Planet Girl

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

– für Frank –

»Ich hab was für dich!«, ruft Sören aufgeregt, wirft auf dem Weg durch die Klasse mindestens drei Stühle um und hält mir schließlich eine Papiertüte unter die Nase, aus der verführerisch süßer Duft strömt.

»Schoko? Karamell? Nougat?«, frage ich lüstern.

Das Frühstück ist immerhin schon eine halbe Stunde her. Ich sterbe vor Hunger!

»Falsch!«, trötet Sören. »Gebrannte Mandeln!«

Da fällt mein Appetit prompt in sich zusammen und verkrümelt sich beleidigt in die entlegenste Magenschleimhaut.

»Sehr witzig!«, maule ich, schiebe Sören beiseite und steure meinen Platz an.

Bei dem Versuch, mich zu verfolgen, müssen weitere zwei Stühle dran glauben. Sören fängt sich eine Kopfnuss von David und ein »Pass doch auf, Fetti!« von Natascha ein, dann schiebt er sich auf seinen Stuhl und guckt mich an wie Paul, wenn der meine Wurst vom Brötchen erbettelt.

»Mensch, Sara! Ich wollte dich doch nur aufmuntern!«, sagt er.

Typisch Sören! Er wäre auch davon überzeugt, einen Todeszellenkandidaten mit einer Runde Galgenmännchen aufmuntern zu können.

»Ich hatte gerade mal nicht daran gedacht!«, erkläre ich ungehalten. »Und dann kommst du und schiebst mir diese Dinger unter!«

Sören greift in die Tüte, holt eine gebrannte Mandel hervor und stopft sie sich in den Mund. Er schmatzt und fasst sich dann theatralisch an die Stirn.

»Das ist es!«, ruft er. »Wir fragen den Chirurgen, ob er deine Mandeln danach rausrückt. Dann backen wir sie in Zucker und verscherbeln sie im Internet als seltene Delikatesse. Menschliche gebrannte Mandel von einer bezaubernden Jungfrau! Wir werden stinkreich! Und von der Kohle besteche ich dann J…«

»Pst!«, fahre ich Sören in die Parade, weil ich aus dem Augenwinkel sehe, wie Lisa und Pia in der Bank hinter uns lange Lauscher bekommen.

Von der Kohle besteche ich dann Jörg, damit er dich endlich mal registriert! ist nun wirklich nicht für Pias und Lisas Ohren bestimmt.

Ich benehme mich auch so schon auffällig genug, wenn ich Pause für Pause um den Stammplatz von Jörgs Klasse tigere und Sören losschicke, um unauffällig herauszukriegen, was Jörg am Nachmittag vorhat. Um Jörg dann, wo auch immer er sich herumtreibt, ebenfalls zu umtigern.

Erst neulich hat Lisa mit hochgezogenen Augenbrauen gefragt, ob ich ein gewisses Interesse an einem gewissen Typen habe, dessen Name mit J anfängt.

»Jochen?«, hab ich scheinheilig gefragt. »Der geht mir am Arsch vorbei!«

Sören stopft sich schnell eine weitere Mandel in den geschwätzigen Mund und Lisa und Pia widmen sich wieder dem gegenseitigen Hausaufgabenabschreiben.

»Hm!«, macht Sören und spitzt die Lippen wie bei einer professionellen Weinprobe. »Ein Hauch von Eiter, im Abgang ein bisschen blutig!«

»Sehr witzig!«, sage ich wieder, kann mir aber diesmal ein winziges Grinsen nicht verkneifen.

Sören sieht es sofort und startet die Mission Grinsen ausbauen. Er schüttet ein paar gebrannte Mandeln auf die Handfläche und dreht sich zu Lisa und Pia um.

»Mädels! Mal kosten? Frische Ware aus einem Krankenhaus in Amerika! Die Sorte heißt Angina Zuckaris!«

Lisa und Pia quittieren Sörens Blödsinn mit einem genervten Augenverdreher, von mir bekommt er jetzt allerdings ein ausgewachsenes Grinsen.

»Also?«, fragt er zufrieden und hält mir die Handfläche hin. »Kommen wir ins Geschäft?«

Ich nicke ergeben und greife zu.

Die Dinger schmecken köstlich. Knackig. Süß. Nussig. So gut, dass ich mich für einen Moment in Sicherheit wiege.

Als ich allerdings schlucke, fällt es mir wieder ein. Dahinten in meinem Hals, da sitzen sie. Meine seit Jahren alle paar Wochen anschwellenden Mandeln. Zerfurcht, funktionsuntüchtig. Sie müssen raus! Und zwar mit Gewalt! Ich habe Angst!

»Willst du den grünen Schlafanzug mit ins Krankenhaus nehmen?«, fragt Mama, eine Ladung Schmutzwäsche unterm Arm, kaum dass ich den Kopf zur Tür reingesteckt habe.

»Bist du irre?«, frage ich. »Da kann ich ja gleich meine Babystrampler aus dem Keller holen!«

»Ich dachte …«, sagt Mama ratlos.

Ich weiß, was sie dachte: Der Grüne ist dein Lieblingsschlafanzug und da müsstest du ihn doch eigentlich gern tragen, wenn man dir an den Hals will.

Ja, Mama, im Prinzip richtig gedacht. Nur leider außer Acht gelassen, dass ich kein Baby mehr bin und nicht jeder in der HNO-Klinik wissen muss, dass ich Frotteeschlafanzüge mit Bärchenmuster besitze!

Mama beißt sich auf die Unterlippe, schweigt ergeben und fragt sich wohl mal wieder, wann und wieso sie die Fähigkeit verloren hat, mich zu verstehen.

Dafür meldet sich Paul zu Wort. Laut bellend und wild schwanzwedelnd kommt er angerannt, wirft mich gegen den Türrahmen und versucht, mit seiner klitschnassen Zunge in meine Nasenlöcher zu gelangen.

»Wir müssen dringend mit ihm in die Hundeschule!«, sagt Mama kopfschüttelnd, während Paul sich aufstellt und fröhlich versucht, mein Hosenbein zu begatten. »Wenn du aus dem Krankenhaus zurückkommst, melde ich ihn an!«

Wenn ich zurückkomme? Soll das heißen, es könnte auch sein, dass ich nicht zurückkomme?

Ich schüttle Paul ab, werfe Mama meine Schultasche vor die Füße und die Zimmertür hinter mir zu. Dann fahre ich den Computer hoch.

MANDELN – OP – RISIKEN, gebe ich in die Suchmaschine ein und erhalte einen Haufen Links.

Je mehr ich lese, desto bedauernswerter finde ich mich. Grauenhafte Schmerzen. Nächtliches Blutspucken. Verspäteter Phantomschmerz …

Hatte Doktor Gubitz nicht gesagt, es tue fast gar nicht weh und man dürfe den ganzen Tag lang Eis essen? Das ist mal wieder typisch! Der widerliche Penizillinsaft sollte ja auch lecker nach Erdbeeren schmecken!

Mutig wage ich mich immer weiter vor in medizinische Abhandlungen, die alles bedeuten könnten, und ausführliche Erlebnisberichte von Selbstbetroffenen, die nichts Gutes ahnen lassen. Von tödlichen Ausgängen allerdings kann ich zum Glück nichts entdecken. Darum beschließe ich, statt weiterzusuchen, lieber Mamas Mittagessen zu verspeisen. Wer weiß schließlich, wie lange das noch geht? Kann man Spaghetti mit Pesto auch durch eine künstliche Speiseröhre schlürfen?

Kurz bevor ich offline gehe, öffnet sich auf dem Bildschirm jedoch ein neues Fenster. Ich habe Post. Und zwar von Sören.

Habe im Bus zu beschattendes Objekt belauscht und erfahren, dass es sich gegen sechzehn Uhr auf dem Bolzplatz befinden wird. Werde eilen und da sein, wenn Mandelprinzessin mich bei Schwärmattacke braucht!

Worauf du Gift nehmen kannst! Wer weiß schließlich, wie lange ich noch schwärmen kann! Kann man mit einem künstlichen Kehlkopf noch süüüß jaulen?

»Süüüß!«, jaule ich, während Paul mich ins nächstbeste Gebüsch zerrt, um in irgendwelchen Hundehaufen zu baden und ein für seine Nase unwiderstehliches Parfüm aufzulegen.

Ich lasse ihn. Hauptsache, er steht mir als Alibi zur Verfügung, als Grund, wieso ich mich nachmittags plötzlich auf dem langweiligen Grünstreifen am Fernsehturm herumtreibe.

»Wir sind noch hundert Meter entfernt!«, gibt Sören zu bedenken. »Du kannst doch gar nicht unterscheiden, wer von all den Jungs in kurzen Hosen Jörg ist!«

»Wohl kann ich!«, erkläre ich und ziehe verzweifelt an Pauls Leine, um ihn wenigstens davon abzuhalten, den überquellenden Mülleimer nach verfaulten Essensresten zu durchstöbern. »Ich sehe es an der Art, wie er sich bewegt!«

Sören verdreht die Augen und greift Paul ins Halsband, um mich zu unterstützen.

»Frauen!«, stöhnt er. »Ihr habt alle zu viel Soaps geguckt!«

»Besser als Sendung mit der Maus!«, kontere ich.

Die guckt Sören tatsächlich noch. Er verpasst keine Folge, nimmt sie alle auf und archiviert sie alphabetisch. Wegen der Wissenschaft, behauptet er. Weil da immer so interessante Dinge erklärt werden wie So kommen die grünen Streifen in die Zahnpasta.

Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass Sören in Wirklichkeit auf den kleinen blauen Elefanten steht. Der ist nämlich genauso tollpatschig wie er selbst.

Sören benimmt sich immer noch wie ein durchgeknallter Hosenscheißer. Wie damals, als ich ihn im Kindergarten kennengelernt habe. Nichts als Streiche und blöde Sprüche im Kopf. Mit so diffizilen Dingen wie Verlieben kann er rein gar nichts anfangen. Er ist der blaue Elefant, ich bin seine Freundin, die Maus, und mehr interessiert ihn nicht.

Wir haben Paul endlich vom Mülleimer weggezerrt und nähern uns jetzt bedrohlich dicht dem Bolzplatz.

»Stopp!«, flüstere ich, obwohl Flüstern bei der Distanz völlig unnötig ist.

»Wie wär’s denn«, fragt Sören, »wenn ich mal eine durchgeschwitzte Socke von deinem Jörg organisieren würde? Die halten wir Paul vor die Nase, er nimmt Witterung auf, findet Jörg auf dem Bolz platz, rennt ihn um und geht ihm an die Kehle. Und dann eilst du rettend herbei!«

»Das wäre eine Katastrophe!«, erkläre ich.

»Mensch, Sara!«, stöhnt Sören. »Ich hab dir jetzt schon so viele unschlagbare Methoden unterbreitet und du lehnst jede ab.«

Ist das ein Wunder?

Streck den Fuß aus, lass ihn drüberfallen und verarzte seine aufgeschlagene Lippe mit deinem vollgerotzten Taschentuch!

Stell dich auf den Müllcontainer auf dem Schulhof und verkünde in einer ausgefeilten Rede, dass du auf ihn stehst und nicht eher von deinem Podest kommst, bis er dich auch will!

Kauf dir Handschellen, mach die eine Schelle an deine Hand, verpass ihm in der großen Pause die andere und schluck den Schlüssel runter!

Da kann ich doch nur dankend ablehnen!

»Manchmal glaube ich fast, du willst ihn gar nicht kennenlernen!«, sagt Sören.

»Wohl will ich!«

Na klar will ich. Aber nicht so. Und auch nicht anders. Überhaupt nicht so, wie Sören sich das vorstellt. Irgendwie unauffällig. Von allein. Wie normale Menschen eben.

»Guck mal, wer auch da ist!«, sagt Sören in mein Dilemma und zeigt Richtung Bolzplatz. »Natascha und Gefolge.«

Tatsache. In kurzen Röckchen lümmeln sich Lisa, Pia und der Albtraum meiner schlaflosen Nächte neben dem Torpfosten und begaffen die strammen, dreckverschmierten Waden.

Natascha rekelt sich auf der Wiese, als läge sie auf einer Bühne. Sie wirft die blonden Spaghettis nach hinten und feuchtet die Lippen mit der Zunge an.

Wie soll ich mit einer hundehaarverzierten Jeans gegen den fleischgewordenen Traum schlafloser Männernächte anstinken?

»Wie wär’s, wenn du dich dazugesellst?«, sinniert Sören. »Du könntest einen auf Cheerleader machen und so was rufen wie Jörgi vor, noch ein Tor!«

»Von all deinen Vorschlägen ist das mit Abstand der bescheuertste!«, erkläre ich ungehalten.

Sören lässt nicht locker. »Dann machen wir am anderen Torpfosten einen Gegen-Fanclub auf und rufen Jörg, du heiße Schnitte, schieß die Pille in die Mitte!«

»Boh, Sören! Klappe!« Wenn er jetzt aufdreht, hört man sein Gejodel bald bis zum Bolzplatz!

»Von allen auf dem Platz, ist Jörg der schärfste Schatz!«

Er dreht auf! Jetzt hilft nur noch ein Satz heißer Ohren oder die Flucht! Ich entscheide mich für Letzteres.

»Wir gehen!«, verkünde ich und zerre Paul entschieden zurück.

Nützt nichts! Paul rührt sich keinen Zentimeter von der Stelle. Schwanzwedelnd schaut er zu Sören hoch, der in immer höheren Tönen vor sich hinpalavert.

»Wer Tore schießt wie Jörgilein, der muss auch gut zu knutschen sein!«

»Ihr könnt mich beide mal!«, knurre ich und versetze Sören mit der linken und Paul mit der rechten Handfläche einen ordentlichen Dämpfer auf die Flanke.

Ein Quieken von links, ein Quieken von rechts. Sören fällt die vorlaute Klappe zu, Paul fällt nichts Blöderes ein, als vor Schreck mit einem solchen Satz vorzupreschen, dass mir die Leine aus der Hand rutscht.

Wie ein wild gewordenes Sofakissen rast Paul quer über den Grünstreifen davon, genau auf den Bolzplatz zu.

»Deine Schuld!«, keife ich Sören an. »Du weißt einfach nie, wann Schluss ist!«

Ich erwarte kleinlautes Gebrummel, aber nichts da!

»Doch, das weiß ich!«, sagt Sören stinkig und dreht sich auf dem Absatz um. »Jetzt ist Schluss!«

Er will gehen. Ich fasse es nicht!

»Du kannst doch jetzt nicht gehen!«

Sören geht aber doch.

»Ich bekomme in drei Tagen die Mandeln raus und du …«, plärre ich.

Da dreht er sich endlich um! Aber statt sich reumütig zu zeigen, sprüht er Gift und Galle.

»Mandeln hier, Mandeln da!«, knurrt er. »Ich kann’s nicht mehr hören! Deine dämlichen Mandeln gehen mir tierisch auf die Nerven! Nur weil du deine bescheuerten Mandeln rauskriegst, muss ich mir noch lange nicht alles gefallen lassen!«

Und dann geht er wirklich. Auch wenn ich es ganz und gar nicht fassen kann.

Ich will ihm irgendwas Bedeutsames hinterherrufen, aber meine Aufmerksamkeit wird von etwas anderem beansprucht. Von Johlen und Kreischen aus der entgegengesetzten Richtung. Das hört sich nicht gut an!

Ich blinzle Richtung Bolzplatz und sehe zu meiner Verzweiflung einen undefinierbaren Haufen mitten im Tor hin und her kullern. Der Haufen schreit, der Haufen bellt.

»Sören?«, jammere ich Hilfe suchend.

Vergebens. Sören ist weg. Da muss ich jetzt allein durch. So allein, wie ich in drei Tagen auf dem hell erleuchteten OP-Tisch liegen werde. Es wird wehtun. Aber es muss sein! Ich habe Angst!

»Pauuuuul!«, rufe ich schon von Weitem und renne los.

»Pa…«, bleibt es mir im Hals stecken, als ich sehe, wer von Paul überwältigt worden ist.

Spaghettiblond mischt sich mit Straßenkötergrau. Pauls Wahl ist ausgerechnet auf Natascha gefallen!

Was für ein dummer Hund Paul doch ist! Wie ein typischer Mann reagiert er auf die simpelsten Reize: blöde Tussis in kurzen Röcken. Er leidet unter völliger Geschmacksverirrung!

Ich denke gerade darüber nach, ob ich Natascha nicht einfach noch für ein paar Stündchen mit ihrem haarigen Verehrer allein lassen sollte, als sich Jörg in mein Blickfeld schiebt. Er entert das Tor und versucht heldenhaft, Paul mit dem Fußball abzulenken.

Völlig uninteressant für Paul. Bälle findet er todlangweilig. Er fährt viel lieber fort, Nataschas kunstvoll geföhnte Haare dermaßen abzuschlecken, dass sie wie mit Gel angeschmiert auf der Stirn kleben.

Jörg schaut sich ratlos um, aber seine Fußballfreunde zucken nur die Schultern. Sieht ganz so aus, als bliebe Jörg nichts anderes übrig, als zu Nataschas persönlichem Helden zu werden.

Das muss ich unbedingt verhindern!

»Paul! Aus!«, brülle ich wirkungslos, geselle mich zu Jörg ins Tor und habe augenblicklich das Gefühl, den Verstand zu verlieren.

So nah bin ich Jörg noch nie gekommen. Er steht so dicht neben mir, dass ich nur die Hand ausstrecken müsste, um ihn zu berühren!

Müsste! Mach ich natürlich nicht. Ich strecke die Hand nach Pauls Halsband aus, kann es aber nicht erwischen.

»Paul! Lass sofort los! Bitte! Du kriegst auch meine Wurst heute Abend!«, argumentiere ich Richtung Knäuel und werde komplett ignoriert.

»Tu’s mir zuliebe!«, flehe ich meinen Hund an.

Nutzlos!

Jetzt hilft nur noch eins. Der einzigartige Paul-lahmleg-Trick! Papa hat ihn mal zufällig herausgefunden, als er bei dem Versuch, Paul aus der Waschmaschinentrommel zu bugsieren, außer Atem geraten ist und kräftig in Pauls Ohr geschnauft hat.

Ich pirsche mich an Pauls rechten Lauscher heran, erwische ihn, indem ich Nataschas Spaghettis beiseitefege, und lege los. Pusten. Pusten. Pusten.

Es wirkt sofort. Paul hält inne und lässt ein wohliges Fiepen von sich. Ich lege nach und puste gegen all die undefinierbaren fettig glänzenden Knorpelchen in Pauls Schlappohr, bis er so verzückt ist, dass er willenlos die Pfoten von Nataschas Hüften lässt.

So lange puste ich, bis Paul wie hypnotisiert auf dem Rücken liegt und lauthals hechelt.

Natascha sieht aus wie ein abgenutzter Wischmopp nach dem Frühjahrsputz und ahnt wohl selbst, dass sie nicht mehr viel hermacht. Jedenfalls krabbelt sie, nach einem tödlichen Blick in meine Richtung, aus dem Tor und macht sich in Lisas und Pias Windschatten wutschnaubend vom Acker.

»Frisör! – Teuer! – Schmerzensgeld!«, höre ich sie noch rufen, dann wird es ganz still.

Verdächtig still. Und als ich, immer weiter pustend, einen Blick Richtung Spielfeld richte, sehe ich auch, warum.

Zwanzig aufgeklappten Jungsmündern fehlt die Sprache. Und mitten unter ihnen Jörg.

Die Alte pustet ihrem Hund ins Ohr! Wie eklig!

Ein Satz heißer Ohren oder Flucht? Beides! Mit hochrotem Kopf und glühenden Lauschern schnappe ich mir die Leine und ziehe Paul, schlaftrunken vor lauter Puste-Wonne, hinter mir her über das Spielfeld, bis er endlich auf die Beine kommt und ich irgendwann keine stechenden Blicke mehr in meinem Rücken spüre.

Das war’s! Aus! Vorbei! Ich weiß, wann Schluss ist! Jetzt! Ich hab mir ein für alle Mal die lang ersehnte Chance vermasselt, Jörg von meiner Verliebungswürdigkeit zu überzeugen. Ich kann ihn mir aus dem Kopf schlagen!

Und deshalb erscheinen mir Komplikationen mit tödlichem Ausgang mit einem Mal als eine wunderbare Zukunftsvision.

Hals-Nasen-Ohren-Klinik, ich komme!