Getäuschte Geistheilung

Annika war seit jeher ein schwieriges Mädchen gewesen, das sich nicht mitreißen ließ, wenn wir Unsinn machten, die Nächte durchmachten, die Schule schwänzten.


Wir mochten sie trotzdem und betrachteten sie als eine von uns. Wir, das waren fünf feste Freundinnen, die durch dick und dünn gingen und zusammen den Realschulabschluss machten. Da wir unterschiedliche Berufe erlernten wollten, trennten sich danach unsere Wege und wir trafen uns von da an nur noch alle paar Monate.


Die ersten Jahre kam Annika dazu. Doch sie veränderte sich. Sie wollte uns nicht mehr besuchen, sie schrieb kaum noch eine SMS, und facebook-Einträge lehnte sie sowieso ab.


»Na gut!«, meinte Sophie, eine aus unserer Clique, eines Tages, »dann hat das Ganze keinen Sinn. Wir müssen sie gehen lassen. Lasst uns ihr einen Abschiedsbrief schreiben.«


Alle waren einverstanden und wir schrieben Annika ein paar Zeilen, in denen wir ihr erklärten, dass sie ab sofort ausgeschlossen wäre, sie sich aber trotzdem jederzeit an uns wenden dürfte.


Obwohl ich diese Entscheidung richtig fand, hatte ich kein gutes Gefühl dabei. Hatten wir nicht alle mal Phasen, in denen wir alleine sein wollten?