Menschen haben ähnliche Eigenschaften. Davon leben die Astrologen, mögen die Kritiker nun einwenden. Wenn man Menschen miteinander vergleicht, wird es immer einige Übereinstimmungen geben. Niemand ist ein Einzelstück. Hätte ich nur diese Eigenschaft mit ihm gemeinsam, könnte man es vielleicht als Zufall abtun. Doch wenn sich die Ähnlichkeiten häufen, muss man sich doch fragen, ob es sich dabei tatsächlich um Zufälle handeln kann, oder ob nicht auch der Zufall Grenzen hat. Denn es gibt auch noch zahlreiche andere, zum Teil überaus seltsame Parallelen zwischen ihm und mir. Je mehr Übereinstimmungen es gibt, desto eher werden Indizien zu Beweisen, die man nicht so einfach abtun kann.
Wer sie nicht selbst erlebt hat, kann sich eine spontane Erinnerung an eine frühere Existenz vermutlich nicht vorstellen. Das konnte ich vorher auch nicht. Sie war nicht nur in dem Augenblick, in dem sie ablief beeindruckend, sondern wirkt bis zum heutigen Tag nach. Bis heute beschäftigt sie mich, quält mich aber auch, weil ich mich mit diesem Menschen, von dem ich zuvor gar nichts wusste, nicht identifizieren möchte. Weil die Eindrücke, die ich während der Vision gewann, mich ihm gegenüber mit Abscheu erfüllten.
Nun versuche ich mich trotzdem dem Menschen Strindberg bewusst zu nähern, mehr über ihn zu erfahren, in der Hoffnung, er sei vielleicht doch ein ganz guter Mensch gewesen.
Es gibt drei Wege, sich dieser seltsamen Erfahrung zu nähern und sie verstehen zu lernen. Ignorieren lässt sie sich jedoch nicht. Entweder man wendet sich ihr zu, oder man geht an ihr zugrunde. Man kann versuchen, mit reinem logischem Denken Erklärungen zu finden. Das ist nicht nur mühsam, sondern auch weitgehend sinnlos, weil wir nur logisch denken können, wo uns auch Informationen zur Verfügung stehen. Also müssen wir entweder die notwendigen Informationen aufspüren, oder unsere Bemühungen aufgeben.
Meditation ist ein anderer Weg. Den hatte ich vor Jahren ausprobiert, lange vor dieser Erinnerung, weil ich mich gerne an ein früheres Leben erinnert hätte. Damals aber ohne jeden Erfolg.
Ich war ungefähr zwanzig Jahre alt, hatte Aurobindo gelesen, mich mit Yoga beschäftigt und dachte oft darüber nach, ob es Wiedergeburt tatsächlich gibt. Jeden Abend meditierte ich, versuchte mir selbst eindringlich die Frage nach meinen früheren Inkarnationen zu stellen. Als ernsthafter Mensch der das Leben hasst und voller Mitleid für die gequälte Kreatur ist, erwartet man, ein frommer und guter Mensch gewesen zu sein. Jemand wie Aurobindo, oder wenigstens ein Mönch. Dass ich männlich gewesen sein musste, war mir schon damals klar. Es kam keine Antwort. Weder im Traum, noch als Vision während der Meditation. Deshalb stellte ich meine Versuche bald wieder ein. Ich dachte auch nicht mehr darüber nach, weil es mir sinnlos erschien, nach früheren Existenzen zu fragen. So richtig überzeugt von der Wiedergeburtstheorie war ich eigentlich auch nicht. Doch jetzt wo spontan und ohne bewusstes Zutun die Erinnerung aufgebrochen ist, beginnt für mich ein neuer Lebensabschnitt, das fühle ich deutlich. Die Veränderung ist zwar nach außen hin nicht sichtbar, dafür umso einschneidender im unsichtbaren, seelischen Bereich. Ich, in meiner Eigenschaft als einzigartiges, unverwechselbares Individuum, das ganz genau weiß was richtig und was falsch, gut und böse ist, muss meine Selbsteinschätzung plötzlich relativieren. Natürlich bin ich nicht der Mensch, der ich sein sollte, oder sein könnte, das ist mir schon klar. Zur Heiligkeit ist es noch ein weiter Weg. Aber zumindest bin ich ICH und ich kenne mich in und auswendig. Jedenfalls erlebte ich mich bisher so. Doch von einem Augenblick auf den anderen verwandle ich mich in ein unbekanntes Wesen, das nur einen winzigen Teil seiner wahren Existenz erkennen kann. Verdrängt und vergessen, schlummerte in mir schon immer eine Vergangenheit, für die ich mich jetzt schäme und die ich verachte. Die theoretische Möglichkeit eine Wiedergeborene zu sein, war mir bekannt. Aber was ist die graue Theorie gegen lebendiges Erleben?
Ist der Tod tatsächlich nur Illusion? Einer von Majas geheimnisvollen Schleiern, die sie über unsere Seele breitet, damit wir nicht erkennen, an welchen Stricken wir angebunden sind? Hat Meyrinck Recht wenn er meint, man setze uns immer wieder einen anderen Hut auf und man sei dann jemand anderer?
Ich pilgere wenige Tage nach dem Erlebten zu meiner Mutter, gebe die Kinder bei ihr ab und mache mich auf die Suche nach Literatur über Strindberg.
Es ist nicht schwer ein Buch über ihn zu finden, obwohl es gerade sehr wenige über ihn gibt. Schwieriger gestaltet sich das Lesen, weil sich in mir etwas Undefinierbares ganz gewaltig dagegen sträubt, mehr über diesen Menschen zu erfahren, an dessen Leben ich mich erinnert hatte. Mir ist Strindberg alles andere als sympathisch. Er ist genau genommen so ziemlich alles, was ich sicher nicht gewesen sein möchte.
Je tiefer ich eindringe, umso stärker wird mir bewusst, dass es sich keineswegs um eine Täuschung handeln kann. Ich finde alles bestätigt, was ich mir als Gesamtsicht erhalten habe, auch wenn ich die einzelnen Details nicht mehr weiß und auch gar nicht wissen will. Die Peinlichkeit der ich mich aussetze, führt zu einer immer größeren Abneigung, das alte Leben als mein eigenes zu akzeptieren. Nachdem ich mühsam doch einige Seiten lese, lege ich das gekaufte Buch beiseite, lasse die Gedanken wieder in meinem Kopf einen Reigen tanzen, bis es mir schließlich zu viel wird und ich zum obligaten Papier greife, um Ruhe zu schaffen.
Als erstes stelle ich eine Liste zusammen. Die wenigen Anhaltspunkte vergleiche ich mit meinem Leben. Es sind eher unwichtige Kleinigkeiten, die es im Leben vieler Menschen zu finden gibt. Sie stimmen allesamt mit meinen Gedanken, Wünschen und Handlungen überein, wenn auch nicht immer in gleicher Intensität. Manches machte er perfekt, während ich zwar einen für mich unverständlichen Wunsch spüre, dasselbe zu tun, es dann jedoch nicht verwirklichen kann. Beispielsweise will ich unbedingt Gitarre spielen lernen. Ich kaufe mir eine Gitarre - und belasse es dann dabei. Strindberg spielte Gitarre und sang auch oft dazu. Was den Gesang betrifft, gibt es eine klare Übereinstimmung. Ich singe oft und mit Begeisterung seit meiner frühesten Kindheit. Er hatte einen dröhnenden Bass. Ich liebe diese tiefe Männerstimme und versuche oft so tief wie möglich zu singen. Viele andere kleine Übereinstimmungen, kann ich auch noch mit Hilfe des Buches finden. Das ist mir zu wenig. Es ist auch zu wenig, denn in dem Buch finden sich nur relativ wenige Hinweise. Vieles finde ich erst später, im Laufe meiner Recherchen.
So komme ich im Moment nicht wirklich weiter. Ich muss eine andere Möglichkeit finden, meine Erinnerung zu verarbeiten. Alles in mir sträubt sich nämlich dagegen, mich mit ihm zu vergleichen. So bin ich doch nicht, denke ich.