Foto Titelseite:
Jesusdarstellung in der Jakobuskirche Weimar – Christus auf dem Kanzelaltar
© Roland Weber 2015
Mit seiner Darstellung, die nach einer Vorlage der Kopenhagener Frauenkirche geschaffen wurde, führt uns der Künstler einen Christus mit einer typisch römischen Herrschergeste wohl unbeabsichtigt, aber dennoch sinngetreu vor und weist auf die römischen Quellen dieses Glaubens hin. Der Umhang erinnert zudem an die Kleidung der Kyniker.
Satz und Gestaltung: FPW-Verlagsdienstleistungen, Mannheim
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Books on Demand GmbH Norderstedt
ISBN: 9783741216862
Mit einer Religion, die sich das römische Weltreich unterworfen und den weitaus größten Teil der zivilisierten Menschheit 1800 Jahre lang beherrscht hat, wird man nicht fertig, indem man sie einfach für von Betrügern zusammengestoppelten Unsinn erklärt. Man wird erst fertig mit ihr, sobald man den Ursprung und ihre Entwicklung aus den historischen Bedingungen zu erklären versteht, unter denen sie entstanden und zur Herrschaft gekommen ist. Und namentlich beim Christentum. Es gilt eben die Frage zu lösen, wie es kam, dass die Volksmassen des Römischen Reiches diesen noch dazu von Sklaven und Unterdrückten gepredigten Unsinn allen anderen Religionen vorzogen, sodass endlich der ehrgeizige Konstantin in der Annahme dieser Unsinnsreligion das beste Mittel sah, sich zum Alleinherrscher der römischen Welt emporzuschwingen.
Karl Marx
So soll alles, was jetzt noch an Gottes Botschaft verborgen ist, ans Licht kommen, und was jetzt noch an ihr unverständlich ist, soll verstanden werden.
Jesus, nach Markus 4,21
Glaube in irdischen Dingen ist das Eingeständnis, nicht genug zu wissen. Glaube in religiösen Dingen ist die Einfalt zu glauben, genug zu wissen.
Erkenntnis des Autors
Einstieg
Ich schreibe ein Buch über Religion und Christentum, weil
Ich bin weder Historiker noch Linguist noch Theologe noch sonst eine wissenschaftlich renommierte Person. Als äußerst störend hat sich für mich bei meinen Untersuchungen allerdings herausgestellt, dass so gut wie keine Informationen angeboten werden, wie, warum und was man jeweils als Grundlage für diese Religion überhaupt ansieht. Welche Dokumente liegen denn überhaupt vor, die als Evangelien angesehen werden können? Was tatsächlich vorliegt und historisch eingeordnet werden kann, sind offensichtlich bis ins 3. Jahrhundert nur Papierfetzen. Vollständige Texte lassen sich als Abschriften erst finden, als die Kirche den Machtkampf für sich entschieden hatte. Wie kann man da exakt datieren oder aus den unterschiedlichen Texten verbindliche Versionen bestimmen?
Ich sehe mein Anliegen darin, einem Interessierten auf möglichst einfache Weise möglichst viel Wissen anhand der Auswertung der zahlreichen Literatur zu vermitteln. Auch dies ist schon eine Aufgabe, die von anderen Darstellungen abweicht. Dem Leser soll es anhand der besprochenen Forschung und einer vorgelegten These erleichtert werden, sein Wissen bzw. seinen Glauben zu hinterfragen. Da der Glaube für jedermann gelten soll und allgemeingültige Wahrheiten beinhaltet, erlaube ich mir somit als unfreiwillig Betroffener (mit Steuergeldern – auch von mir als Religions- und Kirchenfernem – werden Bischöfe bezahlt) das Einzige in die Waagschale zu werfen, was mir gegeben ist: die Ergebnisse der vorliegenden Forschung zu referieren und vor allem mit meinem eigenen Verstand dort Antworten zu suchen, wo andere aufhören nachzufragen. Andere Autoren haben aufgrund ihres Fachwissens genug Material zusammengetragen, das nur darauf wartet, durch Leser verarbeitet und dabei auch einmal gut durchgemischt zu werden. Dabei sollte man sich auf die vermittelte Ethik und die Botschaften konzentrieren, wie sie in den biblischen Texten dargeboten werden. Die Untersuchung wird zeigen, dass hinter diesen Schilderungen und Gleichnissen und den darin enthaltenen Wertungen oft ganz andere und vor allem sinnstiftende Motive stehen. Dass die christliche Ethik eine besonders anspruchsvolle und nachahmenswerte Vorlage für das eigene Leben und die Gesellschaft sei, ist eines der größten Missverständnisse und Irrtümer, wie die Untersuchung zeigen wird.
Hinweis: Wenn ich in meinem Text von Lesern spreche, dient das lediglich der Vereinfachung, aber ich möchte selbstverständlich die Leserinnen mit einschließen.
Als Jurist stört mich ein inhumanes Weltbild, stören mich Unwahrheiten, dreiste Lügen gar, als Jurist stören mich Vorteilsverschaffung und Ungleichbehandlung, als Jurist stört mich Ungerechtigkeit und als Jurist stören mich Verbrechen – ungesühnte und unbereute vor allem. Ich zolle den vielen Autoren, die sich schon um die Aufklärung der Menschen bemüht haben, großen Respekt und kann mich in fachlichen Fragen auch gar nicht auf eine Stufe mit ihnen stellen. Aber ich hoffe, dass ich durch die Aufnahme ihrer Gedanken und den daraus ableitbaren Schlussfolgerungen zu mehr Klarheit beitrage. Ich stelle mich mit ihnen allerdings immer dort auf eine Stufe, wo es die Schlüssigkeit des Denkens betrifft. Wenn der Prozess Jesu so nicht stattgefunden haben kann, dann muss ich die Schilderung eines allzu leichtgläubigen und gutwilligen Autors verwerfen. Nicht ohne selbst darzulegen, warum. Doch das steht nicht im Vordergrund. Was ich versuchen kann und will, ist, ihre Untersuchungen, Belege, Beweise, Argumentationen und Schlussfolgerungen zu sammeln und zu verarbeiten und andere, die auf der Suche nach der Wahrheit gegen diese religiösen Wahrheiten sind, mit meinen mal ergänzenden, mal relativierenden, mal hinterfragenden Gedanken, Schlussfolgerungen und Erläuterungen zu unterstützen und herauszufordern.
Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der Untersuchung der theologischen Struktur dieser Religion und damit der vorliegenden Texte. Manches kann man gar nicht oft genug sagen, um die Denkblockaden zu durchbrechen. Denn das ist das teilweise Absonderliche, dass Autoren, die sich erfolgreich um die Aufdeckung von Irrtümern und Fälschungen bemüht haben, am Ende doch kein klares Resümee ihrer Bemühungen vorlegen, so z. B. Crossan, Ranke-Heinemann, de Rosa, Zander, Augstein, Spong; selbst bei Deschner oder gar Specht und vielen anderen fehlen klare Worte zum Abschluss. Es ist geradezu verblüffend, mit welchen Kehrschleifen da in den letzten Worten oft doch wieder alles offen gelassen wird. In Glaubensfragen gibt es jedoch auch eine Zurückhaltung, Sachlichkeit und Neutralität, die diesem Thema im Ergebnis dann gerade nicht mehr gerecht wird. Das Resümee liest sich entgegen den gefundenen Ergebnissen dann geradeso, als könnte man diesen Glauben noch als denkbare Variante stehen lassen. Kann man aber nicht.
Hier soll ausschließlich das Christentum hinsichtlich seines Wahrheitsgehalts unter historischen Gesichtspunkten untersucht werden. Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, sollte man zumindest vier Themen strikt trennen, die in der Diskussion immer wieder vermengt und dann zu argumentativem Verkennen, Ausweichen und Ablenken eingeführt werden:
Jede dieser Fragen bietet eine nahezu unbegrenzte Anzahl von Aspekten. Untersuchungsthema ist hier nur die Nummer drei, der historische Wahrheitsgehalt der Evangelien, der Apostelgeschichte und der Briefe des Paulus. Soweit geboten, wird auch auf die Auswirkungen des Christentums und den Zusammenhang zur römisch-katholischen Kirche und den christlichen Kirchen im Allgemeinen eingegangen. Diese Aspekte werden nur aufgegriffen, wo sie für das Verständnis der Auswirkungen von Religion, Glaube und Kirchen und für das Erfordernis, sich mit Religion zu befassen, von Bedeutung sind.
In Stichworten möchte ich zunächst einmal die einfachen und heutzutage von unabhängigen Historikern und Forschern durchgängig anerkannten Fakten auflisten, die nach meiner Erfahrung vielen Gläubigen jedoch weitgehend unbekannt sind. Diese Umstände, wie sie durch die kritische Forschung vorgestellt werden, sollte man kennen und berücksichtigen, wenn man das Christentum realistisch beurteilen möchte:
Diese Aufzählung ist keine Zusammenfassung meiner überbordenden Fantasie, sondern die Sachlage nach Auffassung zahlreicher kritischer Historiker und Bibelforscher – vgl. dazu die Literaturangaben im Anhang. Deren Untersuchungs- und Forschungsergebnisse werden öffentlich nicht bestritten, sondern einfach nur totgeschwiegen. Nichts wäre für die Wahrheitsfindung und die Kirchen schlimmer, als wenn darüber offen und breit diskutiert würde. Dass das so ist und auch in Zukunft nicht zu erwarten ist, dass eine offenere Diskussion stattfindet, ist der eigentliche Skandal in einer sich aufgeklärt nennenden Gesellschaft. Viele Autoren verweisen zu Recht auf den Umstand, dass selbst Theologiestudenten etwas ganz anderes lernen als das, was sie später ihrer Gemeinde predigen.
Auch wenn viele Fragen durch die Forschung geklärt sind und ganz andere Antworten gefunden wurden, als kirchlich überliefert und gepredigt wird, bleiben genug Fragen, bei denen auch die kritische Wissenschaft keine plausiblen Antworten gibt. Das liegt mit größter Wahrscheinlichkeit daran, dass man immer noch zu sehr der traditionellen Denkweise verhaftet ist und die Hintergründe somit nicht richtig deutet.
Jede Religion nimmt für sich in Anspruch, dass sie eine höhere Wahrheit verbreitet und Gottes Vorstellungen von seiner Schöpfung widerspiegelt. Dass genau dies ein menschlicher Wahn und dass das hier untersuchte Christentum eine gezielte Erfindung ist, soll anhand der Texte und der kritischen Literatur dargelegt und begründet werden.
Die Evangelien enthalten eine Fülle von merkwürdigen Widersprüchen, die es gerade dann nicht geben dürfte, wenn man einen göttlich inspirierten Text vor sich hätte:
Mit diesen Fragen ist hoffentlich die Neugier des Lesers geweckt, und ich werde versuchen, hierzu eine schlüssige These anzubieten.
Dazu muss man sich zunächst einmal über die Quellenlage Klarheit verschaffen. Ich kann nur darauf hinweisen, dass nach Auffassung vieler Forscher keinerlei überzeugende außerchristliche Quelle über den historischen Jesus oder die Entstehung des Christentums vorliegt. Alles, was an Zeugnissen aufgeboten werden kann, stammt aus christlichen Quellen. Dies wurde u. a. von Detering in seinem Buch Falsche Zeugen ausführlich dargelegt. Die vermeintlichen außerchristlichen Zeugnisse stellen sich bei genauerer Untersuchung als wertlos heraus. Für das Verständnis kommt erschwerend hinzu, dass die Ausgangstexte weit über tausend Jahre ausschließlich in kirchlicher Hand waren und jede Form abweichender Meinungen unnachsichtig verfolgt wurde. Es kommt bis heute dazu, dass die Texte geändert werden. Heute sicherlich mehr behutsam, aber wie sich das auswirkt, will ich im Folgenden beispielhaft an zwei neueren Übersetzungen zeigen. Dass vieles gefälscht oder missverstanden wurde, ist vollkommen unstrittig. Zunächst aber der Sachstand, wie er von kirchlicher Seite inzwischen eingeräumt wird, aber vielen Menschen nicht bekannt sein wird. Hier soll nur verdeutlicht werden, wie leicht durch Änderung von Worten auch der Sinn verändert werden kann – gewollt oder ungewollt.
Zitate aus der Einheitsübersetzung Das Neue Testament – herausgegeben im Auftrag der Bischöfe Deutschlands und des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland u. a., Pattloch Verlag Aschaffenburg 1979; Katholische Bibelanstalt GmbH
Das Neue Testament enthält eine Fülle von Irrtümern und bewussten Falschdarstellungen, denen in den folgenden Kapiteln nachgegangen wird. Untermauert werden diese Erkenntnisse und Bedenken auch für allzu Gläubige, wenn sie erst einmal zur Kenntnis nehmen, was selbst in Fußnoten streng christlicher Werke zugestanden wird. An dieser Stelle ist zudem darauf hinzuweisen, dass selbst die jeweils zu ihrer Zeit als offizielle Bibelübersetzungen geltenden Versionen bis in die letzten Jahrzehnte immer wieder nachgebessert und verändert wurden und werden. Mit der Begründung, dem zeitgemäßen Sprachgebrauch Rechnung tragen zu wollen, erfolgen jedoch bewusst oder unbewusst zwangsläufig auch inhaltliche Änderungen. Aber diesen Gründen soll hier noch nicht nachgegangen werden. Hier soll anhand eines offiziell kirchlich abgesegneten Dokuments verdeutlicht werden, wie unbekannt vielen Menschen selbst inzwischen erforschte, doch oft anders geglaubte Textstellen immer noch sind.
Ausgewählte Textstellen und Zitate werden im Folgenden immer in kursiver Schrift wiedergegeben. Die Anmerkungen zum Bibeltext finden sich in einer neueren Bibelübersetzung (Die Gute Nachricht, Die Bibel in heutigem Deutsch, herausgegeben von der Deutschen Bibelgesellschaft – evangelisches Bibelwerk – und dem katholischen Bibelwerk) schon nicht mehr.
Von zuverlässig kann schon allein im Hinblick auf den Zeitabstand keine Rede sein. Da sich die Evangelien regelmäßig auch in wichtigen Aspekten widersprechen, ist das Mitwirken einer höheren Einsicht von vorneherein eine absurde Annahme. (Fast) vollständige Texte liegen sogar erst aus der Mitte des 4. Jahrhunderts vor – der Codex Sinaiticus und der Codex Vaticanus.
Mit dieser Formulierung soll lediglich notgedrungen der Forschungsstand verschleiert werden, dass die Autoren der Evangelien vollkommen unbekannt und deren Namen reine Fiktion sind – von späteren Nachbearbeitungen ganz zu schweigen. Es sind nach einhelliger Meinung keine Jünger / Apostel oder sonstige nähere Zeugen, die diese Werke verfasst haben.
Der erste Satz gilt inzwischen als Tatsache, der zweite ist lediglich Glaube. Am bemerkenswertesten ist jedoch genau das Verschweigen dieser Katastrophe und die Romfreundlichkeit der Evangelien. Wenn Fälschungen (siehe auch Paulusbriefe), dann kommen immer Schüler ins Spiel. Und auch, dass Evangelien außerhalb Palästinas geschrieben wurden – mindestens zwei, viel wahrscheinlicher aber alle –, dürfte so nicht allgemein bekannt sein.
Frauen in einem Stammbaum aufzuführen, ist für damalige Zeiten tatsächlich ungehörig – insbesondere, wenn es sich auch noch um Huren und Ehebrecherinnen handelt. Immerhin wird das doch für eine Bemerkung wert gehalten – wenn auch ohne Verständnis. Wir werden auf die denkbaren Gründe zu sprechen kommen. Auch dies ist ein wichtiges Indiz für die von mir bzw. dem Autor Atwill vertretene These.
Dass die ganze Geschichte ohnehin nur eine vollkommene Erfindung ist, wird später auch anhand der christentumskritischen Literatur ausgeführt. Hier soll nur darauf hingewiesen werden, dass inzwischen auch die Kirchen von Sterndeutern und nicht mehr von Königen sprechen. Somit sind auch die Reliquie eines Dreikönigenschreins im Kölner Dom, die beliebten Umzüge von Sternsingern als Königen, der Feiertag Dreikönig sowie die beliebten Haustürbeschriftungen mit den Anfangsbuchstaben der in keinem kanonischen Evangelium genannten Namen dieser Könige obsolet. Gleichwohl ignoriert der Volksglaube diese Forschungsergebnisse und die selbst von den Kirchen berichtigten Texte auch hier hartnäckig. Die Kirchen sehen offenbar keinen Anlass, auf die Gläubigen in ihrer Volksfrömmigkeit erläuternd oder irgendwie korrigierend einzuwirken.
Auf diese beiden Erklärungen kann man gar nicht eindringlich genug hinweisen. Die Konsequenzen daraus könnten durchaus als gigantisch angesehen werden und allein dies das gesamte Neue Testament als glaubhafte Quelle ausscheiden lassen. Die Verfasser dieses Textes ahnen sicherlich nicht einmal, welches Tor sie mit ihrem Hinweis auf Rom aufmachen. Dazu am Ende des Buches in aller Ausführlichkeit. Dass es in der ersten Fassung eines Evangeliums und der zugestandenen Vorlage für alle anderen Evangelien gar keine Auferstehung, sondern nur einen verschwundenen Leichnam bzw. ein leeres Grab gab, was die Frauen nach dieser Textversion lediglich mit Schrecken und Entsetzen erfüllte, sodass sie nicht wagten, irgendjemandem davon etwas zu erzählen, weil sie sich fürchteten, müsste bei jedem Leser die Alarmglocken läuten lassen. Man lese einmal diese Vorlage als erstes Evangelium mit diesem Schluss (Ende 16,8!) – dann wird man für andere Schlussfolgerungen vielleicht offener sein.
Auch hier kann man wieder etwas lernen. Zum einen, dass ganz offensichtlich und selbst für die Kirchen bekenntniswürdig hineingefälscht wurde. Und zwar mitten in ein Werk hinein – was ja auch zu denken gibt – und nicht nur am Schluss. Kein anderes Evangelium kennt diese anrührende Geschichte, ebenso wenig wie die Episode um die Totenerweckung des Lazarus. Merkwürdig, dass dies den anderen nicht berichtenswert erschienen sein soll. Der kreative Hinweis im zweiten Satz dient nur dazu, diese Peinlichkeit zu verschleiern.
Wie beschönigend darf man Rettungsversuche noch gestalten? Wenn dem Verfasser Johannes das Erscheinen des Auferstandenen berichtenswert gewesen oder ihm eingefallen wäre, dann hätte er es sicherlich selbst erwähnt und sich nicht mit einer Weitergabe an einen angeblichen Schülerkreis begnügt. Immerhin geht es hier ja um einen eindrucksvollen Bericht über das Erscheinen des Auferstandenen und die Legitimation eines Petrus als Nachfolger.
Auch hier kann man wieder Formulierungskunst lernen, wie man sich um klare Aussagen und Eingeständnisse noch herumdrücken kann. Lukas hat die Briefe des Paulus nicht nur nicht benutzt, er hat sie ganz offensichtlich überhaupt nicht gekannt. Und das, obwohl das Wirken des Paulus ja angeblich auf seine Missionstätigkeit und vor allem seine brieflichen Gemeindebetreuungen zurückgehen soll. Wie hanebüchen die Apostelgeschichte sonst selbst ist, dazu später mehr. „Kein Zweifel“ und „sicher“ sind Einschübe, die nach heutigem Forschungsstand genau das Gegenteil besagen. Die Unkenntnis des Lukas (um 80) von irgendwelchen Briefen des Paulus, welcher der Held seiner Apostelgeschichte ist, spricht deutlich gegen die Existenz eines Paulus um die Jahre 40 bis 55. Dazu später mehr.
Nun wollen wir uns auf die Suche machen, um aufzudecken, wie das Christentum mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit entstanden ist. Ich verlasse jetzt die Bahnen herkömmlicher Sicht- und Deutungsweisen und stelle eine völlig neue Sicht vor, mit der ich dem Autor Atwill im Ansatz folge und die Konsequenzen aus den verschiedenen Texten – sowohl der Evangelien als auch der Literatur – deutlich mache. Dazu verwende ich der Einfachheit halber immer wieder den Begriff „Römische Schreibstube“, um auf die Urheberschaft hinzuweisen. Diesen Begriff verwende ich, um bildhaft auf die wahre Autorenschaft bzw. die starken Indizien in dieser Richtung hinzuweisen. Es soll damit gezeigt werden, wer als geistiger Schöpfer hinter den Evangelien und dem Anfang des Christentums steht.
Kurz: Das Christentum hat sich nicht aufgrund einer neuen Religiosität aus dem Judentum heraus entwickelt, sondern wurde aus den Interessen der römischen Besatzer heraus geschaffen. Genau diese These gilt es im Folgenden anhand der Texte zu belegen.
Ausgangspunkt für meine Begriffsbezeichnung ist die von mir aufgegriffene Auffassung Joseph Atwills, wie er sie in seinem Buch Das Messiasrätsel – Die Geheimsache Jesus darlegt. Der Autor befasst sich seit Jahrzehnten mit der Erforschung des Christentums. Darauf können andere Autoren sicherlich auch verweisen, aber nicht auf ein derart überzeugendes Ergebnis.
Seine ganz wesentliche Erkenntnis ist dabei, dass es sich nicht einmal um verschiedene Autoren handelt, sondern dass die Evangelisten quasi als Team zusammengearbeitet haben; für mich: dass sie aus einer gemeinsamen Schreibstube stammen. Die Widersprüche, an denen andere Autoren oft genug verzweifeln, entlarvt er als beabsichtigte Kompositionen, abgestimmte Unstimmigkeiten und ganz bewusste Verwirrungen. Hinter all dem steckt ganz einfach eine zersetzende, bissige römische Ironie, eine Veralberung, ein Sarkasmus und ein Zynismus. Es sind stilistische Mittel, welche die bisherige Religion, die zu andauernder Feindschaft zwischen Rom und den Juden geführt hatte, sabotieren, d. h. ihrer politischen Sprengkraft – insbesondere der Befreiung durch einen Messias – berauben sollte. Der Grundgedanke war der, dass man nicht mehr auf die Befreiung durch einen Messias setzen sollte, da dieser schon da gewesen sei und eine friedliche Botschaft überbracht habe. Um das zu verstehen, muss man sich in die Zeit zurückversetzen, in der sich die Geschichte zugetragen haben soll. Der Jesus der Evangelien wurde in einer historischen Zeit angesiedelt und dies gilt es zu berücksichtigen. Vor allem ist dabei von Bedeutung, dass die Besatzung durch die Römer zur Krise im Judentum und zur Suche nach Erlösung geführt hat.
Da ich mich mit dem Gedanken trug, selbst einmal all das zusammenzustellen, was von zig Autoren in den Evangelien schon als unerklärliche Merkwürdigkeiten, als falsche oder gefälschte Elemente aufgedeckt worden war (vgl. Literaturliste), bezog ich dieses Werk – nach vielen anderen – ebenfalls in meine Nachforschungen ein. Die Titel der Bücher, in denen sich Autoren mit den Glaubensgrundlagen befassen, sind oft etwas reißerisch. So auch hier, sodass ich mit einiger Skepsis zu lesen begann. Die aber wich schon bald der Erkenntnis, dass seine Überlegungen um Längen alles übertrafen, was ich bisher von anderen als Entschuldigung, als Rechtfertigung, an Ausflüchten oder an Ratlosigkeit zum Thema Jesus und der Entstehung der Evangelien gelesen hatte. Um das Ganze auf den Punkt zu bringen, zitiere ich zunächst die Einführungen des Verlags zu diesem Buch (Einband):
Wer diese Schlussfolgerungen zum ersten Mal liest, wird vermutlich denken, dass das wohl ein Scherz sein soll, oder hält die Aussagen im ersten Reflex für vollkommen abwegig. Ich sehe die Schlussfolgerungen inzwischen als vollkommen überzeugend an und kann nur dazu ermuntern, sich auf die Beweisführung einmal einzulassen. Atwill schildert immer wieder die Parallelen zwischen dem Jüdischen Krieg, wie ihn der Historiker Flavius Josephus verfasst hat, und dem Text der Evangelien. Die Parallelen und Abstimmungen zwischen den Werken sind derart frappant, dass man genau diese Schlussfolgerungen ziehen kann oder gar ziehen muss. Am beeindruckendsten ist vielleicht seine Rätselauflösung, wer wann am Grab war. Schließlich berichtet jeder Evangelist etwas anderes. Auf seine Beweisführungen und Schlussfolgerungen will ich nur kurz eingehen, da sich die Urheberschaft für mich vor allem aus zahllosen anderen Gesichtspunkten ergibt.
Atwill untersucht die Werke des Flavius Josephus – Jüdische Altertümer und Der jüdische Krieg – als historische Berichte und die Evangelien als religiöse Begleitung in ihrem Zusammenspiel. Alle Werke sind danach unter seiner Federführung und mit Josephus als Hauptautor entstanden. Wenn Atwills Annahme zutreffend ist, so war nun meine Meinung, müsste sich das im Härtebeweis, das heißt in der Auswertung der Evangelien selbst, auch überzeugend nachweisen lassen. Dabei kann man sogar auf vieles zurückgreifen, was inzwischen selbst unter weniger kritischen Forschern als gesicherter Sachstand angesehen wird. Als da wären:
Diese Aufzählung möge als Wiederholung zur Einführung genügen. Die Nachweise dieser Merkmale wird durch die Analyse der Texte später unterfüttert. Mit der Sichtung einer Literaturauswahl verweise ich auf die Werke anderer Autoren und stelle diese einmal ins „römische Licht“. Aber selbst für den, der sich der Ansicht Atwills nicht anschließen mag und keinen Zusammenhang zu Josephus sehen will, trage ich hoffentlich genug Aspekte vor, die keinen anderen Schluss mehr zulassen, als dass die synoptischen Evangelien (Markus, Lukas und Matthäus) aus einer römische Quelle stammen oder ganz in römischen Interesse geschrieben wurden. Und: Es war gewiss keine jüdische Sekte an der Entstehung und Verbreitung beteiligt. Wer die Texte aufmerksam liest, stößt immer wieder auf Stellen, die für Juden undenkbar gewesen wären – diese Religion allein war mit einer Abkehr von einem einzigen Gott schon obsolet. Denn von Anfang an wird Jesus als höheres Wesen und nicht einfach als Mensch mit besonderer Begabung dargestellt. Allerdings weichen die Darstellungen auch von Anfang an erheblich von einander ab. Matthäus und Lukas verkünden eine göttliche Geburt. Der älteste Evangelist weiß von den Umständen der Geburt nichts zu berichten und auch ein Paulus weiß nichts von einer Reise nach Bethlehem, einer jungfräulichen Geburt oder anderem, was heute Teil des Glaubens ist.
Bei all diesen Widersprüchen und Unvereinbarkeiten stellt sich die Frage nach der wirklichen Autorenschaft. Atwill sieht hinter dem Ganzen vor allem Flavius Josephus, der als übergelaufener Jude und von Kaiser Vespasian adoptierter Sohn ein großes Interesse an einer Befriedung seiner Heimat hatte. Josephus war zunächst jüdischer Anführer im Krieg gewesen, der im Jahr 66 zwischen Judäa und den Römern ausgebrochen war, wurde gefangen genommen und lief zu den Römern über. Daneben sieht Atwill auch Berenike, die ebenfalls als Jüdin und Geliebte des Titus dem römischen Kaiserhof angehörte, sowie den Juden Tiberius Alexander, der als Feldherr in römischen Diensten auch in Alexandria mit aller Härte gegen seine Glaubensgenossen vorgegangen war. Auf der Schreiberseite war also genug jüdisches Wissen vorhanden, um einen gezielten Angriff auf die Glaubensinhalte eines religiös widerspenstigen Volkes unternehmen zu können. Im Hintergrund dürften die Berichte auch als Schmeichelei gegenüber Vespasian bzw. gegenüber dessen Nachfolger Titus als verkündetem Christus gestanden haben. Dieser wird in einer Doppelrolle in den Evangelien präsentiert: Einerseits als Unglück androhender und warnender Feldherr, andererseits als nachsichtiger Christus. Diesem positiven Jesus stellt Josephus aber den abstrus agierenden und scheiternden jüdischen Messiasanwärter gegenüber. Dass dieser Jesus in seinem Reden und seinem Verhalten widersprüchlich ist, fiel schon nahezu jedem Historiker auf. Wenn man aber verstanden hat, dass da nicht ein Jesus, sondern zwei Jesusse mit unterschiedlichen Botschaften und Absichten unterwegs sind, lösen sich die Widersprüche sehr schnell auf. Die Spur für ein derartiges Komplott führt nur nach Rom, damit vor allem zu Josephus und Co. und in eine dortige Schreibstube. Josephus hatte alle Veranlassung, dem Kaiserhaus für dessen Gnade schriftstellerisch dankbar zu sein. Mit seiner Schreibstube konzipierte Flavius Josephus vermutlich alle drei synoptischen Evangelien. Als synoptische Evangelien bezeichnet man die drei ältesten, Markus, Matthäus und Lukas, da sich diese untereinander gut vergleichen lassen und ihre Inhalte sich weitgehend entsprechen. Einhellige Meinung in der Forschung ist dabei, dass Matthäus und Lukas Markus als Vorlage benutzt und aus einer weiteren Quelle (Q) ergänzt haben. Diese Ausarbeitung geschah ganz sicher in enger Abstimmung mit der Kaiserfamilie. Die Evangelien widersprechen sich nach dieser These nicht, wie fast alle Welt ständig beklagt und kritisiert – nein, sie sind aufeinander abgestimmt und irritieren ganz bewusst. Aufgrund des Erfolges muss man dies heute als genialen Schachzug bezeichnen. Und so mag man sich mit Fantasie ausmalen, wie diese Truppe ans Werk ging. Der militärische Ausdruck passt sogar genau, da sie sich wohl als literarische Kämpfer für ihre höhere Sache, der Sache des Kaiserhauses, verstanden. Mit Fantasie kann man sie sich möglicherweise sogar bei einem oder mehreren Bechern Wein vorstellen, wenn sie ihre Ideen und Anspielungen unter Gelächter hin und her wälzten und zu Papier brachten. Der Clou an dieser Geschichte: Episoden aus dem Krieg wurden in den Evangelien als verklausulierte Erfolgsgeschichte und Perspektive für einen Glauben an den siegreichen Feldherrn und späteren Kaiser eingearbeitet. Mit meinen Ausführungen will ich darlegen, wie es zu dieser Erfindung einer Religion kommen konnte.
Was bei nahezu allen anderen Autoren vollkommen übersehen wird bzw. ein Umstand, welchem keine Bedeutung beigemessen wird, ist, dass die römischen Kaiser seit Augustus immer auch als Gott verehrt wurden bzw. zu verehren waren. Wenn sie sich – insbesondere mit den Juden – herumschlugen, und dies im wahrsten Sinne des Wortes, dann war das auch ein Kampf Gott gegen Gott. Uns wird das heute lächerlich vorkommen. Man darf diese Vergöttlichung jedoch nicht im Sinne unseres heutigen Gottesverständnisses (Allmacht, Allwissen etc.) sehen, sondern sollte diese Hervorhebung viel eher mit heutigen Heiligenverehrungen vergleichen. Auch damals ging es schon um einen Kampf der Systeme, egal, was die wahren Gründe hinter den ideologischen Vorsätzen waren. Aber selbst eine Trennung zwischen politisch und religiös sehen zu wollen, ist schon ideologisch geprägt. Diese Trennung trifft damals noch weniger zu als heute. Religion war Politik und Politik Religion. An der Spitze Roms stand seit Augustus nicht nur ein „Cäsar“, sondern immer ein auch als Gott zu verehrender Kaiser. Auf Seiten der Juden stand nach ihren Vorstellungen Jahwe und ein erwarteter Messias.
Kurz: Ein siegender römischer Gott(-Kaiser) sollte durch die Schaffung einer neuen Anbetungsreligion dem Sieg über die Juden und ihrem jüdischen Gott für alle Zukunft Ausdruck und Gestalt geben.
Die heimtückische Methode, mit der man dies umsetzen wollte: Die Besiegten sollten auf keinen Fall bemerken, dass ihre Religion nunmehr gegen sie verwendet wurde. Der neue Glaube wurde als denkbare und zu glaubende Fortsetzung des jüdischen Glaubens präsentiert. Glaube macht blind und darauf setzte auch Josephus. Die Juden in Palästina und im gesamten römischen Reich sollten auf einen „neuen Weg“ (so mehrfach gerade bei Lukas) geführt werden, der den Interessen Roms diente. Es durfte gerade nicht auffallen, dass dieses Aufpfropfen von außen und von den Siegern erfolgte. Das Aufpfropfen kommt sogar als Thema und Vergleich im Neuen Testament vor – wenn auch gärtnerisch gerade wiederum verkehrt. Dort wird der unedle Trieb auf einen edlen Wurzelstock aufgepfropft. Diese Verfremdungen, Um- und Verdrehungen werden noch genauer dargestellt. Um eine für einfache Menschen glaubhafte Botschaft überbringen zu können, mussten jüdische Elemente mit neuen Elementen und neuen Inhalten vermischt werden. Die Unterdrückung musste als Gottes Entscheidung und Gottes Wille dargestellt werden. Der Messias wurde zu einem friedlichen Messias umgestaltet. Für den erwarteten und in der Vorstellung des jüdischen Volkes existenten Messias musste eine feindliche Übernahme erfolgen. Die Erwartungen wurden umgeleitet, vor allem von der Erde ins Jenseits und von einem himmlischen in einen zusätzlichen, auf der Erde wandelnden Gott. Aus dem erhofften Reich Gottes auf Erden schufen sie ein tröstendes Himmelreich im Jenseits.
So wurden dann auch Elemente der Philosophie (Kyniker sind deutlich nachweisbar), der griechischen Mythologie (Herakles ist deutlich nachweisbar) oder auch der arabischen Nomadenreligionen (Fruchtbarkeitsgott Issa ist nachweisbar) übernommen und als Bausteine verwendet. Am Ende stand ein für Juden untypischer, neuer, staatstreuer Messias – richtiger: nur ein gescheiterter Messiasanwärter. Der jüdische Anwärter verschwand und der römische Christus konnte auferstehen. Das war der Plan um 70, die geistige Konzeption und die praktische Ausführung durch Agenten danach. Das alles soll dargelegt und belegt werden. Wo immer es dann passt, verweise ich auf die Römische Schreibstube, und dabei kann und muss wirklich offen bleiben, wer im einzelnen hinter einem jeweiligen Einfall oder einer raffinierten Verschleierung steht. Entscheidend ist, woher diese Religion kam und wem sie nutzte.
Wie bereits erwähnt, gilt als nahezu einhellige Meinung, dass Markus sein Evangelium in Rom geschrieben hat. Aber wie seltsam ist denn das? Herkömmlich wird erklärt, dass sich das Christentum aus dem Judentum